Unzulässige AGB-Klauseln bei Stromversorgungsverträgen

29. Dezember 2010
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Eigener Leitsatz:

Eine Garantie, nach der ein Anbieter immer mindestens 1 Cent billiger als der Grundversorger ist, ist dann unzulässig, wenn der Anbieter nach Preiserhöhungen des Grundversorgers seine Preise ebenfalls erhöhen kann. Dabei werde der Kunde unangemessen benachteiligt, da er keinen Einblick in die Preise des Grundversorgers habe und sein Anbieter ihm Preise diktieren könne.
Ebenfalls unzulässig ist eine Klausel mit Entbindung von der Leistungspflicht des Stromversorgers bei höherer Gewalt, wenn nicht auch gleichzeitig der Verbraucher über die Entbindung von seiner Zahlungspflicht informiert wird.

 

Landgericht München I

Urteil vom 05.08.2010

Az.: 12 O 3478/10

 

 
In dem Rechtsstreit

Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrate Bundesverband e.V., vertreten durch den Vorstand (…)
-Klägerin-

Prozessbevollmächtigte
Rechtsanwälte (…)

gegen

E GmbH, vertreten durch Geschäftsführer (…),
-Beklagter-

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte (…)

wegen Unterlassung

erlässt das Landgericht München I -12. Zivilkammer- durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht (…), den Richter am Landgericht (…) und die Richterin am Landgericht (…) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2010 folgendes

Teilanerkenntnis- und Endurteil:

I. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen

bei Stromversorgungsverträgen, die mit Verbrauchern geschlossen werden, die nachfolgenden Klauseln, soweit sie im Folgenden nicht in eckige Klammern gesetzt sind, oder inhaltsgleiche Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 01.04.1977, zu berufen:

1. [§ 3]   
[2.]   
„Soweit und solange E GmbH an dem Bezug oder der vertragsgemäßen Lieferung von Strom durch höhere Gewalt oder sonstige Umstände, deren Beseitigung ihr nicht möglich ist, gehindert ist, entfällt die Verpflichtung zur Stromlieferung.

2. [§4
   
1.
Der Kunde zahlt an E GmbH einen Arbeitspreis, der mindestens um 1 ct/kWh niedriger als der aktuelle allgemeine Preis des örtlichen Grundversorgers im Sinne des § 36 Abs. 2 EnWG ist, auf den im Auftragsformular zum Zwecke der Tarifberechnung Bezug genommen wird.]

Dies gilt [sowohl im Fall einer Senkung, als auch bei einer Erhöhung des Arbeitspreises des örtlichen Grundversorgers. Die Höhe des Grundpreises stimmt stets    mit dem Grundpreis des örtlichen Energieversorgers für die Versorgung einer Eintarifabnahmestelle ein.

[2.]
Falls sich der örtliche Grundversorger während der Vertragslaufzeit ändert, wird der Vertag entsprechend angepasst.

3. gemäß dem Anerkenntnis der Beklagten:

[§ 7
1. ]

Der Vertrag hat eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten. Die Vertragszeit beginnt, sofern nichts anderes vereinbart ist, mit der Bereitstellung der Leistungen durch E GmbH.

[§ 9
1.
Im Rahmen der Abrechnung gemäß § 5 Abs. I werden Senkungen des Arbeitspreises des örtlichen Grundversorgers von E GmbH mit sofortiger Wirkung an den Kunden weitergegeben bzw. taggenau berücksichtigt,] Erhöhungen jeweils zum ersten Kalendertag des auf die Anpassung folgenden Monats.   

[2. ]

Für [Senkungen und] Erhöhungen des Grundpreises gilt der vorherige Absatz sinngemäß.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 200.- nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2010 zu zahlen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist für den Kläger in Ziffer 13 ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von EUR 2500.-

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen.

Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 25 weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland und in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach    § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragen.   

Die Beklagte ist Stromversorger und erbringt die Dienstleistung auch gegenüber Endverbrauchern.

