Untersagung von Sportwetten trotz neuer EuGH-Rechtsprechung nicht offensichtlich rechtswidrig

24. Januar 2011
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Eigener Leitsatz:

In Auseinandersetzung mit der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Glücksspielstaatsvertrag hat das VG Saarlouis entschieden, dass die Untersagung von Sportwetten in dem betreffenden Fall jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig war. Selbst wenn das Sportwettmonopol europarechtswidrig sei, blieben die übrigen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages anwendbar und die Veranstaltung von Sportwetten genehmigungspflichtig.

 Verwaltungsgericht Saarlouis

Beschluss vom 02.12.2010

Az.: 6 L 654/10

Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe:
Der gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 9 Abs. 2 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland – GlüStV – (Amtsbl. 2007, S. 2441) statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers – 6 K 653/10 – gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 05.07.2010, mit der dieser dem Antragsteller die Ausübung der Tätigkeit „Vermittlung von Sportwetten“ für das gesamte Gebiet des Saarlandes, insbesondere am Betriebssitz Z. Straße … in A-Stadt, mit sofortiger Wirkung untersagt hat, ist unbegründet.

Bei seiner Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht alle Gesichtspunkte, die für oder gegen die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit sprechen, zu berücksichtigen und zu bewerten. Dabei kommt der Vorausbeurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache entscheidende Bedeutung zu, weil ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht bestehen kann und umgekehrt in der Regel das öffentliche Interesse am Vollzug Vorrang vor dem privaten Interesse am Suspensiveffekt verdient, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht in diesem Sinne eindeutig zu bejahen bzw. zu verneinen, ist eine von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall ist die angefochtene Untersagungsverfügung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 (Rs. C-409/06, C-316/07 u.a. sowie C-46/08) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2010 (8 C 13.09, 8 C 14.09 u. 8 C 15/09, vgl. die Pressemitteilung Nr. 110/2010 vom 24.11.2010) nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig anzusehen (I.). Die von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung geht vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus (II.).

I.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV. Danach kann die zuständige Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Diese Vorschrift findet auf die Vermittlung von Sportwetten Anwendung. Wetten auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses sind gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV als Glücksspiele anzusehen. Dazu gehören auch Wetten auf den Ausgang von Sportereignissen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV). Dem Gesetzgeber steht es frei, Sportwetten im Wege der Legaldefinition als Glücksspiele einzuordnen. Davon geht erkennbar auch das Bundesverfassungsgericht aus

vgl. BVerfGE 115, 276; sowie Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Kommentar, 2008, § 3 GlüStV Rndr. 7 m.w.N..

Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit einer Erlaubnis der zuständigen Behörde veranstaltet oder vermittelt werden; das Veranstalten und/oder Vermitteln ohne Erlaubnis ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV ausdrücklich verboten.

Der Antragsteller besitzt keine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten von im europäischen Ausland ansässigen und konzessionierten Buchmachern. Er hat eine solche Erlaubnis bisher auch nicht beantragt.

Nach §§ 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darf die Erlaubnis für das Vermitteln von Glücksspielen nicht für Spiele erteilt werden, die nach dem Glücksspielstaatsvertrag nicht erlaubt sind. Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 5 GlüStV vorgeschrieben, dass anderen als den in § 10 Abs. 2 GlüStV genannten Veranstaltern nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen erlaubt werden darf. Das Recht zur Veranstaltung von Sportwetten steht im Saarland dementsprechend gemäß § 7 Abs. 2 AGGlüStV-Saar ausschließlich der Saarland-Sporttoto-GmbH zu.

Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung der Kammer

vgl. die Urteile vom 10.12.2009 – 6 K 649/09 – und vom 18.12.2008 – 6 K 37/06 -, bei Juris, sowie die Beschlüsse vom 08.01.2009 – 6 L 894/08 -, vom 20.04.2009 – 6 L 142/09 -, vom 24.06.2009 – 6 L 397/09 – und vom 08.06.2010 – 6 L 354/10 –

verstößt diese der Untersagungsverfügung zugrunde liegende Rechtslage weder gegen Verfassungsrecht noch ist sie mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar.

