Werbeaussage zu Medizinprodukt muss hinreichend nachweisbar sein

16. November 2017
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Wissenschaftlerpaar männlich und weibliclh Urteil des OLG Stuttgart vom 08.06.2017, Az.: 2 U 154/16

Wer fachlich umstrittene Aussagen für die Bewerbung von Medizinprodukten nutzt, muss auf diesen Streit hinweisen. In jedem Fall muss die Wirkbehauptung wissenschaftlich nachweisbar sein. Wenn die strittige Werbebehauptung nicht hinreichend belegt ist, ist die Werbung damit wettbewerbswidrig. Eine CE-Zertifizierung zählt nicht als ausreichender Nachweis für die Richtigkeit der Behauptung, da dort vorrangig die Qualitätssicherung und Nachvollziehbarkeit geprüft werden, nicht jedoch die therapeutische Wirkung selbst.

Oberlandesgericht Stuttgart

Urteil vom 08.06.2017

Az.: 2 U 154/16

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten der Berufung tragen der Kläger 1/6 und die Beklagte 5/6.

3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 07.11.2016, Az. 20 O 9/16, sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 36.000 EUR festgesetzt.

Der Streitwert für das landgerichtliche Verfahren wird auf 132.000 EUR abgeändert.

Gründe

I.

1.
a) Die Werbeaussagen zu Ziff. 1 und Ziff. 2 seien nach § 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG unlauter.

Die Aussagen beinhalteten eine nach § 3 Nr. 1 HWG unzulässige irreführende Werbung. Sämtliche Aussagen gründeten auf der behaupteten Wirkung von Zeolith, die aber weder anerkannt noch wissenschaftlich nachgewiesen sei.

Nachdem der Kläger mit mehreren wissenschaftlichen Zitaten hinreichend belegt habe, dass sämtliche Aussagen der Beklagten, die sich auf den Zeolithgehalt bezögen, irreführend seien, obliege die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit ihrer gesundheitsbezogenen Werbung der Beklagten. Dieser Beleg könne wegen des bei Gesundheitsangaben geltenden Strengeprinzips im Regelfall nur mit randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien mit einer adäquaten statistischen Auswertung geführt werden.

Die erfolgreiche Zertifizierung durch die SQS als benannte Stelle entbinde die Beklagte nicht davon, einen Wirksamkeitsnachweis für die behaupteten Werbeaussagen zu erbringen, denn die SQS prüfe die vom Hersteller behaupteten Wirkungen lediglich auf ihre Nachvollziehbarkeit, nicht aber die therapeutischen Wirkungen des Produkts selbst. Gem. der Anhänge II – VII der Richtlinie 93/42/EWG und der einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung genehmige die Zertifizierungsstelle lediglich das Qualitätsmanagement der Beklagten, nicht aber deren Werbeaussagen.

Die vorgelegten Studien seien nicht hinreichend. Aus keiner der Studien ließen sich die behaupteten Werbeaussagen begründen.

b) Bzgl. der angegriffenen Aussagen zu den Nahrungsergänzungsmitteln (Werbeaussagen zu Ziff. 3 bis Ziff. 8) ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3a UWG iV.m. Art. 10 HCVO. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei keine einzige der Werbeaussagen in der Liste der zugelassenen Claims (VO 432/2012 vom 16.05.2010 und VO 536/2013 vom 11.06.2013) enthalten.

3.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung nur gegen ihre Verurteilung hinsichtlich der Produkte P… B…-Detox und P… Sport M… P… Pulver (Klaganträge Ziff. 1 und 2). Ihre Verurteilung zu Ziff. 3 bis 8 greift die Beklagte nicht an.

a) Die Werbeaussagen zu Ziff. 2 (P… Sport M… P… Pulver) unterfielen nicht § 3 HWG, weil sie nur auf die allgemeine Leistungsfähigkeit abzielten. In den Behauptungen lägen keine gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des § 3 HWG.

