„Nürnberger Rost-/Bratwürste“

27. Juli 2010
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Eigener Leitsatz:

Die Bezeichnungen Nürnberger Bratwürste/Nürnberger Rostbratwürste wurden auf Antrag des Schutzverbandes Nürnberger Bratwürste e.V. als geografische Angaben in das Verzeichnis der geschützten geografischen Angaben der EU eingetragen. Auf Antrag des Schutzverbandes wurde nun die Spezifikation der geografischen Angabe „Nürnberger Bratwürste/Nürnberger Rostbratwürste“ hinsichtlich der fleischlichen Zusammensetzung der Würste geändert. Im Anschluss an „grob entfettetes Schweinefleisch“ wurde „Speck, insbesondere Bauchspeck, Backen, Backenspeck, Rücken und Rückenspeck vom Schwein“ eingefügt. Hiergegen legte eine nicht in Nürnberg ansässige Wurstherstellerin Beschwerde ein, da diese in der Änderung eine vollständige Änderung der Rezeptur sah. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Beschwerde, da sich die unterschiedlichen Wurstprodukte im Kühlregal begegneten und sie sich jederzeit in Nürnberg niederlassen könne. Das Bundespatentgericht wies die Beschwerde zurück. Eine theoretische Möglichkeit sich im gegenständlichen geografischen Gebiet niederzulassen, begründe kein aktuelles berechtigtes Interesse. Ferner ergebe sich aus Gründen der Klarheit der Spezifikation ein Bedarf für eine Änderung, da die Spezifikation die Grundlage für die Herstellung des Produktes bilde.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 06.05.2010

Az.: 30 w (pat) 51/08

In der Beschwerdesache

betreffend die geografische Herkunftsangabe Nürnberger Bratwürste/Nürnberger Rostbratwürste

Hier: Antrag auf Änderung der Spezifikation hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2010 beschlossen:

Die Beschwerde wird verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


Gr ü n d e

I.
Die Bezeichnungen "Nürnberger Bratwürste/ Nürnberger Rostbratwürste" sind auf Antrag des Schutzverbandes Nürnberger Bratwürste e. V. für "Fleischerzeugnisse" als geografische Angaben gemäß der Verordnung (EWG) Nr 2081/92 seit 2003 in das Verzeichnis der geschützten geografischen Angaben eingetragen, das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften geführt wird gemäß der Verordnung (EWG) 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und  Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, mit Wirkung vom 31. März 2006 ersetzt durch die Verordnung (EG) 510/2006.

In der Beschreibung des Erzeugnisses heißt es:

"7-9 cm lange Bratwurst im engen Schafsaitling mit mittelgrober Körnung; Stückgewicht roh ca. 20 bis 25 g; Zusammensetzung: grob entfettetes Schweinefleisch, kein Brätanteil, nicht umgerötet (ausgenommen bei geräucherten Bratwürsten), die Gewürzmischung variiert je nach überliefertem Rezept, typisch ist vor allem Majoran; der Anteil an Bindegewebseiweiß freiem Fleischeiweiß darf nicht unter 12 %, der absolute Fettgehalt nur bei max. 35 % liegen; der Anteil des Bindegewebseiweiß freien Fleischeiweißes im Fleischeiweiß beträgt nicht unter 75 Vol.-% (histometrisch) bzw. 80 % (chemisch)."

Der Schutzverband Nürnberger Bratwürste e. V. (Antragsteller) hat beim Deutschen Patent- und Markenamt mit Antrag vom 12. Oktober 2006 die "Änderung der Spezifikation gemäß § 133 MarkenG" beantragt; im Anschluss an "grob entfettetes Schweinefleisch" soll Folgendes eingefügt werden: "Speck, insbesondere Bauchspeck, Backen, Backenspeck, Rücken und Rückenspeck vom Schwein".

