Mineralstofftabletten dürfen nicht mit dem Zusatz „Anti-Kater“ beworben werden
Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urteil vom 14.11.2024
Az.: 6 UKl 1/24
Unzulässigkeit der Werbung für Lebensmittel mit dem Zusatz „Anti-Kater“
Anmerkung
Zu dieser Entscheidung gibt es eine Pressemitteilung auf der Website des OLG (www.olg-frankfurt-justiz.hessen.de).
Tenor
- 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, geschäftlich handelnd für Lebensmittel mit der Angabe „Anti-Kater“ zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie gemäß der Anlage K 3.
- 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 350,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.02.2024 zu zahlen.
- 3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG) eingetragener Verein, nimmt die Beklagte auf Unterlassung nach dem UKlaG sowie auf Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch.
- Die Beklagte ist Teil des X-Konzerns, welcher die Handelsplattform www.(…).de (mit entsprechenden Regional- und Länderdomains) betreibt. Während über eine integrierte Verkaufsplattform auch Drittanbieter Produkte anbieten und verkaufen können, zeichnet sich die Beklagte verantwortlich für solche Produkte, die mit der Angabe „Verkauf und Versand durch X“ angeboten werden.
- Streitgegenständlich sind die Bewerbung und der Vertrieb des Produkts „Dextro Energy Zero Calories – 3×20 (3er Pack) – Limette – mit ELEKTROLYTE – Mineralstoff Tabletten – Anti-Kater, VEGAN und ZUCKERFREI“ (ASIN …) unter der URL www.(…).de. Wegen der Einzelheiten des Produktangebots wird auf Anlage K 3 (Bl. 21 EA) Bezug genommen. Das Angebot enthält u.a. auch die Angaben „Versand: X“ und „Verkäufer: X“.
- Mit Schreiben vom 07.12.2023 (Anlage K 4, Bl. 26 ff. EA) mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung einer Abmahnpauschale in Höhe von 350,00 € auf.
- Der Kläger wendet sich konkret gegen die Bewerbung eines Lebensmittels mit der Angabe „Anti-Kater“ und sieht hierin primär einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1, Satz 1, Abs. 2 Nr. 39 UKlaG i.V.m. Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1169/201 1 (LMIV), hilfsweise einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 5 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO). Die Höhe der Abmahnkosten begründet der Kläger mit näheren Ausführungen zu seinen Gesamtausgaben im Jahr 2022, den hieraus entfallenden Anteil auf den Bereich der Abmahnungen (60 %) und die Umrechnung auf den durchschnittlichen Kostenaufwand pro Abmahnung (1.925,40 € ohne Mehrwertsteuer).
- Der Kläger beantragt,
- 1. die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, geschäftlich handelnd
- für Lebensmittel mit der Angabe „Anti-Kater“ zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie gemäß der Anlage K 3;
- 2. an den Kläger € 350,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist auch in der Sache begründet.
- (1) Der Kläger hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 39 UKlaG i.V.m. Art. 7 Abs. 3 LMIV.
- Der Kläger als ein in die Liste nach § 8b UWG eingetragener qualifizierter Wirtschaftsverband ist aktiv legitimiert nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG.
- Die beanstandete Bewerbung des Produkts „Dextro Energy“ (Mineralstofftabletten) mit der Angabe „Anti-Kater“ stellt einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 39 UKlaG i.V.m. Art. 7 Abs. 3 LMIV dar. Nach Art. 7 Abs. 3 LMIV ist es verboten, einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuzuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaft entstehen zu lassen. Lebensmittel im Sinne der Verordnung sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden, Art. 2 Abs. 1a) LMIV, Art. 2 Abs. 1 Lebensmittel-Basis-VO (VO (EG) 178/2002). Die streitgegenständlichen Mineralstofftabletten fallen hierunter. Als Krankheit im Sinne von Art. 7 Abs. 3 LMIV sind u.a. auch die mit übermäßigem Alkoholgenuss verbundenen Symptome („Alkoholkater“) einzustufen. Mit einer weiten Auslegung des Verordnungsbegriffs soll der Gefahr begegnet werden, dass Lebensmittel als Arzneimittelersatz angesehen und ohne zureichende Aufklärung zur Selbstbehandlung eingesetzt werden. Aussagen und Angaben, wonach ein Lebensmittel geeignet ist, diesen Symptomen vorzubeugen oder diese zu lindern, sind daher unzulässig (vgl. hierzu OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 12.09.2019 – 6 U 114/18 -, juris Rn. 80 ff.).
- Ansonsten überzeugt auch die hilfsweise Argumentation des Klägers, dass es sich bei der Angabe „Anti-Kater“ jedenfalls um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 5 Nr. 5 HCVO handelt. Mit dem Begriff „Anti-Kater“ wird ein Zusammenhang zwischen dem beworbenen Lebensmittel und der Gesundheit zum Ausdruck gebracht. Solche Angaben sind gemäß Art. 10 Abs. 1 HCVO verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen des Kapitels IV entsprechen, gemäß der HCVO zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 HCVO aufgenommen sind. Diese Voraussetzungen sind für die Angabe „Anti-Kater“ ersichtlich
- nicht erfüllt.
- Die Beklagte, die ausweislich der Anlage K 3 (Bl. 21 EA) das streitgegenständliche Produkt als Verkäuferin vertreibt und sich für solchermaßen vertriebene Produkte gemäß ihres Impressums (vgl. Anlage K 2, Bl. 20 EA) verantwortlich zeigt, ist zudem passivlegitimiert.
- (2) Da die Abmahnung des Klägers berechtigt war, steht ihm auch die geltend gemachte Erstattung der – auch in der Höhe nicht zu beanstandenden – Abmahnkostenpauschale gemäß § 5 UklaG i.V.m. Art. 13 Abs. 3 UWG zu.
- (3) Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 2 ZPO.