Nachberechnung im Mobilfunk-Laufzeitvertrag

04. Februar 2004
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Amtsgericht Duisburg

Urteil vom 04.02.2004

Az.: 35 C 4722/03

1. Ein Kunde kann von einem Mobilfunkbetreiber erwarten, dass für die monatlichen Abrechnungszeiträume vollständig abgerechnet wird. Wenn dies nicht möglich ist, hat die Rechnung einen entsprechenden Hinweis zu enthalten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Berechtigung zur Nacherhebung von Entgelten nicht herleiten lässt.

2. Bei der Nutzung des Mobilfunks handelt es sich um Massengeschäfte, deren Einzelheiten schon nach kurzer Zeit oft nicht mehr beweisbar sind, insbesondere dann nicht, wenn entsprechende Vorkehrungen nicht mehr getroffen werden, hat der Kunde auch keinen Anlass, der Löschung der Daten zu widersprechen. Die Ansprüche des Mobilfunkanbieters sind in diesem Fall verwirkt.

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In dem Rechtsstreit (…)

hat das Amtsgericht Duisburg auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2003 durch den Richter am Amtsgericht

für R e c h t erkannt:

I.
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

II.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung wegen der Kosten durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 125,00 EUR abzuwenden, wenn dieser nicht in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Der Beklagte beantragte am 18.08.1999 bei der Klägerin einen Mobilanschluss für das Netz D2. Für eine Erstlaufzeit von 24 Monaten kam ein entsprechender Vertrag zustande, der zwischenzeitlich durch Kündigung beendet worden ist.

Für die Zeit von 1999 bis zum Vertragsende im August 2001 fordert die Klägerin vom Beklagten 637,32 EUR. Wegen der Berechnung dieses Betrages im Einzelnen wird auf Seite 2 der Anspruchsbegründung vom 07.08.2003 (Blatt 8 d.A.) Bezug genommen. In den Beträgen sind teilweise Nachberechnungen für SMS-Nachrichten enthalten.

Wegen der Inkassokosten von 57,37 EUR hat die Klägerin die Klage nach einem Hinweis des Gerichts zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 637,32 EUR nebst 5 % Zinsen seit 27.01.2001 sowie 10,23 EUR (= 67,60 EUR – 57,37 EUR) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wendet ein, zu einer Nachberechnung sei die Klägerin nicht berechtigt. Im Übrigen erhebt er die Einrede der Verjährung und macht den Einwand der Verwirkung geltend.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Für eine Nachberechnung von Kosten fehlt es an einer Rechtsgrundlage unabhängig davon, ob es sich um Datenkommunikationsleistungen oder um Sprachkommunikationsleistungen handelt. Zwischen den Parteien ist monatliche Berechnung der angefallenen Kosten vereinbart. Dies ergibt sich aus § 5 Ziff. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die Vertragsgegenstand geworden sind. Wenn die Klägerin darauf hinweist, dass die Vereinbarung monatlicher Abrechnung nicht wöchentlich heißt, ist dies richtig. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin lässt sich aber nicht herleiten, dass die monatlichen Rechnungenunvollständig sein dürfen. Wie die Klägerin von ihren Kunden erwarten darf, dass berechtigte Rechnungen pünktlich und vollständig bezahlt werden, kann ein Kunde von der Klägerin erwarten, dass sie für die monatlichen Abrechnungszeiträume vollständig abrechnet. Wenn ihr dies nicht möglich ist, hat die Rechnung einen entsprechenden Hinweis zu enthalten. Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen enthalten solche Hinweise nicht. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin lässt sich eine Berechtigung zur Nacherhebung von Entgelten ebenfalls nicht herleiten.

Eine entsprechende Passage ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu finden. Wenn eine solche Klausel überhaupt hätte wirksam sein können, hätte sie dort stehen müssen, wo sie zu erwarten ist, nämlich unter § 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

In den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen ist nirgendwo eine Einzelverbindung mit dem Betrag von 0,00 EUR aufgeführt. Ohne weiteren Hinweis auf eine Nacherhebung ließe sich im Übrigen aus einer Berechnung einer Einzelverbindung mit 0,00 EUR oder 0,00 DM das Recht zur Nacherhebung nicht herleiten.

Ein Hinweis in der Rechnung, dass die darin erfassten Entgelte nicht vollständig sind und noch Nacherhebungen erfolgen, ist deshalb erforderlich, damit der Kunde entsprechend disponieren kann und sich nicht irgendwann einmal einer hohen Nachforderung ausgesetzt sieht. Auch ein Kunde der Beklagten muss disponieren können. Hat ein Kunde keinerlei Hinweis darauf, dass für den berechneten Zeitraum noch Nachforderungen kommen können, hat er auch keinen Anlass, Vorkehrungen zur Sicherung von Beweisen zu treffen. Bei der Nutzung des Mobilfunks handelt es sich um Massengeschäfte, deren Einzelheiten schon nach kurzer Zeit oft nicht mehr beweisbar sind, insbesondere dann nicht, wenn entsprechende Vorkehrungen nicht mehr getroffen werden, hat er auch keinen Anlass, der Löschung der Daten zu widersprechen.

Soweit die Klägerin sich auf Mitteilungen in Rechnungen oder per SMS beruft, in denen auf Nachforderungen hingewiesen ist, kann sie daraus Rechte nicht herleiten. Der Beklagte bestreitet, dass ihm solche Mitteilungen zugegangen sind. Den Zugang hat die Beklagte zu beweisen. Entsprechender Beweis ist nicht angetreten.

