Keine Herkunftstäuschung bei Uhren im Vintage-Stil

26. Juni 2018
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Luxuriöse Uhren, die zum Verkauf ausgestellt sind Urteil des LG Köln vom 22.05.2018, Az.: 33 O 36/16

Die Vintage-Uhr einer Luxusuhrenherstellerin besitzt weder eine wettbewerbliche Eigenart, noch die erforderliche Markenbekanntheit am Markt, weshalb ihr kein Anspruch gegen ihren Mitbewerber unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 a) UWG zusteht. Die Gestaltungsmerkmale der Uhren gehen auf vorbekannte Stilmittel zurück, die für Vintage-Uhren üblich geworden sind. Das Gericht geht davon aus, dass die Uhren lediglich gut informierte Abnehmer – wie Uhrensammler – ansprechen, die kleinste Unterscheide zwischen den Uhren wahrnehmen. Somit unterliegen die Verbraucher keiner Gefahr der Herkunftsverwechslung, wodurch auch eine unlautere Rufausbeutung i.S.d § 4 Nr. 3 b) UWG durch den Mitbewerber ausscheidet.

Landgericht Köln

Urteil von 22.05.2018

Az.: 33 O 36/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz im Bereich von Armbanduhren im Luxussegment für Uhren.

Die Klägerin ist die Mutter- bzw. Dachgesellschaft einer Reihe führender Luxusartikler. Eine ihrer Zweigniederlassungen nach Schweizer Recht ist die J, eine Schweizer Manufaktur von hochwertigen Uhren im Luxussegment. Zur J-Uhrenkollektion gehört u.a. die sog. „Q“-Serie.

Der Beklagte ist ebenfalls Uhrenhersteller und bietet diese unter seiner Firma „U Watches“ an. Zu seinem Vertriebsprogramm gehören die im Klageantrag zu 1.) (Bl. 2, 3 d.A.) angegriffenen Armbanduhren.

Eine von der Klägerin vorgelegte Gegenüberstellung der Uhren der Klägerin und der Uhren des Beklagten findet sich auf Bl. 15 d.A.:

(Abbildung)

Die Klägerin behauptet, bei den Uhren des Beklagten handele es sich um nahezu identische Kopien der bekannten und erfolgreichen „Q Handaufzug Acht Tage“ der Klägerin. Seit 2013 gehöre zur „Q“-Serie die Uhr „Q Handaufzug Acht Tage“, die in den Varianten Rotgold sowie Edelstahl erhältlich sei und wie aus den auf Bl. 9 u. 15 d.A. wiedergegebenen Photografien ersichtlich gestaltet ist. Das Erscheinungsbild der Uhren werde dabei bestimmt durch das Zusammenwirken der im Einzelnen auf Bl. 14 f. d.A. aufgelisteten Gestaltungsmerkmale, auf die Bezug genommen wird. Hilfsweise erklärt die Klägerin das Modell J ###-08, wie auf Bl. 469, 470 d.A. wiedergegeben, zum Gegenstand der Klage. Bei den vom Beklagten angeführten Drittuhren handele es sich zum Teil ihrerseits um Nachahmungen der klägerischen Uhren oder diese vermittelten einen anderen Gesamteindruck. Zudem bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen, daß diese Drittuhren in relevantem Umfang auf dem deutschen Markt angeboten würden. Die „K“, die „E“ und die „T“ verfügten über einen abweichenden Gesamteindruck. Bei den Uhren des Herstellers R handele es sich um systematische Nachahmungen eines chinesischen Herstellers, gegen welche die Klägerin bereits vorgehe. Die prägenden Merkmale der „Q Handaufzug Acht Tage“ seien auch typisch für die „Q“-Serie. Die Gestaltung erschöpfe sich nicht allein in Merkmalen, die für die Stilepoche des Art Déco typisch gewesen seien. Die Armbanduhren des Art Déco hätten in der Regel kleinere, meist rechteckige Gehäuse, welche oftmals mit Steinen oder anderweitig verziert seien. Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, daß die in Anlage B 19 angeführten Uhren überhaupt aus den angegebenen Jahren stammten und in relevantem Umfang in Deutschland vertrieben worden seien. Bei den meisten der Uhren handele es sich auch gar nicht um Armbanduhren, sondern um Taschenuhren; auch sei der Gesamteindruck ein anderer. Technische Notwendigkeiten der Gestaltung bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen. Ungeachtet der Tatsache, daß die Klage in erster Linie auf eine Nachahmung der ###-04 und ###-03 gestützt werde, seien die Gesamtumsatzzahlen für die übrigen Modelle trotzdem von Bedeutung. Die charakteristischen Merkmale seien Teil einer „Q-DNA“ und fänden sich auch vielfach in anderen „Q“-Modellen. Die Beliebtheit und Bekanntheit der Serie insgesamt wirke sich daher aus. Von den Derivaten ###-04 und ###-03 seien in den Jahren 2014 bis 2017 insgesamt 164 Stück im Wert von ca. 1,9 Millionen Euro an Händler in Deutschland verkauft worden. Trotz der geringen Stückzahlen der streitgegenständlichen Modelle sei diesen eine gewisse Bekanntheit zuzusprechen. Gerade aufgrund ihres Luxuscharakters dienten solche Uhren als Aushängeschild für Boutiquen und Juweliere. Die Zahlen zum Derivat ###-08 seien als bewiesen anzusehen. Das Beweisangebot der Klägerin zu den Verkaufs- und Umsatzzahlen habe sich auf sämtliche streitgegenständlichen Derivate bezogen. Die wettbewerbliche Eigenart der primär geltend gemachten Modelle sei nicht dadurch entfallen, daß diese inzwischen nicht mehr von der Klägerin selbst oder einzelnen Juwelieren vertrieben würden. Zum Stichtag 04.04.2018 seien allein in Deutschland sowohl vom Typ ### 03 als auch vom Typ ### 04 jeweils noch sechs Uhren bei Juwelieren aus dem Händlernetz der Klägerin vorhanden gewesen. Die Klägerin habe erst kürzlich wieder ein Modell mit einem nahezu identischen Design herausgebracht.