Bei diesen Verträgen verwendete die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Bezüglich des Wortlauts der AGB wird auf Anlage K2 Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die AGB, soweit sie mit dem Klagantrag angegriffen werden, unwirksam seien, da sie nicht mit den Vorschriften des AGB-Recht vereinbar seien. Die Klausel §3, 2. könne so ausgelegt werden, dass für den Fall, dass die Beklagte ihre Leistung aus den genannten Gründen nicht erbringt, die gesetzlich vorgesehenen Rechte des Kunden auf Leistungsverweigerung und Kündigung ausgeschlossen seien. Der Kunde werde dadurch von der Geltendmachung seiner Rechte abgehalten.

Die Klauseln § 4, 1 und 2, sowie die: Klausel § 9 ermöglichten der Beklagten, auch ohne Kostensteigerungen den vereinbarten Preis anzuheben und so einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.

Die Klausel § 7, 1. führe dazu, dass die Vertragslaufzeit, wenn die Leistungen erst nach Vertragsabschluss bereitgestellt würden, länger als 24 Monate betrage.

Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung der pauschalen Kosten für die Abmahnung vom 18.12.2009 in Höhe von EUR 200.-.

Der Kläger beantragt:
   
Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, bei Stromversorgungsverträgen die mit Verbrauchern geschlossen werden, die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 01.04.1977, zu berufen:

1. [§ 3]   
[2.]   
„Soweit und solange E GmbH an dem Bezug oder der vertragsgemäßen Lieferung von Strom durch höhere Gewalt oder sonstige Umstände, deren Beseitigung ihr nicht möglich ist, gehindert ist, entfällt die Verpflichtung zur Stromlieferung.

2. [§4
   
1.
Der Kunde zahlt an E GmbH einen Arbeitspreis, der mindestens um 1 ct/kWh niedriger als der aktuelle allgemeine Preis des örtlichen Grundversorgers im Sinne des § 36 Abs. 2 EnWG ist, auf den im Auftragsformular zum Zwecke der Tarifberechnung Bezug genommen wird.]

Dies gilt [sowohl im Fall einer Senkung, als auch bei einer Erhöhung des Arbeitspreises des örtlichen Grundversorgers. Die Höhe des Grundpreises stimmt stets    mit dem Grundpreis des örtlichen Energieversorgers für die Versorgung einer Eintarifabnahmestelle ein

[2.]
Falls sich der örtliche Grundversorger während der Vertragslaufzeit ändert, wird der Vertag entsprechend angepasst.

[§ 7
1. ]

Der Vertrag hat eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten. Die Vertragszeit beginnt, sofern nichts anderes vereinbart ist, mit der Bereitstellung der Leistungen durch E GmbH.

[§ 9
1.
Im Rahmen der Abrechnung gemäß § 5 Abs. I werden Senkungen des Arbeitspreises des örtlichen Grundversorgers von E GmbH mit sofortiger Wirkung an den Kunden weitergegeben bzw. taggenau berücksichtigt,] Erhöhungen jeweils zum ersten Kalendertag des auf die Anpassung folgenden Monats.   

[2. ]

Für [Senkungen und] Erhöhungen des Grundpreises gilt der vorherige Absatz sinngemäß.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 200.- nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2010 zu zahlen.

Die Beklagte

    anerkennt den Klagantrag 13.

Im Übrigen beantragt sie

    Klagabweisung.

Sie ist der Ansicht, die mit den Klaganträgen 1, 2 und 4 angegriffenen Klauseln verstießen gegen AGB-rechtliche Vorschriften.

§ 3, 2. regele lediglich die Leistungspflicht der Beklagten, nicht die Rechte und Pflichten des Verbrauchers, und entspreche der gesetzlichen Regelung.   

Die Klauseln § 4, 1. und 2. und § 9 verstießen nicht gegen das AGB-Recht, weil Wesenskern des von den Verbrauchern gewählten Tarifs die "mindestens-l-Cent-günstiger-Garantie" sei. Diese Garantie werde bei der gewählten AGB-Gestaltung eingehalten.   

Die Klausel § 9 regele nur das „Wie“; nicht das „Ob“ einer Preiserhöhung.   

Da die AGB nicht unwirksam seien, sei die Beklagte auch nicht zum Ersatz der Abmahnkosten verpflichtet

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Ausführungen der Parteien insbesondere in der Klagebegründung vom 22.02.2010, in der Klagerwiderung vorn 14.04.2010 und auf die rechtlichen Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 29.07.2010 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

I)

1.)
Die mit Klagantrag I 1. angegriffene Klausel § 3, 2. ist unwirksam, da sie gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 BGB verstößt.