b) Das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast fehlerhaft gewürdigt. Die Beklagte müsse nach der Rechtsprechung des BGH (07.03.1991, I ZR 127/89 – Rheumalind II) die wissenschaftliche Absicherung der umstrittenen Werbeaussage erst dann beweisen, wenn der Kläger die fehlende wissenschaftliche Grundlage der gesundheitsbezogenen Werbeaussage hinreichend substantiiert bestritten habe. Ein Bestreiten sei nur dann als substantiiert zu qualifizieren, wenn es produktbezogen erfolge, auf einer tatsächlichen Grundlage mit einem hohen Maß an Wissenschaftlichkeit beruhe und sich mit der konkret angegriffenen Werbeaussage auseinandersetze. Dem werde der Vortrag des Klägers nicht gerecht. Der vom Kläger zitierte Auszug aus dem pharmazeutischen Wörterbuch weise im Gegenteil sogar noch darauf hin, dass Zeolithe eine besondere Bindungswirkung etwa hinsichtlich Alkalisalzen aufweise, und unterstütze damit die Sichtweise der Beklagten. Die weiteren vom Kläger vorgelegten Quellen besagten nur, dass es keine randomisierten Doppelblindstudien gebe, mehr nicht.

c) Die angegriffenen Wirkungsangaben seien im CE-Zertifizierungsverfahren bereits durch die benannte Stelle nach der Richtlinie 93/42/EWG abschließend überprüft worden. Dem Landgericht sei es deshalb untersagt gewesen, diese Wirkungsangaben noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob diese tatsächlich dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen. Denn mit der CE-Zertifizierung solle die allgemeine Verkehrsfähigkeit eines Produkts gewährleistet werden. Folglich könne nicht nachträglich über das HWG die Vermarktung des Produkts wegen der zertifizierten Zweckbestimmung behindert oder untersagt werden. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EWG sehe eine Konformitätsvermutung für die Produkte, die das Zertifizierungsverfahren durchlaufen haben, vor, und untersage strengere Maßstäbe für die Vermarktung als in der Richtlinie vorgesehen.

Falsch sei, dass im CE-Konformitätsbewertungsverfahren lediglich das Qualitätsmanagement, nicht aber die Zweckbestimmung überprüft werde. Gegenstand der Überprüfung des CE-Konformitätsverfahrens sei auch die durch klinische Bewertungen belegte Zweckbestimmung eines Medizinprodukts. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus dem SQS-Bericht. Im Bericht werde nämlich unter Verweis auf die technische Dokumentation und deren Bewertung durch die Konformitätsbewertungsstelle festgestellt, dass die Zweckbestimmung im Einklang mit den Schlussfolgerungen der klinischen Bewertung stehe.

Vor diesem Hintergrund dürfe jedenfalls kein strengerer Studienstandard verlangt werden als im Konformitätsbewertungsverfahren. Die Durchführung einer randomisierten, placebokontrollierten und doppelblind durchgeführten Studie könne nicht gefordert werden.

d) Indem das Landgericht ausgeführt habe, dass sich aus der Zweckbestimmung nicht die therapeutische Wirkung ableiten lasse, wie dies in den Anträgen zu 1. und 2. zum Ausdruck komme, habe es eigene medizinische Schlussfolgerungen gezogen und sich damit unzulässigerweise zum Quasi-Sachverständigen gemacht. Es habe dabei allgemein anerkannte medizinische Schlussfolgerungen missachtet.

e) Das Landgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die von der Beklagten zitierten Studien wegen einer zu geringen Probandenanzahl, wegen zu kurzer Zeiträume und zu eingegrenzter Probanden zurückzuweisen seien. Dies sei bereits deshalb nicht richtig, weil die Studien im CE-Zertifizierungsverfahren als ausreichend anerkannt worden seien. Im Übrigen habe die Beklagte Sachverständigenbeweis dafür angeboten, dass die Studien aussagekräftig seien und die Wirkungsangaben sich durch die Studien/Gutachten belegen ließen. Insbesondere eine große Probandenanzahl sei nicht zwingend erforderlich. Außerdem habe das Landgericht die Studien und die daraus ableitbaren Schlussfolgerungen auch inhaltlich falsch bewertet.

