Über die Verantwortung für die Teilnahme an Kartellen

18. September 2009
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Eigener Leitsatz:

Übersendet die Europäische Kommission eine Mitteilung über Beschwerdepunkte bezüglich eines Kartells zur Preisfestsetzung für Selbstdurchschreibepapier, müssen darin alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich zu dem Verfahrensstadium gestützt wird, aufgeführt werden. Wird beabsichtigt eine Sanktion wegen eines Wettbewerbverstoßes zu verhängen, müssen der vorgeworfene Sachverhalt, dessen Einstufung und die herangezogenen Beweismittel genannt werden. Soll laut Mitteilung die Verantwortung für eine hundertprozentige Tochtergesellschaft zugerechnet werden, ist nicht ersichtlich, dass auch eine eigene, unmittelbare Beteiligung in Frage kommt. Durch diese Verletzung der Verteidigungsrechte ist die ergangene Entscheidung dahin gehend aufzuheben.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 03.09.2009

Az.: C-322/07

In den verbundenen Rechtssachen C-322/07 P, C-327/07 P und C-338/07 P

betreffend drei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 9., 11. und 16. Juli 2007,

Papierfabrik August Koehler AG mit Sitz in Oberkirch (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. Brinker und S. Hirsbrunner sowie Professor J. Schwarze,

Bolloré SA mit Sitz in Ergue Gaberic (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: C. Momège und P. Gassenbach, avocats, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Distribuidora Vizcaína de Papeles SL mit Sitz in Derio (Spanien), Prozessbevollmächtigte: E. Pérez Medrano und T. Díaz Utrilla, abogados,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre und W. Mölls als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H.-J. Freund und N. Coutrelis, avocat, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter A. Ó Caoimh, J. Klucka (Berichterstatter) und U. Lõhmus sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: R. Seres, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. April 2009

folgendes

Urteil

Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Papierfabrik August Koehler AG (im Folgenden: Koehler) (C-322/07 P), die Bolloré SA (im Folgenden: Bolloré) (C-327/07 P) und die Distribuidora Vizcaína de Papeles SL (im Folgenden: Divipa) (C-338/07 P) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission (T-109/02, T-118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02, Slg. 2007, II 947, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Klagen u. a. von Bolloré, Koehler und Divipa auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/337/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.212 – Selbstdurchschreibepapier) (ABl. 2004, L 115, S. 1, im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat. Mit der streitigen Entscheidung hatte die Kommission gegen Koehler eine Geldbuße von 33,07 Mio. Euro, gegen Bolloré eine Geldbuße von 22,68 Mio. Euro und gegen Divipa eine Geldbuße von 1,75 Mio. Euro festgesetzt.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt, wie er in den Randnrn. 1 bis 13 des angefochtenen Urteils dargestellt ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen.

Im Herbst 1996 übermittelte der Papierkonzern Sappi, dessen Muttergesellschaft die Sappi Ltd ist (im Folgenden: Sappi), der Kommission Informationen und Unterlagen, die bei ihr den Verdacht weckten, dass eine geheime Absprache über die Festsetzung von Preisen auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier, auf dem Sappi als Hersteller tätig war, bestehe oder bestanden habe.

Angesichts der von Sappi gemachten Angaben nahm die Kommission bei einer Reihe von Herstellern von Selbstdurchschreibepapier Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), vor. So wurden die Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 am 18. und 19. Februar 1997 in den Räumlichkeiten mehrerer Gesellschaften, darunter der Papeteries Mougeot SA (im Folgenden: Mougeot), sowie zwischen Juli und Dezember 1997 bei Sappi und weiteren Unternehmen, darunter bei Koehler und der Arjo Wiggins Appleton plc (im Folgenden: AWA), durchgeführt.

Außerdem richtete die Kommission im Jahr 1999 Auskunftsverlangen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 an mehrere Gesellschaften, darunter AWA, Mougeot, Divipa, Koehler und die Copigraph SA (im Folgenden: Copigraph), eine Tochtergesellschaft von Bolloré. Die Unternehmen wurden darin aufgefordert, Angaben zu von ihnen angekündigten Preiserhöhungen, zu ihren Absatzmengen, Kunden und Umsätzen sowie zu ihren Treffen mit Konkurrenten zu machen.

AWA, Copigraph und ein weiteres Unternehmen räumten in ihren Antworten auf diese Auskunftsverlangen ein, an multilateralen Kartellsitzungen der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier teilgenommen zu haben. Sie lieferten der Kommission dazu verschiedene Unterlagen und Informationen.

Mougeot nahm am 14. April 1999 Kontakt zur Kommission auf und erklärte sich bereit, gemäß der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) an der Untersuchung mitzuwirken. Sie räumte das Bestehen eines Kartells zur Festsetzung der Preise für Selbstdurchschreibepapier ein und übermittelte der Kommission Informationen über den Aufbau des Kartells und insbesondere über verschiedene Zusammenkünfte, an denen ihre Vertreter teilgenommen hatten.

Am 26. Juli 2000 leitete die Kommission in den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Fällen das Verfahren ein und erließ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: Mitteilung der Beschwerdepunkte) gegenüber siebzehn Unternehmen, zu denen Copygraph, Bolloré als deren Muttergesellschaft, AWA, Divipa, Mougeot, Koehler und Sappi gehörten.

Bis auf drei Unternehmen nahmen alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu den von der Kommission angeführten Beschwerdepunkten schriftlich Stellung.

Am 8. und 9. März 2001 fand eine Anhörung statt, und am 20. Dezember 2001 erließ die Kommission die streitige Entscheidung.

In Art. 1 Abs. 1 dieser Entscheidung stellte die Kommission fest, dass elf Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) verstoßen hätten, indem sie an einer Reihe von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor Selbstdurchschreibepapier teilgenommen hätten.

In Art. 1 Abs. 2 der streitigen Entscheidung stellte die Kommission u. a. fest, dass AWA, Bolloré, Koehler, Sappi und drei weitere Unternehmen von Januar 1992 bis September 1995, Divipa von März 1992 bis Januar 1995 und Mougeot von Mai 1992 bis September 1995 an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten.

In Art. 2 der streitigen Entscheidung wurden die in deren Art. 1 aufgeführten Unternehmen angewiesen, den dort genannten Verstoß abzustellen, falls dies nicht bereits geschehen sei, und bei ihren Tätigkeiten auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier von jeglichen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen Abstand zu nehmen, die gleiche oder ähnliche Ziele verfolgten oder Wirkungen nach sich zögen wie dieser Verstoß.

In Art. 3 Abs. 1 der streitigen Entscheidung wurden u. a. folgende Geldbußen gegen die betroffenen Unternehmen festgesetzt:

– AWA: 184,27 Mio. Euro;

– Bolloré: 22,68 Mio. Euro;

– Divipa: 1,75 Mio. Euro;

– Mougeot: 3,64 Mio. Euro;

– Koehler: 33,07 Mio. Euro;

– Sappi: 0 Euro.


Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

Mit gesonderten Klageschriften, die im April 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhoben Bolloré, AWA, Koehler, Divipa und fünf weitere Unternehmen gegen die streitige Entscheidung Klage.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht u. a. die Klagen von Bolloré, Koehler und Divipa abgewiesen.


Anträge der Beteiligten und Verfahren vor dem Gerichtshof

Koehler beantragt,

– das angefochtene Urteil aufzuheben und die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;

– hilfsweise, die gegen sie festgesetzte Geldbuße herabzusetzen;

– weiter hilfsweise, die Sache zur Entscheidung in Einklang mit der rechtlichen Beurteilung im Urteil des Gerichtshofs an das Gericht zurückzuverweisen;

– in jedem Fall die Kommission zu verurteilen, die Kosten der Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof zu tragen.

Bolloré beantragt,

– das angefochtene Urteil aufzuheben;

– endgültig zu entscheiden und die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären oder jedenfalls die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

– für den Fall, dass der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache nicht entscheidet, die Kosten vorzubehalten und die Rechtssache zur erneuten Beurteilung in Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofs an das Gericht zurückzuverweisen;

– der Kommission die Kosten der Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof aufzuerlegen.

Divipa beantragt,

– das angefochtene Urteil ganz oder teilweise aufzuheben und in der Sache zu entscheiden oder die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;

– die gegen sie festgesetzte Geldbuße aufzuheben oder herabzusetzen;

– der Kommission die Kosten der Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2008 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C-322/07 P, C-327/07 P und C-338/07 P zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.


Zu den Rechtsmitteln

Aus Gründen der Klarheit werden im Folgenden einige der von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachten Rechtsmittelgründe getrennt und andere zusammen geprüft.

Zum ersten von Bolloré geltend gemachten Rechtsmittelgrund betreffend die Verletzung der Verteidigungsrechte wegen fehlender Übereinstimmung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der streitigen Entscheidung

Im ersten Rechtszug hat Bolloré vorgetragen, die Kommission habe ihre Verteidigungsrechte verletzt, da sie ihr nicht die Möglichkeit gegeben habe, im Verwaltungsverfahren zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen, der sich auf ihre unmittelbare und eigenständige Beteiligung am Kartell stütze.