Nach dem Transparenzgebot muss die Klauselfassung auch der Gefahr vorbeugen, dass der Kunde von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Eine Klausel, die die Rechtslage missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht begründete Ansprüche unter Verweis auf die der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Verbraucher entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen (BGH     2001, 292).

Die Transparenzprüfung findet auch statt, wenn es sich bei § 3, 2. der AGB um eine dem § 275 BGB entsprechende Regelung handelt. § 307 Abs. 3 S. 2 BGB stellt klar, dass auch solche Klauseln der Transparenzprüfung unterliegen (vgl.: BGH NJW-RR 2008, 251).   

AGB-Bestimmungen unterliegen der Auslegung.
Unklarheiten gehen im Verbandsprozess zu Lasten des Verwenders.   

Die angegriffene Klausel kann dem juristischen Laien den Eindruck vermitteln, dass in den beschriebenen Fällen trotz Nichtleistung ein vertragsgerechtes Verhalten der Beklagten vorliege und daher Gegenansprache des Verbrauchers nicht bestehen.
Da im Gesetz sowohl des Schicksal der Leistungs- als auch der Gegenleistungspflicht geregelt ist, bleibt für den Verbraucher unklar, was für seine Gegenansprüche gelten soll, wenn nur die Leistungspflicht in den AGB geregelt ist, die Gegenleistung und ein Kündigungsrecht allerdings     nicht.   
Dies gilt verstärkt dann, wenn wie hier die AGB-Klausel im Wesentlichen der gesetzlichen Regelung entspricht (dies wird so auch von der Beklagten vertreten) und somit für sich genommen überflüssig ist. Gerade dann kann der Verbraucher zu dem Schluss kommen, mit den AGB sollten sämtliche Folgen der beschriebenen Nichtleistung abschließend geregelt werden, so dass er abweichend vorn Gesetz zur Zahlung verpflichtet bleibt und aus der Nichtleistung keine weiteren Rechte    herleiten kann, insbesondere keine Kündigungsmöglichkeit hat.

Bezüglich seiner Zahlungspflicht bleibt der Verbraucher jedenfalls bezüglich des sogenannten Grundpreises im Unklaren. Der vom Verbraucher zu zahlende Preis setzt sich aus einem verbrauchsortabhängigen Grundpreis und einem verbrauchsabhängigen Arbeitspreis zusammen. Dass der Verbraucher einen Arbeitspreis im Falle der Nichtleistung nicht zu bezahlen hat, folgt daraus, dass ein Verbrauch nicht stattfindet.

Unklar bleibt aber, was für den Grundpreis gelten soll. In den AGB ist nicht geregelt, welche Leistungen des Verwenders vom Grundpreis abgedeckt werden. Da die Vertragsbeziehung sich in den beschriebenen Fällen der Nichtleistung fortbesteht, könnte der Verbraucher zu dem Schluss kommen, der Grundpreis sei beispielsweise für die Verwaltung des Vertrages und Bereitstellungsleistungen weiter zu bezahlen.
Ein Kündigungsrecht des Verbrauchers in den beschriebenen Fällen ist in den AGB nicht enthalten. Auf die gesetzlichen Regelungen wird nicht verwiesen.   

Der Verbraucher kann aufgrund der Klausel zu dem Schluss kommen, er bleibe zur Leistung des verbrauchsunabhängigen Grundpreises verpflichtet und könne auch den Vertrag nicht kündigen. Es besteht daher die Gefahr, dass der Verbraucher von der Geltendmachung seiner Rechte aus §§ 326 Abs. 1 und 314 BGB abgehalten wird.

Der Einwand der Beklagten, Rechte und Pflichten des Verbrauchers in den beschriebenen Fällen seien durch die Klausel gerade nicht geregelt und es bestehe keine Pflicht gesetzliche Regelungen in den AGB zu wiederholen, ist nicht behelflich denn hier ist gerade unklar, inwieweit gesetzliche Vorschriften modifiziert werden sollen, nämlich ob es bezüglich der Rechte und Pflichten des Verbrauchers bei den gesetzlichen Regelungen -§§ 316 und 314 BGB – bleiben soll oder – bei verbraucherfeindlicher Auslegung- § 3, 2. auch bezüglich der Leistungsplicht des Verbrauchers eine abschließende Regelung darstellt dergestalt, dass es bei der Leistungspflicht des Verbrauchers verbleibt, weil auch bei Nichtleistung in den beschriebenen Fällen ein vertragskonformes Verhalten der Beklagten vorliegt.