Die Klage ist dem Beklagten am 14.03.2016 zugestellt worden.

Die Klägerin beantragt:

(Abbildung)

(Abbildung)

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet, daß die Klägerin die „Q“-Serie und mit ihr die „Q Handaufzug Acht Tage“ als eine ihrer erfolgreichsten und wertvollsten Produktlinien betrachte und erhebliche Beträge zur Bewerbung aufgewandt habe. Die „Q“-Serie werde lediglich als eine von sechs Kollektionen auf der klägerischen Webseite abgebildet. Die Uhrenreihe „Q Ewiger Kalender“ weise erhebliche Unterschiede zu der „Q Handaufzug Acht Tage“ auf (Bl. 106 d.A.). Der Beklagte bestreitet, daß die „Q Handaufzug Acht Tage“ das Design der „Ur-Q“ fortführe. Der Beklagte selbst genieße mit den von ihm herausgegebenen „U Watches“ einen exzellenten Ruf. Es handele sich zum Teil um teure Einzelanfertigungen, die ausschließlich im Direktvertrieb vertrieben würden. Der niedrigere Preis rechtfertige sich dadurch, daß die Händlermarge von 50 % entfalle. Die „U Watches“ seien in der Fachpresse vielfach gewürdigt worden und hätten bei Wettbewerben erfolgreich abgeschnitten. Das streitgegenständliche Uhrenmodell des Beklagten, die „Art Déco“, sei von diesem nicht als Nachahmung der „Q Handaufzug Acht Tage“ entwickelt und auf den Markt gebracht worden. Die Designelemente ergäben sich aus einem bereits vorbekannten Formenschatz und seien in ihrer Kombination bereits so in Deutschland auf dem Markt gewesen. Der Beklagte habe seine Inspiration aus der Stil-Epoche des Art Déco bezogen. In dieser Epoche zwischen 1920 und 1940 hätten sich bestimmte Gestaltungselemente als typisch etabliert. Der „Ur-Q“ habe keine einzigartige, sondern eine lediglich übliche Kombination typischer Elemente dieser Zeit aufgegriffen, so wie es bereits andere namhafte Uhrenhersteller dieser Zeit getan hätten. Zu diesen gängigen Formen zählten insbesondere die sog. „Eisenbahnschienen“, sowie die Verwendung des Sekundenfeldes auf der 6er-Position, die klaren arabischen Ziffern, die schmale Lünette und die blattförmigen Zeiger. Bei fast allen Modellen namhafter Hersteller aus der Zeit vor 1939, also noch vor dem „Ur-Q“ seien diese Elemente enthalten. Dies treffe auf Taschenuhr-Modelle der Marken V (Bl. 117 d.A.) M (Bl. 118 d.A.) und F (Bl. 119 d.A.) zu, die nach wie vor auf dem deutschen Markt erhältlich seien. Auch die ersten Armbanduhren seien bereits durch die typischen Elemente des Art Déco gekennzeichnet gewesen, so das Modell D (Bl. 120 d.A.) der Firma S von 1935 und Modell der der Firma P von 1940 (a.a.O.). Die von der Klägerin als charakteristisch eingestuften Merkmale seien vom Beklagten nicht in nahezu identischer Form übernommen worden. Das runde Gehäuse unterscheide sich. Die „Q“ weise von oben betrachtet einen Doppelring auf, der beim Modell des Beklagten fehle. Dessen Ziffernblatt wirke dadurch größer. Der Umstand, daß mangels weiterer Funktionen keine weiteren Knöpfe am Gehäuse vorhanden seien, sei der Anlehnung an das Design der Stilrichtung Art Déco geschuldet. Die Zeiger seien nicht identisch (Bl. 123 d.A.), auch nicht in der Proportion zueinander. Die „Q“ weise – anders als die „Art Déco“ des Beklagten – einen schwertförmigen Sekundenzeiger auf, die „Q“ hingegen ein langgezogenes Dreieck. Das Sekundenzeigerfeld und auch die Ziffern insgesamt wichen im Detail voneinander ab (Bl. 126 d.A.). Die „Eisenbahnschienen“ seien ein typisches Gestaltungsmerkmal von Uhren aus der Epoche des Art Déco. Das Sekundenfeld auf der 6er-Position sei ein generelles Erkennungszeichen für mechanische Uhrwerke mit Handaufzug. Dies sei absoluter Standard und zum Teil technisch bedingt durch die Anordnung des mechanischen Laufwerks. Die erheblichen Abweichungen würden dazu führen, daß für Kenner im Luxussegment für Uhren keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die streitgegenständlichen Uhren unterschieden sich durch unterschiedliche Markenaufdrucke und unterschiedliche Angaben des Herstellungsortes. „U Watches“ verwende für die Krone nicht die klassische Zylinderform, sondern eine Zwiebelform (Bl. 128 d.A.). Die „Q“ weise eine Datumsangabe auf, die bei „U Watches“ fehle. Die Rückansicht beider Uhren sei gänzlich unterschiedlich.