Nachdem das Gericht in den Randnrn. 66 bis 68 des angefochtenen Urteils zunächst die Rechtsprechung zur Wahrung der Verteidigungsrechte und zum Inhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Erinnerung gerufen hat, hat es in Randnr. 79 des Urteils ausgeführt, die an Bolloré gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte habe es dieser nicht ermöglicht, vom Vorwurf ihrer unmittelbaren Beteiligung an der Zuwiderhandlung oder auch nur von den Tatsachen, auf die die Kommission diesen Vorwurf in der streitigen Entscheidung gestützt habe, Kenntnis zu erlangen, so dass sie sich, wie ihre Erwiderung auf diese Mitteilung zeige, im Verwaltungsverfahren nicht sachgerecht gegen diesen Vorwurf und diese Tatsachen habe verteidigen können.

In den Randnrn. 80 und 81 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hinzugefügt:

„Selbst wenn die [streitige] Entscheidung neues tatsächliches oder rechtliches Vorbringen enthält, zu dem die betroffenen Unternehmen nicht gehört worden sind, so zieht der festgestellte Fehler jedoch nur dann die Nichtigerklärung der Entscheidung in diesem Punkt nach sich, wenn das betreffende Vorbringen auf der Grundlage anderer in der Entscheidung berücksichtigter Umstände, zu denen die betroffenen Unternehmen Stellung nehmen konnten, nicht rechtlich hinreichend bewiesen werden kann … Die Verletzung der Verteidigungsrechte von Bolloré könnte somit die Gültigkeit der [streitigen] Entscheidung in Bezug auf Bolloré nur dann beeinträchtigen, wenn sie allein auf deren unmittelbarer Beteiligung an der Zuwiderhandlung beruhen würde … In diesem Fall könnte der in der [streitigen] Entscheidung enthaltene neue Vorwurf einer unmittelbaren Beteiligung von Bolloré am Kartell nicht aufrechterhalten werden, da ihr die Verantwortung für die Zuwiderhandlung nicht angelastet werden könnte.

Sollte sich dagegen bei der materiell-rechtlichen Prüfung … herausstellen, dass die Kommission Bolloré zu Recht für die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaft Copigraph am Kartell haftbar gemacht hat, so würde der von der Kommission begangene Rechtsfehler nicht genügen, um die Nichtigerklärung der [streitigen] Entscheidung zu rechtfertigen, da er den verfügenden Teil der Entscheidung nicht maßgeblich hätte beeinflussen können … Soweit nämlich bestimmte Gründe einer Entscheidung diese für sich genommen rechtlich hinreichend rechtfertigen können, wirken sich etwaige Mängel der übrigen Begründung des Rechtsakts nach gefestigter Rechtsprechung keinesfalls auf dessen verfügenden Teil aus …. “

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Mit ihrem Rechtsmittel wendet sich Bolloré gegen die Randnrn. 79 bis 81 des angefochtenen Urteils; sie gliedert ihren Rechtsmittelgrund in zwei Teile.

Der erste Teil geht dahin, das Gericht habe den fundamentalen Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte dadurch verletzt, dass es die Feststellung, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte unvollständig sei, nicht mit der Nichtigkeit der streitigen Entscheidung geahndet habe. Bolloré beruft sich insbesondere auf verschiedene Urteile des Gerichtshofs und des Gerichts im Bereich wettbewerbswidriger Praktiken (Urteile des Gerichtshofs vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, 89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, Slg. 1993, I-1307, vom 16. März 2000, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, C-395/96 P und C-396/96 P, Slg. 2000, I-1365, und vom 2. Oktober 2003, ARBED/Kommission, C-176/99 P, Slg. 2003, I-10687, Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994, CB und Europay/Kommission, T-39/92 und T-40/92, Slg. 1994, II-49, sowie – im Bereich des Rechts der Zusammenschlüsse – vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission, T-310/01, Slg. 2002, II-4071).

Die Kommission entgegnet, die Grundlage der streitigen Entscheidung, wie sie vom Gericht als zutreffend anerkannt worden sei, sei in Bezug auf Bolloré allein deren Verantwortlichkeit für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft. Bolloré hätte nur dann eine Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung begehren können, wenn sie aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht hätte entnehmen können, dass die Kommission beabsichtigt habe, ihr das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zuzurechnen.

Außerdem sei die von Bolloré angeführte Rechtsprechung teils unerheblich (Urteile Ahlström u. a./Kommission [Gerichtshof] und Groupement des cartes bancaires [Gericht]), teils belege sie, dass das Gericht im angefochtenen Urteil richtig vorgegangen sei (Urteile Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission und ARBED/Kommission [Gerichtshof]).

Im Rahmen des zweiten Teils ihres ersten Rechtsmittelgrundes macht Bolloré geltend, das Gericht habe den fundamentalen Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verletzt, indem es eine Auswirkung des festgestellten Fehlers auf den verfügenden Teil der streitigen Entscheidung verneint habe. Die Rechtsprechung, auf die sich das Gericht gestützt habe, sei unerheblich. Zum einen betreffe die erste Reihe von Urteilen, auf die in Randnr. 80 des angefochtenen Urteils Bezug genommen werde, eine andere Fallgestaltung als die des vorliegenden Rechtsstreits, soweit Bolloré davon betroffen sei. In diesen Urteilen habe sich die Ungenauigkeit in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht auf die Bestimmung und die genaue Feststellung der Verantwortlichkeit, sondern lediglich auf die vorgeworfenen Verhaltensweisen bezogen. Zum anderen gehe die zweite, ebenfalls in Randnr. 80 des angefochtenen Urteils angeführte Reihe von Urteilen noch weiter an der Streitfrage vorbei, da diese Urteile die Kontrolle von Zusammenschlüssen und den Bereich der staatlichen Beihilfen und damit eine materielle Überprüfung der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt im Rahmen einer Ex-ante-Prüfung beträfen, während es im vorliegenden Fall um eine nachträgliche Prüfung der Ordnungsgemäßheit eines Verfahrens gehe.

Bolloré wendet sich des Weiteren gegen das Verständnis des Gerichts von den Verteidigungsrechten, das nur auf das Ergebnis ausgerichtet sei. In rechtlicher Hinsicht gelte die Auffassung, nach der die Nichtbeachtung einer Verfahrensvorschrift nur dann zur Nichtigerklärung führe, wenn der Verstoß die Interessen der betroffenen Partei tatsächlich beeinträchtigt habe, nicht für alle Verfahrensverstöße und sei insbesondere nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Tatsächlich seien ihre Rechte dadurch, dass ihr die unmittelbar ihr selbst zur Last gelegten Beschwerdepunkte nicht mitgeteilt worden seien, real und in praktisch relevanter Weise verletzt worden.

Die Kommission hält die von Bolloré vorgenommene Unterscheidung zwischen einer Ex-ante- und einer Ex-post-Prüfung für unklar. Die Rechtsprechung in den Bereichen der Kontrolle von Zusammenschlüssen und staatlichen Beihilfen zeige vielmehr, dass ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften eine Entscheidung nicht automatisch fehlerhaft mache. Das Gericht habe lediglich ganz klassisch die Gemeinschaftsrechtsprechung zu diesem Bereich angewandt.

Zu der Frage, ob die Verletzung von Verteidigungsrechten Einfluss auf den verfügenden Teil der streitigen Entscheidung und insbesondere auf die Höhe der gegen Bolloré verhängten Geldbuße gehabt hat, vertritt die Kommission die Auffassung, das Vorbringen hierzu sei unzulässig, da es ein vor dem Gericht bereits geltend gemachtes Vorbringen wiederhole, zumindest aber nicht begründet, weil Bolloré das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft – Copigraph – zugerechnet worden und diese Zurechnung nicht streitig sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beachtung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu Sanktionen, namentlich zu Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der auch in einem Verwaltungsverfahren beachtet werden muss (Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 9, und Urteil ARBED/Kommission, Randnr. 19).

Dementsprechend sieht die Verordnung Nr. 17 vor, dass den Parteien eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wird, in der alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Stadium des Verfahrens stützt, klar angeführt sein müssen. Eine solche Mitteilung der Beschwerdegründe stellt eine Verfahrensgarantie dar, die Ausdruck eines tragenden Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts ist, dem zufolge die Verteidigungsrechte in allen Verfahren beachtet werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 10).

Dieser Grundsatz verlangt insbesondere, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die Kommission an ein Unternehmen richtet, gegen das sie eine Sanktion wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln zu verhängen beabsichtigt, die wesentlichen diesem Unternehmen zur Last gelegten Gesichtspunkte wie den ihm vorgeworfenen Sachverhalt, dessen Einstufung und die von der Kommission herangezogenen Beweismittel enthält, damit sich das Unternehmen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das gegen es eingeleitet worden ist, sachgerecht äußern kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma/Kommission, 41/69, Slg. 1970, 661, Randnr. 26, vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C-62/86, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 29, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Randnr. 135, und ARBED/Kommission, Randnr. 20).

Dieser Grundsatz schließt es danach aus, dass eine Entscheidung als rechtmäßig gelten kann, mit der die Kommission gegen ein Unternehmen eine Geldbuße im Bereich des Wettbewerbsrechts verhängt, ohne ihm zuvor die ihm zur Last gelegten Beschwerdepunkte mitgeteilt zu haben.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte muss wegen ihrer Bedeutung eindeutig angeben, gegen welche juristische Person Geldbußen festgesetzt werden könnten, und muss an diese Person gerichtet sein (vgl. Urteile Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnrn. 143 und 146, sowie ARBED/Kommission, Randnr. 21).

Ebenso muss in der Mitteilung der Beschwerdegründe angegeben werden, in welcher Eigenschaft dem Unternehmen die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden.