Die Beklagte/Berufungsklägerin beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Tübingen (Az. 20 O 9/16) teilweise abzuändern und die Klage, soweit es die tenorierten Anträge 1.) und 2.) betrifft, auf Kosten des Klägers abzuweisen;

hilfsweise das angefochtene Urteil des Landgerichts Tübingen (Az. 20 O 9/16) (teilweise) aufzuheben und die Klage, soweit es die Verurteilung der Beklagten bezüglich der vorgenannten Klageanträge 1 und 2 betrifft, kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger/Berufungsbeklagte hat die Klage bzgl. des Klageantrags Ziff. 2.3 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Im Übrigen beantragt der Kläger/Berufungsbeklagte,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Der Kläger habe zumindest dargelegt, dass die Beklagte mit einer fachlich umstrittenen Meinung werbe, ohne dabei die Gegenmeinung zu erwähnen. Folglich übernehme die Beklagte als Werbende die Verantwortung für die Richtigkeit ihrer zahlreichen Wirkungsaussagen, die sie im Streitfall auch beweisen müsse.

Einen entsprechenden Wirkungsnachweis habe die Beklagte weder erst- noch zweitinstanzlich vorgelegt.

Das CE-Zertifizierungsverfahren habe keine Sperrwirkung. Bei einer erfolgreichen Konformitätsbewertung durch eine Benannte Stelle im Sinne des MPG handele es sich weder um ein Verwaltungsverfahren noch um einen Verwaltungsakt.

Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung weise keinen Bezug zum hiesigen Streitgegenstand auf, weil der Kläger nicht die Verkehrsfähigkeit, sondern die konkrete Bewerbung der Produkte beanstande.

II.

Die zulässige Berufung hat, nachdem der Kläger die Klage bzgl. des Klagantrags Ziff. 2.3 mit Zustimmung der Beklagten wirksam zurückgenommen hat, keinen Erfolg.

A.

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 1.2 nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG erhoben, auch wenn der Kläger mit den Anträgen Ziff. 1.1 und 1.2 zwei nahezu identische Unterlassungsanträge gestellt hat.

Ein solches Verhalten kann allerdings den Grundsätzen der Prozessökonomie widersprechen, weil das Verbot eines Unterlassungstitels über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen umfasst, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, GRUR 2013, 307, Rn. 19 mwN). Die Stellung mehrerer nahezu identischer Unterlassungsanträge, die sich auf kerngleiche Verletzungshandlungen beziehen, und ohne inhaltliche Erweiterung des begehrten Verbotsumfangs zu einer Vervielfachung des Streitwerts führen, kann daher ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch sein, weil dem Kläger im Einzelfall ein schonenderes Vorgehen durch Zusammenfassung seines Begehrens in einem Antrag möglich und zumutbar ist (BGH, aaO.; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 8 Rn. 4.14).

Im Streitfall kann dem Kläger indes ein solcher Missbrauchsvorwurf nicht gemacht werden. Zwar betreffen beide Ziffern im Kern dieselbe Werbeaussage, nämlich die Behauptung, dass das streitgegenständliche Produkt der Schadstoffbelastung und den daraus resultierenden Folgen entgegenwirkt. Beide Klaganträge enthalten aber teilweise unterschiedliche Ursachen der Schadstoffbelastung (z.B. UV-Strahlung nur im Klagantrag Ziff. 1.1) und unterschiedliche Symptome (z.B. nervöse Erschöpfung und Konzentrationsstörungen nur im Klagantrag Ziff. 1.2), weshalb die Aufspaltung unter dem Gesichtspunkt, dass es dem Kläger nicht verwehrt sein darf, den prozessual sichersten Weg zu gehen, noch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann.

B.

Die Klage ist in dem zuletzt noch rechtshängigen Umfang begründet.

Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG.

1.

Für die Bewerbung von Medizinprodukten sind die Vorgaben des HWG sowie die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des UWG maßgeblich. Beide Gesetze finden nebeneinander Anwendung (§ 17 HWG).

2.

Der Kläger ist als eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Verfolgung des Unterlassungsanspruchs berechtigt. Die Berufung erinnert hiergegen nichts.