Auch aktuell seien Uhren vorhanden, die nahezu alle Gestaltungsmerkmale der „Q Handaufzug Acht Tage“ aufwiesen. Eine Uhr der Traditionsmarke Hentschel (Bl. 131 d.A.; siehe Urteil 33 O 60/15 S. 7), die Uhr P und die „Dugena Premium Sigma (Bl. 133 d.A.), letztere aus dem Jahr 2013, die K (Bl. 134 d.A.) und die E (Bl. 135 d.A.).

Die Klägerin begründe die wettbewerbliche Eigenart der „Q Handaufzug Acht Tage“ mit der Bekanntheit und dem Erfolg der „Q“-Serie. Dies sei nicht kohärent, da die Serie sehr unterschiedliche Typen enthalte. Auch dem konkreten Modell „Q Handaufzug Acht Tage“ komme keine wettbewerbliche Eigenart zu, da die Formen und Gestaltungsmerkmale aus der Epoche des Art Déco stammten.

Der Käufer schließe nicht aufgrund der Eigenart des Designs auf die Firma „J“, sondern die hochgeschätzte Handwerkskunst dieser Firma und das Image der Marke „J“ selbst seien entscheidend. Es fehle an einer vermeidbaren Herkunftstäuschung. Die unterschiedliche Herstellerangabe auf den Uhren spreche dagegen, daß der Verkehr von einer Lizenzbeziehung ausgehe. Auch der unterschiedliche Vertriebsweg stehe einer Herkunftstäuschung entgegen. Es fehle angesichts der unterschiedlichen Schriftzüge auch am Merkmal der Vermeidbarkeit.

Eine Rufausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung sei nicht ersichtlich, da das Modell des Beklagten ebenfalls im Bereich der Luxusuhren anzusiedeln und eine Rufübertragung daher nicht notwendig sei. Die Uhr des Beklagten sei weder von minderer Qualität, noch erfolge ein massenhafter Vertrieb dieser Uhr.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A gemäß Beweisbeschluß vom 29.03.2017, der Zeugen B und C gemäß Ergänzungsbeschluß vom 19.05.2017 sowie aller drei genannten Zeugen gemäß Ergänzungsbeschluß vom 13.03.2018.

Die Akten des einstweiligen Verfügungsverfahrens Az.: 33 O 60/15 haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung des Anbietens, des Bewerbens sowie des Vertriebs der streitgegenständlichen Uhren zu.

1. Nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr von jedem Mitbewerber auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Der Beklagte hat als Mitbewerber der Klägerin seine Uhren unter der Bezeichnung „U Watches“ in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und beworben.

Eine geschäftliche Handlung ist nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie unlauter ist. Vorliegend beruft sich die Klägerin auf eine unzulässige Nachahmung ihrer Uhren J ###-04 und ###-03 sowie hilfsweise ###-08 nach § 4 Nr. 3 a) und b) UWG.

2. Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten ergibt sich weder aus §§ 8, 3, 4 Nr. 3 a) und b) UWG, noch aus anderem Rechtsgrund.

a)Der Klägerin steht kein Anspruch gegen den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 a) UWG zu.

Die streitgegenständlichen Uhren der Klägerin besaßen zum relevanten Zeitpunkt des Anbietens der vorgeblichen Nachahmung durch den Beklagten im Jahr 2015 keine wettbewerbliche Eigenart. Es fehlt zudem an einer vermeidbaren Herkunftstäuschung. Die klägerischen Uhren, auf welche die Klägerin die Klage stützt, verfügten nicht über die erforderliche gewisse Bekanntheit im Markt. Zudem halten die Uhren des Beklagten gestalterisch einen ausreichenden Abstand ein.

Das Anbieten einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3 UWG (n.F. = § 4 Nr. 9 UWG a.F.) wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft oder eine unangemessene Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, welche die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr., z.B. BGH GRUR 2017, 79 – Segmentstruktur, juris, Rn. 40).

aa) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, daß die Gestaltungsmerkmale, aus denen die Klägerin die wettbewerbliche Eigenart ihrer Uhren herzuleiten sucht, ursprünglich geeignet waren, die Produkte individualisierend herauszustellen, hatten sie diese Eigenschaft zum hier relevanten Zeitpunkt jedenfalls bereits verloren.

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Keine wettbewerbliche Eigenart hat ein Erzeugnis, wenn der angesprochene Verkehr seine prägenden Gestaltungsmerkmale nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet. Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es zwar nicht darauf an, ob der Verkehr den Hersteller der Ware namentlich kennt; erforderlich ist aber, daß der Verkehr annimmt, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (st. Rspr., z.B. BGH, GRUR 2015, 909, Rn. 10 – Excenterzähne; BGH, GRUR 2017, 79, Rn. 52 – Segmentstruktur; vgl. auch Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 4, Rn. 3.26).