2.)
Die mit Klagantrag I 2. Angegriffene Klausel § 4 ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Klausel benachteiligt den Verbraucher unangemessen, da sie es der Beklagten ermöglicht, auf Kosten des Verbrauchers durch einseitige Erklärung ihren Gewinn zu erhöhen.

Die Preisanpassungsklausel unterliegt gemäß § 307 Abs. 3 S.1 als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1; 2:BGB (BGH NJW-RR 2005, 1717).

Preisanpassungsklauseln sollen dazu dienen, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerung zu sichern, andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (BGH: a.a.0. m.w.N.). Zu einer Verschiebung des Verhältnisses von Preis und Gewinn zum Nachteil des Verbrauchers darf die Vertragsanpassung nicht führen, Deshalb müssen einer Vertragsanpassung tatsächliche Kostenerhöhungen gegenüberstehen. Diese müssen für den Verbraucher auch überprüfbar sein.

a)
Die Klausel §4, 1. knüpft für die Möglichkeit der Preiserhöhung nicht- wie bei den anerkannten Kostenelementeklauseln – an Kostenerhöhungen bei der Beklagten an, sondern lediglich an Preiserhöhungen des am Vertrag nicht beteiligten Grundversorgers.

Die Klausel ermöglicht es dadurch der Beklagten, auch dann, wenn sie keinerlei Kostensteigerungen hat, eine Preiserhöhung vorzunehmen und dadurch ihren Gewinnanteil zu erhöhen. Dies benachteiligt den Verbraucher unangemessen.

Dass Preiserhöhungen des Grundversorgers zu Erhöhungen der Kosten bei der Beklagten führen, ist von der Beklagten nicht dargetan. Dieses ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Gründe, die zu einer Kostensteigerung und damit Preisanpassung bei beim Grundversorger führen, beispielsweise Kostensteigerungen beim Personal oder im Einkauf, müssen keineswegs gleichermaßen auf die Beklagte zutreffen.

Schließlich kann nach der Klausel die Beklagte auch dann den Preis erhöhen, wenn der Preiserhöhung des Grundversorgers keinerlei Kostenerhöhung zugrunde liegt was bei vom Grundversorger abgeschlossenen Neuverträgen jederzeit möglich ist. Es ist zudem nicht sichergestellt, dass Preiserhöhungen des Grundversorgers zulässig sind, nämlich auf wirksamen Vertragsanpassungsbestimmungen beruhen und diesen bei der konkreten Preiserhöhung auch gefolgt wurde. Dies ist für den Verbraucher, der nicht Kunde des Grundversorgers ist, auch nicht überprüfbar. Die Bedingungen, zu denen der Grundversorger seine Preise berechnet und anpasst, sind dem Verbraucher -der ja nicht Vertragspartner des Grundversorgers ist- nicht bekannt. Er hat auch keine Möglichkeit, gegen Preiserhöhungen des Grundversorgers vorzugehen.

Soweit die Beklagte vorträgt, die Klausel stelle keine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar, da mit dem Kunden kein fester Preis vereinbart werde, sondern lediglich eine Differenz von mindestens 1 Cent/kWh zu den Preisen das Grundversorgers, und diese Zusage werde bei Anwendung der Klausel gewahrt, trifft dies nicht zu.   

Die Beklagte kann Kunden mit der "mindestens-1-Cent-billiger-Garantie anwerben (vgl. Anlagen B 1 und 2). Bei Vertragsschluss wird jedoch ein bestimmter Preis zugrundegelegt, der sich aus den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Preisen eines bestimmten Grundversorgers errechnet. Der Verbraucher kann bei Vertragsschluss überprüfen, ob er den von der Beklagten angebotenen Preis für angemessen hält und den Vertrag    eingeht. Nimmt er das Angebot an, sind die Vertragsparteien an diesen Preis vertraglich gebunden. Spätere Preisanpassungen können nur aufgrund wirksamer Preisanpassungsklauseln erfolgen.