3.

Unzweifelhaft handelt es sich bei den angegriffenen Werbeaussagen um geschäftliche Handlungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

4.

Die nach der Teilklagerücknahme in der Berufung noch streitgegenständlichen Werbeaussagen sind als irreführende Werbung unlauter nach §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG.

a)

§ 3 HWG ist Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Einwendungen gegen diese zutreffende Feststellung des Landgerichts erhebt die Berufung nicht.

b)

Nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG liegt eine Irreführung dann vor, wenn Medizinprodukten eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

aa)

Unstreitig handelt es sich bei „P… B…-Detox“ und „P… Sport M… P… Pulver“ um Medizinprodukte im Sinne der §§ 3 MPG, 1 Abs. 1 Nr. 1a, 3 S. 2 Nr. 1 HWG.

bb)

Der Anwendungsbereich des § 3 S. 2 Nr. 1 HWG ist eröffnet. Der Einwand der Beklagten, dass § 3 HWG für die Behauptungen zu Ziff. 2 mangels gesundheitsbezogener Angaben nicht einschlägig sei, greift nicht durch. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG sind Medizinprodukte vom sachlichen Anwendungsbereich des HWG erfasst, unabhängig von der Art der getroffenen Werbeaussage (Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl. 2016, § 1 Rn. 33). Auf die Frage, ob sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bezieht, käme es nur bei kosmetischen Mitteln und anderen Mitteln zur Körperpflege an (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HWG). Auch das in diesem Zusammenhang von der Beklagten zitierte Urteil des OLG Hamm vom 20.05.2014 (4 U 57/13) bezieht sich auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, d.h. gerade nicht auf Medizinprodukte.

cc)

Die angegriffene Werbung legt den Medizinprodukten therapeutische Wirksamkeit bzw. Wirkungen bei, ohne dass die Beklagte diese belegt hätte.

(i) Ob und inwieweit eine Werbung mit Leistungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen irreführend ist, bemisst sich nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Werbeadressaten, der der Werbung eine der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Dabei sind an die Wahrheit und Eindeutigkeit von Werbeaussagen im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung nach dem sog. „Strengeprinzip“ strenge Anforderungen anzulegen (Spickhoff/Fritzsche, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 3 HWG Rn. 3; Pannenbecker in Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2. Aufl. 2013, § 14, Rn. 306).

Mit den unter Ziff. 1.1 des Klagantrags zusammengefassten Werbeangaben wird behauptet, dass das Medizinprodukt „P… B…-Detox“ die Belastung des menschlichen Organismus durch Umweltgifte, Schadstoffe in der Nahrung und erhöhte UV-Strahlung und durch Stress und Hektik reduziere und dadurch Leistungsabfall, erhöhte Infektanfälligkeit und vorzeitige Alterserscheinungen entgegenwirke und Vitalität und Wohlbefinden fördere. Dieses Verständnis der Werbeaussage ergibt sich aus der einleitenden Frage „Warum P… B…-Detox?“ und der anschließenden Aussage, dass eine möglichst geringe Schadstoffbelastung wichtig sei.

Im Ergebnis Gleiches gilt für die Werbeangaben gem. Ziff. 1.2 des Klagantrags. Zwar fehlt hier die einleitende Frage „Warum P… B…-Detox?“, der Bezug zu dem streitgegenständlichen Medizinprodukt ist aber noch in ausreichendem Maße durch den Bezug auf die konkrete Verletzungshandlung („sofern dies jeweils geschieht wie in Anlage K4 wiedergegeben“) hergestellt. Im Kontext mit dem gesamten Werbetext steht außer Frage, dass die Behauptung aufgestellt wird, das beworbene Medizinprodukt sei geeignet, einer „Umweltverschmutzungs-Erkrankung“ mit den im Einzelnen genannten Symptomen entgegenzuwirken.

Mit den Ausführungen, wie sie im Klagantrag Ziff. 1.3 aufgeführt sind, wird behauptet, dass das Produkt die Funktionen von Leber, Niere und Darm übernehmen könne.