Der Antrag ist mit Änderungen der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG aufgrund
der Richtlinie 2001/101/EG vom 26. November 2001 begründet worden; damit seien neue Regelungen für die Kennzeichnung der Zutaten von Lebensmitteln eingeführt worden, die inzwischen in die Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) übernommen worden seien. Neu sei, dass eine Zutat nur dann als "…fleisch" bezeichnet werden dürfe, wenn ein bestimmter Gehalt an Fett und Bindegewebe nicht überschritten werde; für "Schweinefleisch" dürfe der Gehalt an Fett 30 % und der Gehalt an Bindegewebe 25 % nicht übersteigen. Eine Zutat, die diese Grenzwerte übersteige, müsse zum Beispiel als "Speck" bezeichnet werden.
Die Rezeptur lasse zwar einen Fettgehalt von mehr als 30 % zu; die Spezifikation sehe aber nur die Angabe "grob entfettetes Schweinefleisch" vor. Entsprechend der neuen Regelung für die Kennzeichnung der Zutaten müsse der höhere Fettgehalt nun gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 der inzwischen auch geänderten Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) auf der Packung ausgewiesen werden. Diesen neuen Kennzeichnungsbestimmungen sei die Spezifikation anzupassen. Der Schutzverband habe die Änderung der Spezifikation übereinstimmend beschlossen. "Nürnberger Bratwürste/ Nürnberger Rostbratwürste" seien traditionell mit Bauch, Bauchspeck, Backen, Backenspeck, Rücken oder Rückenspeck hergestellt worden; anders sei ein Fettanteil bis 35 % nicht zu erreichen.

Die Markenabteilung 3.2. des Deutschen Patent- und Markenamts hat zur Prüfung des Änderungsantrags Stellungnahmen eingeholt (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, München; Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Erlangen; Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, Kulmbach; Fleischerverband Bayern, Augsburg; Industrie- und Handelskammer Nürnberg, Nürnberg; Handwerkskammer für Mittelfranken, Nürnberg; Fleischer-Innung Nürnberg; Deutscher Fleischer-Verband e. V., Frankfurt; Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie e. V., Bonn).

Nach Eingang dieser und weiterer vom Antragsteller vorgelegten  Stellungnahmen interessierter Dritter hat das Deutsche Patent- und Markenamt den Antrag auf Änderung der Spezifikation gemäß Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 im Markenblatt vom 2. November 2007 veröffentlicht.
Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2008, eingegangen am 23. Januar 2008, hat die Beschwerdeführerin gegen diesen Antrag "Einspruch" eingelegt. Zur Begründung ist ausgeführt: Als Fleischereibetrieb und Wurstherstellerin sei sie von dem Antrag betroffen, was zu einem berechtigten Interesse im Sinn von Artikel 5 Abs. 5  Unterabsatz 1 der VO (EG) 510/2006 führe. Bei grob entfettetem Schweinefleisch handele es sich nach den Leitsätzen für Fleisch- und Fleischerzeugnisse um Schweinefleisch mit einem Fettgewebeanteil, wie er bei nicht übermäßig fettem Schweinefleisch nach grober Entfernung von Backen-, Kamm-, Rücken- und Bauchspeck sowie Flomen zu erwarten sei. Nun solle das Produkt aus "Speck, insbesondere Bauchspeck, Backen, Backenspeck, Rücken und Rückenspeck vom Schwein" bestehen, was gerade zu entfernen sei. Das sei eine vollständige Änderung der Rezeptur, die sich so von der traditionellen Nürnberger Bratwurst absetze.