Im vorliegenden Fall wollte jedoch die Kommission, wie das Gericht in den Randnrn. 72 und 77 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte Bolloré die Zuwiderhandlung deshalb zurechnen, weil sie als hundertprozentige Muttergesellschaft von Copygraph zur Zeit der Zuwiderhandlung für die Teilnahme von Copygraph am Kartell verantwortlich gewesen sei. Für Bolloré war aus dem Wortlaut der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht ersichtlich, dass die Kommission beabsichtigte, ihr in der streitigen Entscheidung die Zuwiderhandlung auch aufgrund ihrer eigenen, unmittelbaren Beteiligung an den Tätigkeiten des Kartells zuzurechnen.

Somit hat das Gericht in Randnr. 79 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte es Bolloré nicht ermöglicht hat, vom Vorwurf einer solchen Beteiligung oder auch nur von den Tatsachen, auf die die Kommission diesen Vorwurf in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat, Kenntnis zu erlangen, so dass sich Bolloré im Verwaltungsverfahren nicht gegen diesen Vorwurf und diese Tatsachen hat verteidigen können.

In den Randnrn. 80 und 81 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch die Auffassung vertreten, dass der festgestellte Fehler nur dann die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung nach sich ziehe, wenn das Vorbringen der Kommission nicht auf der Grundlage anderer in der Entscheidung berücksichtigter Umstände, zu denen die betroffenen Unternehmen hätten Stellung nehmen können, rechtlich hinreichend bewiesen werden könne. Falls sich aber bei der materiell-rechtlichen Prüfung herausstelle, dass die Kommission Bolloré zu Recht für die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaft Copygraph am Kartell verantwortlich gemacht habe, so würde der von der Kommission begangene Rechtsfehler nicht genügen, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu rechtfertigen, da er deren verfügenden Teil nicht maßgeblich hätte beeinflussen können.

Diese Erwägungen haben das Gericht nach Abschluss der materiell-rechtlichen Prüfung dazu veranlasst, in Randnr. 150 des angefochtenen Urteils die Verantwortung von Bolloré für das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft unabhängig von ihrer eigenen unmittelbaren Beteiligung zu bejahen und in diesem Urteil die streitige Entscheidung zu bestätigen, soweit die Kommission darin Bolloré trotz Verletzung ihrer Verteidigungsrechte in einem wesentlichen Punkt mit der Sanktion einer Geldbuße belegt hat.

Auch wenn in der streitigen Entscheidung die Verantwortung von Bolloré nicht nur wegen ihrer eigenen Beteiligung, sondern auch wegen ihrer Beteiligung in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft von Copygraph bejaht worden ist, schließt dies nicht aus, dass sich diese Entscheidung möglicherweise auf Verhaltensweisen gründet, in Bezug auf die Bolloré sich nicht verteidigen konnte.

Das Gericht hat daher einen Rechtsfehler begangen, indem es aus seiner Feststellung, dass die Verteidigungsrechte von Bolloré nicht beachtet worden seien, nicht die rechtlichen Konsequenzen gezogen hat. Demgemäß ist der von Bolloré geltend gemachte erste Rechtsmittelgrund für begründet zu erklären.

Da dieser Rechtsmittelgrund begründet ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es Bolloré betrifft, ohne dass die weiteren von ihr geltend gemachten Rechtsmittelgründe geprüft zu werden brauchen.

Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs kann der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Das ist hier der Fall.

Aus den Randnrn. 34 bis 46 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass das Rechtsmittel begründet und die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären ist, soweit sie Bolloré betrifft.

Zum ersten von Divipa geltend gemachten Rechtsmittelgrund betreffend ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung

Divipa bestreitet, an den Zusammenkünften vom 5. März 1992 und 19. Oktober 1994, die den spanischen Markt betrafen, teilgenommen zu haben und an dem Kartell für den europäischen Markt beteiligt gewesen zu sein. Sie gliedert ihren diesbezüglichen Rechtsmittelgrund in drei Teile, die nacheinander zu untersuchen sind.

Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes von Divipa, der ihre Teilnahme an der Zusammenkunft vom 5. März 1992 betrifft

Divipa trägt u. a. vor, das Gericht habe den Inhalt des Vermerks des Mitarbeiters von Sappi vom 9. März 1992 verfälscht, da es einen Teil dieses Vermerks, wonach Sappi nicht unmittelbar, sondern über ihre Kunden Kenntnis von den von Divipa praktizierten Preisen erlangt habe, im angefochtenen Urteil weder berücksichtigt noch angeführt habe. Es sei nicht logisch, dass ein Unternehmen, das an einer Zusammenkunft des Kartells, bei dem die Frage der Preise diskutiert worden sei, angeblich teilgenommen habe, seine Preise nicht selbst unmittelbar bei dieser Zusammenkunft mitgeteilt haben solle. Die Teilnahme von Divipa an der Zusammenkunft vom 5. März 1992 sei somit nicht bewiesen.

Die Kommission erwidert, jedes Dokument sei zusammen mit den übrigen Schriftstücken in den Akten zu prüfen. Da die Kommission und das Gericht eine Gesamtprüfung vorzunehmen hätten, könne das Argument, ein bestimmtes Dokument beweise eine bestimmte Tatsache nicht, keinen Erfolg haben, wenn in den Akten andere Schriftstücke enthalten seien, mit denen ein solcher Beweis erbracht werden könne. Divipa stelle weder den Beweiswert der Erklärungen von AWA und Sappi noch deren Auslegung durch das Gericht in Frage. Zu beachten sei jedenfalls, dass der Mitarbeiter von Sappi in diesem Vermerk lediglich behaupte, dass Divipa ihre Preise nicht angehoben habe und ihm diese Tatsache deshalb bekannt sei, weil ein Kunde ihm eine Preisliste zugesandt habe. Es sei normal, dass ein Unternehmen, das sich nicht an die im Rahmen eines Kartells vereinbarten Preise halte, dies den anderen Beteiligten nicht mitteile, was jedoch nicht bedeute, dass es sich an dem Kartell nicht beteilige. Es sei auch logisch, dass die Unternehmen, die sich an einem Kartell beteiligten, dessen weiteren Verlauf beobachteten und diejenigen Teilnehmer kritisierten, die sich nicht an die gemeinsamen Beschlüsse hielten.

Es ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt ist, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat. Sind diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden, ist es nämlich allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen. Diese Würdigung ist somit, sofern die Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. u. a. Urteile vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C-551/03 P, Slg. 2006, I-3173, Randnr. 52, vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission, C-266/06 P, Randnr. 73, und vom 18. Dezember 2008, Coop de France bétail et viande u. a./Kommission, C-101/07 P und C-110/07 P, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 59).

Eine Verfälschung der dem Gericht unterbreiteten Tatsachen und Beweise muss sich in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass eine neue Tatsachen- und Beweiswürdigung vorzunehmen ist (vgl. u. a. Urteile General Motors/Kommission, Randnr. 54, Evonik Degussa/Kommission, Randnr. 74, und Coop de France bétail et viande u. a./Kommission, Randnr. 60).

Es ist festzuhalten, dass das Gericht die Teilnahme von Divipa an der Zusammenkunft vom 5. März 1992 bejaht hat, nachdem es in den Randnrn. 162 bis 164, 171, 192, 194 und 197 des angefochtenen Urteils folgende Feststellungen getroffen hat:

„Erstens hat Sappi ihre Beteiligung an Kartelltreffen in Bezug auf den spanischen Markt ab Februar 1992 eingeräumt und hierzu verschiedene Informationen geliefert. In ihrer Antwort vom 18. Mai 1999 an die Kommission … verweist Sappi auf verschiedene kollusive Zusammenkünfte in Bezug auf den spanischen Markt, die am 17. und am 27. Februar 1992, am 30. September und am 19. Oktober 1993 sowie am 3. Mai und am 29. Juni 1994 stattgefunden hätten. Ein Mitarbeiter von Sappi hat angegeben …, in den Jahren 1993 bis 1995 mit anderen Lieferanten an sechs oder sieben Zusammenkünften in Barcelona [Spanien] teilgenommen zu haben. Diese Zusammenkünfte hätten etwa vier- oder fünfmal pro Jahr stattgefunden. Seiner Erinnerung nach habe er erstmals am 19. Oktober 1993 und letztmals im Jahr 1995 daran teilgenommen. Die Zusammenkünfte hätten zur Festlegung der Preise auf dem spanischen Markt gedient. Sie hätten etwa zwei Stunden gedauert und grundsätzlich mit einer Entscheidung über eine prozentuale Preiserhöhung geendet. Teilgenommen hätten Copigraph, … Koehler … und Divipa. Die in diesen verschiedenen Dokumenten enthaltenen Auszüge aus den Erklärungen von Sappi gehörten zu den der [Mitteilung der Beschwerdepunkte] beigefügten Unterlagen, so dass alle Klägerinnen Zugang zu ihnen hatten. Die Kommission hat sie auch dem Gericht vorgelegt.