Auch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat bisher (nach summarischer Prüfung im Eilverfahren)

vgl. die Beschlüsse vom 26.04.2010 – 3 B 20/10 – und vom 10.05.2010 – 3 B 83/10 –

unter Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten bei der Umsetzung des staatlichen Wettmonopols im Saarland die Auffassung vertreten, dass vieles für eine Vereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols mit dem Verfassungs- und dem Gemeinschaftsrecht spricht.

Zwar ist nach der neueren Rechtsprechung des EuGH nunmehr von dem Erfordernis einer über die einzelnen Glücksspielarten hinausreichenden Gesamtkohärenz auszugehen:

„Art. 49 EG ist dahin gehend auszulegen, dass, wenn ein regionales staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien errichtet wurde, mit dem das Ziel verfolgt wird, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, und ein nationales Gericht sowohl feststellt,

– dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch,

– dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren,

das nationale Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben kann, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

Dass die Glücksspiele, die Gegenstand des genannten Monopols sind, in die Zuständigkeit der regionalen Behörden fallen, während für die anderen Arten von Glücksspielen die Bundesbehörden zuständig sind, ist dabei unerheblich.“

Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010, Rs. C-46/08 (Carmen Media).

Die danach vom Europäischen Gemeinschaftsrecht geforderte Gesamtkohärenz kann allerdings nicht ohne Weiteres verneint werden

vgl. bereits OVG des Saarlandes, Beschluss vom 05.10.2009 – 3 B 321/09 -, ZfWG 2009, 369; ebenso (auch nach den neueren Urteilen des EuGH): OVG Münster, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 B 733/10 -, bei Juris.

Anders als in der Presse verlautbart hat der EuGH selbst weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht die Feststellung getroffen, dass das derzeit in Deutschland bestehende Sportwettenmonopol nicht gemeinschaftskonform ist. Der EuGH ist vielmehr von entsprechenden Feststellungen der vorlegenden Gerichte ausgegangen, die teilweise – in den Verfahren C-316/07 sowie C-409/06 -noch aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags zum 01.01.2008 stammen

vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 07.10.2010 – 5 B 178/01 -, bei Juris.

Die Bewertung, ob bei anderen Glücksspielarten eine Politik der Gewinnmaximierung und Angebotserweiterung betrieben wird, die dem Kohärenzerfordernis entgegensteht, setzt umfangreiche tatsächliche Feststellungen voraus, die einem Hauptsacheverfahren vorbehalten sind.

Abgesehen davon ist zu beachten, dass, selbst wenn man von der Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols aufgrund fehlender Kohärenz ausgehen würde, die angefochtene Untersagungsverfügung gleichwohl rechtmäßig ergangen sein kann. Denn in jedem Fall darf – unabhängig von dem Sportwettenmonopol – nach § 4 Abs. 1 GlüStV ein Glücksspiel grundsätzlich nicht ohne Erlaubnis der zuständigen Stellen veranstaltet werden. Der EuGH hat einen solchen Erlaubnisvorbehalt nicht in Frage gestellt, sondern ihn in der Sache ausdrücklich bestätigt. Nach seinen Ausführungen bleibt jeder Mitgliedstaat berechtigt, die Möglichkeit, den Verbrauchern in seinem Hoheitsgebiet Glücksspiele anzubieten, für alle daran interessierten Veranstalter vom Besitz einer von seinen zuständigen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen, ohne dass der Umstand, dass ein bestimmter Veranstalter bereits über eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis verfügt, dem entgegenstehen kann

vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010, Rs. C-316/07 u.a. (Markus Stoß), Rdnr. 113.