Durch Beschluss vom 3. Juni 2008 hat die Markenabteilung 3.2 des Patentamts festgestellt, dass der Änderungsantrag der VO (EG) Nr. 510/2006 entsprechte. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: nach der ursprünglichen Fassung der Spezifikation sei die Verwendung von Speck nicht ausgeschlossen, sondern durch Vorgabe des maximalen Fettgehalts von 35 % lediglich mengenmäßig begrenzt gewesen; nach der Stellungnahme des Bayrischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit setze ein Fettgehalt dieser Größenordnung einen entsprechenden Anteil an Speck voraus. Aus weiteren Stellungnahmen ergebe sich, dass die bloße Klarstellung der traditionellen von der Stadt Nürnberg festgelegten Rezeptur entspreche. Das Bayrische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit als oberste Aufsichtsbehörde in Bayern habe die beantragte Ergänzung ausdrücklich als sachlich korrekt bezeichnet. Gegen diesen der Einsprechenden am 9. Juni 2008 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 27. Juni 2008 eingegangene Beschwerde. Sie meint, ein berechtigtes Interesse für die Beschwerde ergebe sich daraus, dass sie Herstellerin von Wurstwaren sei, die jeweiligen Produkte sich im Kühlregal begegneten und sie sich zudem in Nürnberg niederlassen könne. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Patentamtsverfahren: der Änderungsantrag beinhalte keine bloße
Klarstellung, sondern eine vollständige Änderung der Rezeptur. Bisher seien
Nürnberger Bratwürste/Nürnberger Rostbratwürste aus grob entfettetem Schweinefleisch herzustellen, was nach den Leitsätzen für Fleisch- und Fleischerzeugnisse bedeute, dass Schweinefleisch mit einem Fettgewebeanteil verwendet werden müsse, wie er bei nicht übermäßig fettem Schweinefleisch nach grober Entfernung von Backen-, Kamm-, Rücken- und Bauchspeck sowie Flomen zu erwarten sei. Nun solle das Produkt aus "Speck, insbesondere Bauchspeck, Backen, Backenspeck, Rücken und Rückenspeck vom Schwein" bestehen. Das sei eine deutliche Qualitätsverschlechterung.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss der Markenabteilung 3.2 vom 3. Juni 2008 aufzuheben und den Änderungsantrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung der Markenabteilung für zutreffend und meint, es handele sich in der Sache noch nicht einmal um eine Änderung, sondern um eine Berichtigung.

Diese sei zur Anpassung an die im Patentamtverfahren dargelegten neuen EU-Vorschriften zur Definition des Produkts "Schweinefleisch" mit einer Festlegung der Grenzwerte des Gehalts an Fett auf 30 % und des Gehalts an Bindegewebe auf 25 % notwendig geworden. Denn die Rezeptur der für "Nürnberger Bratwürste/Nürnberger Rostbratwürste" lasse entsprechend traditioneller Rezeptur einen Fettgehalt von mehr als 30 % sowie die Verwendung von Speck zu, was sich aus dem Begriff "grob entfettetes Schweinefleisch" schon ergeben habe. Durch die Ergänzung werde zudem klargestellt, dass entsprechend der historisch belegbaren Herstellungsweise lediglich Fleischkomponenten vom Schwein verwendet werden dürfen. Die Spezifikation stelle die Kontrollgrundlage für das Erzeugnis dar. Für die Herstellerkontrollen sei es daher notwendig, die Spezifikation um die beantragten Änderungen zu ergänzen, um das geschützte Produkt eindeutig zu
definieren. Der Antragsteller regt hilfsweise Vorlage an den Europäischen Gerichtshof an zur Klärung der Frage des Einflusses von neuen Gesetzen und Verordnungen auf die Spezifikation sowie zur Klärung der Frage, welche Zutaten die Spezifikation nennen muss, weiter hilfsweise, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil aufgeworfene Fragen von grundsätzlicher Bedeutung seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde ist zu verwerfen; die Beschwerdeführerin ist zwar formal  eschwerdeberechtigt, nicht aber materiell. Sie hat nicht dargelegt, dass sie durch die Entscheidung der Markenabteilung des Patentamts in ihrem berechtigten Interesse betroffen ist. Nach Auffassung des Senats wäre die Beschwerde darüber hinaus aber auch in der Sache nicht begründet.