Die wettbewerbliche Eigenart muß zu dem Zeitpunkt noch bestehen, an dem das nachgeahmte Produkt auf dem Markt angeboten wird, auf den Zeitpunkt der Nachahmung kommt es nicht an (BGH, GRUR 1985, 876, 878 – Tchibo/S I). Die wettbewerbliche Eigenart erlischt, wenn die konkrete Ausgestaltung des Produkts oder seiner Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, GRUR 2007, 984, Rn 25 – Gartenliege). Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn das Original vom Markt genommen wird (OLG Frankfurt, WRP 2007, 1108, 1110; Petry, WRP 2007, 1045; Werner, FS Köhler, 2014, 785, 792), sondern erst dann, wenn Mitglieder der angesprochenen Verkehrskreise das Original nicht mehr kennen. Die wettbewerbliche Eigenart kann auch erlöschen, wenn die Gestaltungsmerkmale üblich werden (BGH, GRUR 1998, 477, 479 – Trachtenjanker).

bb) Die Klägerin leitet die wettbewerbliche Eigenart aus dem Zusammenspiel folgender Gestaltungsmerkmale ab:

– großes rundes schlichtes Gehäuse, welches das Ziffernblatt im Größenvergleich nur als schmaler Ring einfasst und abgesehen von der Krone keine weiteren Knöpfe aufweist, wobei die Hörner den Schwung des Gehäuses fortführen und dessen Silhouette praktisch verlängern;

– blattförmige (bauchige) und dennoch schlanke Stunden- und Minutenzeiger, die keinen Überstand nach hinten aufweisen;

– schwertförmig geformter Sekundenzeiger mit Überstand nach hinten;

– Größenverhältnisse/Längen der Zeiger, wobei der Stundenzeiger direkt unter den Ziffern endet und der Minuten- sowie der Sekundenzeiger jeweils bis auf die „Eisenbahnschienen“ reicht;

– klassisch anmutende, arabische Ziffern;

– die sog. „Eisenbahnschienen“, die die Minutenstriche verbinden;

– aus Metall gestalteten Stundenstriche, die auf die Eisenbahnschienen gesetzt sind und leicht über den inneren Rand der Schienen hinausragen;

– ein auf der 6er-Position liegendes Sekundenfeld mit Guilloche, wobei die Ziffer „6“ vollständig durch das Sekundenfeld verdeckt wird;

– sich wiederholende „Eisenbahnschienen“ im Sekundenfeld;

– die Verwendung von 10er-Ziffern im Sekundenfeld vor fetten Strichen, wohingegen die dazwischenliegenden 5er-Ziffern lediglich durch verlängerte Striche dargestellt sind.

cc) Dem kann aufgrund der Darlegungen der Beklagten und allgemeinbekannter Umstände nicht gefolgt werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß es sich um vorbekannte Stilmittel handelt, die für Uhren des streitgegenständlichen Typus üblich geworden sind. Die den Gesamteindruck in ihrer Kombination prägenden Merkmale treten so auch bei anderen Uhren des Luxussegments auf und finden Verwendung. Die relevanten Gestaltungsmerkmale gehen auf vorbekannte Stilelemente der Epoche des Art-Déco zurück.

Wie aus allgemein zugänglichen Quellen bekannt ist, herrscht auf dem Uhrenmarkt aktuell eine besondere Nachfrage nach Uhren im Stil der 1930er bis 1970er-Jahre. Diese werden als Vintage und Heritage-Uhren beschrieben (vgl. Reinhold, „Blick nach vorn zurück“, Bilanz – Das deutsche Wirtschaftsmagazin, Mai 2018, S. 72). Die Anknüpfung an traditionelle Uhrengestaltungen prägt also den gesamten Markt und die Verkehrswahrnehmung (vgl. Interview mit Georg Kern, Geschäftsführung des Uhrenherstellers Breitling, ehemals laut Pressebericht Manager der Uhrenmarke „J“, Bilanz – Das deutsche Wirtschaftsmagazin, Mai 2018, S. 73).

Die Klägerin knüpft an die Uhrentradition der „Q“-Serie von 1939 an. Es ist indes davon auszugehen, daß die Gestaltungsmerkmale in dieser Kombination bereits vor 1939 – jedenfalls zeitgleich – für Uhrenmodelle Verwendung fanden. Angesichts des langen Zeitablaufs können hier nicht automatisch die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie in anderen Fällen einer aktuellen Formgestaltung. Es muß Berücksichtigung finden, daß – obgleich unmittelbar lediglich lauterkeitsrechtliche Ansprüche im Raum stehen – auch etwaige Urheberrechte an der Gestaltung der Uhren (eine ausreichende Schöpfungshöhe dürfte hier durchaus gegeben sein) inzwischen bereits erloschen wären (70 Jahre nach dem Tod des Urhebers) und das UWG nicht dazu dienen kann, gemeinfreie Gestaltungen zu „remonopolisieren“. Soweit die Klägerin darauf abstellt, daß die „Q-DNA“ auf sämtliche Modelle ausstrahle, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Klägerin hat diese Serie und entsprechend gestaltete Modelle nicht durchgängig vertrieben, sondern selbst erst nach über 70 Jahren wieder daran angeknüpft. Programme als Gesamtheit von Erzeugnissen mit Gemeinsamkeiten in der Formgestaltung und Zweckbestimmung können zwar von wettbewerblicher Eigenart sein, wenn sich diese aus den Merkmalen der einzelnen Teile oder aus der Kombination der Einzelteile ergibt. Voraussetzung ist dabei nicht, daß jedes einzelne Teil für sich genommen wettbewerbliche Eigenart aufweist. Diese kann sich auch aus einer wiederkehrenden Formgestaltung der einzelnen Teile mit charakteristischen Besonderheiten ergeben, welche die zum Programm gehörenden Gegenstände für den Verkehr von Waren anderer Hersteller unterscheiden (BGH, GRUR 2008, 793, Rn. 29 – Rillenkoffer; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 210, 211 – Bounty und Snickers). Machen allerdings die den Seriencharakter begründenden Merkmale bei den Einzelprodukten nur einen untergeordneten Teil des Gesamteindrucks aus, ist die wettbewerbliche Eigenart der Serie gering bzw. entfällt (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2013, 24 – Gute Laune Drops).

