Zulässigkeit und Haftung von User-Generated-Content Plattformen am Beispiel von Online-Bewertungsportalen – Teil 1/3

29. August 2011
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Mit dem Siegeszug des Web 2.0 hat sich eine unzählige Vielzahl an User-Generated-Content Plattformen entwickelt, die nunmehr nutzergenerierte Inhalte in den Mittelpunkt stellen. Insbesondere sogenannte Bewertungsportale im Internet erfreuen sich größter Beliebtheit, um Waren, Dienstleistungen oder sogar Personen zu bewerten. Diese Dienste erfüllen auf den ersten Blick eine wertvolle Funktion: Sie warnen frühzeitig vor schwarzen Schafen und verhindern, dass weitere Kunden geprellt werden.

Es verwundert jedoch kaum, dass sich derartige Plattformen aus rechtlicher Sicht in einem verfassungsrechtlichen Spannungsfeld zwischen der Meinungsfreiheit des sich Äußernden und den verfassungsrechtlich verbürgten Rechten des von der Äußerung Betroffenen befinden, insbesondere dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Auch wenn Bewertungsportale in der Regel dazu dienen, dem Nutzer des Portals einen Mehrwert zu bieten, so werden sie auch dazu genutzt, um unter dem „Deckmantel der Anonymität“ Bewertungen und kritische Kommentare abzugeben, welche die Grenze zur reinen Schmähkritik übersteigen und häufig die alleinige Intention haben, den Betroffenen an den Pranger zu stellen. Der folgende Artikel zeigt das verfassungsrechtliche Spannungsfeld auf und belegt anhand ausgewählter Beispiele unter anderem aus der Rechtsprechung, wie mit Bewertungsplattformen im Internet aus haftungsrechtlicher Sicht umgegangen wird.

Das Wesentliche Element von Bewertungsplattformen sind selbstverständlich die von Nutzern abgegebenen Bewertungen und Kommentare. Die Frage, die sich jeder stellt, der Zielscheibe von kritischen Bewertungen und Kommentaren geworden ist, ist, ob solche Äußerungen in jeden Fall hingenommen werden müssen oder ob es möglich ist, hiergegen vorzugehen. Wehren kann man sich gegen unzulässige Bewertungen und Kommentare, insbesondere mit einem Anspruch auf Löschung des entsprechenden Eintrags. Da der Autor des Kommentars oder der Bewertung häufig nicht greifbar ist, kann sich der Anspruch auch gegen den Betreiber des Dienstes richten. Bei solchen Äußerungen spielen allerdings die Grundrechte der Beteiligten eine entscheidende Rolle. Demjenigen, der kommentiert oder bewertet, steht das Grundrecht der Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, zur Seite. Umgekehrt kann sich der von der Äußerung Betroffene regelmäßig auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, seine Eigentumsfreiheit Art. 14 Abs. 1 GG und gegebenenfalls auf sein Unternehmenspersönlichkeitsrecht berufen. Einen gerechten Ausgleich findet man durch eine Abwägung der Grundrechte untereinander und gegeneinander.

Verfassungsrechtliches Spannungsfeld und Rechtsgrundlagen

Die Autoren von kritischen Bewertungen und Kommentaren berufen sich gerne auf ihre Meinungsfreiheit. Dabei wird häufig verkannt, dass nicht jede Äußerung den Schutz der Meinungsfreiheit genießt. Dreh- und Angelpunkt ist hierbei, ob ein Werturteil geäußert („Der Versand hat mir zu lange gedauert“) oder eine Tatsache behauptet wird („Der Versand hat 14 Tage gedauert“). Tatsachenbehauptungen werden darüber hinaus zwischen wahren und unwahren Tatsachenbehauptungen unterteilt. Von der Meinungsfreiheit geschützt sind danach Werturteile jeder Art und Tatsachenbehauptungen, insoweit sie meinungsbezogen sind.  Wahre Tatsachenbehauptungen genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, insoweit sie zur Meinungsbildung dienen können. Bewusst unwahre Tatsachen oder Tatsachen deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung zweifelsfrei feststeht, verdienen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit.