I. Für die am 27. Juni 2008 eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss der Markenabteilung vom 3. Juni 2008 gelten die Vorschriften der §§ 133a, 133, 130 a. F. MarkenG. Nach § 133a S. 2 a. F. MarkenG steht die Beschwerde gegen eine Entscheidung gemäß § 130 Abs. 5 Satz 1 a. F. MarkenG, der nach § 133 a. F. für Anträge auf Änderung der Spezifikation entsprechend gilt, denjenigen Personen zu, die entsprechend § 130 Abs. 4 S. 2 a. F. MarkenG fristgerecht zu dem Antrag Stellung genommen haben. Das ist hier der Fall: die Beschwerdeführerin hat gem. § 133a S. 2 a. F. MarkenG eine Stellungnahme i. S. d. § 130 Abs. 4 S. 2 a. F. MarkenG innerhalb der dort bestimmten viermonatigen Ausschlussfrist nach Veröffentlichung des Antrags im Markenblatt abgegeben. Nach § 133 a S. 3 a. F. MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 2 MarkenG entsprechend ist die Beschwerde gegen den am 9. Juni 2008 zugestellten Beschluss am 27. Juni 2008, und damit innerhalb der Monatsfrist eingelegt worden. Nach § 133a S. 2 a. F. MarkenG muss diese Person weiterhin durch die Entscheidung in ihrem berechtigten Interesse betroffen sein. Im Gegensatz hierzu verlangt § 133 S. 2 MarkenG in der seit dem 1. September 2008 geltenden Fassung bei einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Patentamts nach § 130 Abs. 5 S. 1 MarkenG zwar nicht mehr ausdrücklich, dass der Beschwerdeführer in seinem berechtigten Interesse betroffen sein muss. Eine sachliche Änderung ist damit indessen nicht verbunden. Die Abweichung im Wortlaut erklärt sich ersichtlich daraus, dass in § 130 Abs. 4 S. 2 MarkenG nunmehr bereits für die Einlegung des Einspruchs ein berechtigtes Interesse verlangt wird. Dies wiederum beruht auf der Vorgabe in Art. 5 Abs. 5 Unterabsatz 1 der VO (EG) 510/2006, die mit Wirkung vom 31. März 2006 in Kraft getreten ist. Das Erfordernis eines berechtigten Interesses wirkt sich im Einspruchsverfahren vor dem Patentamt aber nicht aus, weil dieses Verfahren kein Rechtsbehelfsverfahren zum Schutz individueller Interessen darstellt, sondern in Wirklichkeit ein Aufgebotsverfahren zur Ermittlung etwaiger Schutzhindernisse ist, die dem Schutzantrag entgegenstehen könnten. Aus diesem Grund ist auch nicht vorgesehen, dass der Einspruch wegen des Fehlens eines berechtigten Interesses verworfen werden kann. Im Gegensatz dazu ist das Beschwerdeverfahren ist ein echtes Rechtsbehelfsverfahren, so dass (spätestens) hier das berechtigte Interesse darzulegen ist. Fehlt es, muss die Beschwerde als unzulässig verworfen werden (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 9. Aufl. § 133 Rdn. 3). Dies gilt nach § 132 Abs. 1 n. F. MarkenG entsprechend im Verfahren über Anträge auf Änderung der Spezifikation.
Dieses Verständnis entspricht Art. 5 Abs. 5 Unterabsatz 4 der VO (EG) 510/2006, demnach der Mitgliedsstaat sicherstellen muss, dass die positive Entscheidung öffentlich zugänglich gemacht wird und jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse über die Möglichkeit Rechtsmittel verfügt. Nach Art. 9 Abs. 2 S. 1 der VO (EG) 510/2006 unterliegt eine Änderung der Spezifikation, die zu einer oder mehreren Änderungen des einzigen Dokuments führt, dem Verfahren gemäß den Artikeln 5, 6 und 7; danach ist das berechtigte Interesse als Voraussetzung für das Beschwerderecht in der nationalen Phase des Verfahrens auf Änderung der Spezifikation vorgegeben.