dd) Der im Wesentlichen übereinstimmende Gesamteindruck der maßgeblichen Gestaltungsmerkmale prägt auch eine ganze Reihe vorbekannter Uhrenmodelle in erheblichem Maße, so daß diese Gestaltungsmerkmale als üblich und nicht ausreichend individualisierend angesehen werden müssen. Die Hentschel-Uhr (Bl. 131 d.A.) weist durch die Versetzung der Eisenbahnschienen nach innen, die dadurch entstehende Umrandung und die nur halb verdeckte „6“ sowie die abweichenden Hörner einen nur geringfügig abweichenden Gesamteindruck auf.

Die P (Bl. 133 d.A.) hat eine breitere Gehäuseumrandung, so daß die Rillen nicht so stark hervortreten. Das Ziffernblatt und die Schienen wirken dezenter und dünner im Aufdruck. Das Sekundenfeld reicht in die Ziffern 5 und 7 hinein. Die Krone ist flacher. Die Ziffern des Ziffernblattes weisen zudem geschwungene Bögen auf. Gleichwohl ist sie schon sehr nah an den streitgegenständlichen Uhren.

Die Uhr „K“ (Bl. 198 d.A.) unterscheidet sich war durch aufgesetzte Hörner, fehlendes Sekundenfeld, zusätzlichen Sekundenzeiger und stärkere Zeiger. Im Übrigen sind aber deutliche Übereinstimmungen zu den streitgegenständlichen Uhren vorhanden. Insbesondere verfügt das P-Modell, wie die klägerische Uhr, über ein Datumsfeld.

Auch das Modell E (Bl. 199 d.A.) unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch das fehlende Sekundenzeigerfeld und die damit zusammenhängenden Elemente (den hier vorhandenen eigenständigen Sekundenzeiger und die sichtbare Ziffer 6) von der klägerischen Uhr. Allerdings weist die E das Datumsfeld im Ziffernblatt auf. Daß die Bandanstöße filigraner gestaltet sind und die Eisenbahnschiene auf dem Ziffernblatt keine mit Applikaten aufgesetzten Stundenstriche haben, ist dagegen nicht zu erkennen.

Die Uhr R (Anlage B 33, S. 24) soll nach Angaben der Klägerin von einem chinesischen Hersteller stammen. Sie verfügt über kein Sekundenfeld und die Eisenbahnschienen sind nach innen gerückt. Davon abgesehen vereint sie die maßgeblichen Merkmale. Soweit die Klägerin anführt, sie gehe erfolgreich gegen diesen Hersteller vor, belegen die vorgelegten gerichtlichen Entscheidungen, K 27, dies aber nicht für das konkrete Modell.

Die Taschenuhr V (Bl. 117 d.A.) kommt der klägerischen Gestaltung sehr nahe, wenngleich sie insgesamt größer wirkt.

Das Modell S D (Bl. 120 d.A.) liegt sehr nah an der klägerischen Gestaltung, wenngleich die Abbildung schlecht ist. Es trifft zu, daß die Eisenbahnschiene nach innen versetzt ist. Das Sekundenfeld verfügt aber über eine eigene Eisenbahnschiene. Die Hörner laufen nicht aus. Die vergleichsweise Größe der S läßt sich nicht beurteilen. Gerade im Vergleich mit der ebenfalls rotgoldenen Version der klägerischen Uhr (wie auf Bl. 15 d.A.) erscheint der Gesamteindruck – abgesehen von der Hornform – aber sehr ähnlich.

Die Klägerin kann sich nicht darauf zurückziehen, daß es sich um Taschenuhren und nicht um Armbanduhren handele. Denn im Zeitraum 1920-1940 kamen die Armbanduhren erst auf, so daß vorbekannte Stilmerkmale aus dem Bereich der Taschenuhren sich unmittelbar auch auf die Armbanduhren auswirken müssen. Wenn Stilelemente für eine neu entstehende Produktform aber aus einer präexistenten übernommen werden, kann für die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart nicht nur verengt auf das „neue“ Produkt – hier: Armbanduhren – abzustellen sein.

Soweit die Klägerin geltend macht, ein Vertrieb der vom Beklagten entgegengehaltenen Taschenuhrenmodelle im Deutschen Reich sei nicht belegt, ist dies nach Ablauf von über 70 Jahren nicht erheblich. Der Umstand, daß man die Modelle immer noch als Sammlerstück über das Internet auch in der Bundesrepublik Deutschland erwerben kann, ist ausreichend.

Soweit die Klägerin die vom Beklagten behauptete technische Bedingtheit der Position des Sekundenfeldes bei Handaufzuguhren mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unzureichend. Die Klägerin hätte aufgrund eigener technischer Kenntnis konkret dazu vortragen müssen.

ee) Selbst wenn man den klägerischen Uhren noch eine geringe wettbewerbliche Eigenart zubilligt, fehlt es jedenfalls für die Annahme der hier nach den oben gemachten Ausführungen allein in Betracht kommenden nachschaffenden Nachahmung an zusätzlichen Unlauterkeitsmerkmalen in der erforderlichen ausgeprägten Form (vgl. Ohly, in: Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Auflage 2016, § 4, Rn. 3/49). Eine Herkunftstäuschung bzw. eine Täuschungsgefahr ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellbar

(1) Es fehlt an der hierfür erforderlichen gewissen Verkehrsbekanntheit.

