Kommentar

Überwachungspflichten für Gästebücher und Foren

16. Mai 2002
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Eigener Leitsatz

Mit einem Aufsehen erregenden Urteil hat das LG Trier festgestellt, dass der Betreiber eines Gästebuchs sich die Eintragungen zu eigen macht, wenn er diese nicht wöchentlich auf rechtswidrige Inhalte kontrolliert und gegebenenfalls solche löscht. Für Gästebücher von kommerziellen Webseiten, dürften nach dem Urteil des LG Trier noch kürzere Überwachungspflichten gelten.

Sachverhalt

Die Beklagten betreiben gemeinsam im Internet ein Gästebuch. Am 24. Januar hinterließ ein anonymer Nutzer den Eintrag: „Herr S. wohnt in T. in der T-Straße 14. Er sollte aufpassen, ob es was bringt Steuerbetrug und Geldwäsche zu betreiben.“ Die Äußerung bezog sich auf den Kläger, der steuerberatend tätig ist. Nach über vier Wochen, am 23.02.2002 war die Äußerung noch immer im Gästebuch aufzurufen.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hat die Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Begründet wurde dies damit, dass die Beklagten sich die Inhalte dadurch zu eigen gemacht hätten, dass sie das Gästebuch nicht in regelmäßigen Abständen kontrolliert hätten.

Kommentierung

Beim Urteil des LG Trier handelt es sich wohl um das erste deutsche Urteil, das sich mit der Überprüfung von Gästebüchern beschäftigt.

Das LG war der Auffassung, dass ein Betreiber eines Gästebuchs, der eine regelmäßige Kontrolle der Einträge unterlässt, sich die Inhalte zu eigen macht und daher gem. § 5 I TDG a. F. hafte. Dies steht im Widerspruch zu § 5 II TDG a.F. wonach ein Diensteanbieter für fremde Inhalte nur haftet, wenn er Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten hat. Eine Überwachungspflicht widerspricht der Gesetzessystematik und entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. In der Novellierung des TDG heißt es in § 8 II TDG ausdrücklich, dass Diensteanbieter nicht verpflichtet sind Inhalte zu überwachen. Es besteht somit keine Pflicht zur Überwachung. Die Novellierung des TDG regelt zwar klarer als das TDG alter Fassung, dass für Diensteanbieter keine Überwachungspflichten bestehen, dennoch hätte auch die Beklagten auch nicht nach alter Rechtslage wegen Unterlassung von Überwachungspflichten gem. § 5 I TDG a.F. haften dürfen. Insoweit ist das Urteil ein Fehlurteil.

Die Kritiker des Urteils lassen jedoch meist gänzlich unberücksichtigt, dass das Urteil im Ergebnis – der Haftung der Beklagten – stimmt. Vorliegend hatte der Beklagte zu 2.) 13 Minuten nachdem der rechtswidrige Eintrag Nr. 192 erfolgt war unter Nr. 193 einen Eintrag vorgenommen, worin es hieß: „…Hallo a. Es ist wirklich nett, dass Du uns diesen Hinweis gegeben hast, aber wir wussten schon längst Bescheid über diesen Herrn…“. Der Beklagte zu 2.) kannte somit den rechtswidrigen Inhalt des Eintrags. Die Kenntnis des Beklagten zu 2.) dürfte damit auch dem Beklagten zu 1.) zuzurechnen sein. Damit ist eine Haftung der Beklagten gem. § 5 II TDG a.F. (bzw. gem. § 11 TDG n. F.) gegeben, da diese Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten hatten und diese nicht unverzüglich gelöscht hatten. Ein Rückgriff auf § 5 I TDG a.F. war daher falsch und unnötig.

Zusammenfassung

Das Urteil fand aufgrund einer Pressemitteilung große Beachtung. Gleichwohl handelt es sich um ein Fehlurteil, zumindest was die Begründung des Urteils angeht. Im Ergebnis ist im vorliegenden Fall einer Haftung der Beklagten zuzustimmen. Eine Überwachungspflicht für Gästebücher und Foren gibt es gem. § 5 I TDG a. F. bzw. § 8 II TDG n. F. nicht. Es ist aber zu befürchten, dass das Urteil von vielen Gerichten aufgegriffen wird, die sich auf die falsche Begründung beziehen.

Tipp

Der Betreiber von Foren und Gästebüchern sollte die Einträge in regelmäßigen Abständen überprüfen. Nach Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten sollten diese sofort gelöscht werden, um einer Haftung zu entgehen. Eine Zurechnung der Inhalte könnte insbesondere dann erfolgen, wenn der Betreiber spätere Einträge vornimmt. Eine Haftungsfreizeichnung in einem Disclaimer oder den allgemeinen Nutzungsbedingungen schadet zwar nicht, dürfte jedoch nicht rechtlich relevant sein. Die Nutzungsbedingungen sollten einen Hinweis erhalten, dass rechtswidrige Inhalte gelöscht werden.

Anwaltskanzlei Hild & Kollegen, Rechtsanwalt Hagen Hild

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