Zudem verlangt das zwischenstaatliche Einspruchsverfahren nach Art. 7 VO (EG) 510/2006, das die gleiche Funktion erfüllt wie das nationale Einspruchsund Einspruchsbeschwerdeverfahren, im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO (EG) 510/2006 ein berechtigten Interesse. Mit dem Erfordernis eines berechtigten Interesses im nationalen Verfahren wird somit sichergestellt, dass der Rechtsschutz von inländischen Personen den gleichen Voraussetzungen unterliegt wie der Rechtsschutz ausländischer Einsprechender im Einspruchsverfahren nach Art. 7 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO (EG) 510/2006 (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 133 Rdn. 5). Dass die Beschwerdeführerin durch die Entscheidung der Markenabteilung des Patentamts in ihrem berechtigten Interesse betroffen ist, hat sie nicht hinreichend dargelegt. Aufgrund welcher Umstände ein solches Interesse anerkannt wird, lässt sich dem Markengesetz allerdings weder in alter noch in neuer Fassung entnehmen. Selbst wenn insoweit davon ausgegangen wird, dass jede aktuelle oder potentielle, nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegende wirtschaftliche Betroffenheit genügt, lässt sich hier nicht bejahen, dass die Beschwerdeführerin durch den Beschluss der Markenabteilung vom 3. Juni 2008, durch den festgestellt worden ist, dass der Antrag auf Änderung der Spezifikation der VO (EG) 510/2006 entspreche, durch die Einfügung "Speck, insbesondere Bauchspeck, Backen, Backenspeck, Rücken und Rückenspeck vom Schwein" in irgendeiner Weise in ihrem berechtigten Interesse betroffen und diese Änderung zu versagen ist.

Die in der Gemeinschaft geschützten geografischen Bezeichnungen "Nürnberger Bratwürste/Nürnberger Rostbratwürste" erlauben jedem im Gebiet ansässigen Erzeuger, diese geschützte geografische Angabe zu benutzen, wenn das vermarktete Produkt der Spezifikation entspricht; dies ist Sinn und Zweck des Schutzes einer geografischen Herkunftsangabe (vgl. Art. 8 Abs. 1 VO (EG) 510/2006). Dass die Beschwerdeführerin die Bezeichnung nicht nutzen darf, beruht darauf, dass sie nicht Erzeuger im benannten geografischen Gebiet der Stadt Nürnberg ist. Dieser Ausschluss von der Nutzung der Bezeichnung vermag damit als solcher kein berechtigtes Interesse für die Versagung der beantragten Änderung der Spezifikation zu begründen. Ob im der  Schutzgewährung vorausgegangenen Eintragungsverfahren die  Voraussetzungen für die Schutzgewährung vorgelegen haben und, wie die Beschwerdeführerin wohl meint, eine andere Rezeptur dem Schutz hätte zugrunde gelegt werden müssen, ist allein Gegenstand des   Eintragungsverfahrens, nicht aber des Verfahrens auf Änderung der Spezifikation. Dass die Beschwerdeführerin sich theoretisch im geografischen Gebiet niederlassen könnte, begründet kein aktuelles berechtigtes Interesse. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin nach ihren Ausführungen nicht beabsichtigt, ein Produkt herzustellen, das die Anforderungen der Spezifikation erfüllt; ihr geht es ersichtlich darum, unter einer abweichenden Rezeptur Wurstwaren zu vermarkten. Sie bezieht sich hierzu ausdrücklich auf den Ausschluss von Speck als Zutat sowie die Einbeziehung von Kalb- und Rindfleisch gemäß den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse. Auch dies sind Gesichtspunkte, die das Eintragungsverfahren betreffen können, in keiner Weise aber ein berechtigtes Interesse für das Beschwerdeverfahren bei Änderung der Spezifikation begründen können. Demgemäß ist auch ein allgemeiner Hinweis auf die Herstellung von Wurstwaren im vorliegenden Verfahren nicht geeignet, ein berechtigtes Interesse zu begründen.