Sofern – wie vorliegend – Original und Nachahmung nicht nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, ist Voraussetzung einer Herkunftstäuschung, daß das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Dem Verkehr muss zumindest bekannt sein, dass es ein Original gibt, ansonsten ist eine Herkunftstäuschung in aller Regel schon begrifflich nicht möglich. (BGH, GRUR 2005, 166, 167 – Puppenausstattungen; BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Bekanntheit ist die Markteinführung der Nachahmung (BGH, GRUR 2007, 339, Rn. 40 – Stufenleitern). Ein nur sporadischer Vertrieb im Inland genügt nicht. Vielmehr muß das wettbewerblich eigenartige Erzeugnis bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben, daß sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden.

Ein entsprechender Nachweis ist der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gelungen. Aufgrund der Aussage des Zeugen A kann zunächst davon ausgegangen werdern, daß die auf Bl. 15 d.A. abgelichteten Derivate ###-04 und ###-03 erst im Jahre 2013 erstmals vorgestellt und international – also auch in der Bundesrepublik Deutschland – vertrieben wurden. Ein vormaliger Vertrieb von Q-Modellen mit diesem Gesamteindruck durch die Klägerin fand – jedenfalls seit 1939 – somit nicht statt.

Der Nachweis der für die streitgegenständlichen Uhrenmodelle ###-04 und ###-03 sowie ###-08 behaupteten und vom Beklagten zulässigerweise bestrittenen Verkaufs- und Umsatzzahlen ist der Klägerin indes nicht gelungen. Die Aussage des Zeugen A erweist sich hierfür schon als nicht ergiebig. Der Zeuge konnte zunächst aus eigener Erinnerung oder aufgrund mitgebrachter Unterlagen keinerlei Verkaufszahlen und Umsätze wiedergeben oder bestätigen. Auf Vorhalt der auf Bl. 471 d.A. wiedergegebenen, von der Klägerin behaupteten Zahlen, erklärte er lediglich, diese bestätigen zu können. Erst auf Nachfrage des Beklagtenvertreters mußte der Zeuge einräumen, daß sich die von ihm zuvor bestätigten Umsatzzahlen gar nicht präzise auf die genannten streitgegenständlichen Uhren bezogen, sondern davon auch weitere Uhren der gleichen Modellreihe erfaßt sein sollten, sog. Derivate, die durch Anhängung weiterer Ziffern an die vierstellige Modellbezeichnung gekennzeichnet werden. Der Zeuge bestätigte, daß es sich bei den durch Lichtbildausdrucke vom Beklagten vorgelegten Uhrenmodellen J ###-06 (Bl. 645 d.A.) und J ###-05 (Bl. 646 d.A.) gleichfalls um Uhren handele, die in den von ihm bestätigten Umsatz- und Vertriebszahlen enthalten seien. Diese Modelle unterscheiden sich aber bereits im Ziffernblatt, das nur die Ziffern „12“, „3“ und „9“ aufweist, sowie in der Gestaltung der Eisenbahnschienen, der farblichen Gestaltung und durch die zentrale Aufschrift „International Watch Co U“ im Gesamteindruck so deutlich von den streitgegenständlichen Uhren, daß die schriftsätzlich vorgetragenen Vertriebs- und Umsatzzahlen keinerlei Aussagekraft für die streitgegenständlichen Erzeugnisse und deren Marktbekanntheit genießen. Der Umstand, daß es überhaupt unterschiedliche Derivate der Reihe ### gibt, ist erstmalig in der mündlichen Verhandlung auf Intervention des Beklagten vorgebracht und zuvor von der Klägerin in keiner Weise erörtert oder offengelegt worden. Soweit der Zeuge in seiner als Anlage K 7 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung einen Umsatz von 570.000,00 € im Fiskaljahr für die Uhr „Q Handaufzug Acht Tage“ mit Referenz genannt hatte (vgl. auch Bl. 10 d. Klageschrift), mußte er auf Befragen einräumen, daß sich diese Zahl nicht nur auf die streitgegenständlichen Uhren, sondern auch auf weitere Derivate bezieht. Während der Zeuge zunächst erklärt hat, im deutschen Markt seien 80 Stück der Derivate ###-03 und ###-04 vertrieben worden, sollen es bei weiterer Befragung nach Unterbrechung der Sitzung (vgl. Seite 4 des Protokolls, Bl. 638 d.A.) ca. 300 Stück gewesen sein. Die Diskrepanz der Zahlen erläutert der Zeuge nicht und erklärt sodann, es handele sich um von ihm vorgenommene Schätzungen. Die widersprüchlichen und in sich unstimmigen Angaben des Zeugen sind daher nicht zum Beweis geeignet.

Soweit die Klägerin nach erneuter Unterbrechung der Sitzung neue Vertriebs- und Umsatzzahlen für die Derivate ###-03 und ###-04 vorgetragen hat (Seite 6 des Protokoll, Bl. 638 Rs. d.A.), sind diese vom Beklagten bestritten worden. Ein Nachweis der Richtigkeit dieser Angaben ist der Klägerin nicht gelungen. Der Zeuge A hat auf Befragen des Gerichts, was er mit den genannten Zahlen verbinde, lediglich erklärt, er müsse diese Zahlen im Detail nochmal überprüfen. Denn es sei so, daß bei Entnahme der Zahlen aus der Datenbank immer Abweichungen auftreten könnten. Eine Bestätigung des klägerischen Vortrags kann darin nicht gesehen werden. Inwieweit sich die übrigen Derivate der jeweiligen Serie nur so geringfügig unterscheiden, daß die Differenzierung nach Derivaten überflüssig wäre, hat die Klägerin nicht dargetan.

