Spielervermittlung wird vor den ordentlichen Gerichten verhandelt

19. August 2010
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Eigener Leitsatz:

Soweit der Beklagte nichts Gegenteiliges vortragen und beweisen kann, ist über einen Rechtsstreit auf Grundlage eines Berufsethikkodexes für Spielervermittler grundsätzlich vor den ordentlichen Gerichten zu verhandeln. Es gilt auch hier der allgemeine Beibringungsgrundsatz.
Der "Standard- Vermittlungsvertrag [FIFA]" ist nur dann mit der Vermittlervergütungsverordnung vereinbar, wenn die Summe der für eine Vermittlung vereinbarten Vergütungen 14 % des dem vermittelten Spieler zustehenden Arbeitsentgelts für 12 Monate nicht übersteigt.  

LG Heidelberg

Urteil vom 11.08.2010

Az.: 5 O 307/09

Leitsätze

1. Ob der Spielervermittler einer Regelung des Berufsethik-Kodexes unterliegt, die es ihm untersagt, Rechtsstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten anhängig zu machen, sodass seine Klage auf Einrede des Spielers unzulässig wäre, ist eine tatsächliche Frage, für die der Beibringungsgrundsatz gilt. Solche Verbandsregeln sind auch keine Statuten im Sinne des § 293 ZPO.

2. Zu Auslegung und Vereinbarkeit des "Standard-Vermittlungsvertrags [FIFA]" mit § 2 Abs. 1 VermVergVO.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung über einen Betrag von 570 Euro hinaus durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils weiter vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand
        
Der Kläger, ein lizensierter Spielerberater, macht gegen den Beklagten, einen Fußballtorwart, Ansprüche wegen Vermittlung zum Fußballverein SV S. geltend.
   
Die Parteien haben am 17.1.2006 eine mit „Standard-Vermittlungsvertrag [FIFA]“ überschriebene Vertragsurkunde unterzeichnet. Darin heißt es unter „2.) Entschädigung“:
   
Der Spielervermittler erhält eine Kommission in der Höhe von [eingefügt: 12] % des jährlichen Brutto-Grundgehaltes, welches der Spieler aufgrund des vom Spielervermittler ausgehandelten Arbeitsvertrages verdienen wird.
– einmalige Zahlung zu Beginn der Laufzeit des Arbeitsvertrages: [angekreuzt]
– jährliche Abrechnung, jeweils am Ende eines Vertrages: [nicht angekreuzt]
   
Am 19.4.2006 schloss der Beklagte zum 1.7.2006 einen bis zum 30.6.2008 befristeten Vertragsamateurvertrag beim SV S. Er sah für die Oberliga ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 1.050 Euro, für die Regionalliga von 1.647 Euro vor.
   
Der Kläger behauptet, dem Beklagten diesen Vertragsamateurvertrag vermittelt zu haben. Während er zunächst behauptet hat, die Vergütungsregelung umfasse 12% jedes Brutto-Jahresgehalts, also vorliegend 12% von zwei Brutto-Jahresgehältern, behauptet er zuletzt, gemeint seien einmalig 12% des Brutto-Jahresgehalts.
   
Der Kläger beantragt zuletzt ,
   
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.168 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2006 zu zahlen.
   
Der Beklagte beantragt
   
Klageabweisung.
   
Der Beklagte hält die Klage bereits für unzulässig. Der Berufsethikkodex (Anhang des Spielervermittlungs-Reglements) enthalte eine Bestimmung, nach der es dem Spielervermittler untersagt sei, Rechtsstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten anhängig zu machen; stattdessen sei er verpflichtet, sich hinsichtlich jeglicher Ansprüche der Zuständigkeit des Verbands oder der FIFA zu unterwerfen.
   
Der Beklagte behauptet im Übrigen, der Spielervermittlervertrag sei nur zum Schein abgeschlossen worden. Der Kläger habe den Vertragsamateurvertrag nicht vermittelt. Auch sei der Vertrag angesichts der hohen Vergütung sittenwidrig.
   
In die mit Schriftsatz vom 14.7.2010 erklärte Klagerücknahme über 3.168,00 Euro hat der Beklagte eingewilligt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe
    
I.
   