Den Werbeangaben gem. Klagantrag Ziff. 2.1 lässt sich die Aussage entnehmen, dass das Produkt wertvolle Mineralien enthalte und Schadstoffe binde und dadurch sportliche Höchstleistungen fördere.

Die in Klagantrag Ziff. 2.2 aufgeführte Werbeangabe enthält die Behauptung, dass der Zeolith zu einer geringeren Laktatbelastung und einer kürzeren Regeneration führe.

(ii) Die Beklagte hat diese in ihrer Werbung enthaltenen Wirkbehauptungen nicht bewiesen.

(a) Die Beweislast für die Richtigkeit der aufgestellten Behauptungen liegt bei der Beklagten.

Auch bei gesundheitsbezogenen Werbeangaben gilt zwar im Ausgangspunkt der allgemeine Grundsatz, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit der von ihm angegriffenen Werbebehauptung trifft. Der Werbende, der eine fachlich umstrittene Frage in die Werbung übernimmt, übernimmt aber dadurch, dass er sich für eine bestimmte Auffassung entscheidet, die Verantwortung für die Richtigkeit (BGH, Urteil vom 28.02.1958, I ZR 185/56 – Odol Urteil vom 07.03.1991, I ZR 127/89 – Rheumalind II; Gröning in Gröning/Mand/Reinhardt, Heilmittelwerberecht, Stand Januar 2015, § 3 Rn. 17). Wird mit einer fachlich umstrittenen Wirksamkeitsangabe geworben, muss der Werbende klarstellen, dass seine Überzeugung von der Wirksamkeit seines Produkts nicht unumstritten ist. Tut er dies nicht und erweckt die Werbung bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck der wissenschaftlichen Unangefochtenheit, beschränkt sich der Streitgegenstand auf diese vorgetäuschte Unbestrittenheit. Der Kläger braucht in solchen Fällen zwangsläufig nur die fachliche Umstrittenheit der Wirksamkeitsbehauptung darzulegen und zu beweisen (Gröning, aaO.).

Die oben dargelegten Aussagen zur Wirkungsweise in der streitgegenständlichen Werbung erwecken den Eindruck, sie seien wissenschaftlich unangefochten. An keiner Stelle in der Werbung wird darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeitsangaben fachlich zweifelhaft sein könnten.

Dahinstehen kann, ob der Kläger die fachliche Umstrittenheit mit den von ihm vorgelegten Unterlagen substantiiert dargelegt hat, denn die Beklagte belegt die Zweifel an der fachlichen Unumstrittenheit ihrer Wirkbehauptungen selbst. In der von der Beklagten vorgelegten Beurteilung einer Studie zur Wirkung von P… Sport auf Parameter der körperlichen Leistungsfähigkeit (Anlage B9, Bl. 266 zur Studie K…, Anlage B8, Bl. 255) hält der Gutachter Prof. Dr. B… von der Universität W…, Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport, im Jahr 2011 die in der Studie postulierten Vermutungen, dass die überprüften Wirksubstanzen imstande seien, Parameter der Ausdauerleistungsfähigkeit positiv zu beeinflussen bzw. bei gegebenen Belastungsintensitäten die innere Beanspruchung deutlich zu reduzieren, lediglich für plausibel und führt weiter aus, dass weiterführende Studien notwendig seien, um die postulierten Zusammenhänge zu untermauern (Anlage B9, Bl. 266, 270). Damit ist durch den Vortrag der Beklagten selbst belegt, dass die Werbeaussagen wissenschaftlich nicht unangefochten sind.

Entsprechend den obigen Ausführungen ist somit die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die Werbeaussagen richtig sind.

(b) Die CE-Zertifizierung enthebt die Beklagte nicht der Notwendigkeit, den Nachweis der Richtigkeit ihrer Werbeaussagen zu führen.

