Gestaltung einer Internetseite unterfällt dem Urheberschutz

11. November 2004
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LG München I

Urteil vom 11.11.2004

Az.: 7 O 1888/04

1. Bei Erreichung der erforderlichen Schöpfungshöhe kann eine Website als Computerprogramm bzw. Multimediawerk urheberrechtlichen Schutz beanspruchen.

2. Die alleinige Urheberschaft des Auftragnehmers wird nicht dadurch berührt, dass der Auftraggeber dem Websitegestalter lediglich die Texte, Grafiken und Bilder zur Einbindung in die Homepage liefert.

3. Ein Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch wird dann ausgelöst, wenn dem Auftraggeber nach der werkvertraglichen Vereinbarung ein Nutzungsrecht erst nach vollständiger Bezahlung zusteht. Dadurch ist eine Nutzung durch Onlinestellen vor Bezahlung rechtswidrig.

Sachverhalt:

Die Kl. macht gegen die Bekl. Werklohnansprüche für die Gestaltung einer Homepage sowie Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche wegen der unbefugten Verwendung dieser Homepagegestaltung geltend. Im Januar bzw. Februar 2003 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Erstellung eines Internetauftritts für die Bekl. Die Kl. sollte nach Abschluss der Konzeptionsphase eine Zahlung i.H.v. EUR2.140,- zzgl. MwSt. und nach Abschluss der Produktionsphase von EUR4.872,- inkl. MwSt. erhalten. In der E-Mail der Kl. v. 14.2.2003 wird u.a. ausgeführt: „Die Nutzungsrechte gehen mit der vollständigen Bezahlung der Vergütung an den Auftraggeber über. An Entwürfen und Reinzeichnungen werden nur Nutzungsrechte eingeräumt, nicht jedoch Eigentumsrechte übertragen. Eine Besitzübergabe erfolgt für sämtliche Onlinedaten, Nutzungsrechte hierzu beziehen sich nur auf das Medium ,Internet‘, bzw. ,Screen‘“.

Die Kl. stellte der Bekl. mit Schreiben v. 10.6.2003 EUR4.872,- in Rechnung. Die Bekl. stellte die Homepagegestaltung der Kl. v. 5.6.2003-12.3.2004 online. Anschließend kam es zwischen den Parteien jedoch zu Meinungsverschiedenheiten über die Definition der nach dem Vertrag noch abzuliefernden Dateien, die im Zusammenhang mit der Erstellung der Website stehen. Die Kl. ist der Auffassung, dass sie ihren vertraglichen Verpflichtungen bereits mit der Übergabe der sog. „swf-Dateien“, die von ihr auch als „Content-Files“ bezeichnet werden, nachgekommen sei. Die Bekl. habe keinen vertraglichen Anspruch auf Übergabe der sog. „fla-Dateien“, die von ihr auch als „Menü-Files“ und von der Bekl. auch als „Quellcode“ bezeichnet werden.

Die Bekl. verweigerte die Bezahlung der Rechnung mit der Argumentation, dass bis heute der Quellcode nicht übergeben und der Werkvertrag daher nicht erfüllt worden sei. Sie macht weiter geltend, dass die von der Kl. geschaffene Leistung nicht schutzfähig sei, jedenfalls sei die Kl. nicht alleinige Urheberin, da neben der Kl. auch die Mitarbeiter der Bekl. auf das Aussehen der Internetseite Einfluss genommen hätten. Diese hätten der Kl. sämtliche Texte und Bildideen vorgegeben. Der Kl. sei bekannt gewesen, dass im Unternehmen der Bekl. ein IT-Mitarbeiter zur Verfügung gestanden habe, der die Internetseite pflegen und ggf. anpassen sollte. Es sei daher Geschäftsgrundlage und Element des werkvertraglichen Leistungserfolgs gewesen, dass mit Ablieferung der Homepagegestaltung die Übergabe des HTML-Codes in einer Form geschuldet werde, die es der Bekl. ermöglichen würde, die notwendige Pflege des Auftritts zu betreiben. Dies sei mit den bislang gelieferten swf-Dateien nicht möglich. Insb. könnten veraltete Stellenanzeigen nicht aktualisiert werden. Die Kl. erwidert hierzu, dass eine Änderung des Inhalts der Content-Files unstreitig auch durch Herausnahme des betreffenden Inhalts und Neueinstellung möglich sei.

Entscheidungsgründe:

Die Kl. hat Anspruch auf Bezahlung der restlichen Werklohnforderung, da die Bekl. zu Unrecht von dem Werkvertrag zurückgetreten ist (A.). Die Nutzung des Internetauftritts durch die Bekl. vor vollständiger Bezahlung stellt sich als Urheberrechtsverletzung dar, sodass der Kl. deswegen die geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche zustehen (B.).

A.

Vertragliche Ansprüche: Die Kl. hat Anspruch auf Bezahlung der restlichen Werklohnforderung gem. § 631 Abs. 1 BGB, da die Bekl. zu Unrecht vom Werkvertrag zurückgetreten ist.

I.
Zwischen den Parteien wurde unstreitig ein Werkvertrag, gerichtet auf die Neuerstellung und Gestaltung des Internetauftritts der Bekl. durch die Kl., geschlossen. Ob die Leistung der Kl. von der Bekl. … i.S.d. § 640 BGB abgenommen wurde, kann offen bleiben. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist jedenfalls nach Übergabe der Dateien … Fälligkeit der Restwerklohnforderung eingetreten.