Zweitens hat AWA ihre Teilnahme an multilateralen Kartelltreffen der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier eingeräumt und der Kommission eine Liste der Zusammenkünfte von Konkurrenten zwischen 1992 und 1998 übergeben. Das Dokument Nr. 7828, ein Auszug aus einer Antwort von AWA an die Kommission vom 30. April 1999, enthält allgemeine Angaben von AWA zur Durchführung mehrerer Treffen, insbesondere in Lissabon [Portugal] und Barcelona zwischen 1992 und 1994, an denen ihrer Erinnerung nach Vertreter von … Divipa oder einiger [weiterer] … Unternehmen … teilnahmen. …

AWA hat sodann in ihrer Erwiderung auf die [Mitteilung der Beschwerdepunkte] eine Liste der „unzulässigen“ Treffen von Konkurrenten vorgelegt, zu deren Nachweis AWA nach ihren Angaben beigetragen hat. Auf dieser Liste befinden sich allein für den spanischen Markt Treffen am 17. Februar und am 5. März 1992, am 30. September 1993 sowie am 3. Mai, am 29. Juni und am 19. Oktober 1994. [Diese] Liste … enthält keine Angaben zu den bei diesen Treffen anwesenden Unternehmen. Weder Divipa noch … eine andere Klägerin hat diese Liste als belastendes Dokument bezeichnet, zu dem kein Zugang gewährt wurde, und kein Unternehmen hat ihre Einsichtnahme beantragt.

Der Vermerk vom 9. März 1992 …, den der spanische Vertreter von Sappi an Sappi Europe richtete, ist zwar kein Sitzungsprotokoll, enthält aber sehr genaue Angaben zum Verhalten der genannten Unternehmen, u. a. von Divipa. Darin ist von einer Preiserhöhung um 10 ESP die Rede, die sich die Vertriebshändler zum Ziel gesetzt hatten und die nicht vollständig erreicht wurde. Der Verfasser dieses Vermerks führt aus, Divipa habe ihre Preise überhaupt nicht erhöht. Er fügt hinzu, es liege auf der Hand, dass Sappi Europe keine Preissteigerung herbeiführen könne, wenn die anderen Anbieter nicht mitzögen. …

… Divipa [nahm] nach den oben in Randnr. 163 angesprochenen Erklärungen von AWA zumindest an einigen der Treffen teil, die zwischen 1992 und 1994 in Bezug auf den spanischen Markt stattfanden. …

Dass Sappi, wie Divipa in ihrer Antwort vom 18. Mai 1999 ausführt, kein Treffen in Bezug auf den spanischen Markt am 19. Oktober 1994 erwähnt, ist damit zu erklären, dass Sappi nach der von Mougeot erstellten Teilnehmerliste an diesem Treffen nicht teilnahm. Dieser Umstand kann jedenfalls das Bündel übereinstimmender Indizien nicht entkräften, die die Durchführung dieses Treffens und die Teilnahme von Divipa an ihm belegen.

Dass Divipa schon ab März 1992 am Kartell teilnahm, ergibt sich zunächst aus den oben in den Randnrn. 163 und 192 angesprochenen Erklärungen von AWA. Sie werden im Übrigen durch die Erwähnung von Divipa in dem oben in Randnr. 171 herangezogenen Vermerk vom 9. März 1992 untermauert. …“

Diese Randnummern des angefochtenen Urteils zeigen, dass das Gericht seine Feststellungen aufgrund verschiedener Tatsachen und Indizien getroffen hat, nämlich insbesondere aufgrund der Erklärungen von AWA und des Vermerks des Mitarbeiters von Sappi vom 9. März. Aus der Prüfung der Schriftstücke geht nicht hervor, dass das Gericht sachlich falsche Feststellungen getroffen hätte.

Eine solche Unrichtigkeit kann auch nicht darin gesehen werden, dass das Gericht den Hinweis unterlassen hat, dass die Informationen in der genannten Zusammenkunft über die von Divipa praktizierten Preise auf Auskünften beruhten, die nicht von diesem Unternehmen, sondern von ihren Kunden erteilt worden waren. Wie der Generalanwalt in Nr. 165 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, belegt diese Unterlassung nicht, dass das Gericht die Dokumente hinsichtlich der Teilnahme von Divipa an der Zusammenkunft vom 5. März 1992 falsch verstanden hätte.

Folglich ist der erste Teil des ersten von Divipa geltend gemachten Rechtsmittelgrundes für nicht begründet zu erklären.

Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes von Divipa, der ihre Teilnahme an der Zusammenkunft vom 19. Oktober 1994 betrifft

Divipa trägt vor, die Erklärungen von Mougeot, die das Gericht zum Nachweis ihrer angeblichen Teilnahme an der Zusammenkunft vom 19. Oktober 1994 herangezogen habe, seien im Nachhinein zu dem Zweck abgegeben worden, sich auf die Mitteilung über Zusammenarbeit berufen zu können. Aus der Rechtsprechung gehe jedoch hervor, dass die Erklärung eines wegen Beteiligung an einem Kartell verfolgten Unternehmens, deren Richtigkeit von mehreren anderen Unternehmen, gegen die ebenfalls wegen einer solchen Beteiligung ermittelt werde, bestritten werde, dann nicht als ausreichend für den Beweis einer von den Letztgenannten begangenen Zuwiderhandlung angesehen werden könne, wenn sie nicht durch weitere Beweise untermauert werde.

Das Gericht habe die Beweismittel verfälscht, da es den Vorwurf, dass Divipa an dem genannten Treffen teilgenommen habe, in erster Linie auf seine Rechtsprechung gestützt habe, was eine offensichtliche Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und eine offenkundig fehlerhafte Tatsachenbeurteilung darstelle.

Die Kommission erwidert, auch AWA habe auf ein Auskunftsverlangen hin Divipa als Beteiligte des Kartells im Jahr 1994 genannt. Da Divipa dem Gericht keinen Fehler bei der Würdigung dieser Antwort vorwerfe, greife der Teil des Rechtsmittelgrundes, der sich auf die Zusammenkunft vom 19. Oktober 1994 beziehe, nicht durch. Jedenfalls werde dem Gericht nicht vorgeworfen, es habe die Erklärungen von Mougeot falsch ausgelegt. Überdies habe das Gericht berücksichtigt, dass die fraglichen Erklärungen nach den im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Ereignissen abgegeben worden seien.

Auch insoweit ergibt sich nicht, dass das Gericht hinsichtlich der Teilnahme von Divipa an der Zusammenkunft vom 19. Oktober 1994 die Tatsachen verfälscht hätte.

Ebenso wie bei der Prüfung der Zusammenkunft vom 5. März 1992 hat das Gericht die Teilnahme von Divipa bejaht, nachdem es seine Feststellungen auf der Grundlage eines Bündels verschiedener Indizien getroffen hat.

Wie in den Randnrn. 163, 164 und 192 des angefochtenen Urteils ausgeführt, hat das Gericht die Erklärungen von AWA berücksichtigt, die im Übrigen von Divipa nicht beanstandet werden. Darüber hinaus hat es in den Randnummern 165 und 166 des angefochtenen Urteils festgestellt:

„… Mougeot, die ebenfalls ihre Teilnahme an multilateralen Kartelltreffen der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier eingeräumt hat, [hat] in ihren Erklärungen vom 14. April 1999 … mehrere Treffen aufgezählt und für jedes von ihnen Gegenstand, Inhalt und Teilnehmer angegeben. Zu diesen Treffen gehört für den spanischen Markt die Zusammenkunft am 19. Oktober 1994, bei der nach den Angaben von Mougeot Copigraph, … Divipa, … Koehler, AWA und sie selbst vertreten waren. …

Diese Erklärungen wurden zwar im Nachhinein und im Hinblick auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegeben. Ihnen kann aber deshalb nicht der Beweiswert abgesprochen werden. Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, sind nämlich grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen …“

Das Gericht hat die Tatsachen unter Berücksichtigung des vom Gerichtshof nicht nachzuprüfenden Beweiswerts der einzelnen ihm zur Kenntnis gebrachten Indizien in ihrer Gesamtheit frei gewürdigt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Würdigung des Gerichts auf einem offensichtlich irrigen Verständnis der Beweisdokumente beruht.

Der zweite Teil des ersten von Divipa geltend gemachten Rechtsmittelgrundes ist daher für nicht begründet zu erklären.

Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes von Divipa, der ihre Beteiligung am Kartell für den europäischen Markt betrifft

Divipa trägt vor, das Gericht habe bestimmte Beweismittel verfälscht und außer Acht gelassen. Sie sei keine Herstellerin von Selbstdurchschreibepapier, tätige ihre Verkäufe lediglich auf dem Inlandsmarkt, sei die einzige nicht produzierende Gesellschaft, der eine Beteiligung an bestimmten, den Inlandsmarkt betreffenden Zusammenkünften vorgeworfen werde, und gehöre keinem Vertriebsnetz der großen europäischen Hersteller von Selbstdurchschreibepapier in Spanien an. Aus keinem Schriftstück gehe hervor, dass bei den Zusammenkünften, an denen sie teilgenommen haben solle, auf einen kollusiven Plan größeren Umfangs Bezug genommen worden wäre.

Die Kommission entgegnet, erstens habe sie nicht nachweisen müssen, dass Divipa Kenntnis vom Bestehen eines größeren Kartells gehabt habe, sondern nur, dass ihr „dies hätte bekannt sein müssen“. Zweitens lege Divipa nicht näher dar, an welchen Stellen des Urteils das Gericht Tatsachen entstellt habe. Drittens schließe der Umstand, dass Divipa nur auf dem Inlandsmarkt vertreten sei, nicht aus, dass ihr „hätte bekannt sein müssen“, dass ein größeres Kartell bestanden habe. Viertens habe das Gericht die Anzeichen dafür, dass Divipa über die europaweite Dimension des Kartells informiert gewesen sein könnte, nicht außer Acht lassen dürfen. Fünftens gehe aus dem von Mougeot im Anschluss an die Zusammenkunft vom 19. Oktober 1994 verfassten Vermerk hervor, dass dort auf die „für Spanien angekündigten AEMCP [Association of European Manufacturers of Carbonless Paper; Vereinigung Europäischer Hersteller von Selbstdurchschreibepapier] -Mengen“ hingewiesen worden sei, was zeige, das sich die Teilnehmer der europaweiten Dimension des Kartells bewusst gewesen seien.

