Gesetz gegen Hass im Netz verfassungswidrig?
Hintergrund der Gutachten war ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Juli diesen Jahres zur sogenannten Bestandsdatenauskunft. In dem Verfahren ging es um verschiedene Vorschriften, die es dem BKA, der Polizei und den Nachrichtendiensten erlaubten, von Telekommunikationsanbietern Bestandsdaten ihrer Nutzer, also beispielsweise Name, Anschrift oder das Geburtsdatum, abzufragen. Weil das BVerfG die Bestandsdatenauskunft – übrigens schon zum zweiten Mal – für zu weitgehend hielt, muss der Gesetzgeber die entsprechenden Vorschriften bis Dezember 2021 ändern.
Inhalt des geplanten Gesetzes
In dem Gesetz gegen Hass im Netz geht es im Kern darum, dass die Anbieter sozialer Netzwerke möglicherweise strafbare Beiträge nicht mehr nur löschen müssen, sondern direkt an das BKA weiterleiten sollen. Dieses soll dann eine mögliche Strafbarkeit prüfen und soweit notwendig, die Verfahren dann an die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft weiterleiten. Um so eine effektivere Strafverfolgung zu ermöglichen, ist es notwendig, dass das BKA bestimmte Daten, wie beispielsweise IP-Adressen oder Namen, abfragen und weiterleiten darf. Die Thematik ist insoweit mit der Problematik des Beschlusses vom BVerfG „Bestandsdaten II“ verknüpft.
Gutachten berufen sich auf Beschluss des BVerfG
Aus diesem Grund hat beispielsweise Herbert Mertin (FDP), Justizminister in Rheinland-Pfalz, bereits im Juli einen Brief an das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz geschickt, in dem er schreibt, dass er es für erforderlich halte, die möglichen Auswirkungen des Beschlusses auf das Gesetz zu prüfen. Auch Bundestagsabgeordnete der Fraktion die Grünen und der FDP hatten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gesetzes und haben jeweils ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags in Auftrag gegeben. Darüber hinaus haben die Grünen noch ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, nämlich beim Mainzer Professor für Öffentliches Recht und Informationsrecht, Prof. Dr. Matthias Bäcker. In den Gutachten werden die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Gesetz gegen Hass im Netz bestätigt. Es sei beispielsweise fraglich, ob das BKA überhaupt die Befugnis habe, anhand der ihm vorliegenden IP-Adresse, die Identität des Nutzers bei den Anbietern von Telekommunikationsdiensten abzufragen. Auch die Telekommunikationsanbieter hätten keine Befugnis, dem BKA die einer IP-Adresse zugewiesenen Daten zu übermitteln, weshalb die Pflicht zur Übermittlung von Daten insgesamt verfassungswidrig sei.
Probleme schon seit Juli bekannt
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, kritisiert, dass die Bundesregierung sich „sehenden Auges in diese missliche Lage manövriert habe“, da die verfassungsrechtlichen Bedenken schon länger bekannt seien. Insgesamt hält er das Ziel des Gesetzes jedoch für wichtig. Anders sieht das dagegen der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Stephan Thomae, der sich dafür ausspricht, das Gesetz insgesamt zurückzunehmen. Er fordert, dass Opfer von Persönlichkeitsrechtsverletzungen stattdessen die Möglichkeit erhalten sollen, mit einem Auskunftsanspruch und einer richterlichen Anordnung die IP-Adresse des Schädigers zu erhalten, um so unter Umständen gezielte rechtliche Schritte einleiten zu können. Die Bundesregierung hält anscheinend trotz der verfassungsrechtlichen Bedenken an dem Gesetz fest.