II.
Der … Rücktritt der Bekl. vom Werkvertrag ist unwirksam, da kein Rücktrittsgrund (§§ 634 Nr. 3, 636 BGB) besteht; die Rücktrittserklärung kann nach Vollendung des Werks auch nicht mehr als Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB Wirkung entfalten, unabhängig davon, dass die Kl. dennoch die vereinbarte Vergütung verlangen könnte (§ 649 Satz 2, 1. Halbs. BGB).

1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die Übergabe der sog. fla-Dateien nicht geschuldet ist, sodass das abgelieferte Werk vertragsgemäß war. Dabei kann offen bleiben, welches Dateiformat nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags vor dem Gespräch v. 24.7.2003 geschuldet war. Denn die Parteien waren sich anlässlich dieses Gesprächs darüber einig, dass die Kl. den restlichen Werklohn nach Übergabe der sog. „Quell-Dateien“ erhalten werde, die sie unstreitig am nächsten Tag bei der Bekl. abgeliefert hat.

Dies ergibt sich aus den Angaben des Zeugen K., deren Glaubhaftigkeit durch den tatsächlichen Geschehensablauf untermauert wird. Der Zeuge, der seinen Angaben zufolge an dem Gespräch als freundschaftlicher Berater der Kl., und nicht als Rechtsanwalt oder Programmierer, teilgenommen hat, hat ausgeführt, dass sich das Gespräch v. 24.7.2003 in zwei Abschnitte gliederte. Im ersten Abschnitt seien die noch von der Kl. abzuliefernden Dateien definiert worden. Dies seien im Wesentlichen die für die Gestaltung des Internetauftritts verwendeten Originaldateien (Texte, Grafiken, Bilder) gewesen. Der Zeuge W. habe damals zugesichert, dass die Kl. nach Ablieferung dieser Dateien den restlichen Werklohn in Form eines Schecks erhalten würde. Im zweiten Abschnitt des Gesprächs sei es um die beiden von der Kl. bereits schriftlich vorgelegten Angebote zum Nacherwerb der Quellcodes bzw. fla-Dateien gegangen. Hierbei habe der Zeuge W. zu verstehen gegeben, dass sich die Bekl. bewusst sei, dass sie keinen vertraglichen Anspruch auf diese Dateien habe, diese aber dennoch gerne erwerben möchte. Eine Einigung sei aber trotz des Angebots der Kl., der Bekl. die im Paket über EUR500,- enthaltenen fla-Dateien (Content-Files bzw. Sourcecode für den Content-Bereich) kostenlos zu überlassen, nicht zu Stande gekommen. …

B.

Gesetzliche Ansprüche: Daneben hat die Kl. auf Grund der von der Bekl. unbefugt vorgenommenen Onlinestellung der Homepage Anspruch auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung gem. §§ 97 Abs. 1 UrhG, 242 BGB.

1. Die von der Kl. geschaffene Leistung weist als Computerprogramm (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a UrhG) bzw. Multimediawerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 2. Alt. UrhG) die gem. § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Schöpfungshöhe auf. Hiervon konnten sich die Kammermitglieder noch während der Zeit der Onlinestellung überzeugen.

Unabhängig von der Einordnung in eine bestimmte Werkkategorie – fla-Dateien stellen kleine Filme dar – besticht die streitgegenständliche Homepagegestaltung durch die optisch sehr ansprechend gestaltete Menüführung und insb. durch die nach Aufrufen eines Menüpunkts in Form eines Kurzfilms ablaufenden Effekte. Dass die Leistung der Kl. darüber hinaus diejenige eines Durchschnittsdesigners überragt, ergibt sich auch daraus, dass die sehr anspruchsvollen und überaus ausführlichen Anforderungen der Bekl. im sog. „Agentur-Briefing“ in Bezug auf Inhalt und Gestaltung allesamt zur vollsten Zufriedenheit erfüllt wurden. … Die „Usability“ der Homepage stellt „ein zentrales Element der Homepage dar“. Es wurde darauf geachtet, dass „Innovation i.R.d. Website mit Intelligenz gleichzusetzen ist“.

2. Die Kl. ist auch die alleinige Urheberin dieser urheberrechtlich geschützten Leistung. Denn die von der Bekl. als Miturheber angeführten Mitarbeiter M. und W. haben lediglich die Texte, Grafiken und Bilder zur Einbindung in die von der Kl. geschaffene Homepage gestellt. Dies hat mit den o.g. Anforderungen nichts zu tun und stellt keinen eigenschöpferischen Beitrag i.S.d. der §§ 7 und 8 UrhG dar, da erst nach der alleine von der Kl. erfolgten Umsetzung von einem Werk i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG ausgegangen werden kann.

3. Da die Bekl. nach den vertraglichen Vereinbarungen erst mit vollständiger Bezahlung ein Nutzungsrecht an der Homepagegestaltung erworben hätte, erfolgte die Nutzung im Zeitraum v. 5.6.2003-12.3.2004 zu Unrecht (§§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19a UrhG). …

4. Aus dieser schuldhaften Urheberrechtsverletzung ergeben sich die folgenden Rechtsfolgen: Die Kl. hat gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG bis zur vollständigen Bezahlung des Werklohns Anspruch auf Unterlassung weiterer Nutzungshandlungen. …

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