„Hausverbot“ im Internet

18. April 2007
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Amtlicher Leitsatz:

1. Die Rechtsprechung hinsichtlich der Zulässigkeit von Zutrittsbeschränkungen bzw. zur Zulässigkeit von „Hausverboten“ kann grundsätzlich auf die Bedingungen des elektronischen Geschäftsverkehrs, insb. dem Handel über Internetshops, übertragen werden. hierbei sind jedoch die Besonderheiten des Mediums „Internet“ zu berücksichtigen.

2. Unter den Bedingungen des Internets kann eine wettbewerbswidrige Erschwerung des Zuganges zum Internetshop schon dann anzunehmen sein, wenn dieses durch die Sperrung bestimmter IP-Nummern oder sonstige technische Zugangsbeschränkungen bewirkt wird.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Urteil vom 11.08.2007

Az.: 5 U 190/06

In dem Rechtsstreit (…)

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch … nach der am 11. April 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für R e c h t erkannt:

Die Berufung der Antragsstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg,  Zivilkammer 12, vom 26.9.2007 (312 O 641/06) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Antragsstellerin.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Internethandels mit elektronischen Artikeln. Zwischen ihnen gibt es gerichtliche und außergerichtliche Auseinandersetzungen wegen behaupteter Wettbewerbsverstöße auf ihren Interseiten.

Die Antragsgegnerin betreibt ihren Internetshop unter der Adresse www…..com. Auf diese Adresse wird der Internetbenutzer bei Aufruf der deutschen Domain www…..de automatisch weitergeleitet. Die Antragsgegnerin lässt die von ihr angebotenen Artikel mit Preisen auch unter den Suchergebnissen des Preisvergleich-Portals www.g….de aufführen. Die einzelnen hier erscheinenden, auf die Artikel der Antragsgegnerin bezogenen Suchergebnisse sind wiederum mit der Weiterleitungsseite www…..de verlinkt.

Am 10.8.2006 griff die Antragsstellerin in kurzer Zeit insgesamt 71-mal auf die Weiterleitungsseite www…..de und über diese auf die Internetshopseite der Antragsgegnerin zu. In 63 Fällen erfolgten diese Zugriffe über das Preisvergleich- Portal www.g….de. Am 11.8.2006 sperrte die Antragsgegnerin um 8.45 Uhr für den IP- Nummernbereich, von dem aus die Zugriffe erfolgt waren und die der Antragsstellerin zugeordnet waren, den Zugriff auf die Weiterleitungsseite www…..de. Bei Eingabe dieser Adresse sowie bei Zugriffsversuchen über Links auf der Seite www.g….de erhielt die Antragsstellerin jeweils eine Fehlermeldung. Sie konnte jedoch von Routern mit abweichender IP-Nummer sowie über einen Proxy-Server mit zufällig generierter IP-Nummer auf die Internetseite der Antragsgegnerin www…..de zugreifen. Die Antragsstellerin ließ durch ihre jetzigen Prozeßbevollmächtigten die Antragsgegnerin mit Fax vom 11.8.2006, 11.38 Uhr, unter Fristsetzung bis 15.00 Uhr abmahnen (Anlage Ast 2). Die Antragsgegnerin bewirkte die Sperrung der Antragsstellerin im Verlaufe des 11.8.2006 auf anderem technischen Wege. Die Antragsgegnerin ließ am Montag, dem 14.8.2006, die Sperrung unstreitig aufheben. Die Antragsstellerin hält diese sie betreffende Sperrung für wettbewerbswidrig und erwirkte die einstweilige Verbotsverfügung des Landgerichts Hamburg vom 14.8.2006. Diese Verfügung ist nach Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urteil vom 26.9.2006 aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag zurückgewiesen worden. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf das landgerichtliche Urteil –auch zur Ergänzung des Tatbestandes- verwiesen. Die Antragsstellerin wiederholt zur Begründung ihrer Berufung das erstinstanzliche Vorbringen. Es seien von der Antragsgegnerin nicht nur die Weiterleitungsadressen www…..de und www…..com, sondern auch die Internetseite www….-europe.com für sie gesperrt gewesen. Sie macht geltend, dass es sich bei der Maßnahme um eine gezielte Behinderung gehandelt habe. Diese habe den Zweck verfolgt, Testmaßnahmen zu verhindern. Diese seien zu dieser Zeit vermehrt durchgeführt worden, weil sich die Parteien –unstreitig- in einer Auseinandersetzung wegen irreführender Unterschiede zwischen den bei der Preissuchmaschine gelisteten Preisen und denen auf der jeweiligen Homepage der Internetshops befunden hätten. Die Antragsgegnerin habe um 14.30 Uhr die IP-Nummern frei geschaltet und um 16.00 Uhr auf anderem technischen Wege erneut die Sperrung veranlasst, vermutlich durch Maßnahmen am Router oder an der eigenen Firewall.

