E-Mail-Werbung: Voreingestelltes Häkchen ist keine Einwilligung

30. August 2019
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E-Mail Icon mit drei neuen E-Mails Urteil des LG München I vom 04.06.2019, Az.: 4 HK O 8135/17

Erteilt der Adressat einer Werbe-E-Mail im Vorfeld weder durch eine zusätzliche Unterschrift, noch durch ein individuelles Markieren eines entsprechenden Feldes (sogenannte „Optin“-Erklärung) die ausdrückliche Einwilligung, stellt die Zusendung von E-Mail-Werbung eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Dies erübrigt sich auch nicht, wenn der Kunde ein Kundenkonto erstellt. In diesem Fall muss eine zusätzlich, vom Erstellen des Kundenkontos getrennte Erklärung abgegeben werden.

Landgericht München I

Urteil vom 04.06.2019

Az.: 4 HK O 8135/17

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an einem ihrer jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr E-Mail-Werbung gegenüber Adressaten zu betreiben, die nicht vorher ausdrücklich mittels einer gesonderten Erklärung im Wege des „Optin“ in den Erhalt von E-Mail-Werbung eingewilligt haben, sondern lediglich, wie bei Nutzung der nachfolgend eingelichteten Internetseite geschehen,

1. mangels Enfernen des Hakens in dem Kästchen vor der Erklärung
,, …H Ja, beraten Sie mich per E-Mail zu Produkten von …H, senden Sie mir wertvolle Tipps von Ärzten und Hebammen und aktuelle Rabattaktionen zu zu“ bei Erstellen eines Kundenkontos bei der Beklagten keine „Optout“-Erklärung abgegeben haben und/oder

2. trotz des Hinweises

Mit meiner Anmeldung stimme ich den AGB und Datenschutzbestimmungen der …| zu und werde über aktuelle Angebote per E-Mail informiert. Diese Einwilligung kann ich jederzeit widerrufen“, bei der Beklagten ein Kundenkonto erstellt haben, wie geschehen in der angehängten Anlage K 2.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 267,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.07.2017 zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 5.000,-, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, wendet sich gegen das Zusenden von E-Mails durch die Beklagte ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers.

Die Beklagte betreibt unter …B einen Onlinehandel für Babyartikel.

Wählte man im Onlineshop der Beklagten ein dort angebotenes Produkt aus, legte es in den Warenkorb und klickte dann den Link „zur Kasse“, so erschien die als Anlage K 2 vorgelegte, im Tenor des Urteils eingefügte Screenshot, auf welchen Bezug genommen wird.

Auf der rechten Bildschirmseite war folgende Erklärung zu lesen, die mit einem bereits gesetzten Haken versehen war:
,, …B Ja, beraten Sie mich per E-Mail zu Produkten von windeln.de, senden Sie mir wertvolle Tipps von Ärzten und Hebammen und aktuelle Rabattaktionen zu zu“.

Um überhaupt Waren im Onlineshop bestellen zu können, war es weiterhin erforderlich, zunächst auf der Website gemäß Anlage K 2 ein Kundenkonto zu erstellen. Bei der Erstellung des Kundenkontos musste der Kunde notwendigerweise seine E-Mail-Adresse angeben. Das Feld „E-Mail-Adresse“ war per Sternchenhinweis als Pflichtfeld gekennzeichnet. Unterhalb der Eingabemaske befand sich auf der in Anlage K 2 abgebildeten Internetseite der Hinweis:
„Mit meiner Anmeldung stimme ich den AGB und Datenschutzbestimmungen der …B B zu und werde über aktuelle Angebote per E-Mail informiert. Diese Einwilligung kann ich jederzeit widerrufen.“

Die Angabe einer Adresse, über die der Widerruf der Einwilligung hätte erklärt werden können, fehlte.

Im Rahmen eines zu Testzwecken eingeleiteten Bestellvorgangs erstellte eine Mitarbeiterin der Klägerin, die Zeugin …B, auf …B ein Kundenkonto und gab dabei ihre private E-Mail-Adresse an. Sie bestellte im Onlineshop der Beklagten jedoch keine Waren, sondern brach den Bestellvorgang vorher ab. Dennoch erhielt sie die als Anlage K 3 vorgelegte Mail, in welcher die Beklagte für ihr Angebot warb.

Dies hält die Klägerin für gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG unzulässig. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Aufnahmevorschrift des § 7 Abs. 3 UWG berufen, weil es tatsächlich nicht zum Abschluss eines Kaufvertrages gekommen sei. Darüber hinaus fehle es an der Voraussetzung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG. Eine Adresse, an die der Kunde seinen Widerruf hätte richten können, sei nicht angegeben worden.

