Strom-Abrechnung entgegen AGB stellt Wettbewerbsverstoß dar

16. Dezember 2015
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3 Würfel mit den Buchstaben "AGB" auf einem beschriebenen Papier mit einem Stift Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.07.2014, Az.: I- 20 U 231/13

Ein Stromkonzern handelt wettbewerbswidrig, wenn dieser vom Verbraucher entgegen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Leistung einer Abschlagszahlung verlangt, welche sich nicht an dem Energieverbrauch der vorangegangenen zwölf Monate orientiert. In einem solchen Fall liegt eine Irreführung der Verbraucher nach § 5 I S. 2 Nr. 2 UWG vor.

Ergibt sich aus der Abrechnung der geleisteten Abschlagszahlungen und geschuldeten Entgelte des Vorjahres ein entsprechendes Guthaben, so ist die Verrechnung des Guthabens mit den Abschlägen des Folgejahres über die erstnächste Abschlagszahlung hinaus ebenfalls unzulässig, sofern eine solche Verrechnung nicht in den AGB vereinbart wurde.

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 01.07.2014

Az.: I- 20 U 231/13

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht seine Beschlussverfügung vom 23. Juli 2013 bestätigt, mit der der Antragsgegnerin, einer Mitbewerberin der Antragstellerin beim Angebot von Strom, untersagt worden war, – in Abweichung von den eigenen Geschäftsbedingungen – zum einen von Kunden zu hohe Abschlagszahlungen zu verlangen, zum anderen ein sich für die Kunden ergebendes höheres Guthaben mit mehreren künftigen Abschlägen zu verrechnen. Zugrunde lag eine Jahresrechnung der Antragsgegnerin an einen Kunden W. aus W. vom 15. Mai 2013, die das Landgericht als irreführend nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG angesehen hat. Wegen des Wortlauts des ausgesprochenen Verbots, der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung der Bestätigung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Gegen das Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt.

Die Argumente, mit denen die Antragsgegnerin die Berufung begründet, werden unter II. im Einzelnen dargestellt.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die einstweilige Verfügung vom 23. Juli 2013 aufzuheben.

Die Antragstellerin, die das angefochtene Urteil rechtfertigt, beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die hier von ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts, mit dem die gegen sie erlassene Untersagungsverfügung bestätigt worden ist, ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Die Antragstellerin kann ihren nach § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2, § 8 Abs. 1 Satz 1  UWG wettbewerbsrechtlich begründeten Unterlassungsanspruch entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nach § 12 Abs. 2 UWG im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgen. Die Vermutung dieser Vorschrift, es gebe einen Verfügungsgrund, ist nicht widerlegt. Die Antragstellerin hat nicht durch zögerliche Verfolgung des Unterlassungsanspruchs zu erkennen gegeben, dass ihr die Sache selbst nicht eilig wäre. Ihr kann nicht vorgehalten werden, sie müsse von der Abschlagspraxis der Antragsgegnerin bereits im Herbst 2012 durch Diskussionen im Internet erfahren haben. Denn diese Diskussionen gaben der Antragsstellerin noch nicht die Möglichkeit, die Antragsgegnerin mit Aussicht auf Erfolg im Eilverfahren in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin musste hierzu bei Fehlen einer klaren Rechtsberühmung der Antragsgegnerin eine konkrete Verletzungshandlung darlegen und glaubhaft machen können. Die Möglichkeit hierzu bot ihr die Abrechnung vom 15. Mai 2013 ersichtlich zum ersten Mal.

Den Unterlassungsanspruch, der sich für die Antragstellerin aus dem Rechtsverstoß der Antragsgegnerin nach der Jahresabrechnung gegenüber dem Kunden W. vom 15. Mai 2013 ergab, hat sie mit dem Antrag vom 19. Juli 2014 zum vorliegenden Verfahren so zügig geltend gemacht, dass kein Grund zur Annahme vorliegt, die Sache sei ihr selbst nicht dringlich. In durchschnittlichen Fällen, zu denen die vorliegende Sache ersichtlich gehört, lässt sich nach der Rechtsprechung des Senats (NJWE-WettbR 1999,15) aus einem Zuwarten des Antragstellers mit der Rechtsverfolgung von etwa zwei Monaten noch nicht der Schluss ziehen, die Sache sei ihm selbst nicht eilig. Die Gründe, an dieser Rechtsprechung festzuhalten, sind in der mündlichen Verhandlung noch einmal dargelegt worden, ohne dass die Antragsgegnerin neue Gesichtspunkte für eine Änderung vorgebracht hätte. Der Senat hat bestätigt, dass für ihn die Frist regelmäßig mit der Kenntnisnahme des Antragstellers von der Verletzungshandlung beginnt, das Landgericht dies aber auch nicht anders gesehen haben dürfte. Der 15. Mai 2013, ein Mittwoch, erlaubt als Datum der beanstandeten Abrechnung gegenüber dem Kunden W. nicht den Schluss, dass die Antragstellerin von ihr mehr als zwei Monate vor dem Eingang der Antragsschrift beim Landgericht am 19. Juli 2013 Kenntnis genommen hätte.

Mit der Bestätigung der Beschlussverfügung hat das Landgericht, anders als die Antragsgegnerin rügt, der Antragstellerin nichts entgegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugesprochen, was nicht beantragt wäre. Das ergibt sich schon daraus, dass dem Urteil der Antrag aus der mündlichen Verhandlung zugrunde liegt, die einstweilige Verfügung vom 23. Juli 2013, die den in der Antragsschrift noch fehlenden Zusatz bereits enthält, aufrechtzuerhalten und die Antragsstellerin jetzt im Berufungsverfahren wiederum das Urteil, das die Bestätigung ausspricht, bestätigt sehen will.