Wie bereits in Randnr. 52 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen worden ist, ist der Gerichtshof nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat, sofern die Beweise nicht verfälscht wurden.

Somit ist der Gerichtshof nicht befugt, den dritten Teil des ersten von Divipa geltend gemachten Rechtsmittelgrundes zu prüfen, da dieser nicht darauf abzielt, eine Verfälschung der Tatsachen durch das Gericht darzutun, sondern nachzuweisen, dass das Gericht zu Unrecht bestimmte Tatsachen nicht berücksichtigt habe, die dafür sprächen, dass dieses Unternehmen nicht am Kartell für den europäischen Markt beteiligt gewesen sei.

Dieser Teil ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Aufgrund dessen ist der erste Rechtsmittelgrund von Divipa, der ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung betrifft, zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund von Divipa betreffend die Behauptung, dass sich das Gericht auf bloße Indizien gestützt habe

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Divipa beruft sich auf Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und macht eine Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung geltend. Sie trägt vor, einen unmittelbaren Beweis gebe es weder für ihre Teilnahme an den Zusammenkünften vom 5. April 1992 und 19. Oktober 1994 noch für ihre Beteiligung am europaweiten Kartell. Das Gericht habe insoweit zwei Grundvoraussetzungen nicht beachtet. Zum einen sei nämlich der Kausalzusammenhang zwischen den Indizien und dem Tatbestand der Zuwiderhandlung nicht hinreichend begründet worden; zum anderen müssten verbleibende Zweifel untersucht und, falls sie nicht ausgeräumt werden könnten, sich zugunsten der betroffenen Person auswirken.

Die Kommission macht insbesondere geltend, der zweite von Divipa vorgebrachte Rechtsmittelgrund sei offensichtlich unzulässig, da weder die beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils noch die fraglichen Indizien, Vermutungen oder Tatsachen näher bestimmt worden seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

Divipa möchte mit der Rüge, das Gericht habe bei der Erläuterung der Tragweite der Indizien, auf die es sich gestützt habe, zu Unrecht ihr schriftsätzlich untermauertes Vorbringen nicht berücksichtigt, in Wirklichkeit die Würdigung, die das Gericht hinsichtlich der ihm unterbreiteten Tatsachen, Indizien und weiteren Beweismittel vorgenommen hat, vom Gerichtshof überprüfen lassen.

Wie jedoch in Randnr. 52 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen worden ist, ist der Gerichtshof zu einer solchen Prüfung nicht befugt, da für die Beurteilung der Tatsachen, sofern sie nicht verfälscht worden sind, allein das Gericht zuständig ist.

Mithin ist der zweite von Divipa geltend gemachte Rechtsmittelgrund unzulässig.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund von Koehler betreffend die Dauer der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

– Vorbringen von Koehler

Koehler trägt vor, das Gericht habe die Beweise unzureichend geprüft und sie verfälscht. Es habe falsche Schlussfolgerungen zur Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung gezogen. Koehler gliedert ihren Rechtsmittelgrund in zwei Teile, die mehrere Argumente enthalten.

Zum ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes betreffend die behaupteten Zusammenkünfte des Kartells im Rahmen der AEMCP vor September oder Oktober 1993 führt Koehler aus, die Kommission habe sich auf drei Kategorien von Beweismitteln gestützt, nämlich auf die Erklärungen von Mougeot, die Aussage des Mitarbeiters von Sappi und auf Beweise für die Durchführung nationaler oder regionaler Kartellsitzungen.

Das Schreiben von Mougeot vom 14. April 1999 enthalte aber kein Eingeständnis von Zusammenkünften des Kartells für den Zeitraum vor Oktober 1993. Das Gericht stelle im Übrigen in Randnr. 279 des angefochtenen Urteils fest, es sei nicht erwiesen, dass ab Januar 1992, also vor Oktober 1993, kollusive Preisabsprachen getroffen worden seien. Die Ausführungen des Gerichts zu angeblichen Preisabsprachen im Rahmen der offiziellen AEMCP-Sitzungen vor Oktober 1993 seien unzulänglich und enthielten widersprüchliche Begründungen, was einen Rechtsfehler darstelle. Das Gericht habe auch nicht die Unschuldsvermutung beachtet, da es den Erklärungen von Mougeot das Eingeständnis einer Zuwiderhandlung für den Zeitraum vor Oktober 1993 entnehmen wolle.

Sodann bezeichne der Mitarbeiter von Sappi in seiner Aussage nicht den Zeitraum, in dem die Zusammenkünfte des Kartells stattgefunden hätten. Das Gericht könne nicht davon ausgehen, dass dieser Mitarbeiter, da er keine „gegenteiligen Angaben“ gemacht habe, stillschweigend habe bestätigen wollen, dass die Zuwiderhandlung vor September 1993 begonnen habe. Damit habe das Gericht den Inhalt der Aussage dieses Mitarbeiters verfälscht. Dies verstoße gegen das in Art. 6 EMRK verankerte Recht auf ein faires Verfahren sowie gegen Art. 47 Abs. 2 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1).

Schließlich dürfe den Aussagen eines reuigen Zeugen nur dann Glauben geschenkt werden, wenn sie durch weitere Beweise gestützt würden. Im vorliegenden Fall lägen jedoch keine Beweise vor, die diese Aussagen bestätigten.

Was den zweiten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes betreffend ihre Teilnahme an nationalen oder regionalen Kartellsitzungen vor Oktober 1993 angeht, so macht Koehler geltend, das Gericht habe die Beweismittel verfälscht, die diese Teilnahme belegen sollten.

Das Gericht habe eine Teilnahme von Koehler an der den spanischen Markt betreffenden Zusammenkunft vom 17. Februar 1992 zu Unrecht bejaht, da der Mitarbeiter von Sappi in seinem Vermerk vom 17. Februar 1992 nur von einer Zusammenkunft der „Betroffenen“ („interested parties“) spreche, ohne deren Namen zu nennen. Das Gericht führe nicht die genauen Gründe für die Annahme an, dass Koehler an der Absprache beteiligt gewesen sei.

Seine Feststellung, Koehler habe an der den spanischen Markt betreffenden Zusammenkunft vom 5. März 1992 teilgenommen, stütze das Gericht vor allem auf die Stellungnahme von AWA, die diese zu der an sie gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegeben habe. Da diese Stellungnahme Koehler nicht mitgeteilt worden sei, habe das Gericht ihre Verteidigungsrechte verletzt.

Was die den französischen Markt betreffenden Zusammenkünfte im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 angehe, so gebe es keinen Beweis dafür, dass ein Mitarbeiter von Koehler nach Paris gereist wäre, um an einer solchen Zusammenkunft im Frühjahr 1993 teilzunehmen. Die Ausführungen des Gerichts hierzu seien derart vage, dass sie der Begründungspflicht nicht genügen könnten. Jedenfalls stelle das Gericht nirgends fest, dass Koehler im Frühjahr 1992 an einer den französischen Markt betreffenden Zusammenkunft teilgenommen habe.

Die Teilnahme von Koehler an der den spanischen Markt betreffenden Zusammenkunft vom 16. Juli 1992 sei im Gegensatz zu der Feststellung des Gerichts nicht erwiesen, da AWA eine solche Teilnahme nicht ausdrücklich bestätigt habe.

– Entgegnung der Kommission

Nach Ansicht der Kommission macht Koehler nicht eine Verfälschung der Beweismittel geltend, sondern versucht, die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Frage zu stellen. Der Rechtsmittelgrund sei daher unzulässig.

Was den ersten Teil des Rechtsmittelgrundes zu Zusammenkünften des Kartells im Rahmen der AEMCP vor Oktober 1993 betreffe, so sei die Frage, ob das Schreiben von Mougeot eindeutig oder mehrdeutig sei, eine Frage der Auslegung und Beweiswürdigung, für die allein das Gericht zuständig sei. Dieses habe nicht festgestellt, dass Mougeot eine Zuwiderhandlung für den Zeitraum vor dem 1. Oktober 1993 eingeräumt habe.

Im Übrigen sei die Begründung des angefochtenen Urteils weder widersprüchlich noch unzulänglich. In Randnr. 279 des Urteils habe das Gericht nicht gesagt, „es sei nicht erwiesen“, dass ab Januar 1992 im Rahmen der AEMCP-Sitzungen Preisabsprachen getroffen worden seien, sondern lediglich festgestellt, dass die Erklärungen von Sappi allein nicht ausreichten, um den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, von dem an die AEMCP-Sitzungen als Kartellsitzungen eingestuft werden könnten. Randnr. 308 des angefochtenen Urteils stütze sich auf die Beweismittel in ihrer Gesamtheit, von denen Koehler die meisten nicht in Frage stelle; dass das Gericht nicht angebe, welche Zusammenkünften als Rahmen für kollusive Preisabsprachen auf europäischer Ebene gedient hätten, mache die Begründung ebenfalls nicht unzulänglich. Da Koehler außerdem an allen AEMCP-Sitzungen während des fraglichen Zeitraums teilgenommen habe, sei es in ihrem Fall ohne Belang gewesen, bei welchen Zusammenkünften genau der kollusive Charakter des Systems zutage getreten sei.

