Werbung als „Ärztlicher Notdienst“
Eigener Leitsatz:
Wird mit dem Zusatz "Ärztlicher Notdienst" für eine Arztpraxis geworben, ist dies nicht deshalb wettbewerbswidrig, weil der konkrete Arzt nicht 24 Stunden verfügbar ist. Der angesprochene Patientenkreis geht von einer Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit gerade nicht aus, sodass fragliche Werbung nicht irreführend ist.
Landgericht Bochum
Urteil vom 30.12.2008
Az.: 13 O 126/08
Urteil
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unbedingte, unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Geldinstituts erbracht werden.
Tatbestand
Der Beklagte inseriert mit der Telefonnummer ### im örtlichen Telefonbuch E unter der Rubrik "Notrufe" mit "Zahnärztlicher Notdienst (alle Kassen)". Im Online-Telefonbuch E1 ist er in der Rubrik "Notrufe" wie folgt eingetragen: "Allgemeiner Zahnärztlicher Notdienst (alle Kassen)"
Bei *Internetadresse* ist der Beklagte in der Rubrik "Ärztlicher Notdienst" zu finden als "Zahnärztlicher Notdienst ZPN". Das Telefonbuch führt den Beklagten in der Kategorie "Notrufe" als "Zahnärztlicher Notdienst". In den Gelben Seiten ist er schließlich unter "Ärztliche Notdienste" eingetragen als "Akut-Zahnärztlicher Notdienst für E". In E wird der von dem Beklagten vermittelte Zahnärztliche Notdienst von der Praxis des Zahnarztes Dr. G, der weitere angestellte Zahnärzte beschäftigt, wahrgenommen. In der Praxis von Dr. G ist die Behandlung von Patienten an sieben Tagen pro Woche in der Zeit von 8.00 bis 22.00 Uhr möglich.
Der Beklagte wirbt mit Notdienstangeboten in insgesamt 15 Städten.
Der Kläger trägt vor: Der Beklagte betreibe wettbewerbswidrige Werbung in Form der Irreführung der Verbraucher. Der potentielle Patient gehe davon aus, dass die Verfügbarkeit eines Zahnarztes rund um die Uhr und nicht nur in der Zeit von 8.00 bis 22.00 Uhr gewährleistet sei. Hierauf müsse der Beklagte in seinem Inserat ebenso wie auf die Tatsache hinweisen, dass es im Gegensatz zu allgemein bekannten Notdiensten hier lediglich um eine Zusammenarbeit des Beklagten mit einer Einzelpraxis gehe. Zudem bestehe eine Verwechselungsgefahr zwischen dem Beklagten und dem öffentlich-rechtlich organisierten Notdienst. Es liege keine Vergleichbarkeit vor, weil der öffentlich-rechtlich organisierte Notdienst ein 24-Stunden-Notdienst sei. Der Beklagte verweise die Anrufer, welche die Nummer aus der Werbung nach 22.00 Uhr anrufen, nicht direkt auf die im öffentlich-rechtlich organisierten Notdienst eingeteilten Zahnärzte, sondern lediglich an die zentrale Notdienstnummer des öffentlich-rechtlich organisierten Notdienstes. In der Praxis des Herrn Dr. G seien von den drei dort angestellten Zahnärzten nur zwei berechtigt, einen Notdienst selbständig durchzuführen, weil sich der dritte Zahnarzt noch im ersten Jahr der Assistenzzeit befinde. Der Beklagte sei verpflichtet, die durch die Abmahnung des Klägers angefallenen Aufwendungen in Höhe von 189,– € brutto zu tragen.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– € -ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten- oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, insgesamt jedoch höchstens 2 Jahre,
zu unterlassen,
selbst oder durch Dritte in Telefonbüchern unter der Rubrik "Notrufe" oder "Ärztlicher Notdienst" mit der Angabe
– "Zahnärztlicher Notdienst (alle Kassen)",
– "Allgemeiner Zahnärztlicher Notdienst (alle Kassen)",
– "Akut-Zahnärztlicher Notdienst für E" oder
– "Zahnärztlicher Notdienst ZPN" zu werben