Auch das Argument der Beklagten, ihr Geschäftsmodell "mindestens-1-Cent-billiger"sei bei Unwirksamkeit der Klauseln zum Scheitern verurteilt, trifft nicht zu. Es wäre der Beklagten ohne weiteres möglich, eine sogenannte Kostenelementeklausel mit der "mindestens-1-Cent-billiger-Garantie" zu verbinden dergestalt, dass tatsächliche Kostensteigerungen bei der Beklagten insoweit an den Verbraucher weitergegeben werden können, als dann noch der zugesagte Mindestabstand zu den Preisen des Grundversorgers eingehalten wird. So könnte das Gleichgewicht von Preis und Leistung gewahrt werden.   

Vor diesem Hintergrund    ist auch der Einwand der Beklagten, der Verbraucher habe ja gemäß § 9 Abs. 4 die Möglichkeit, den Vertrag bei einer Preiserhöhung zu kündigen, was die unangemessene    Benachteiligung wettmache, nicht zutreffend. Eine solche Kompensationsmöglichkeit birgt die Gefahr, dass der Verwender die Preise einseitig diktieren kann, da der Verbraucher entweder die Preiserhöhungen hinnehmen oder kündigen muss. Die vertragliche Bindung des Verwenders würde damit unterlaufen. Daher kann nach der Rechtsprechung nur in Fällen, in denen eine Konkretisierung der Anpassungsmailstabe wegen der Besonderheit der Vertragsbeziehung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt, eine Kündigungsmöglichkeit eine Benachteiligung wettmachen. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die Beklagte könnte die Preiserhöhung ohne weiteres zusätzlich von tatsachlichen Kostenerhöhungen abhängig machen. Dass es beim Stromliefervertrag nicht möglich sei, die Anpassungsmaßstäbe einer Kostenelementeklausel ausreichend zu konkretisieren, ist nicht ersichtlich.   

Schließlich ermöglicht die Klausel es der Beklagten, in bestimmten Fällen auch ohne eine Preiserhöhung des Grundversorgers ihren Gewinn zu steigern:
Nach § 4, 1. der AGB der Beklagten besteht zwischen ihrem Preis und dem des Grundversorgers eine Differenz von „mindestens" 1 Cent/kWh: Die Differenz beim Einstieg des Kunden kann also auch zunächst mehr als 1 Cent/kWh betragen. In diesem Fall könnte die Beklagte -auch ohne Preiserhöhungen des Grundversorgers – einseitig ihren Gewinn erhöhen, indem sie die Preise bis zu einer Differenz von nur noch 1 Cent/kWh erhöht.

b)
Bezüglich § 4, 2. der die Fälle betrifft, in denen der Grundversorger wechselt, beispielsweise weil der Verbraucher umzieht, gilt das oben Gesagte:
Wenn der neue Grundversorger höhere Preise hat, so ist dies für die Kosten der Beklagten irrelevant.
Die Klausel benachteiligt den Verbraucher daher unangemessen und ist unwirksam.

3.)   
Bezüglich des Klagantrags I 3.: war die Beklagte entsprechend ihrem Anerkenntnis zu verurteilen.   

4.)
Die mit Klagantrag 1:4. Angegriffene Klausel § 9. ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Zu Begründung wird auf die Ausführungen unter II) verwiesen.   
 
Der Einwand der Beklagten, § 9 regele nicht die Voraussetzungen (das „Ob“), sondern nur das „Wie“, trifft nicht zu.   
Auch die Klausel § 9 stellt bei verbraucherfeindlichster Auslegung eine Grundlage für eine an Änderungen der Preise beim Grundversorger    gekoppelte Preiserhöhung dar.   

Außerdem sind die unwirksame Klausel § 4 und Klausel § 9 miteinander verwoben. In § 4 Abs.1 Satz 3 wird ausdrücklich auf § 9 Bezug genommen.
 
II)

Da die angegriffenen AGB-Klauseln unwirksam sind, war die Beklagte zum Ersatz der pauschalen Abmahnkosten zu verurteilen, § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

III)

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 ZPO.   

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich bezüglich Ziffer 13 aus § 708 Nr. 1 ZPO, im Übrigen aus § 709 ZPO. Bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung war das geschätzte Vollstreckungsinteresse des Klägers zugrundezulegen.

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