Auch hinsichtlich des hilfsweise zur Stütze der Klage geltend gemachten Uhrenmodells ###-08 kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht von einer ausreichenden gewissen Bekanntheit ausgegangen werden. Die Aussage des Zeugen A erweist sich auch insoweit als unergiebig. Der Zeuge nennt wiederum keine Umsatz- und Vertriebszahlen aus eigener Erinnerung, sondern bestätigt lediglich verbal den schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin, wonach von dem Uhrenmodell J ###, wie auf Bl. 469 f. d.A. wiedergeben, in Deutschland 3.023 Stück verkauft worden seien. Der Zeuge führt weiterhin aus, daß es sich bei dem abgebildeten Modell um das Derivat ###-08 handele. Sodann erklärt er aber, daß 748 Stück im Zeitraum 2012 bis 2016 hergestellt worden seien. Diese Angaben erweisen sich nicht als konsistent. Der Zeuge vermochte an keiner Stelle seiner Vernehmung nachvollziehbar darzustellen, woraus genau sich die von ihm genannten bzw. bestätigten Zahlen ergeben, wie er zu diesen gelangt und welche Basisgrößen er zugrunde legt. Die Abweichungen vom schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin vermochte der Zeuge nicht zu erläutern. Zum Beleg des tatsächlichen Vertriebsumfangs sind die Angaben des Zeugen mithin unergiebig.

Soweit die Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 05.04.2018 geltend macht, auch ein Modell ###-09 sei hilfsweise zum Gegenstand der Klage gemacht worden und hierzu müsse gesondert Beweis erhoben werden, ist dies unzutreffend. Ein Derivat mit der Bezeichnung ###-09 ist zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Klage und auch nicht der mündlichen Verhandlung gewesen. Ausweislich Bl. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2018 (Bl. 637 d.A.) hat die Klägerin die Klage ausdrücklich hilfsweise nur auf das Uhrenmodell ###-08 gestützt. Soweit nunmehr ein weiteres Uhrenmodell in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, erfolgt dies verspätet und der Vortrag der Klägerin ist unzureichend.

Weiterhin ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, daß die Uhrenmodelle, auf welche die Klägerin ihre Ansprüche stützt, nicht mehr vertrieben werden und auch nicht mehr erhältlich sind. Der Zeuge A hat dazu lediglich in widersprüchlicher Weise erklärt, die Derivate befänden sich weiterhin im Vertriebsnetz, sie könnten aber evtl. auch schon ausverkauft sein. Weiterhin hergestellt würden die streitgegenständlichen Derivate jedenfalls seit 2015 nicht mehr, da bereits neue Modelle nachgeschoben worden seien. Bei den 80 vertriebenen Stück, die der Zeuge für den deutschen Markt nennt, handelt es sich offenbar nur um eine grobe Schätzung. Über die tatsächliche Verfügbarkeit konnte der Zeuge letztlich nur Mutmaßungen anstellen. Aufgrund der Aussagen der Zeugen Maranca und B geht die Kammer hingegen davon aus, daß die streitgegenständlichen Uhrenmodelle der Klägerin J ###-08, ###-04 und ###-03 jedenfalls seit Februar 2017 nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben werden und nicht mehr im deutschen Markt erhältlich sind. Der Zeuge Maranca, der für den Uhrenhändler G, einen der Vertriebshändler/Retailer der Klägerin, tätig ist, hat nachvollziehbar bekundet, daß er auf eine entsprechende Anfrage des Zeugen B per E-Mail im Rahmen des üblichen Recherche- und Beschaffungsvorgehens nicht in der Lage war, entsprechende Uhren zu besorgen. Dabei ist – obwohl der Zeuge einräumt, an den konkreten Vorgang im Februar 2017 keine Erinnerung mehr zu haben – davon auszugehen, daß er entsprechend seinem üblichen Standardvorgehen in solchen Fällen zunächst im eigenen Warenwirtschaftssystem und deren weiteren Filialen nachgeschaut hat. Stieß er dort nicht auf die gesuchten Uhrenmodelle, fragte er telefonisch beim Hersteller nach, ob eine Lieferbarkeit gegeben sei. Wenn die Uhrenmodelle im Retailer-Netzwerk des Herstellers noch verfügbar gewesen wären, so hätte er diese dann anfragen und bestellen können. Es ist davon auszugehen, daß der Zeuge Maranca auch auf die Anfrage des Zeugen B eine entsprechende Anfrage mit negativem Resultat gestartet hat.

Der Zeuge B hat plausibel dargestellt, daß er Anfragen an die Händler G und W sowie an freie, kleinere Händler richtete und sämtlich negative Auskünfte erhielt. Vom Händler W aus sei eine unmittelbare Anfrage an J gerichtet worden, die gleichfalls ohne Erfolg blieb. Selbst wenn keine gesonderte Anfrage beim Juwelier Z erfolgte, ist angesichts der von den Zeugen nachvollziehbar geschilderten Marktumständen davon auszugehen, daß etwaige Restbestände der klägerischen, streitgegenständlichen Uhrenmodelle sämtlich abverkauft sind. Nach Auffassung der Kammer ist damit hinreichend belegt, daß die streitgegenständlichen Uhren der Klägerin am bundesdeutschen Markt nicht mehr erhältlich sind.