Zudem hat der beanstandete Einschub in die Umschreibung des verbotenen Handelns der Sache nach keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung des Verbots bewirkt. Mit ihm ist der Handlungsspielraum der Antragsgegnerin gegenüber der anfänglichen Fassung des Antrags erweitert worden. Denn nun dürfen Abschlagszahlungen – wie es die Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin vorsehen – nicht nur dann festgesetzt werden, wenn sie auf dem festgestellten Vorjahresverbrauch des Kunden selbst beruhen, sondern auch dann, wenn ihnen der durchschnittliche Verbrauch vergleichbarer Kunden zugrunde liegt. Allerdings ging es in der Jahresabrechnung, die Grund des vorliegenden Verfahrens ist, überhaupt nicht um diese zweite Berechnungsweise.

Der wettbewerbsrechtlich begründete Unterlassungsanspruch ist gerechtfertigt. Das beanstandete Verhalten stellt sich als „geschäftliche Handlung“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. In Bezug auf Handlungen, die mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängen, sieht der Bundesgerichtshof das Merkmal der Norm grundsätzlich zwar nur als erfüllt an, wenn sie darauf gerichtet sind, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Adressaten den Absatz zu fördern, so dass Schlecht- oder Nichtleistungen die Qualität einer „geschäftlichen Handlung“ fehlt und sie keinen lauterkeitsrechtlichen Verstoß bedeuten; er bejaht aber eine „geschäftliche Handlung“, wenn auf eine Übervorteilung des Kunden abgezielt wird und von vornherein nicht der Wille besteht, sich an Ankündigungen zu halten (GRUR 2013, 945 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; in Fortführung von BGH GRUR 1987, 180 – Ausschank unter Eichstrich II). So liegt es im Streitfall. Die Antragsgegnerin hat Geschäftsbedingungen gestellt, die sie gegenüber ihren Kunden in der Breite nicht einhalten wollte. Insofern haben die Diskussionen Belang, die im Internet schon länger über die fraglichen Geschäftspraktiken geführt werden und die die Antragsgegnerin selbst für das Fehlen der Dringlichkeit der Sache anführt.

Die Abrechnung der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2013 bedeutet mit der Erklärung, sie entspreche den zugrunde liegenden Geschäftsbedingungen, eine Irreführung des Kunden W. nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG, nämlich über die Art der Preisberechnung. Für ein begründungsloses Weiterverlangen von Abschlagszahlungen in unveränderter Höhe über ein Jahr hinaus, wenn der Verbrauch im gerade zurückliegenden Jahr gesunken war, lässt Nummer 3.4 der Geschäftsbedingungen keinen Raum. Denn dort heißt es, sie würden unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Verbrauchs nach billigem Ermessen berechnet, in der Regel auf der Grundlage der Abrechnung der vorangegangenen zwölf Monate.

Ergibt sich aus der Abrechnung geleisteter Abschlagszahlungen und geschuldeter Entgelte für den Kunden ein entsprechend hoher Erstattungsbetrag, widerspricht es zudem Satz 2 der Nummer 3.5 der Geschäftsbedingungen, den Teil des Betrags, der nach einer Verrechnung mit der „nächsten Abschlagszahlung“ – derjenigen nach der Jahresabrechnung – übrigbleibt, mit den folgenden Abschlagszahlungen zu verrechnen,  statt ihn dem Kunden auszuzahlen. Denn die Geschäftsbedingungen sehen nur die einzige Verrechnung mit der nächsten Abschlagszahlung vor, sonst aber nur die Erstattung. Die von der Antragsgegnerin praktizierte Verrechnung mit späteren Abschlagszahlungen bedeutet die Erzwingung einer Kreditgewährung. Sie kann, wie der Fall des Kunden W. zeigt, eine durchaus nicht unerhebliche Belastung bedeuten. Bei ihm ging es um ein Guthaben von 292,83 Euro bei – ohnehin schon zu hohen – monatlichen Abschlagszahlungen von 80,56 Euro.

Angemerkt sei schließlich, dass sich eine Erstreckung der Verrechnung auf spätere Abschlagszahlungen nicht durch das Konstrukt rechtfertigen lässt, die Antragsgegnerin dürfe weitere Abschlagszahlungen in erforderlicher Zahl zu diesem Zweck nach Nummer 4.1 der Geschäftsbedingungen früher fällig stellen. Die mit einem Kunden einmal praktizierte monatliche Zahlung von Abschlägen ist durch diese Klausel nicht zur freien Disposition der Antragsgegnerin gestellt.

Mit der individuellen Vereinbarung, die die Antragsgegnerin nachträglich mit dem Kunden W. über die Art der Berechnung von Abschlägen und der Verrechnung von Erstattungsbeiträgen getroffen haben will, ist die Wiederholungsgefahr, die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Voraussetzung des Unterlassungsanspruch ist, nicht entfallen. Sie besteht vielmehr hinsichtlich der übrigen Kunden fort. Mit dem Kunden W. mag künftig nach Individualabsprachen abzurechen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckung ist im Hinblick auf die Erschöpfung des Rechtswegs nicht zu treffen.

Streitwert für das Berufungsverfahren, entsprechend der unbeanstandeten Wertfestsetzung für die erste Instanz: 50.000 Euro

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