Die Unschuldsvermutung sei vom Gericht sehr wohl bei der Prüfung der Frage berücksichtigt worden, ob der Vorwurf des gerügten Verhaltens auf ein einziges Beweismittel gestützt werden könne oder ob ein solches Beweismittel nur ein Indiz darstelle, das durch weitere Indizien ergänzt und bestätigt werden müsse.

Die Kommission bestreitet, dass die Aussagen des Mitarbeiters von Sappi verfälscht worden seien. Das Gericht stelle in Randnr. 270 des angefochtenen Urteils fest, dass dieser Mitarbeiter keine Angaben zu dem Zeitraum gemacht habe, auf den sich seine Erinnerungen bezögen; wenn das Gericht daraus schließe, dass diese Erinnerungen die Zeiträume vor und nach Oktober 1993 zum Gegenstand gehabt hätten, sei dies das Ergebnis einer Beweiswürdigung, die in seine Zuständigkeit falle. Die Aussagen von Sappi würden darüber hinaus durch weitere, in den Randnrn. 261 bis 307 des angefochtenen Urteils genannte Beweise gestützt.

Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes von Koehler betreffend die nationalen oder regionalen Kartellsitzungen vor Oktober 1993 vertritt die Kommission die Auffassung, die Argumente von Koehler seien hinfällig, wenn der Gerichtshof die Argumente des Unternehmens zu den AEMCP-Sitzungen zurückweise. Die Feststellungen hierzu genügten, um den betreffenden Unternehmen die Zuwiderhandlung für den fraglichen Zeitraum zuzurechnen. Da Koehler außerdem die Feststellungen des Gerichts zu ihrer Teilnahme an weiteren Zusammenkünften des Kartells, nämlich der vom 14. Januar 1993, die den britischen und den irischen Markt betroffen habe, und der vom 30. September 1993, die den spanischen Markt betroffen habe, nicht angreife, sei die Beteiligung des Unternehmens an diesem Kartell seit Januar 1993 belegt. Schließlich sei das Vorbringen von Koehler unzulässig, auf jeden Fall aber unbegründet.

Hinsichtlich der Zusammenkunft vom 17. Februar 1992 bestreitet die Kommission unter Verweis auf Randnr. 321 des angefochtenen Urteils jede Verfälschung von Beweismitteln und meint, diese Randnummer genüge insoweit der Begründungspflicht.

Hinsichtlich der Zusammenkunft vom 5. März 1992 hebt die Kommission u. a. hervor, Koehler habe die Randnr. 284 des angefochtenen Urteils nicht angegriffen; außerdem sei der entsprechende Hinweis auf die Stellungnahme von AWA nur unterstützend erfolgt. Das Gericht habe diese Antwort erst in zweiter Linie herangezogen. Die Kommission stützt sich hierbei auf Randnr. 323 des angefochtenen Urteils.

Was die Zusammenkünfte vom Frühjahr 1992 und Frühjahr 1993 betreffe, habe das Gericht in den Randnrn. 285 bis 293 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass zu diesen Zeiten Treffen zwischen Konkurrenten mit wettbewerbswidrigem Zweck stattgefunden hätten, ohne dass dies im Rahmen des Rechtsmittels angegriffen worden wäre.

Hinsichtlich der Zusammenkunft vom 16. Juli 1992 habe sich das Gericht in Randnr. 332 des angefochtenen Urteils auf die Ausführungen von Herrn B. G. gestützt. Die Stellungnahme von AWA habe es lediglich als Bestätigung herangezogen. Die Kommission verweist dazu auf die Randnrn. 333 bis 335 des angefochtenen Urteils.

Würdigung durch den Gerichtshof

– Zu den Zusammenkünften des Kartells im Rahmen der AEMCP in der Zeit vor September oder Oktober 1993

Das Gericht hat in den Randnrn. 261 bis 280 des angefochtenen Urteils die von den Klägerinnen im ersten Rechtszug, darunter Koehler, geltend gemachten Klagegründe bezüglich ihrer Teilnahme an den Zusammenkünften der AEMCP vor September oder Oktober 1993 geprüft.

Aus diesen Randnummern geht hervor, dass das Gericht die Folgerungen bestätigt hat, die die Kommission aus einem Bündel von Indizien, bestehend aus verschiedenen Zeugnissen und Erklärungen – darunter dem Vermerk des Mitarbeiters von Sappi vom 9. März 1992 und den Stellungnahmen von AWA und Mougeot, die zu den Akten gereicht worden sind – gezogen hat.

Damit hat das Gericht den Beweiswert dieser Indizien frei gewürdigt und daraus Schlussfolgerungen gezogen, die der Gerichtshof nicht nachzuprüfen hat.

Infolgedessen ist der erste Teil des zweiten von Koehler geltend gemachten Rechtsmittelgrundes teils als unbegründet, teils als unzulässig zurückzuweisen.

– Zu den nationalen oder regionalen Kartellsitzungen vor Oktober 1993

Was die Zusammenkunft vom 17. Februar 1992 betrifft, ergibt sich aus Randnr. 321 des angefochtenen Urteils nicht, dass das Gericht die ihm nach den Art. 36 und 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs obliegende Begründungspflicht verletzt hätte (vgl. Urteil vom 2. April 2009, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission, C-431/07 P, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 42). Es führt nämlich in dieser Randnummer aus, die Kommission habe ihre Feststellung, dass Koehler an diesem Treffen teilgenommen habe, auf den internen Vermerk von Sappi gleichen Datums gestützt, in dem von einer Zusammenkunft der „Betroffenen“ die Rede sei. Aufgrund dieser Angabe in Verbindung mit den Ausführungen in dem fraglichen Vermerk zu den auf dem spanischen Markt durch das Verhalten u. a. von Koehler entstandenen Ungewissheiten sei die Kommission zu der Feststellung berechtigt gewesen, dass Koehler zu den „Betroffenen“ gehört habe, die an dieser Zusammenkunft teilgenommen hätten, die zur Prüfung der Probleme aufgrund der Nichteinhaltung der fraglichen Vereinbarung durch Koehler sowie ein anderes Unternehmen gedient habe, der erstere – wie sich aus dem Vermerk des Mitarbeiters von Sappi vom 9. März 1992 ergebe – beigetreten gewesen sei. Das Gericht legt somit hinreichend klar die Gründe dar, die die Kommission dazu bewogen haben, aus den verschiedenen ihr vorliegenden Indizien zu schließen, dass Koehler an der Zusammenkunft vom 17. Februar 1992 teilgenommen habe.

Ebenso wenig ergibt sich aus Randnr. 321 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht in irgendeiner Weise die Tatsachen verfälscht hätte. Eine solche Verfälschung ist nicht offensichtlich, und die Würdigung des Sachverhalts sowie der verschiedenen Indizien, die der Kommission für die Teilnahme von Koehler an der Zusammenkunft vom 17. Februar 1992 vorlagen, fällt in die alleinige Zuständigkeit des Gerichts. Der Gerichtshof ist zu einer Überprüfung dieser Würdigung nicht befugt.

Das diesbezügliche Vorbringen von Koehler ist daher als teils unbegründet, teils unzulässig zurückzuweisen.

Was die Zusammenkunft vom 5. März 1992 betrifft, so könnte Koehler allein mit dem Argument, dass ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien, weil das Gericht in Randnr. 324 des angefochtenen Urteils die Feststellung, dass Koehler an dieser Zusammenkunft teilgenommen habe, auf die Erklärungen von AWA zur Beantwortung eines Auskunftsverlangens der Kommission gestützt habe, obwohl Koehler von diesen Erklärungen keine Kenntnis gehabt habe, ihre Teilnahme an der Zuwiderhandlung in dem in Art. 1 Abs. 2 der streitigen Entscheidung genannten Zeitraum von Januar 1992 bis September 1995 nicht mit Erfolg bestreiten, selbst wenn das Argument als richtig unterstellt würde. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Koehler, wie sich aus den Randnrn. 101 und 102 des vorliegenden Urteils ergibt, ihre Teilnahme an der Zusammenkunft vom 17. Februar 1992 nicht mit Erfolg zu bestreiten vermochte.

Das diesbezügliche Vorbringen von Koehler ist mithin als unerheblich zurückzuweisen.

Was die den französischen Markt betreffenden Zusammenkünfte im Frühjahr 1992 und Frühjahr 1993 sowie diejenige vom 16. Juli 1992 angeht, so hat das Gericht in den Randnrn. 285 bis 293 und 332 bis 334 des angefochtenen Urteils auf die verschiedenen Tatsachen und Indizien hingewiesen, die die Kommission herangezogen hat, um die Teilnahme der betroffenen Unternehmen, darunter Koehler, an diesen Zusammenkünften nachzuweisen. Aus diesem Hinweis folgt jedoch nicht, dass das Gericht in irgendeiner Weise die Tatsachen verfälscht hätte.

Das diesbezügliche Vorbringen von Koehler ist somit als unbegründet zurückzuweisen und demgemäß ihr zweiter Rechtsmittelgrund zu verwerfen.

Zum ersten Rechtsmittelgrund von Koehler und zum dritten Rechtsmittelgrund von Divipa betreffend die Festsetzung und die Höhe der Geldbußen

Koehler und Divipa gliedern ihre Rechtsmittelgründe, die die Festsetzung und die Höhe der Geldbußen betreffen, in mehrere Teile, die nacheinander zu prüfen sind.