Der Nachweis von einer gewissen Bekanntheit der klägerischen Erzeugnisse ist nach alldem nicht geführt.

(2) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin auch eine gewisse Verkehrsbekanntheit unterstellt, ist gleichwohl eine Herkunftstäuschung vorliegend aufgrund der deutlichen gestalterischen Unterschiede der Erzeugnisse des Beklagten in den wesentlichen Gestaltungsmerkmalen und der unterschiedlichen, sowohl auf den Uhren der Klägerin als auch auf den Uhren des Beklagten vorhandenen Herstellerkennzeichen – „J“ einerseits und „U Watches“ andererseits – ausgeschlossen.

Die angegriffenen Uhrenmodelle des Beklagten weisen gegenüber den klägerischen Uhrenmodellen eine Vielzahl von Unterschieden auf, die sie – zudem unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Herstellerkennzeichnungen – einen ausreichenden Abstand wahren lassen:

– die Zeiger sind bauchiger;

– die Zeiger sind farblich unterschiedlich;

– der Sekundenzeiger ist schwertförmig;

– der farblich abweichende Minutenzeiger endet am äußeren Rand der Eisenbahnschiene und ist daher länger;

– bei der Standard-Schriftart ist die „4“ nach außen gewölbt und die „7“ schlanker;

– das Sekundenfeld zeigt die „60“ in Schwarz, nicht in Rot und die 10er Striche sind schlanker;

– zwischen dem äußeren Rand der „Eisenbahnschiene“ und dem eigentlichen Ziffernblatt besteht ein weiterer Abstand;

– die Zahlen sind horizontal ausgerichtet;

– der Sekundenzeiger ist gleichfarbig mit den übrigen Zeigern;

– die Krone besitzt eine Zwiebelform

– die Dicke von Gehäuse, Lünette und Hörnern ist unterschiedlich.

Diese Unterschiede zwischen den streitgegenständlichen Uhren können auch nicht als irrelevant angesehen werden. Bei Luxusuhren dieser Preisklasse und solch speziellen Modellen, die ein ganz bestimmtes Publikum ansprechen, muß davon ausgegangen werden, daß auch kleinste Unterschiede genau wahrgenommen und verglichen werden. Dies ergibt sich etwa aus den von beiden Parteien vorgelegten Internetforen-Beiträgen. Hier scheint es sich hauptsächlich um Hobby-Uhrensammler zu handeln, denen marginale Unterschiede zwischen einzelnen Herstellern und Modellen, wie auch einhergehende Preisunterschiede durchaus bewußt sind.

An die Gefahr einer Herkunftstäuschung müssen daher hier höhere Anforderungen gestellt werden als im Bereich deutlich niedrigpreisiger Nachahmungen bekannter Uhrenmodelle. Für die angesprochenen Verkehrskreise ergibt sich vorliegend aus den Kennzeichnungen „J“ und „U Watches“ mit hinreichender Deutlichkeit, daß es sich bei der Klägerin und beim Beklagten um unterschiedliche und unverbundene Unternehmen handelt, die ihre Erzeugnisse auch auf unterschiedlichen Vertriebswegen absetzen. Während die Klägerin über ein spezifisches Händlernetz vertreibt, verkauft der Beklagte im Direktvertrieb und auf Einzelanfertigung. Dies ist dem Publikum bekannt, auch wenn es sich nicht um Fachkreise im engeren Sinne, sondern um interessierte Uhren-Laien handelt.

b) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich – auf Grundlage der vorgemachten Ausführungen – auch nicht nach § 4 Nr. 3 b) UWG unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Rufausnutzung oder -beeinträchtigung. Die Unlauterkeitstatbestände der Rufausnutzung oder Rufbeeinträchtigung nach § 4 Nr. 3 b) 1. und 2. Alt. UWG sind nicht erfüllt.

Die Wertschätzung setzt eine gewisse Bekanntheit voraus (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2011, 182, 183 – Leuchtpflasterstein). Daran fehlt es, wie oben ausgeführt, vorliegend. Die Klägerin hat auch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen auf eine Beeinträchtigung der Wertschätzung geschlossen werden könnte. Sie hat insbesondere nicht behauptet, daß die Erzeugnisse des Beklagten qualitativ minderwertiger sein sollen als ihre eigenen Produkte.

Da hier fachlich in aller Regel gut informierte Abnehmer angesprochen werden, die keiner Gefahr einer Herkunftsverwechslung unterliegen, scheidet auch eine unlautere Rufausbeutung insoweit aus (vgl. BGH GRUR 2012, 58, Rn. 49 – Seilzirkus; BGH GRUR 2013, 1052, Rn. 42, 43, 47). Konkrete Tatsachen, die trotz fehlender Herkunftstäuschung im vorliegenden Fall gleichwohl die Annahme einer unlauteren Nachahmung unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung stützen könnten, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich.

II. Die Annexansprüche auf Auskunft, Schadensersatz dem Grunde nach sowie Ersatz der Kosten für die Abmahnung und das Abschlußschreiben teilen das Schicksal des Hauptanspruchs.

Das neue Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerseite vom 05.04.2018 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 260.000,0 €

(200.000,00 € für den Unterlassungsantrag; 40.000,00 € für den Auskunftsantrag; 20.000,00 € für die Schadensersatzfeststellung; die Kosten für die Abmahnung und das Abschlußschreiben bleiben ohne eigenen Ansatz, § 4 ZPO)
106

festgesetzt.

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