Dass das europarechtliche Kohärenzgebot verlangt, allein im Bereich der Sportwetten ohne Erlaubnis ein Glücksspiel betreiben zu dürfen, ist nicht zu erkennen. Die Unanwendbarkeit des sich aus § 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV ergebenden Monopols unter Ausschluss rein privater Veranstalter hat nicht zur Folge, dass für solche privaten Veranstaltungen keine Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages und der ergänzenden landesrechtlichen Regelungen, hier des Saarländischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag, Anwendung fänden und somit vorbehaltlich einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit nach § 35 GewO ein uneingeschränkter Marktzugang gegeben wäre. Eine Unvereinbarkeit nationalen Rechts mit Unionsrecht führt nur in dem Umfang zur Nichtanwendbarkeit der widersprechenden nationalen Regelungen, in dem der Anwendungsvorrang des Europarechts besteht. Unanwendbar wäre der Erlaubnisvorbehalt im Falle der Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols daher nur insoweit, als nicht bereits der Umstand, dass ein Privater die Erlaubnis begehrt, einen Grund für die Versagung der Erlaubnis darstellt. Da der Antragsgegner sich in seiner Untersagungsverfügung maßgeblich auf die fehlende Erlaubnisfähigkeit der Sportwettenvermittlung durch Private gestützt hat, darf dem Antragsteller das Fehlen einer Erlaubnis an sich, d.h. die formelle Illegalität seiner Tätigkeit, nicht entgegen gehalten werden.

Dass die staatsvertraglichen und die ergänzenden landesrechtlichen Regelungen über die Voraussetzungen zur Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen in ihrer Gesamtheit unanwendbar wären, kann demgegenüber nicht angenommen werden. Der Erlaubnisvorbehalt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV enthält einen eigenständigen Gehalt, der sich von der Frage des staatlichen Veranstaltungsmonopols trennen lässt. Die durch diese Bestimmung konstituierte generelle Erlaubnispflicht bezweckt, dass keine Glücksspielangebote ohne vorherige Kontrolle eröffnet werden können. Einen tragfähigen Grund dafür, weshalb eine – unterstellte – Nichtanwendung des staatlichen Veranstaltungsmonopols wegen Gemeinschaftswidrigkeit dazu führen sollte, dass ein ungeregelter Zustand eintritt, während dessen die Veranstaltung und das Vermitteln von Sportwetten jedermann erlaubt sein soll, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Der Glücksspielstaatsvertrag ist so aufgebaut, dass auch beim Wegfall der staatlichen Monopolregelung noch allgemeine Regelungen fortbestehen, die sich nicht spezifisch auf ein staatliches Monopol beziehen, sondern auch und gerade dann sinnvoll bleiben, wenn sie sich auf die Tätigkeit von rein privaten Veranstaltern beziehen. Dies gilt insbesondere für die allgemeinen Ziele in § 1 GlüStV, aber auch für die dieses Ziel konkretisierenden Bestimmungen über die Erlaubnispflicht, die Versagungsgründe, das Spielverbot für Minderjährige, das sog. Internetverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV sowie die weiteren, bewusst vor die Klammer gezogenen allgemeinen Vorschriften des § 6 und 7 GlüStV über das erforderliche Sozialkonzept und die gebotene Aufklärung sowie schließlich die besonderen Vorschriften über die Veranstaltung von Sportwetten in § 21 Abs. 1 und 2 GlüStV, die u. a. ein Verbot von Livewetten vorsehen (Abs. 2 Satz 3). Diese Regelungen bilden auch beim Wegfall des Monopols einen sinnvollen (Rest-)Normbestand. Dass der Normgeber, hätte er gewusst, dass das Staatsmonopol bei der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unionsrechtlich nicht aufrechtzuerhalten ist, zumindest den Fortbestand von materiellen (Rest-)Regelungen zum Auftreten privater Veranstalter von Sportwetten gewollt hat oder ihr Tätigkeitsfeld insoweit nicht vollständig hätte freigeben wollen, liegt angesichts der Kernziele der Länder beim Abschluss des Staatsvertrages auf der Hand. Diese wollten nämlich das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht verhindern, das Glücksspielangebot begrenzen sowie den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen lenken. Das – bei unterstellter Unionsrechtswidrigkeit unanwendbare – Monopol stellt danach nur eine Schutzmaßnahme von vielen dar, mit der nicht zugleich auch alle anderen allgemeinen Schranken des Staatsvertrages fallen

vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.11.2010 – 11 MC 429/10 -, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.10.2010 – OVG 1 S 154.10 -, jeweils bei Juris.