Die Antragsgegnerin habe zumindest nach ihrer Abmahnung gewusst, wem die IP-Nummern gehörten und gegen wen sich die Sperrung richte. Die IP-Nummern seien –unstreitig- zu jeder Zeit über die Seite www.n….com (Anlage Ast 6) ermittelbar. Die Häufigkeit der Zugriffe von ihrer Seite auf die Weiterleitungsadresse der Antragsgegnerin sei nicht außergewöhnlich hoch und zur Überprüfung der sich ständig verändernden Preise im Internet erforderlich. Kosten würden der bei der Antragsgegnerin bei den Zugriffen über die Preisvergleichsseite „Geizhals“ nur in unerheblichem Umfang entstehen, da Unternehmen wie die der Parteien mit diesem niedrige Pauschalpreise für jeden Zugriff vereinbarten. Die Rechtsprechung zur ulässigkeit von Testkäufen im stationären Handel lasse sich auf den Internethandel nicht übertragen.

Die Antragsstellerin beantragt, die Antragsgegnerin unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 26.9.2006 (AZ 312 O 641/06) zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungshaft im Einzelfall höchstens € 250.000,-; Ordnungshaft höchstens 2 Jahren) zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr der Antragsstellerin den Zugang zur Internetseite www….de der Verfügungsklägerin zu versperren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Am 10.8.2006 habe ihre Sicherheitssoftware wegen der Häufigkeit der Zugriffe in kurzer Zeit –unstreitig- einen Angriff signalisiert. Üblicherweise suchten Besucher die Homepage nur bis zu 5-mal täglich auf, ohne etwas zu kaufen. Dieses sei auch unter den Parteien bislang so üblich gewesen. Diese Auffälligkeit habe –unstreitig- durch einen ihrer technischen Mitarbeiter zunächst analysiert werden müssen und zur Sperrung des in Frage stehenden IP- Nummernblocks geführt, was in vergleichbaren Fällen ebenfalls geschehe. Eine gezielte Sperrung der Antragsstellerin sei nicht erfolgt. Ihre Homepage www….-europe.com sei nicht gesperrt gewesen. Mit der Seite www…..com habe sie nichts zu tun, sie sei auch nicht Inhaberin dieser Seite. Einem Mitbewerber könne der Zutritt zur Homepage im Ergebnis auch praktisch nicht verwehrt werden. Durch jeden Zugriff über die Preisvergleichsseite www.g….de entständen ihr Kosten in Höhe von 10 Cent.

II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht vorliegend einen Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 10 UWG wegen Behinderung eines Mitbewerbers verneint.