Was für eine Äußerung nun vorliegt, richtet sich danach, ob der Inhalt beweisbar ist. Eine Tatsachenbehauptung kann wahr oder unwahr sein, ein Werturteil kann je nach Standpunkt entweder als falsch abgelehnt oder als richtig akzeptiert werden (Palandt/Sprau, § 824 Rn 2 m.w.N.).

Auch wenn ein kritischer Kommentar oder eine Bewertung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wird regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der von der Meinungsäußerung betroffenen Person tangiert oder gar verletzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nämlich ein umfassendes Recht auf Achtung und Entfaltung der Persönlichkeit. Welches Recht nun Vorrang genießt wird durch eine umfassende Abwägung im Einzelfall bestimmt.

Diese Abwägung gestaltet sich jedoch sehr schwierig. Die Praxis hat deshalb das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Sphären eingeteilt. Unterschieden wird zwischen der Intimsphäre (insbesondere Sexualität), der Privatsphäre (insbesondere Krankheiten) und der Sozialsphäre (insbesondere das Berufsleben). Die Intimsphäre ist grundsätzlich unantastbar; die Privatsphäre bietet etwas weniger Schutz und erlaubt eine Äußerung bei einem berechtigten öffentlichen Interesses; im Bereich der Sozialsphäre gelten die geringsten Anforderungen.

Manche Äußerungen sind jedoch stets unzulässig. Auch hier wird zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen unterschieden. Für die Praxis ist es deshalb von Anfang an wichtig, die Äußerung richtig zu bestimmen, um in das richtige Fahrwasser zu gelangen.

Eine absolute Grenze für die Unzulässigkeit von Werturteilen ist die sogenannte Schmähkritik, d.h. wenn die Äußerung nicht mehr einer Auseinandersetzung in der Sache dient, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung ist etwa die Äußerung gegenüber einem uniformierten Beamten „da kann ja jeder Clown kommen“ (Urteil vom 12.08.2005 – Az.: (4) 1 Ss 93/04 (91/04)). Umgekehrt ist die Äußerung gegenüber einem Moderator eines Homeshoppingkanals als „Puppenpäderast“ zulässig (LG München I, Urteil vom 12.04.2006 – Az.: 9 O 24117/05 „im Rahmen der Satirefreiheit“). Die Grenze, welche für wahre Tatsachenbehauptungen gezogen wird, liegt bei der Ausgrenzung, Stigmatisierung oder Prangerwirkung (BGH, Urteil vom 15.11.2005 – Az.: VI ZR 286/04).

Oftmals wird bereits in der Tatsache, dass Daten über die eigene Person durch einen Dritten überhaupt ins Internet gestellt werden, eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gesehen (eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung  umfasst nämlich unter anderem die Befugnis des Einzelnen, zu bestimmen, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Daten und Lebenssachverhalte offenbart werden.

Sehen sich die Unternehmen durch kritische Äußerungen in ihren Rechten verletzt, können auch sie sich auf ein sogenanntes „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ berufen. Wichtiger für die Praxis ist allerdings das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 BGB Abs. 1 i.V.m. Art. 14 GG, die Kreditgefährdung, § 824 BGB und die Instrumente des Wettbewerbsrechts. Etwa kann auch eine wahre Tatsachenbehauptung unzulässig sein, wenn in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb existenzbedrohend eingegriffen wird (so im Ergebnis auch das OLG Rostock, Urteil vom 21.03.2001 – Az.: 2 U 55/00). Herabsetzende, verunglimpfende und kreditgefährdende Äußerungen im Hinblick auf u.a. Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen können auch wettbewerbsrechtlich gemäß § 4 Nr. 7 und Nr. 8 UWG unzulässig sein.

Den zweiten Teil dieses Artikels veröffentlichen wir im Rahmen unseres Newsletters Nr. 73 am 13.09.2011.

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