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
   
1.) Dem Beklagten steht keine Einrede zu, die zur Unzulässigkeit der Klage führt.
   
a) Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Beklagte auf eine zwischen dem Kläger und einem anderen – etwa dem DFB, der FIFA usw. – bei der Lizensierung abgeschlossene Vereinbarung berufen kann, dass der Rechtsweg nicht eröffnet sein soll (zweifelnd insoweit H. P. Westermann , in: Württembergischer Fußballverband e.V. [Hrsg.], Rechtsfragen zur Sportvermittlung und des Sportlermanagements, S. 53 [71]). Eine solche Regelung könnte einen einredeweise geltend zu machenden Anspruch des Beklagten schaffen, Forderungen nicht gerichtlich geltend zu machen ( pactum de non petendo zu Gunsten Dritter, vgl. BGH vom 18.9.1957 – Az. V ZR 209/55 – und BGH vom 26.4.2002 – Az. BLw 32/01), oder könnte als Schiedsvereinbarung zu Gunsten Dritter (vgl. OLG Düsseldorf vom 19.5.2006 – Az. I-17 U 162/05, 17 U 162/05 – Abs.-Nr. 28 m.w.N.) auszulegen sein.
   
b) Es ist aber bereits nicht nachgewiesen, dass der Kläger an eine solche Klausel gebunden ist.
   
(1) Offen ist geblieben, ob und unter welchen Umständen der Kläger eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen hat. Nicht bewiesen ist auch, dass der Berufsethikkodex eine solche Vorschrift überhaupt enthält. Der „Kodex der Berufsethik“ als Anlage B zum Spielervermittler-Reglement (Anlage B3), den der Beklagte selbst vorgelegt hat, kennt eine solche Klausel jedenfalls gerade nicht. Im Übrigen wäre zweifelhaft, ob ein solcher Kodex mit Rechtsbindungswillen vereinbart würde oder ob hierdurch nicht nur ethisch-moralische Normen geschaffen werden sollen. Der Beklagte hat insoweit jedenfalls keinen Beweis angeboten.
   
(2) Das geht zu Lasten des Beklagten. Insbesondere konnte das Gericht Inhalt und Reichweite der behaupteten Vereinbarung nicht von Amts wegen nach § 293 ZPO aufklären. Die dort aufgeführten Statuten sind Rechtsnormen privaten Ursprungs wie Tarifverträge (§ 1 Abs. 1 TVG) oder originäres Kirchenrecht (Art. 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG). Der Berufsethikkodex enthielte demgegenüber nicht abstrakt-generelle heteronome Normen, sondern wäre vereinbarte Selbstbindung der Vertragsparteien. Es bleibt also bei dem für Tatsachen geltenden Beibringungsgrundsatz. Ob, wie der Kläger behauptet, ein entsprechendes Schiedsgericht bislang gar nicht eingerichtet sei, kann daher dahinstehen.
   
2.) Der Kläger kann von dem Beklagten aus dem Standard-Vermittlungsvertrag [FIFA] jedoch keine Zahlungen verlangen.
   
a) Dabei kann dahinstehen, ob der als Maklervertrag (§ 652 BGB) zu qualifizierende Vertrag nur zum Schein abgeschlossen war und deshalb nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der Kläger, wofür allerdings vieles spricht, dem Beklagten den Vertragsamateurvertrag vermittelt hat.
   
b) Maßgeblich ist, dass ein vereinbartes Honorar jedenfalls unzulässig hoch wäre.
   
(1) Die Höchstgrenze des Maklerlohns bemisst sich im vorliegenden Fall nicht nach § 138 Abs. 1 BGB; auch § 655 BGB ist als allgemeineres Gesetz ausgeschlossen. Die Vergütung, die ein Arbeitsvermittler vereinbaren kann, ist nämlich im Sozialrecht spezialgesetzlich geregelt.
   
(2) § 296 Abs. 3 Satz 1 SGB III bestimmte in der am 17.1.2006 – bei Vertragsunterzeichnung – geltenden Fassung, dass die Vergütung einschließlich der auf sie entfallenden gesetzlichen Umsatzsteuer den in § 421g Abs. 2 SGB III genannten Betrag von grundsätzlich 2.000 Euro nicht übersteigen darf. Dem genügt die angebliche Vereinbarung unstreitig nicht.
   
Allerdings macht das Gesetz für diejenigen Fälle eine Ausnahme, in denen die Vermittler-Vergütungsverordnung etwas anderes bestimmt. Für Berufssportler (§ 1 Nr. 4 VermVergVO) bestimmt § 2 Abs. 1 VermVergVO eine Höchstgrenze der Vergütung einschließlich der auf sie entfallenden Umsatzsteuer von „14 vom Hundert des dem vermittelten Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelts“, im Falle eines Beschäftigungsverhältnisses von mehr als zwölf Monaten von „insgesamt 14 vom Hundert des dem vermittelten Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelts für zwölf Monate“.
   
(3) Hiergegen verstieße die vom Kläger behauptete Vereinbarung.
   
