Privilegierung nur mit kompletter Muster-Widerrufsbelehrung

04. Mai 2010
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Eigener Leitsatz:

Es stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zur "klaren und verständlichen" Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs dar, wenn mit dem Belehrungstext der irrige Eindruck erweckt wird, allein durch die Ingebrauchnahme der Sache, das heißt, auch ohne rechtzeitige Belehrung in Textform hierüber, könne die Wertersatzpflicht eintreten. Darauf, dass einzelne Passagen der Muster-Widerrufsbelehrung entsprechen, kann sich nicht berufen werden, da ausschließlich der komplette und unveränderte Wortlaut der Muster-Widerrufserklärung privilegiert ist.

 

Oberlandesgericht Bamberg

Urteil vom 01.04.2009

Az.: 3 U 238/08
 

In dem Rechtsstreit

gegen

wegen einstweiliger Verfügung
 
erlässt das Oberlandesgericht Bamberg -3. Zivilsenat- durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2009 folgendes

Endurteil

I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 30.Oktober 2008 abgeändert.

1.  Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Würzburg vom 21. August 2008 wird mit dem nachfolgenden Inhalt aufrechterhalten, wobei der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, auf der Internetseite von xxxx als Unternehmer Angebote zum Abschluss von Fernabsatzverträgen über Sat-Anlagen und Sat-Zubehör oder Aufforderungen zur Abgabe von Angeboten zum Abschluss von Fernabsatzverträgen für Sat-Anlagen und Sat-Zubehör gegenüber Endverbrauchern zu machen und:

a) im Rahmen der Widerrufsbelehrung festzuhalten, dass die Frist zur Erklärung des Widerrufs frühestens einen Tag nach Erhalt der Ware beginnt, ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass auch der Erhalt der Widerrufsbelehrung in Textform für die Inlaufsetzung der Frist erforderlich ist;

b) im Rahmen der Widerrufsbelehrung auszuführen, dass paketversandfähige Sachen mit Originalrechnung zurückzuschicken sind;

c) im Rahmen der Widerrufsbelehrung, ohne Hinweis auf eine erforderliche vertragliche Vereinbarung, dem Endverbraucher im Falle eines Widerrufs die Kosten der Rücksendung in den Fällen aufzuerlegen, in denen die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40,– € nicht übersteigt, oder wenn der Käufer bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des  Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht hat;

d) im Rahmen der Widerrufsbelehrung auszuführen, dass der Endverbraucher im Falle eines Widerrufs für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Ware Wertersatz zu leisten hat, soweit er nicht vor bzw. bei Abschluss des Kaufvertrages in Textform über diese Rechtsfolge und auf die Möglichkeit, diese zu vermeiden, belehrt wurde.

2. Im übrigen werden die einstweilige Verfügung vom 21. August 2008 aufgehoben, der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Beklagte 2/3 und der Kläger 1/3 zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
 

Gründe:

I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen  (§§ 313a Abs.1 Satz 1, 542 Abs.2 ZPO).

II.
Zur Begründung der Abänderung des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs.1 Satz 1 Nr.2 ZPO) wird ausgeführt:

1. Die Untersagungsverfügung des Erstgerichts, die sich generell auf  Angebote zum Abschluss von Fernabsatzverträgen bezieht, ist zu weit gefasst. Inhalt und Umfang des Unterlassungsanspruchs werden von der konkreten Verletzungshandlung bestimmt. Verallgemeinerungen sind nur insoweit zulässig, als in der Wahl eines nahen Oberbegriffs "das Charakteristische" des festgestellten konkreten Verletzungstatbestandes zum Ausdruck kommt (Harte/Henning/Beckedorf, UWG, § 8, Rdnr. 7 m.w.N.). Die konkrete Verletzungshandlung stand vorliegend im Zusammenhang mit dem Angebot eines TV Sat-Receivers auf der Internetplattform xxxx. Deshalb kann sich die Untersagungsverfügung nur auf im Internet angebotene Abschlüsse von Fernabsatzverträge beziehen, die im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen über Sat-Anlagen und Sat-Zubehör stehen.