Zu dem Teil des ersten Rechtsmittelgrundes von Koehler, der den Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft

Vorab ist festzustellen, dass das Gericht in den Randnrn. 473 bis 478 des angefochtenen Urteils geprüft hat, ob die Kommission im Vergleich zu ihrer Vorgehensweise bei anderen betroffenen Unternehmen den Umsatz von Koehler falsch angesetzt hatte. In den Randnrn. 505 bis 522 des angefochtenen Urteils hat es untersucht, ob die Kommission bei der Einstufung von Koehler und den anderen betroffenen Unternehmen in Gruppen zum Zweck der Bemessung der Geldbußen den Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt hatte.

Koehler rügt mit ihrem Rechtsmittel die Randnrn. 477, 478 und 496 des angefochtenen Urteils. Sie meint, sie sei anders behandelt worden als größere Unternehmen, die zu einem Konzern gehörten. Hervorzuheben sei insbesondere die Tatsache, dass sie ein mittelständisches, eigentümergeführtes Familienunternehmen sei. Ihr Grundkapital betrage 43,2 Mio. Euro bei einem Umsatz im Jahr 2000 von etwa 447 000 Euro. Sie führt die Fälle von AWA, der M-real Zanders GmbH und der Mitsubishi HiTec Paper Bielefeld GmbH an, um ihre unterschiedliche Behandlung bei der Berücksichtigung des Umsatzes darzutun.

Die Kommission erwidert u. a., sie verfüge in Bezug auf die Methode zur Berechnung der Geldbußen über ein weites Ermessen. Das Gericht habe daher nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, indem es in ihrer Einstufung der Unternehmen in fünf Gruppen auf der Grundlage des jeweiligen Anteils am Produktumsatz im Europäischen Wirtschaftsraum keinen Rechtsfehler gesehen habe.

Die Kommission verfügt nach ständiger Rechtsprechung tatsächlich über ein weites Ermessen in Bezug auf die Methode zur Berechnung der Geldbußen. Diese in den Leitlinien über das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 § 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), beschriebene Berechnungsmethode enthält verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften des Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, C-308/04 P, Slg. 2006, I-5977, Randnrn. 46 und 47, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C-407/04 P, Slg. 2007, I-829, Randnr. 133).

In diesem Rahmen hat der Gerichtshof zu prüfen, ob das Gericht die Ermessensausübung durch die Kommission ordnungsgemäß gewürdigt hat (Urteile SGL Carbon/Kommission, Randnr. 48, und Dalmine/Kommission, Randnr. 134).

Außerdem ist zu beachten, dass bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden darf, der mit dem Verkauf der Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, und der somit einen Anhaltspunkt für deren Ausmaß liefern kann. Daraus folgt, dass weder der einen noch der anderen dieser Umsatzzahlen eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden darf und die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße somit nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann. Das gilt insbesondere dann, wenn die betroffenen Waren nur einen geringen Teil dieses Umsatzes ausmachen (vgl. Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 121, vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, 322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 111, und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnr. 243).

Im vorliegenden Fall hat das Gericht das Vorbringen von Koehler zur Berücksichtigung ihres Gesamtumsatzes rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.

Wie das Gericht nämlich zutreffend in Randnr. 476 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, hat die Kommission die fraglichen Unternehmen nach Maßgabe ihrer relativen Bedeutung auf dem betroffenen Markt voneinander unterschieden, wobei sie dieser Unterscheidung den Anteil am Produktumsatz im Europäischen Wirtschaftsraum zugrunde gelegt hat. Mit dieser Methode soll verhindert werden, dass die Geldbußen aufgrund einer auf dem Gesamtumsatz jedes einzelnen Unternehmens beruhenden einfachen Berechnung festgesetzt werden und damit zu Ungleichbehandlungen führen.

Folglich hat die Kommission ihr Ermessen nicht überschritten und das Gericht den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.

Zu dem von Koehler gegenüber den Randnrn. 477 und 478 des angefochtenen Urteils geltend gemachten Vorbringen genügt es, festzustellen, dass es sich hierbei um Rügen handelt, die gegen nichttragende Gründe eines Urteils des Gerichts gerichtet und daher zurückzuweisen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung weist der Gerichtshof solche Rügen nämlich ohne Weiteres zurück, da die Beanstandung allein von nichttragenden Gründen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 25. März 1996, SPO u. a./Kommission, C-137/95 P, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 47, sowie Urteile vom 16. September 1997, Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission, C-362/95 P, Slg. 1997, I-4775, Randnr. 23, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C-403/04 P und C-405/04 P, Slg. 2007, I-729, Randnr. 106).

Dieser Teil des ersten Rechtsmittelgrundes von Koehler ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

Zu dem Teil der Rechtsmittelgründe von Koehler und Divipa, der den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft

Koehler macht im Wesentlichen geltend, angesichts ihrer Struktur als nicht börsennotiertes Familienunternehmen verstoße die Berechnung der gegen sie verhängten Geldbuße durch die Kommission gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Kommission erwidert u. a., sie habe entsprechend ihrer ständigen Praxis die relative Bedeutung eines jeden Unternehmens auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt berücksichtigt und sodann die auf diese Weise ermittelte ursprüngliche Höhe der Geldbuße entsprechend der Größe und der Gesamtressourcen der verschiedenen Unternehmen nach oben angepasst; sie habe folglich geprüft, ob der ursprünglich festgesetzte Betrag der Geldbuße wegen der notwendigen Abschreckungswirkung zu berichtigen sei.

Auch Divipa vertritt die Auffassung, das Gericht habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, da es weder ihre wirtschaftliche Situation noch den Umstand berücksichtigt habe, dass sie im Gegensatz zu den anderen betroffenen Unternehmen kein Hersteller von Selbstdurchschreibepapier sei. Der tatsächliche bei der Bemessung der Geldbußen zu berücksichtigende Umsatz entspreche der Differenz zwischen den Verkäufen von verarbeitetem Selbstdurchschreibepapier an die Endkunden und dem Kauf dieses Papiers von den Herstellern.

Die Kommission entgegnet, das Vorbringen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei unzulässig, da Divipa sich vor dem Gericht nie auf ihre wirtschaftliche Lage und das, was bei der Bemessung der Geldbußen hätte berücksichtigt werden müssen, berufen habe. Auch das Vorbringen zur Art des Unternehmens sei unzulässig, da Divipa die einschlägigen Punkte des angefochtenen Urteils nicht angreife. Jedenfalls sei die Kommission nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet, bei der Bemessung der Geldbuße die finanzielle Lage eines Unternehmens zu berücksichtigen.

Es ist daran zu erinnern, dass im Rechtsmittelverfahren der Gerichtshof zum einen zu überprüfen hat, inwieweit das Gericht rechtlich korrekt alle Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens anhand des Art. 81 EG und des Art. 15 der Verordnung Nr. 17 von Bedeutung sind, und zum anderen, ob das Gericht auf alle vom Rechtsmittelführer vorgebrachten Argumente für eine Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße rechtlich hinreichend eingegangen ist (vgl. insbesondere Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 128, vom 29. April 2004, British Sugar/Kommission, C-359/01 P, Slg. 2004, I-4933, Randnr. 47, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 244).

Das Gericht hat in den Rechtssachen, mit denen es befasst worden ist, alle für die Beurteilung der Schwere des Verhaltens von Koehler und Divipa bedeutsamen Faktoren zutreffend berücksichtigt und ist auf alle Argumente dieser Unternehmen rechtlich hinreichend eingegangen.

Da die Festsetzung einer Geldbuße entsprechend den Ausführungen in Randnr. 114 des vorliegenden Urteils nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann, hat das Gericht in Randnr. 494 des angefochtenen Urteils zu Koehler zu Recht festgestellt, dass ein Vergleich des Prozentsatzes, den die von der Kommission verhängten Geldbußen vom Gesamtumsatz der betroffenen Unternehmen ausmachen, nicht ausreicht, um die Unverhältnismäßigkeit der gegen Koehler verhängten Geldbuße zu belegen. Auch hat das Gericht, wie der Generalanwalt in Nr. 277 seiner Schlussanträge festgestellt hat, es nicht etwa unterlassen, die strukturellen und finanziellen Unterschiede zu berücksichtigen, die zwischen Koehler und den übrigen mit einer Sanktion belegten Unternehmen bestehen.

Bei Divipa hat das Gericht zutreffend die Beteiligung dieses Unternehmens an den verschiedenen Absprachen berücksichtigt. Insoweit ist keine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erkennbar. Überdies ist das Argument dieses Unternehmens, seine Finanzkraft sei nicht berücksichtigt worden, nicht zulässig, da es erstmals vor dem Gerichtshof vorgebracht worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C-167/04 P, Slg. 2006, I-8935, Randnr. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Mithin sind die sich auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beziehenden Teile der von Koehler und Divipa geltend gemachten Rechtsmittelgründe als unbegründet und – in Bezug auf Divipa – als teilweise unzulässig zurückzuweisen.

Divipa macht im Übrigen geltend, das Gericht habe auch bei der Einordnung der Zuwiderhandlung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, da sie sich zum einen nicht an einem europäischen Kartell beteiligt habe, so dass die Zuwiderhandlung nicht als besonders schwer eingestuft werden könne, und zum anderen nicht an allen Zusammenkünften, die den spanischen Markt betroffen hätten, teilgenommen habe, da sie weniger als ein Jahr am Kartell beteiligt gewesen sei.

