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Rechtswidrig erlangte Daten bei Filesharing-Fällen führen zu Beweisverwertungsverbot

09. April 2015
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P2P -Schriftzug in rot, an dem drei schwarze Kabelmäuse hängen Beschluss des AG Koblenz vom 02.01.2015, Az.: 153 C 3184/14

Sofern die Datenübermittlung bei der Feststellung einer Urheberrechtsverletzung gegen einschlägige datenschutzrechtliche Bestimmungen verstößt, führt dies aufgrund des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Anschlussinhabers zu einem Beweisverwertungsverbot. Ergeht der gerichtliche Auskunftsbeschluss zur Ermittlung der streitgegenständlichen IP-Adresse nur gegen den Access-Provider, darf keine Auskunft über den Anschlussinhaber erfolgen, wenn es sich beim Provider des Anschlussinhabers um einen Reseller des Access Providers handelt.

AG Koblenz

Beschluss vom 02.01.2015

Az.: 153 C 3184/14

 

Tenor

In dem Rechtsstreit

(…)
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
(…)

gegen

(…)
– Beklagte –

(…)

wegen Urheberrecht

hat das Amtsgericht Koblenz durch (…) am 02.01.2015 beschlossen:

Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen: Die Klage erscheint unbegründet.

Entscheidungsgründe

1.
Den Klageansprüchen steht bereits die Einrede der Verjährung entgegen.

Die Ausführungen der Beklagten zur erhobenen Einrede der Verjährung auf Seite 27 ihrer Klageerwiderung vom 13.11.2014 treffen zu.

Die für die streitgegenständlichen urheberrechtlichen Schadensersatzansprüche nach §§ 97 Abs.1, 97a Abs.1 UrhG wegen behaupteter Urheberrechtsyerletzung vom 24.12.2009 geltende dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195,199 Abs.1 BGB, die spätestens nach Kenntniserlangung der Klägerin von der Person der Beklagten als angeblicher Urheberrechtsverletzerin nach klägerischem anwaltlichem Abmahnschreiben vom 16.06.2010 mit Schluss des Jahres 2010 zu laufen begann und spätestens nach Ablauf von drei Jahren am 31.12.2013 ablief, wurde zwar zunächst durch die am 06.09.2013 erfolgte Zustellung des Mahnbescheids des Amtsgerichts Euskirchen vom 04.09.2013 gemäß § 204 Abs.1 Nr.3 BGB rechtzeitig vor der am 31.12.2013 ablaufenden dreijährigen Verjährungsfrist gehemmt.

Diese Hemmung der Verjährung endete jedoch gemäß § 204 Abs.2 S.2 BGB wegen Stillstand des weiteren Verfahrens infolge Nichtbetreibens durch die Klägerin, die den nach Widersprucheinlegung der Beklagten vom 12.09.2013 mit Aufforderungsschreiben des Mahngerichts vom 13.09.2013 angeforderten Kostenvorschuss für die Durchführung des streitigen Verfahrens erst über 8 Monate später am 26.05.2014 bei Gericht einzahlte, also nach Ablauf der zunächst am 06.09.2013 durch Mahnbescheidzustellung wirksam gehemmten, aber gemäß § 204 Abs.2 S.1 BGB spätestens 6 Monate nach der letzten Verfahrenshandlung des Gerichts durch Kostenvorschussanforderung vom 13.09.2013 an die Klägerin spätestens am 16.03.2014 entgültig ablaufenden dreijährigen Verjährungsfrist.

Die nächste Verfahrenshandlung, nämlich der Eingang des Kostenvorschusses der Klägerin am 26.05.2014 für die Durchführung des streitigen Verfahrens erfolgte daher erst nach Eintritt der spätestens am 16.03.2014 endgültig gemäß § 204 Abs.1 Nr.3, Abs.2 BGB eingetretenen Verjährung und konnte keine erneute Hemmung der Verjährung mehr bewirken (vgl. BGH, urt.v. 16.12.1987, VIII ZR 4/87 = NJW 1988, 1982).