Die Beklagte ist ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht bereits durch den Vortrag, dass die Produkte eine CE-Zertifizierung haben, nachgekommen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 24.04.2002 – 5 U 3/03, juris; OLG München, Urteil vom 15.03.2001, 6 U 5005/00, beck-online). Einer solchen Bindungs- bzw. Feststellungswirkung eines positiven Konformitätsbewertungsverfahrens steht bereits § 6 Abs. 4 MPG entgegen, wonach die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Herstellers und damit auch etwaige Ansprüche nach dem UWG unberührt lässt (vgl. OLG München, Urteil vom 15.03.2001, 6 U 5005/00; Braun, MPR 2014, 193, 196). Ein Verstoß gegen eine das Marktverhalten regelnde Vorschrift kann zudem nur dann verneint werden, wenn das Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden ist und dieser Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH, GRUR 2005, 778, 779 – Atemtest; Pannenbecker in Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2. Aufl. 2013 § 14, Rn. 293). Bei dem von einer benannten Stelle durchgeführten Konformitätsbewertungsverfahren handelt es sich aber nicht um ein behördliches Zulassungsverfahren. Die Zertifizierung durch die benannte Stelle hat nicht den Charakter eines Verwaltungsakts, denn die benannten Stellen sind private, nicht beliehene Unternehmen (Pannenbecker, aaO., § 14 Rn. 292, 293; Braun, aaO.).

Soweit Braun (MPR 2014, 193, aaO.) einwendet, dass von diesem Grundsatz hinsichtlich der Zweckbestimmung des Medizinprodukts eine Ausnahme zu machen sei, weil sich die im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens durchzuführende Prüfung, ob die grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG erfüllt sind, an der Zweckbestimmung des Medizinprodukts ausrichte, so dass zweckbestimmungsmäßige Wirk- und Leistungsaussagen im Zentrum des Konformitätsbewertungsverfahrens stünden, überzeugt dies nicht. Die Prüfung im Rahmen der CE-Zertifizierung erfolgt lediglich auf Plausibilität. Der Wortlaut der Richtlinie 93/42/EWG zeigt, dass es im Rahmen der CE-Zertifizierung vorrangig um die Qualitätssicherung geht und eine Überprüfung der Wirkungen bzw. der therapeutischen Wirksamkeit gerade nicht Ziel der Zertifizierung ist.

Dies zeigt auch der Bericht der SQS, der benannten Stelle, die die CE-Zertifizierung bzgl. der streitgegenständlichen Produkte durchgeführt hat. Die SQS bewertet die Studien, die von der Beklagten als Beleg für die Wirksamkeit der Produkte vorgelegt wurden, lediglich mit Formulierungen wie „Die Schlussfolgerung ist nachvollziehbar“ oder „Die Aussagen sind plausibel“ (vgl. Anlage B14, Bl. 394, Bewertung/Schlussfolgerungen ab Bl. 418). Die zweckbestimmungsmäßigen Wirk- und Leistungsaussagen wurden mithin lediglich auf ihre Nachvollziehbarkeit bzw. Plausibilität überprüft. Eine tatsächliche Überprüfung durch die benannte Stelle hat gerade nicht stattgefunden.

Die weiteren von der Beklagten in der Berufungsbegründung angebrachten Zitate belegen eine Sperrwirkung einer CE-Zertifizierung nicht. Die zitierten Ausführungen (Feddersen, GRUR 2013, 127 ff; Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 3 HWG Rn. 6,; EuGH, Urteil vom 05.05.2011, C-249/09; BGH, Urteil vom 23.06.2005, I ZR 194/02 – Atemtest; OLG Hamburg, Beschluss vom 24.02.2003, 3 U 106/02) beziehen sich sämtlich auf Arzneimittelwerbung und behandeln mithin allein die Auswirkungen der Arzneimittelzulassung, die mit der CE-Zertifizierung nicht vergleichbar ist. Medizinprodukte und deren CE-Zertifizierung werden in den angegebenen Quellen nicht behandelt.

(c) Mit den vorgelegten Studien kann die Beklagte die Wirksamkeit im Sinne der getroffenen Werbeaussagen nicht belegen.