Der Antragsteller ist folglich nicht von den – weiterhin geltenden – materiellen Pflichten eines Vermittlers von Glücksspielen befreit, d.h. die materielle Legalität seiner Tätigkeit muss stets gegeben sein, um eine Erlaubnis zu erhalten. Im vorliegenden Fall ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zur Glücksspielvermittlung erfüllt. Dies ist etwa im Hinblick auf die vorgesehenen Maßnahmen zum Spielerschutz (insbesondere Zugangssperren) und zum Jugendschutz zumindest fraglich. Ebenso wenig lässt sich anhand der vorliegenden Erkenntnisse feststellen, ob die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis erfüllt sind. Dies gilt etwa hinsichtlich der Konformität mit dem Ziel nach § 1 Nr. 4 GlüStV, das im Wesentlichen nicht auf einen Spielerschutz, sondern damit gleichrangig auf Abwehr allgemeiner Gefahren für die öffentliche Sicherheit – namentlich die Betrugsbekämpfung – abzielt. Ferner ist nicht zu erkennen, dass und wie der Antragsteller die Einhaltung der Werbebeschränkungen gemäß § 5 GlüStV – auch für den im EU-Ausland ansässigen Wettanbieter – sicherstellen will. Gleiches gilt für die unabhängig von einem Monopol bestehende Verpflichtung, ein Sozialkonzept im Sinne von § 6 GlüStV vorzulegen

vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 B 733/10 -, bei Juris.

Abgesehen von der bestehenden Ungewissheit, ob diese allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind, spricht vor allem gegen eine Erlaubnisfähigkeit, dass der Antragsteller das Verbot der Sportwetten im Internet und das Verbot von Livewetten missachtet. Der EuGH hat das Verbot, öffentliche Glücksspiele im Internet zu veranstalten und zu vermitteln (§ 4 Abs. 4 GlüStV), ausdrücklich bestätigt. Danach ist anzuerkennen, dass eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten wird, grundsätzlich als geeignet angesehen werden kann, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt

vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010, Rs. C-46/08 (Carmen Media), Rdnr. 105.

Ein Sportwettangebot, das über eine Internetseite Interessenten direkt zugänglich ist, verliert den Charakter einer Veranstaltung „im Internet“ nicht dadurch, dass die Eingabe der Wetten über einen Vermittler erfolgt.

vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2010 – OVG 1 S 204.10 -, bei Juris.

Nach den im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen deutet einiges darauf hin, dass die Tätigkeit des Antragstellers – wie bei zahlreichen anderen privaten Vermittlern von im Ausland konzessionierten Sportwetten – auf einem Geschäftsmodell basiert, das ein Internetangebot von Sportwetten unter Einschluss von Livewetten beinhaltet. Dies gilt insbesondere auch für das Internetangebot des hier in Rede stehenden Veranstalters, der Tipico Ltd., mit dem der Antragsteller in Geschäftsverbindung steht. Die Tipico Ltd. bietet unverändert gezielt an ein deutsches Publikum gerichtete Internetwetten unter Einschluss von Livewetten an. Hiervon hat sich die Kammer durch stichprobenartigen Aufruf der Internetseiten der Fa. Tipico überzeugt. Ist jedoch ein solches Geschäftsmodell selbst bei Unanwendbarkeit der Regelungen über den gänzlichen Ausschluss von privaten Veranstaltern für Sportwetten materiell rechtswidrig und damit nicht erlaubnisfähig, so erfüllt auch ein im Saarland ansässiger Vermittler entsprechender Sportwetten von privaten Veranstaltern – wie der Antragsteller – nicht die materiellen Voraussetzungen für eine entsprechende Vermittlungstätigkeit. Der Antragsgegner geht also mutmaßlich im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Geschäftstätigkeit des Antragstellers nicht erlaubnisfähig ist

vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.11.2010 – 11 MC 429/10 – bei Juris.

Aus alledem ergibt sich, dass die angefochtene Untersagungsverfügung nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig ist.

II.