Die klägerseits behauptete 10-jährige Verjährungsfrist des § 852 BGB für den geltend gemachten Iizentanalogen Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs.1 UrhG kommt nicht in Betracht, da weder schlüssig vorgetragen ist, dass und in welcher konkret bezeichneten Höhe der Beklagte etwas erlangt haben soll, was vindizierbar wäre, noch sonst zu den Voraussetzungen der §§ 812 ff BGB vorgetragen oder Nachweis erbracht ist.

2.
Unabhängig davon wäre die Klage auch unschlüssig hinsichtlich der klägerseits behaupteten, vom Beklagten bestrittenen Richtigkeit der Ermittlung der IP-Adresse des Beklagten zum Internertanschluss, von dem aus die behauptete Urheberrechtsverletzung vom 24.12.2009 begangen worden sein soll. Sowohl das OLG Köln im Beschluss vom 20.01.2012, AZ: 6 W 242/11, als auch das LG Berlin mit Urteil vom 03.05.2011, AZ: 16 O 55/11, haben festgestellt, dass die Ermittlungen der klägerseits eingesetzten Fa. Guardedley Ltd. Und die von dieser benutzte Software „Observer“ ungeeignet sind, Urheberrechtsverletzungen zutreffend zu ermitteln. Auch das AG Frankenthal hat in einem aktuellen Urteil vom 23.06.2014 (Az: 3b C 145/14) erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der auch im vorliegenden Fall eingesetzten Ermittlungssoftware Observer der Fa. Guardaley Ltd geäußert und die dortige Klage vollumfänglich abgewiesen.

3.
Jedenfalls erscheint die vorstehende Klage auch aus Rechtsgründen nicht begründet. Maßgeblich hierfür ist, dass die Ermittlung der streitgegenständlichen IP-Adresse unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen des TKG erfolgt ist. Damit wird in das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Beklagten eingegriffen und ein Verwertungsverbot des widerrechtlich erlangten Beweismittels begründet.

Im Einzelnen gilt Folgendes: Die Ermittlung des Anschlussinhabers über eine dem mutmaßlich Verletzten   durch   von   diesem   angestrengte   Ermittlungsmaßnahmen   bekannt  gewordene IP-Adresse erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. In einem ersten Schritt muss der Netzbetreiber (sogenannter Access-Provider oder Zugangsanbieter) über die durch den Verletzten mitgeteilte IP-Adresse die Benutzerkennung des vom Teilnehmer und mutmaßlichen Urheberrechtsverlet¬zer verwendeten Anschlusses ermitteln.

Im vorliegenden Fall ist die Deutsche Telekom AG der maßgebliche Access-Provider. In einem weiteren zweiten Schritt ordnet der Netzbetrieber anhand seines eigenen Datenbestandes den Anschluss einem bestimmten Teilnehmer zu und übermittelt die auf diese Weise ermittelte Identität des Anschlussinhabers dem auskunftverlangenden Rechteinhaber.

Insoweit liegt vorstehend eine richterliche Gestattung dieser Übermittlung durch die Deutsche Telekom AG gemäß § 101 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 9 UrhG durch Beschluss des Landgerichts Köln vom 26.01.2010 – 31 OH 737/09 – vor.

Ungeachtet dessen verstößt diese Übermittlung gegen datenschutzrechtliche Vorschriften, ohne insoweit durch diese gerichtliche Genehmigung abgedeckt zu sein. Die Erhebung der Bestandsdaten des Teilnehmers (Rufnummer, Name, Adresse, Geburtsdatum des Teilnehmers und ggf. Anschrift  des Anschlusses), die durch  die Verknüpfung  mit der ermittelten  dynamischen IP-Adresse ebenfalls zu Verkehrsdaten werden (vergl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. Rdnr. 66 m.w.N. aus der Rechtsprechung), erfolgt nämlich primär nicht durch den Access-Provider, sondern durch den Vertragspartner und Provider des Anschlussinhabers (sogenannter Reseller).