In der Regel werden randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien mit einer adäquaten statistischen Auswertung verlangt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden sind (vgl. Fritzsche/Spickhoff, aaO., § 3 HWG, Rn. 6). Auf die Frage, ob diese Anforderungen auch bei Medizinprodukten uneingeschränkt Anwendung finden (vgl. Braun, MPR 2014, 193, 195) und ob die Studien diesen Anforderungen genügen, kommt es jedoch bereits deshalb nicht an, weil die Studien inhaltlich die Werbeaussagen nicht belegen. Die Angriffe der Berufung hiergegen greifen nicht durch:

Im Wesentlichen stützt sich die Beklagte auf zwei Studien, nämlich die Studie von Priv.-Doz. Mag. DDr. L… vom 17.09.2014 (Anlage B7) und die Studie von Dr. K… und Prof. Mag. S… aus dem Jahr 2004 (Anlage B8).

Die Studie vom L… (Anlage B7, Bl. 210, Studienbericht ab Bl. 238) untersucht die Effekte einer zwölfwöchigen Supplementation mit P… Sport auf ausdauertrainierte, nichtrauchende Sportler im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Die Studie zeigte keine Leistungsunterschiede zwischen der Versuchsgruppe und der Placebogruppe. Auch bei den Laktatwerten ergaben sich keine Unterschiede. Gleiches gilt für eine Veränderung der oxidativen Stressmarker und der Zytokine. Lediglich bei den Darmwand-Permeabilitätsmarker gab es signifikante Unterschiede, die mit einer reduzierten Darmwandpermeabilität in Verbindung gebracht werden können.

Mit diesem Ergebnis der Studie lassen sich die Werbeaussagen entgegen den Angriffen der Berufung nicht beweisen. Die reduzierte Darmwandpermeabilität als einziges Ergebnis der Studie rechtfertigt für sich genommen keine einzige der getätigten Werbeaussagen, denn auf eine verringerte Darmwanddurchlässigkeit nimmt keine einzige der beanstandeten Werbeaussagen Bezug. Dass eine „reduzierte Darmwandpermeabilität“ die in den Werbeaussagen aufgeführten Wirkungen wie eine Reduktion der Schadstoffbelastung, eine geringere Laktatbelastung und kürzere Regenerationszeiten zeitigt, lässt sich der Studie gerade nicht entnehmen. Hinsichtlich der behaupteten geringeren Laktatbelastung und der höheren Leistungsfähigkeit gilt sogar das Gegenteil, da die Studie insoweit gerade keinen Unterschied zwischen der P…-supplementierten Gruppe und der Placebo-Gruppe gezeigt hat.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht veranlasst. Der Senat maßt sich mit der Aussage, dass die Studie keine der angeführten Werbeaussagen belegt, kein medizinisches Wissen an, denn mit der Frage, ob eine reduzierte Durchlässigkeit der Darmwand die in den Werbeangaben beschriebenen positiven Folgen zeitigt, befasst sich die Studie nicht.

Die zweite, aus dem Jahr 2004 stammende Studie von K… und S… ist nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten als Beleg für die Wirksamkeit der getroffenen Werbeaussagen nicht geeignet. Die Beurteilung dieser Studie durch Prof. Dr. B… wurde bereits oben zitiert. Der Gutachter bestätigt lediglich die Plausibilität der Ergebnisse der Studie und hält weiterführende Studien für notwendig, um die postulierten Zusammenhänge zu untermauern (Anlage B9, Bl. 266, 270). Legt man diese Beurteilung zugrunde, kann die Studie allenfalls als Indiz, aber auf keinen Fall als wissenschaftlicher Nachweis dienen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert ist nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 51 Abs. 2 GKG). Das Interesse des Klägers an der Verhinderung künftiger Verletzungshandlungen entspricht dabei dem eines gewichtigen Mitbewerbers (vgl. Köhler/Feddersen, aaO., § 12 Rn. 5.8). Der Senat hält für die einzelnen, angegriffenen Werbeaussagen einen Streitwert von jeweils 6.000 EUR für angemessen, woraus sich ein Streitwert für das Berufungsverfahren von 36.000 EUR und für die erste Instanz von 132.000 EUR ergibt.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Der Senat folgt den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärten Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast. Auch die Beurteilung der Wirkung einer CE-Zertifizierung ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.

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