Die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Dem die sofortige Vollziehung rechtfertigenden öffentlichen Interesse der wirksamen Suchtprävention stehen keine höherrangigen privaten Interessen des Antragstellers entgegen. Schon die in § 9 Abs. 2 GlüStV erfolgte Grundentscheidung des Gesetzgebers für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung und die darin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung spricht dafür, dass die Interessen des Antragstellers zurücktreten müssen. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hätte zur Folge, dass die nicht zu beanstandenden Schutzzwecke des Glücksspielstaatsvertrags bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung vereitelt würden und sich entgegen der Absicht des Gesetzgebers, das Angebot an Sportwetten zu begrenzen, ein privater Sportwettenmarkt völlig ungeregelt ausbreiten könnte. Dem steht bereits die erwähnte Fortgeltung des Erlaubnisvorbehalts entgegen. Eine vorübergehende völlige Freigabe wäre insbesondere unter den Aspekten des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung bedenklich. Ohne konsequente und sofort vollziehbare Durchsetzung des Verbots können die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, der im Wesentlichen der Suchtprävention, dem Jugend- und Spielerschutz sowie dem Schutz vor betrügerischen Machenschaften und der Folge- und Begleitkriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen dient (vgl. § 1 GlüStV), nicht effektiv erreicht werden. Anderenfalls würde ein Marktgeschehen eröffnet, dessen Dynamik es erheblich erschweren würde, das Wettmonopol später – sollte es in der Hauptsache bestätigt werden – mittels Verwaltungszwangs durchzusetzen, denn es wäre in der Übergangszeit mit einer erheblichen Ausweitung des Wettangebotes durch private Sportwettvermittler zu rechnen. Der durch eine unerwünschte Ausweitung des Glücksspielmarktes entstehende Schaden wird, je länger gegen das Verbot verstoßen wird, umso schwerer zu bekämpfen sein

vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 05.10.2009 – 3 B 321/09 – a.a.O.; sowie OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2008 – 11 MC 71/08 -, ZfWG 2008, 255, 263.

Demgegenüber ist das Erwerbsinteresse des Antragstellers nicht in vergleichbarem Maße schutzwürdig. Insbesondere besteht kein schutzwürdiges Interesse daran, eine Tätigkeit fortzuführen, die das Verbot missachtet, Wetten im Internet sowie Livewetten anzubieten. Zudem hat der Antragsteller seine gewerbliche Tätigkeit in dem Bewusstsein aufgenommen, dass ihm wegen des bestehenden staatlichen Sportwettenmonopols im Saarland keine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten für ausländische Vertragspartner erteilt werden wird und dass die Vermittlung von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis ordnungsrechtlich untersagt werden kann. Seine unternehmerische Entscheidung, gleichwohl ausländische Wetten zu vermitteln, war daher von vorneherein mit einem erheblichen Risiko behaftet. Sein Interesse an der Fortsetzung dieser Betätigung genießt deshalb keinen besonderen Vertrauensschutz

vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.10.2010 – OVG 1 S 154.10 -, OVG Münster, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 B 733/10 -, jeweils bei Juris; sowie VGH Kassel, Urteil vom 13.08.2008 – 7 B 29/08 -, LKRZ 2008, 393; VGH München, Beschluss vom 13.10.2008 – 10 CS 08.1869 -, bei Juris.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Auflagen abhängig zu machen (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO) scheidet aus der Sicht der Kammer aus, weil die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Auflagen zur Suchtprävention kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Begrenzung der Spielsucht darstellt. Dem festgestellten Verstoß gegen das Verbot von Internet- und Livewetten kann durch Auflagen an den Antragsteller schon deshalb nicht wirksam begegnet werden, weil die Gestaltung des Wettangebots im Verantwortungsbereich des Veranstalters, hier der Tipico Ltd., liegt und der Vermittler demzufolge hierauf keinen oder allenfalls einen sehr begrenzten Einfluss hat. Es ist Sache des Veranstalters, das Geschäftsmodell den gesetzlichen Vorgaben anzupassen

vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.11.2010 – 11 MC 429/10 – bei Juris.

Hinzu kommt, dass es – auch angesichts der mittlerweile vorhandenen Vielzahl privater Sportwettanbieter und Sportwettvermittler – zweifelhaft erscheint, ob die Aufsichtsbehörde die Einhaltung von Auflagen wirksam kontrollieren kann.

vgl. auch VG Braunschweig, Beschluss vom 07.10.2010 – 5 B 178/01 -, bei Juris.

III.

Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG. Ausgangspunkt der Festsetzung ist die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, wonach der Streitwert bei privaten Sportwettvermittlungen 15.000,– EUR beträgt (vgl. Beschlüsse vom 05.10.2009 – 3 B 321/09 -, ZfWG 2009, 369, und vom 04.04.2007 – 3 W 18/06 -, LKRZ 2007, 307).

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