Sonstige Gesichtspunkte für das Vorliegen eines berechtigten Interesses sind nicht erkennbar. Soweit die Beschwerdeführerin meint, dass das Erzeugnis statt ursprünglich aus grob entfettetem Schweinefleisch jetzt nur noch aus "Speck, insbesondere Bauchspeck, Backen, Backenspeck, Rücken und Rückenspeck vom Schwein" hergestellt werden solle, trifft dies nach dem eindeutigen Wortlaut der geänderten Beschreibung nicht zu; es handelt sich vielmehr um die Nennung von Zutaten, die auch verwendet werden können.
Die bislang geltende Produktbeschreibung hat mit der Angabe "grob entfettetes Schweinefleisch" die Verwendung von Speck vom Schwein beinhaltet und zudem einen absoluten Fettgehalt von maximal 35 % zugelassen.
Die Bezeichnung für das Fettgewebe vom Schwein ist Speck, und "grob entfettet" bedeutet entsprechend dem Wortlaut nur grobe Entfernung von Fett bzw. Speck, aber nicht "fettfrei". Dies entspricht dem Verständnis in den von der Beschwerdeführerin genannten Leitsätzen für Fleisch- und Fleischerzeugnisse; danach ist grob entfettetes Schweinefleisch: "Schweinefleisch mit einem Fettgewebeanteil, wie er bei nicht übermäßig fetten Schweinehälften nach grober Entfernung von Backen-, Kamm-, Rücken- und Bauchspeck sowie Flomen zu erwarten ist" (Ziffern 1.12; 1.122). Außer dieser Angabe "grob entfettetes Schweinefleisch", maximaler Fettgehalt jetzt nach LMKV 30 %, ist die Zutat "Speck vom Schwein" darüber hinaus der Angabe des zulässigen maximalen Fettgehalts von 35 % entnehmbar. Einzelheiten der Rezeptur berühren im Übrigen die in der Registrierung im "Ursprungsnachweis" erwähnten … Metzgereien und … Großbetriebe im Erzeugergebiet, unter keinem erkennbaren Gesichtspunkt aber die Beschwerdeführerin.

II. Im Fall der Bejahung eines berechtigten Interesses der Beschwerdeführerin
wäre die Beschwerde aber auch nicht begründet. Die Markenabteilung hat nach Auffassung des Senats zutreffend festgestellt, dass der Antrag auf Änderung der Spezifikation der VO (EG) 510/2006 entspricht. Der Antragsteller ist als Vereinigung, auf die der Antrag auf Eintragung der geografischen Herkunftsangabe zurückgeht, ohne weiteres berechtigt, einen Antrag auf Änderung der Spezifikation zu stellen.

Unter welchen Voraussetzungen eine Spezifikation geändert werden darf, ist nicht abschließend geregelt. § 133 a. F. MarkenG hat auf Art. 9 der VO (EWG) 2081/92 Bezug genommen; Änderungsgründe sind danach insbesondere Berücksichtigung des Stands von Wissenschaft und Technik oder eine neue Abgrenzung des geografischen Gebietes. Eine entsprechende Regelung enthält Art. 9 Abs. 1 VO (EG) 510/2006. Nach dieser beispielhaften Aufzählung kommen allerdings auch andere Gründe für die Änderung der Spezifikation in Betracht. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass eine Änderung der Spezifikation auch bei Beschränkung oder genauerer Festlegung der Zutaten bei einer Einigung durch die Erzeuger möglich ist (vgl. Mikorey, Der Schutz von geographischen Angaben und Herkunftsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel in der Europäischen Gemeinschaft nach der Verordnung 2081/92, S. 95). Demgegenüber nennt § 132 n. F. MarkenG keine Änderungsgründe.