1. Das Landgericht geht in seiner Entscheidung zutreffend davon aus, dass eine unzulässige gezielte Behinderung eines Wettbewerbers im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG vorliegen kann, wenn ein Unternehmen Testmaßnahmen wie Testkäufe, Testgespräche, Testfotos u.ä. durch Wettbewerber unmöglich macht. Der Gewerbetreibende, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wendet, muss solche Maßnahmen im Rahmen des Üblichen im Interesse der Allgemeinheit und der betroffenen Mitbewerber dulden (BGH GRUR 1991, 843, 844 -Testfotos I; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 Rn. 10.161). Dieses hat jedenfalls dann zu gelten, wenn –wie in Deutschland- die Kontrolle des lauteren Wettbewerbs insbesondere durch die Wettbewerber (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) und nicht durch staatliche Stellen erfolgt.

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen braucht der Senat anlässlich des vorliegenden Sachverhaltes nicht die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage abschließend zu beantworten, ob die Rechtsprechung hinsichtlich von Zutrittsbeschränkungen zu Geschäftsräumen bzw. zur Zulässigkeit eines „Hausverbotes“ (BGH GRUR 1966, 564, 565 Hausverbot I; BGH GRUR 1979, 859, 860 -Hausverbot II; BGH GRUR 1981, 827, 828 -Vertragswidriger Testkauf) auf die Bedingungen des elektronischen Geschäftsverkehrs, insbesondere den Handel über Internetshops, ohne Weiteres zu übertragen und anzuwenden ist. In jedem Fall werden die Besonderheiten des Mediums Internet und die sich hieraus ergebenden besonderen Umstände der Kontrolle sowie der Inanspruchnahme von Leistungen bzw. des Erwerbes von Produkten zu berücksichtigen sein. So wird der Internetshop-Unternehmer auch hier Testmaßnahmen wie z.B. Testkäufe und Testbeobachtungen hinzunehmen haben, damit Wettbewerber Wettbewerbs- oder Vertragsverstöße seines Internetangebotes aufdecken können. Einen vollständigen Ausschluss des Wettbewerbers im Sinne eines virtuellen ausverbotes wird der einen Internetshop betreibende Unternehmer nicht bewirken und durchsetzen können. Unter den Bedingungen des Internets ist grundsätzlich daher schon eine Erschwerung des Zuganges zu der Homepage des Internetshops als wettbewerbswidrig anzusehen, wenn dieses -wie hier- durch die Sperrung bestimmter IP-Nummern oder sonstige technische Zugangsbeschränkungen bewirkt wird. Andererseits wird der Betreiber eines Internetshops Wettbewerbern das Aufsuchen seiner Homepage auch nur im Rahmen des Üblichen zu gewährleisten haben. Testmaßnahmen können grundsätzlich dann unzulässig sein, wenn der Kontrolleur sich nicht wie ein normaler Kunde bzw. Nachfrager verhält (vgl. BGH GRUR 1991, 843, 844 -Testfotos I). Sie sind insbesondere aber dann verboten und Gegenmaßnahmen im angemessenen Rahmen ihrerseits gerechtfertigt, wenn sie zu einer Störung des zu kontrollierenden Betriebes führen können (vgl. Harte/Henning/Omsels, UWG, § 4 Nr. 10 Rn. 49). Es ist insoweit bereits die Gefahr einer Betriebsstörung ausreichend, weil sich der Tester merklich anders verhält als ein normaler Nachfrager (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 Rn. 10.163).

3. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen stellen sich die Kontrollmaßnahmen der Antragsstellerin als eine Betriebsstörung dar und die Abwehrmaßnahmen der Antragsgegnerin sind gerechtfertigt gewesen.