Die Kommission hält dieses Vorbringen für unbegründet, da ein Kartell, auch wenn es nur auf nationaler Ebene bestehe, allgemein als besonders schwer angesehen werde, trotz der Tatsache, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße bei dieser Art von Zuwiderhandlung eher niedrig sei. Außerdem habe die Dauer der Zuwiderhandlung nichts mit deren Schwere zu tun.

Das Gericht hat die von der Kommission zur Bemessung der Höhe der Geldbußen festgelegten Kriterien bestätigt und es ist nicht ersichtlich, dass es dabei einen irgendwie gearteten Rechtsfehler begangen hätte, da die Kommission ihr Ermessen im Einklang mit den in Randnr. 112 des vorliegenden Urteils angeführten Leitlinien in der in dieser Randnummer umschriebenen Art und Weise ausgeübt hat.

Der die Einstufung der Zuwiderhandlung betreffende Teil des von Divipa geltend gemachten dritten Rechtsmittelgrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zu dem Teil des dritten Rechtsmittelgrundes von Divipa, der die Begründungspflicht betrifft

Divipa macht geltend, das Gericht habe mit folgenden Feststellungen in Randnr. 629 des angefochtenen Urteils seine Begründungspflicht verletzt:

„Selbst wenn man als erwiesen unterstellt, dass [Divipa] sich nicht in vollem Umfang an die Vereinbarungen hielt, würde dies allein im Übrigen nicht ausreichen, um die Kommission zu verpflichten, ihr mildernde Umstände zuzubilligen. [Divipa] hat nämlich durch ihre mehr oder weniger unabhängige Marktpolitik möglicherweise nur versucht, das Kartell zu ihrem Vorteil auszunutzen …“

Nach Ansicht von Divipa stellen diese beiden Sätze der Randnr. 629 keine hinreichende Begründung dar. Während sie für ihren Antrag auf Zubilligung mildernder Umstände Beweise vorgelegt habe, habe das Gericht nicht nachgewiesen, dass sie einen Vorteil erlangt habe, aufgrund dessen es einen solchen Antrag hätte ablehnen können.

Die Kommission erwidert u. a., dieses Argument greife nicht durch, weil die beanstandeten Sätze der Randnr. 629 des angefochtenen Urteils nur noch einmal die Gründe wiederholen sollten, auf die sich das Gericht gestützt habe. Darüber hinaus reiche die bloße Tatsache, dass sich Divipa gegebenenfalls mit ihrem Verhalten nicht in vollem Umfang an die im Rahmen des Kartells geschlossenen Vereinbarungen gehalten habe, nicht aus, um die Kommission zu verpflichten, ihr mildernde Umstände zuzubilligen. Das Gericht habe in der gerügten Randnummer nur eine von den Gemeinschaftsgerichten vielfach verwendete Begründung wiedergegeben.

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 287 und 288 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gehören die von Divipa beanstandeten Sätze der Randnr. 629 des angefochtenen Urteils nur zu den nicht tragenden Gründen. Die anderen Gründe, auf die sich das Gericht gestützt hat, um die Versagung mildernder Umstände gegenüber diesem Unternehmen zu rechtfertigen, sind von Divipa nicht angegriffen worden.

Der die Begründungspflicht betreffende Teil des dritten von Divipa geltend gemachten Rechtsmittelgrundes ist somit für unbegründet zu erklären.

Nach alledem sind die Rechtsmittelgründe von Koehler und Divipa, die die Festsetzung und die Höhe der Geldbußen betreffen, zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund von Divipa, mit dem wegen der Dauer des Verfahrens vor dem Gericht eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gerügt wird

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Nach Ansicht von Divipa besteht der Anspruch darauf, dass ein Verfahren wegen eines Wettbewerbsverstoßes innerhalb angemessener Dauer durchgeführt wird, sowohl bei Verwaltungs- als auch gerichtlichen Verfahren. Dieser Anspruch sei dadurch verletzt worden, dass das Verfahren vor dem Gericht von der Klageerhebung am 18. April 2002 bis zur Verkündung des angefochtenen Urteils am 26. April 2007 fünf Jahre gedauert habe.

Die Kommission erwidert, die Angemessenheit der Verfahrensdauer sei anhand der Umstände jedes Einzelfalls und insbesondere der Bedeutung des Rechtsstreits, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens des Klägers und der zuständigen Behörden zu beurteilen.

Zum Verfahren vor dem Gericht weist sie darauf hin, dass sich zehn Unternehmen in vier Verfahrenssprachen gegen die streitige Entscheidung gewandt hätten, dass viele Tatsachen bestritten worden seien und der Beweiswert der die Klägerinnen des ersten Rechtszugs betreffenden Aussagen und Unterlagen zu würdigen gewesen sei, um die Richtigkeit dieser Tatsachen festzustellen, ferner dass die von den Letztgenannten vorgetragenen Klagegründe Übereinstimmungen, aber auch Abweichungen enthalten und sowohl materielle und prozessuale Fragen als auch solche zur Höhe der Geldbuße betroffen hätten. Die Dauer des Verfahrens sei daher nicht zu lang gewesen. Aber selbst wenn ein Verfahrensfehler wie der geltend gemachte zu bejahen wäre, könnte er jedenfalls nicht zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

Würdigung durch den Gerichtshof

Der auf Art. 6 Abs. 1 EMRK beruhende allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, dass jedermann Anspruch auf ein faires Verfahren und insbesondere auf ein Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist hat, gilt auch im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung der Kommission, mit der gegen ein Unternehmen Geldbußen wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht verhängt worden sind (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, Randnrn. 20 und 21, vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 179, vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C-194/99 P, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 154, sowie Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, Randnr. 115).

Die Angemessenheit der Frist ist anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache und insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens des Klägers und der zuständigen Behörden zu beurteilen (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, Randnr. 29; Thyssen Stahl/Kommission, Randnr. 155, sowie Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, Randnr. 116).

Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass die Liste dieser Kriterien nicht abschließend ist und dass die Beurteilung der Angemessenheit der Frist keine systematische Prüfung der Umstände des Falles anhand jedes Kriteriums erfordert, wenn die Dauer des Verfahrens anhand eines von ihnen gerechtfertigt erscheint. So kann die Komplexität der Sache herangezogen werden, um eine auf den ersten Blick zu lange Dauer zu rechtfertigen (Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 188, Thyssen Stahl/Kommission, Randnr. 156, sowie Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, Randnr. 117).

Im vorliegenden Fall hat sich das Verfahren vor dem Gericht von der Einreichung der Klageschriften von neun Unternehmen zwischen dem 11. und 18. April 2002 bis zur Verkündung des angefochtenen Urteils am 26. April 2007 über fünf Jahre erstreckt.

Diese Dauer des Verfahrens ist anhand der Umstände der Rechtssache zu untersuchen. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 145 bis 148 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, lässt sich diese Dauer mit der besonderen Komplexität der Rechtssache und insbesondere damit rechtfertigen, dass fast der gesamte Sachverhalt, der der streitigen Entscheidung zugrunde lag, in der ersten Instanz bestritten wurde und nachgeprüft werden musste. Außerdem klagten neun Unternehmen in vier verschiedenen Verfahrenssprachen gegen die streitige Entscheidung, und ein Mitgliedstaat, das Königreich Belgien, beantragte, als Streithelfer zugelassen zu werden. Nach Verbindung dieser Klagen wurde das angefochtene Urteil in den neun Rechtssachen erlassen.

Diese verschiedenen Umstände haben eine parallele Prüfung der neun Klagen erfordert, und die Dauer des Verfahrens lässt sich leicht mit den eingehenden Ermittlungen des Gerichts und den sprachlichen Zwängen aufgrund der für das Verfahren vor dem Gericht geltenden Vorschriften erklären.

Angesichts dessen ist festzustellen, dass das Verfahren vor dem Gericht nicht gegen die Anforderungen, die an die Einhaltung einer angemessenen Frist zu stellen sind, verstoßen hat.

Aus den Randnrn. 49 bis 149 des vorliegenden Urteils folgt, dass keiner der Gründe, die von Koehler und Divipa zur Begründung ihrer Rechtsmittel geltend gemacht werden, durchgreift und diese Rechtsmittelgründe damit zurückzuweisen sind.


Kosten

Nach Art. 122 Abs. 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechend anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Die Kommission ist mit ihrem Verteidigungsvorbringen gegenüber dem Rechtsmittel von Bolloré unterlegen, die beantragt hat, der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Die Kommission ist daher zur Tragung der Kosten zu verurteilen, die diesem Unternehmen sowohl im Verfahren vor dem Gericht als auch im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

Da Koehler und Divipa mit ihrem Vorbringen unterlegen sind und die Kommission beantragt hat, ihnen die Kosten aufzuerlegen, sind sie zur Tragung der Kosten des vorliegenden Rechtszugs bezüglich ihrer jeweiligen Rechtsmittel zu verurteilen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission (T-109/02, T-118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02), wird aufgehoben, soweit es die Bolloré SA betrifft.

2. Die Entscheidung 2004/337/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.212 – Selbstdurchschreibepapier) wird für nichtig erklärt, soweit sie die Bolloré SA betrifft.

3. Die Rechtsmittel der Papierfabrik August Koehler AG und der Distribuidora Vizcaína de Papeles SL werden zurückgewiesen.

4. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des ersten Rechtszugs und des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache C-327/07 P.

5. Die Papierfabrik August Koehler AG und die Distribuidora Vizcaína de Papeles SL tragen die Kosten in den Rechtssachen C-322/07 P bzw. C-338/07 P.

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