Die Klägerin stellt folgende Anträge:

II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an einem ihrer jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr E-Mail-Werbung gegenüber Adressaten zu betreiben, die nicht vorher ausdrücklich mittels einer gesonderten Erklärung im Wege des „Optin“ in den Erhalt von E-Mail-Werbung eingewilligt haben, sondern lediglich, wie bei Nutzung der nachfolgend eingelichteten Internetseite geschehen,

1. mangels Enfernen des Hakens in dem Kästchen vor der Erklärung
„…H Ja, beraten Sie mich per E-Mail zu Produkten von senden Sie mir wertvolle Tipps von Ärzten und Hebammen und aktuelle Rabattaktionen zu zu.“
bei Erstellen eines Kundenkontos bei der Beklagten keine „Optout“-Erklärung abgegeben haben und/oder

2. trotz des Hinweises
Mit meiner Anmeldung stimme ich den AGB und Datenschutzbestimmungen der …| zu und werde über aktuelle Angebote per E-Mail informiert. Diese Einwilligung kann ich jederzeit widerrufen“, bei der Beklagten ein Kundenkonto erstellt haben, wie geschehen in der angehängten Anlage K 2.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 267,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.07.2017 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Sie ist der Auffassung, nur im Prozess der aktiven Newsletteranmeldung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG sei eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Kunden erforderlich. Diese werde aber an mehreren Stellen gegeben. Die Besucher der Webseite der Beklagten können sich auf der Hauptseite selbst nicht für einen Newsletter anmelden. Zur Anmeldung gelange man ausschließlich über das aktive Klicken auf den Link „zum Newsletter“. Nach dem Klicken auf diesen Link gelange der Nutzer zu der in Anlage B 02 beigefügten speziellen Seite, die einzig der Registrierung zum Newsletter diene. Wenn auf einer solchen dezidierten Seite die E-Mail-Adresse eingegeben werde, reiche dies bereits für eine konkludente Einwilligung aus.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2017 und 14.05.2018 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Der zulässigen Klage war in vollem Umfang stattzugeben, da der mit Klageantrag Ziffer I. 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 i. V.m. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zusteht. Der Versand von Werbe-E-Mails an Adressaten, die dazu nicht im Wege des Optin’s ihre vorherige ausdrückliche Einwilligung erteilt haben, stellt eine unzumutbare Belästigung i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG hängt die Zulässigkeit von E-Mail-Werbung von der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten ab. Diese liegt nach der Rechtsprechung des BGH nur dann vor, wenn der Adressat entweder durch eine zusätzlich Unterschrift oder durch ein individuelles Markieren eines entsprechenden Feldes, d. h. durch eine sogenannte „Optin“-Erklärung, einwilligt. Muss der potenzielle Adressat hingegen tätig werden, also z. B. ein Kästchen an- oder auskreuzen, um keine E-Mail-Werbung zu erhalten (sogenanntes „Optout“) liegt keine Einwilligung i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG vor (BGH Grur 2008, 1010-Payback).

Die bloße Angabe der E-Mail-Adresse auf der Website des Werbenden reicht hierzu nicht aus (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 7 Rdn. 189).

2. Die Mitarbeiterin der Klägerin, die die Testbestellung durchgeführt hat, hat daher weder durch Stehenlassen des Hakens noch durch Erstellen eines Kundenkontos bei der Beklagten auf der Website gemäß Anlage K 2 eine Einwilligung in die Zusendung von E-Mail-Werbung durch die Beklagte erteilt. Im ersten Fall fehlt es am „Optin“ durch Markieren eines Feldes, da das fragliche Feld bereits markiert war. Im zweiten Fall wurde keine zusätzliche, vom Erstellen des Kundenkontos getrennte Erklärung abgegeben. Hinzu kommt im zweiten Fall, dass die vermeintliche Einwilligungserklärung Teil einer Textpassage mit anderen Hinweisen und Erklärungen ist, nämlich solchen zur Geltung der AGB- und Datenschutzbestimmungen der Beklagten.

Die Beklagte kann sich daher nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 3 UWG berufen, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 UWG nicht gegeben sind.

Nach der übereinstimmender Erklärung der Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2018, wonach das Anlegen des Kundenkontos auf den Screenshot gemäß Anlage K 2 passiert, und die Anmeldung zum Newsletter gemäß Anlage B 2 eine hiervon unabhängige Angelegenheit ist, kann sich die Klägerin auch nicht auf § / Abs. 3 UWG berufen, und zwar unabhängig davon, ob die E-Mail-Werbung nur versendet wird, wenn ein potenzieller Kunde tatsächlich eine Bestellung getätigt hat oder (wie im Fall der Zeugin) auch, wenn der Bestellvorgang abgebrochen wird.

Wie sich aus dem unter Beweis gestellten, nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Klägerseite ergibt, wurde der Zeugin nach Abruf des Bestellvorganges E-Mail-Werbung zugesendet, ohne dass vorher der Newsletter bestellt worden war. Auf eine von Bestellvorgang unabhängige Möglichkeit, den Newsletter auf den Screenshot gemäß Anlage B 2 zu bestellten, kommt es daher nicht an.

Die Mitarbeiterin der Klägerin hat unter Verwendung elektronischer Post E-Mail-Werbung erhalten, ohne dass die Beklagte zuvor im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware von der Kundin dessen elektronische Postadresse erhalten zu haben.

Hinzu kommt, dass die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 3 UWG auch deshalb nicht greift, weil bei Erhebung der E-Mail-Adresse keine gültige Adresse angegeben wurde, über die der Kunde der Verwendung seiner E-Mail-Adresse hätte widersprechen können.

3. Da die als Anlage K 4 vorgelegte Abmahnung vom 09.02.2017 berechtigt war, hat die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Anspruch auf Ersatz der mit Ziffer II. geltend gemachten und zugesprochenen Abmahnkosten.

Der Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 91 ZPO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.

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