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 189,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor: Der Betrieb eines privat organisierten Notfalldienstes sei grundsätzlich rechtmäßig. Der Beklagte erfülle sämtliche Erwartungen, die ein hilfesuchender Patient habe und gehe sogar darüber hinaus, was üblicherweise von einem konventionell staatlich organisierten Notdienst erwartet und geboten werde. Bei einem staatlichen Notdienst sei pro Schicht regelmäßig nur ein Zahnarzt für alle Schmerzpatienten zuständig. Die Behandlungsmöglichkeit bei öffentlich-rechtlichen Notdiensten sei keineswegs 24 Stunden am Tag gewährleistet. Bei der Praxis des Herrn Dr. G handele es sich um eine Mehrbehandlerpraxis, in der zur Zeit fünf Zahnärzte dauerhaft tätig seien, von denen nur einer als Vorbereitungsassistent nicht selbständig Patienten behandeln dürfe. Zudem würden Zahnärzte aus anderen Praxen zu einzelnen Notdienstzeiten in Räumen der Praxis Dr. G in Form von freier Mitarbeiter oder Vertretung tätig. Darüber hinaus werde der Patient jederzeit, also 24 Stunden täglich, an einen diensthabenden Zahnarzt oder eine ortsansässige ärztliche Einrichtung weitergeleitet. Der Zusammenschluss mehrerer Zahnarztpraxen bedeute keinerlei Mehrwert an sich und werde von den Patienten auch nicht erwartet. Eine Verwechselungsgefahr mit dem öffentlich-rechtlich organisierten Notdienst liege bereits deshalb nicht vor, weil der Patient sich bei der Kontaktaufnahme mit einem zahnärztlichen Notdienst regelmäßig keine Gedanken darüber mache, ob eine öffentlich-rechtliche oder privat-rechtliche Körperschaft dahinterstehe. Es sei usus, dass eine Notfallnummer sowohl an private, als auch öffentlich-rechtliche Rettungsdienste verweise. Selbst wenn man von einer Verwechselungsgefahr ausgehe, stelle allein die bloße Irreführung keine wettbewerbswidrige Handlung dar. Niemand erleide Nachteile, so dass der Schutzzweck des Irreführungsverbots nicht verletzt sei. Auch die Tatsache, dass nunmehr mindestens zwei zahnärztliche Notdienste in den Notdienstrubriken der Telefonbücher zu finden seien, zeige, dass einer davon privat organisiert sein müsse, da der öffentlich-rechtliche Notdienst stets nur einfach auftrete.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG aktivlegitimiert zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil die Werbung des Beklagten nach Auffassung der Kammer nicht wettbewerbswidrig ist. Ein Verstoß gegen § 5 UWG liegt nicht vor. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung ist die Kammer der Überzeugung, dass der angesprochene Patientenkreis nicht davon ausgeht, dass eine Notfallpraxis 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Vielmehr ist den Mitgliedern der Kammer aufgrund eigener Erfahrung bekannt, dass auch öffentlich-rechtlich organisierte Notdienste in der Regel nur zu bestimmten Zeiten Behandlungen von Schmerzpatienten anbieten. Unstreitig ist die Praxis Dr. G in E täglich, also auch an Wochenenden und an Feiertagen zwischen 8.00 und 22.00 Uhr erreichbar. Eine darüber hinausgehende Erreichbarkeit erwartet der Patient nach Auffassung der Kammer ebenso wenig wie einen Zusammenschluss von mehreren Zahnarztpraxen. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung besteht auch nicht die Gefahr, dass die angesprochenen Patienten den von dem Beklagten angebotenen Notdienst mit einem öffentlich-rechtlich organisierten Notdienst der Zahnärztekammer oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung verwechseln könnten. In der Regel wird sich der Patient keine Gedanken über die private oder öffentlich-rechtliche Organisation machen. Insoweit liegt keine Irreführung vor. Auf die zwischen den Parteien streitigen Fragen, ob in der Praxis Herrn Dr. G drei oder mehr Zahnärzte tätig sind und ob der Beklagte in der nicht von der Praxis Dr. G abgedeckten Zeit Patienten an weitere Notdienste verweist, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.