a. Die Antragsstellerin hat sich bereits nicht wie ein normaler Nachfrager bei dem Aufsuchen der Weiterleitungsseite www…..de verhalten. Denn sie hat unstreitig in 71 Fällen innerhalb kurzer Zeit am 10.8.2006 auf die Homepage zugegriffen. Es war auch in erster Instanz der Vortrag der Antragsgegnerin nicht substantiiert bestritten worden, dass übliche Kunden ohne Bestellung nur 1 bis 5mal pro Tag die Homepage der Antragsgegnerin aufsuchen. In diesem Größenbereich hat auch die Antragsstellerin in den Monaten Januar bis Juli 2006 trotz auch schon bestehender rechtlicher Auseinandersetzungen sich die Internetseite der Antragsgegnerin anzeigen lassen. Von diesem üblichen Verhalten weicht das Aufrufen der Homepage durch die Antragsstellerin am 10.8.2006 in 71 Fällen und dem Aufrufen von mindestens 346 Seiten deutlich ab. Dem Landgericht ist zuzustimmen, wenn es hierin ein unübliches Nachfrageverhalten sieht. Diese über bestimmte IP-Nummern der Antragsstellerin veranlassten Zugriffe waren derart auffällig und ungewöhnlich, dass die Sicherheitssoftware der Antragsgegnerin die Zugriffe unstreitig als Angriff definiert und zur Meldung gebracht hat.

b. Insbesondere hierdurch hat sich auch die Gefahr einer Betriebsstörung konkretisiert. Dieses wird dadurch hinreichend belegt, dass die Sicherheitssoftware der Antragsgegnerin Auffälligkeiten signalisierte und der Systemtechniker mit der Problematik befasst werden musste, um das Zugriffsverhalten analysieren und Abwehrmaßnahmen konzipieren zu können. Durch das Verhalten der Antragsstellerin sind somit Veränderungen der Betriebsabläufe erforderlich geworden, die auch nach Auffassung des Senates als Betriebsstörung einzuordnen sind. Die von dem Systemtechniker bewirkte Sperrung der IP-Nummern der Antragsstellerin war damit als Abwehrmaßnahme gerechtfertigt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin wusste, wer hinter den Zugriffen stand, oder ob dieses hätte ohne weiteres festgestellt werden können. Die Abwehrmaßnahmen waren auch nicht unverhältnismäßig, da die am Freitag, d. 11.8.2006 eingeführten Sperrmaßnahmen unstreitig bereits am Montag, dem 14.8.2006 von der Antragsgegnerin wieder aufgehoben worden sind.

c. Die Tatsache, dass 63 der 71 Zugriffe der Antragsstellerin über einen –für die Antragsgegnerin zu vergütenden- Link des Portals www.g….at erfolgten, beinhalten zwar eine finanzielle Beanspruchung der Antragsgegnerin (üblicherweise € 0,10 je Zugriff). Der Senat ist aber nicht der Auffassung, dass hierdurch allein das Zugriffsverhalten der Antragsstellerin im Rahmen ihrer Testmaßnahmen unzulässig geworden ist, unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die Kosten im Hinblick auf Pauschalpreisvereinbarungen darunter liegen und keine Relevanz besitzen. Denn das Aufsuchen ihrer Homepage über das für sie Kosten verursachende Preisvergleich-Portal entspricht gerade dem von der Antragsgegnerin vorgesehenen Zugangsweg. Das Zugriffsverhalten der Antragsstellerin hat auch noch nicht zu einem derartig hohen Kostenbetrag geführt, dass allein aus diesem Umstand sich die Unzulässigkeit des Testverhaltens der Antragsstellerin begründen lässt. Im Übrigen muss auch der Inhaber eines stationären Handels hinnehmen, dass ihm durch Testverhalten, z.B. durch Testkäufe und –gespräche und die hierdurch aufzuwendende Arbeitszeit von Verkäufern Kosten entstehen.

d. Die Antragsstellerin hat ihre Behauptung, dass die Homepage der Antragsgegnerin und die Weiterleitungsseite www…..com für sie ebenfalls gesperrt worden seien, nicht glaubhaft gemacht. Sie hat darüber hinaus nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin überhaupt Inhaberin der Weiterleitungsseite www…..com ist. Hiernach ist davon auszugehen, dass lediglich der Zugang zu www….-europe.com über die Weiterleitungsseite www…..de gesperrt gewesen ist und ein direkter Zugriff auf die Homepage für die Antragsstellerin unter ihren IP-Nummern möglich gewesen ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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