Der Spielervermittler ist, wenn er nicht nur zwischen zwei Vereinen tätig wird, Arbeitsvermittler ( Englisch in: Württembergischer Fußballverband e.V. [Hrsg.], Rechtsfragen zur Sportvermittlung und des Sportlermanagements, S. 35 [40]). Der Beklagte war Arbeitssuchender im Sinne des § 15 S. 2, 3 SGB III, das Vertragsamateurverhältnis ein Arbeitsverhältnis.
   
Die behauptete Vereinbarung versprach dem Kläger einen Maklerlohn von mehr als 14% des dem vermittelten Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelts für zwölf Monate. Dafür kann dahinstehen, was unter dem „Brutto-Grundgehalt“ zu verstehen ist (vgl. aber dazu Art. 12 Abs. 4 des Spielervermittler-Reglements) und wie es sich zum Arbeitsentgelt des § 2 Abs. 1 VermVergVO verhält. Die Grenze ist jedenfalls deshalb überschritten, weil nach der behaupteten Vereinbarung 12% für das erste und 12% für das zweite Jahr des vermittelten Arbeitsverhältnisses geschuldet sein sollten. Das übersteigt das Zulässige nach jeder Berechnungsmethode.
   
Für diese Vertragsauslegung spricht bereits der Wortlaut der Vertragsurkunde. Dort ist vom jährlichen Brutto-Grundgehalt, nicht von einem Jahres-Brutto-Grundgehalt die Rede. Das wird dadurch bestätigt, dass das Formular die Möglichkeit einer jährlichen Abrechnung „jeweils am Ende eines Vertrages“ (gemeint: Vertragsjahres, vgl. Art. 12 Abs. 5 des Spielervermittler-Reglements) vorsieht, was nur bei jährlich wiederkehrender Vergütungspflicht einen Sinn ergibt. Dass das Vertragsformular so gemeint ist, erschließt sich endlich auch aus dem für die Auslegung heranzuziehen Art. 12 des Spielervermittler-Reglements, dessen Absatz 6 gerade den Fall der jährlichen Entlohnung näher beschreibt, allerdings auch (Absatz 7) einen erheblich niedrigeren und deshalb regelmäßig unbedenklichen Prozentsatz vorsieht. Auch in anderen gerichtlichen Entscheidungen sind die Parteien offenbar von dem Grundgehalt eines jeden Jahres ausgegangen (vgl. OLG Celle vom 16.1.2003 – 11 U 157/02).
   
Dass auch die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits den Vertrag übereinstimmend genau so verstanden haben, zeigt sich daran, dass der Kläger seine Forderung auf Grundlage zweier Arbeitsjahre eingeklagt und erst auf gerichtlichen Hinweis halbiert hat und bis zu diesem Zeitpunkt auch der Beklagte eine Berechnung auf Grund nur eines Jahresgehalts nicht eingewandt hat. Einen übereinstimmenden anderen Willen, dem nach § 133 BGB gegenüber dem objektiv ermittelten Vertragsinhalt Vorrang zukäme ( falsa demnstratio non nocet ), hatten die Parteien folglich bei Abschluss ebenfalls nicht.
   
(4) Die Vergütungsvereinbarung ist deshalb insgesamt unwirksam und nicht auf ein noch zulässiges Maß herabzusetzen. Nach dem klaren Wortlaut des § 297 Nr. 1 SGB III ist die Vereinbarung über die Zahlung der Vergütung unwirksam, „wenn“ (nicht: „soweit“!) die Höhe die nach § 296 Abs. 3 SGB III zulässige Höchstgrenze überschreitet. Dadurch soll der Arbeitssuchende in besonderer Weise geschützt werden (vgl. Fuchs in: Gagel, SGB III, 37. EL 2010, § 297 Rn. 2). § 655 BGB wird insoweit verdrängt (anders, aber wohl zu früherem Recht, Englisch in: Württembergischer Fußballverband e.V. [Hrsg.], Rechtsfragen zur Sportvermittlung und des Sportlermanagements, S. 35 [43]).
   
c) Darauf, ob Nr. 3 („Ausschliessbarkeit“) des Maklervertrags, der dem Kläger die Vermittlungsrechte ausschließlich übertragen will, mit § 297 Nr. 4 SGB III vereinbar ist (dazu etwa Kathmann in: Württembergischer Fußballverband e.V. [Hrsg.], Rechtsfragen zur Sportvermittlung und des Sportlermanagements, S. 20 [27]), kommt es nach alledem nicht mehr an.
   
d) Mangels Klageforderung sind auch die geltend gemachten Verzugszinsen nicht geschuldet.
II.
   
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, wobei für den auf Klagerücknahme beruhenden Teil keine Abwendungsbefugnis auszusprechen war (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 708 Rn. 2).

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