Die Berufung auf die 2-jährige Verjährungsfrist führt hier nicht weiter. Verjährungsfristen dienen allein dem Zweck, nach einem bestimmten Zeitablauf durch Erhebung der entsprechenden Einrede die gerichtliche Durchsetzung eines Anspruches zu verhindern. Auf eine ordnungsgemäße Berechnung von Forderungen haben die Verjährungsfristen keinen Einfluss, insbesondere lässt sich aus ihnen nicht grundsätzlich ein Recht zur Nacherhebung von Entgelten innerhalb dieser Frist herleiten. Zur Nacherhebung von Entgelten bedarf es einer eigenen Rechtsgrundlage, die hier aber nicht besteht.

Mit Schreiben vom 14.01.2002 (Anlage B2 zur Klageerwiderung vom 18.09.2003, Blatt 50 und 51 d.A.) teilt die Klägerin mit, dass seine Kündigung zum 25.08.2001 wirksam geworden ist. Weshalb die Klägerin dem Beklagten mit der Rechnung vom 02.09.2001 noch abgerechnete Leistungen bis zum 27.08.2001 in Rechnung stellt, ist nicht ersichtlich, auch wenn in der Rechnung lediglich eine Grundgebühr berechnet wird. Worin die Rechtsgrundlage eine Schadensersatzpauschale gemäß Rechnung vom 02.12.2001 bestehen soll, ist nicht ansatzweise zu erkennen.

Des Weiteren lässt sich die Berechtigung der Einzelforderungen der Klägerin aus ihrem Vorbringen nicht ohne weiteres herleiten. Wenn sie sich auf die Komplexität der heutigen Technik einschließlich der dadurch bedingten Störanfälligkeit beruft, so leuchtet nicht ein, weshalb diese Störanfälligkeit nicht für ihr Erfassungssystem, sondern nur für das Abrechnungssystem gelten soll. Dies kann hier aber auf sich beruhen. Die Forderung der Klägerin ist in jedem Fall verwirkt.

Entgegen ihrem Vorbringen war der Klägerin bekannt, dass der Beklagte Einwendungen gegen die geltend gemachten Rechnungen erhebt. Das Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 14. Januar 2002 nimmt Bezug auf eine Mail des Klägers vom 12.10.2001. Auch wenn es hierauf nicht mehr ankommt, sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte bereits mit Schreiben vom 02.10.2000 auf ein Schreiben des Klägers reagiert hat (Anlage B5 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 06.01.2002, Blatt 74 d.A.).

Gegen den Mahnbescheid vom 16.01.2002, der am 21.01.2002 zugestellt wurde, hat der Beklagte Widerspruch eingelegt, der bei Gericht am 30.01.2002 eingegangen ist. Das Amtsgericht Coburg als Mahngericht hat die Nachricht über den Widerspruch am 31.01.2002 abgesandt und unter dem gleichen Tage weitere Kosten in Höhe von 112,50 EUR angefordert. Die Anspruchsbegründung vom 07.08.2003 ist beim Amtsgericht Coburg am 25.08.2003 mit aufgestempelten Gerichtskosten von 112,50 EUR eingegangen, also mehr als 1 ½Jahre nach Zugang der Nachricht, dass der Beklagte gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hat.

Der Beklagte hatte der Klägerin vorgerichtlich mitgeteilt, dass er mit deren Forderungen nicht einverstanden ist. Mit seinen Einwendungen hat sie sich nicht konkret auseinandergesetzt, sondern sich nur allgemein geäußert. Im Mahnbescheid ist die Forderung als eine Forderung aus Dienstleistung gemäß Abrechnung Mobil Funk vom 27.10.2001 bezeichnet. Eine solche Abrechnung befindet sich nirgendwo in den Gerichtsakten. Auch der Beklagte weist daraufhin, dass er eine solche Rechnung nicht kennt. Unter diesen Umständen konnte der Beklagte darauf vertrauen, dass die Klägerin den Anspruch nicht weiter verfolgt. Bei der Nutzung des Mobilfunks und der Berechnung der dafür entstehenden Entgelte handelt es sich um Massengeschäfte, die zügig abgewickelt werden müssen, weil es sonst zu Beweisschwierigkeiten kommen kann. Das Rechtsinstitut der Verwirkung wird aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB hergeleitet. Dieser Grundsatz gebietet es auch, die Gegenpartei nicht unnötig in Beweisschwierigkeiten zu bringen. Dies führt auch dazu, dass die Begründung von Massengeschäften nicht 1 ½ Jahre liegen bleiben darf.

Wenn jemand darauf vertrauen kann, dass er nicht weiter in Anspruch genommen wird, hat er auch keinen Anlass, Vorkehrungen für Beweissicherungen zu treffen.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Klägerin als GmbH gemäß § 5 HGB Kaufmann ist. Bei den hier in Rede stehenden Geschäften handelt es sich um einseitige Handelsgeschäfte nach § 345 HGB, für die auch die Vorschriften über Handelsgeschäfte nach den §§ 343 ff. HGB gelten. § 347 HGB gilt hier auch. Als Maßstab für die zu beachtenden Sorgfaltspflichten bei einem Handelsgeschäft gilt hier der Idealtyp eines Kaufmanns. An einen solchen Idealtyp wird der Beklagte als juristischer Laie nicht gedacht haben und braucht auch gar nicht daran zu denken, er kann aber auf eine durchschnittliche Sorgfaltspflicht der Klägerin vertrauen. Dieses gebietet, bei der Abwicklung von Geschäften unverzüglich zu handeln, was im vorliegenden Fall bedeutet, seinen Anspruch unverzüglich zu begründen. Mit einer Frist von mehr als 1 ½ Jahren ist eine derartige Frist bei weitem überschritten. Auch aus diesem Grunde konnte der Beklagte darauf vertrauen, dass er nach einer derart langen Zeit nicht mehr von der Klägerin in Anspruch genommen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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