2. "Versicherter Versand":

Soweit die Beklagte mit einem "versicherten Versand" wirbt, liegt kein Verstoß gegen §§ 5 Abs. 2 Nr. 2, 4 Nr. 11 UWG vor. Versandkosten sind keine Preisbestandteile (BGH, Urteil vom 14.11.1996, Az. I ZR 162/94). Mit der vom Kläger beanstandeten Angabe wird der potentielle Kunde nur darauf hingewiesen, dass Versandkosten in Höhe von 4,90 € anfallen und hierin eine Versicherung eingeschlossen ist, aus der er gegebenenfalls Rechte gegenüber dem Transporteur herleiten kann. Die beanstandete Angabe führt auch nicht zu einer Irreführung des Käufers, da dieser sich in der Regel keinerlei Gedanken über die Gefahrtragung macht (vgl. LG Hamburg, MMR 2007, 461). Der Begriff der Gefahrtragung ist dem juristischen Laien völlig unbekannt.

3. "24 Monate Garantie":

Der Hinweis der Beklagten darauf, dass die Ware 24 Monate Garantie habe, stellt keine
irreführende Werbung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der beanstandeten Formulierung nicht um eine Garantie i.S.d. §§ 443, 477 BGB. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der von der Beklagten verwendete Begriff "Garantie" als Gewährleistungsfrist zu verstehen. Der verständige Durchschnittsverbraucher, zu dem sich auch die Mitglieder
des Senats zählen, versteht die Aussage " 24 Monate Garantie" nicht so, dass über die   Mängelansprüche hinaus eine Garantie i.S.v. § 443 BGB gegeben wird (vgl. Harte/Henning/Weidert/Dreyer, UWG, § 5 Rdnr. 609). Dies gilt vorliegend umsomehr, als die Aussage im Zusammenhang damit steht, dass eine "Neuware" angeboten wird und die   angesprochenen Verkehrskreise daran gewöhnt sind, dass – jedenfalls nichtgewerbliche Verkäufer – die Gewährleistung bei "Gebrauchtwaren" ausschließen.
            
Die beanstandete Aussage stellt auch unter dem Gesichtspunkt, dass damit lediglich auf die gesetzliche Gewährleistungsfrist hingewiesen wird, keine unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn die Aussage besonders hervorgehoben worden wäre, das heißt, das Augenmerk des potentiellen Kunden in besonderer Weise darauf gelenkt worden wäre, etwa durch eine drucktechnische Hervorhebung (vgl. BGH, Beschluss v. 15.11.1990, Az. I ZR 30/89). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.                                     
            
4. "Rücksendekosten und Wertersatzverpflichtung":

Zu Recht beanstandet der Kläger die Aussagen der Beklagten in der Widerrufsbelehrung über die Rücksendekosten und über die Wertersatzverpflichtung. Es stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zur "klaren und verständlichen" Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs" dar  (§ 312 c Abs. 1 S. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV), wenn wie vorliegend mit dem Belehrungstext der irrige Eindruck erweckt wird, allein durch die Ingebrauchnahme der Sache, das heißt, auch ohne rechtzeitige Belehrung in Textform hierüber (§ 357 Abs. 3 BGB), könne die Wertersatzpflicht eintreten (vgl. OLG Stuttgart, MMR 2008, 616-619).

Hierdurch kann der Käufer von der Ausübung des ihm zustehenden Widerrufsrechts abgehalten werden, so dass sich die Beklagte dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Wortlaut ihrer Belehrung dem Wortlaut der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV entspricht, da sie das Muster nicht unverändert und komplett übernommen hat. Nur die Verwendung des ganzen Musters, nicht aber einzelne Musterbestimmungen sind privilegiert (BGH NJW 2007, 1946, 1947).

Die in der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung enthaltene Klausel zu den Rücksendekosten erweckt den unzutreffenden Eindruck, dass diese verlangt werden können, ohne dass eine vertragliche Vereinbarung hierüber getroffen wurde (§ 357 Abs. 2 BGB).

Das angefochtene Urteil ist deshalb in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Weitere Nebenentscheidungen sind nicht zu treffen ( § 542 Abs.2 ZPO ).

Vorinstanz:
LG Würzburg, Az.: 1 HKO 1726/08

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