Ein solcher Reseller, bei dem es sich regelmäßig nicht um die Deutsche Telekom AG handelt, sondern entweder eine von deren rechtlich selbständigen Konzerntöchtern oder einen außerhalb des Konzern der Deutschen Telekom AG agierenden Drittanbieter, erbringt als Vertragspartner des Endkunden dessen Zugang zum Internet als Leistung im eigenen Namen und nutzt hierfür lediglich die Telekommunikationsnetze der Netzbetreiber.

Nur zwischen dem Reseller und dem Endkunden bestehen überhaupt telekommunikationsrechtliche vertragliche Beziehungen.

Die Erhebung der Bestandsdaten des Teilnehmers durch den Reseller erfolgt auf der Grundlage des § 111 Abs. 1 TKG. Der Reseller übermittelt diese Daten an den Netzbetreiber, hier die Deutsche Telekom AG, auf der Grundlage des § 111 Abs. 2 TKG. Nach dieser Vorschrift hat der Vertriebspartner die Daten zu erheben und an den Dienstanbieter zu übermitteln. Zweck dieser Datenerhebung und Datenübermittlung sind allein die Auskunftsverfahren nach §§ 112, 113 TKG.

Auskünfte aus den Datensätzen dürfen jedoch gemäß § 112 Abs. 2 TKG nur an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden, Polizeivollzugsbehörden, Zollkriminalamt, Zollfahndungsdienst, Zollbehörden, Verfassenschutzbehörden, Notrufabfragestellen sowie an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erteilt werden sowie gemäß § 113 Abs. 3 TKG an die Strafverfolgungsbehörden, Bußgeldstellen, Sicherheitsbehörden und Verfassungsschutzbehörden.

Die Beauskunftung gegenüber anderen Stellen, insbesondere Dritten mit rein privatrechtlichem Interesse ist jedoch nach diesen Vorschriften nicht zulässig.

Zulässig wäre daher in den Fällen, in denen der Reseller die Leistung im eigenen Namen erbringt und nicht mit dem Access-Provider (Netzbetreiber) identisch ist, lediglich die Mitteilung des Namens und der Anschrift des Resellers durch den Netzbetreiber. Der Reseller müsste dann seinerseits die Auskunft über die Daten des Anschlussinhabers erteilen, wenn die gesetzlichen Vor-ussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG vorliegen, also wenn diesem die Auskunfterteilung gerichtlich gestattet wurde, da auch diese Auskunfterteilung auf die ermittelte IP-Adresse zurückgeht und damit unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgt.

Dies ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, der streitgegenständliche Gestattungsbeschluss richtet sich nur gegen die Deutsche Telekom AG als Access-Provider.

Daher ist die Beauskunftung rechtswidrig und unter Verstoß gegen die einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen erfolgt. Dies impliziert gleichzeitig eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts des Beklagten, das ein Verwertungsverbot hinsichtlich des rechtswidrig erlangten Beweismittels nach sich zieht.

Schutzwürdige Interessen der Klägerin als Inhaberin der urheberrechtlich geschützten Rechte und damit mutmaßlich Verletzte stehen dem nicht entgegen. Das Gericht bewertet den Verletzer, über den Auskunft erteilt werden soll, dabei keineswegs als schutzwürdiger als die Klägerin als urheberrechtliche Rechtsgutträgerin. Deren Recht am geistigen Eigentum bzw. urheberechtliches Nutzungsrecht ist nämlich ebenfalls mit Verfassungsrang nach Artikel 14 Abs. 1 GG geschützt.

Allerdings ist die Klägerin gehalten, den vorstehend aufgezeigten Weg zu beschreiten, um damit den von der Rechtsordnung gestellten Anforderungen zu genügen. Dies ergibt sich allein aus dem erheblichen Gewicht des Eingriffs in das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Beklagten durch Erteilung der beanspruchten Auskunft.

Das Gericht beabsichtigt, auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden. Beide Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.02.2015. Sie mögen innerhalb der vorgenannten Frist auch mitteilen, ob gemäß § 128 Abs.2 ZPO im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann.

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