Die Kommission hat für verschiedene Änderungen festgestellt, dass die Anforderungen der Verordnung (EG) 510/2006 erfüllt sind. Für das Erzeugnis "Käse" wurde eine Änderung bei den Fettgehaltsstufen veröffentlicht (vgl. ABL-EU Nr C 256 vom 24. Oktober 2006 S. 2 – ESROM). Für das Erzeugnis "Bier" wurde die Änderung der Bitterwerte veröffentlicht (ABL-EU Nr C 321 vom 22. Dezember 2006 S. 2 – MÜNCHNER BIER). Für ein weiteres Erzeugnis "Käse" wurde die Festlegung besonderer chemischer Eigenschaften der Käsesorten veröffentlicht (ABL-EU Nr C 321 vom 29. Dezember 2006 S. 23 -ASIAGO). Für ein weiteres Erzeugnis "Bier" wurde die Aufnahme von Bandbreiten im Alkoholgehalt veröffentlicht (ABL-EU Nr C 254 vom 7. Oktober 2008 S. 12 – KÖLSCH). Für das Erzeugnis "Frische Fische" wurde die Erweiterung der Spezifikation um biologisch erzeugten Lachs veröffentlicht (ABL-EU Nr C 76 vom 23. März 2008 S. 28 – SCOTTISH FARMED SALMON).

Der hieraus erkennbaren Praxis der Kommission entnimmt der Senat, dass Gründe für die Änderung der Spezifikation sehr weitreichend sein können. Unter diesen Umständen kann grundsätzlich auch die vom Antragsteller beantragte Ergänzung der Zutaten einen Grund zur Änderung der Spezifikation darstellen.
Allerdings erlaubt die Begründung, dass aufgrund von Änderungen der  Kennzeichnungsbestimmungen das Erzeugnis auf der Verpackung anders als
bisher etikettiert werden müsse, nicht die Feststellung, dass der Antrag auf Änderung der Spezifikation der VO (EG) 510/2006 entspricht. Zwar sind Kennzeichnungsbestimmungen einzuhalten (vgl. jeweils den 5. Erwägungsgrund der VO (EG) 510/2006 und der VO (EWG) 2081/92). Bei Kennzeichnungsvorschriften und geografischen Herkunftsangaben handelt es sich aber um voneinander unabhängige Systeme; weder das Markengesetz noch die Gemeinschaftsverordnung sehen vor, dass die Spezifikation des Erzeugnisses mit maßgeblichen Kennzeichnungsbestimmungen im Wortlaut übereinstimmen muss. Gefordert ist in Art. 4 Abs. 2b der VO EG 510/2006 ganz allgemein die Beschreibung des Agrarerzeugnisses oder des Lebensmittels, "gegebenenfalls einschließlich der Rohstoffe". Dementsprechend ist kein Antragsteller im Eintragungsverfahren verpflichtet, alle Zutaten in der Spezifikation zu nennen, und nach Eintragung sind die Erzeuger dadurch nicht gehindert, bei der Etikettierung vorschriftsmäßig Zutaten des traditionellen Erzeugnisses anzugeben, die in der Spezifikation nicht genannt sind.

Indessen ist mit der seit dem 31. Dezember 2002 gültigen Fassung der LMKV erstmals bestimmt worden, wann eine Zutat eines Lebensmittels mit dem Namen "…fleisch" bezeichnet werden darf; für die Bezeichnung "Schweinefleisch" gilt danach ein Höchstwert an Fett von 30 % und an Bindegewebe von 25 % (vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3; 4 Abs. 1; 5 Abs. 1, 6 Abs. 1, 4, Anlage 1 zu § 6 Abs. 4 Nr. 1 LMKV). Wegen bis dahin fehlender Vorschriften zur Bedeutung dieser Bezeichnung ist die geltende Fassung der Spezifikation mit der Angabe "grob entfettetes Schweinefleisch" im Zusammenhang mit der Angabe des absoluten Fettgehalts von maximal 35 % missverständlich. Wie die Vertreterin des Beschwerdegegners und sein Mitglied Herr P… in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben haben, ist durch die Vorschriften der LMKV mit der Beschränkung auf einen maximalen Fettanteil von 30 % für die Bezeichnung "Schweinefleisch" einerseits und die Verwendung des Begriffs "grob entfettetes Schweinefleisch" unter Zulassung eines maximalen absoluten Fettgehalts von 35 % für das Gesamtprodukt in der  Spezifikation andererseits eine Lücke entstanden; die lässt sich zwar im Wege der Auslegung schließen, denn die bislang geltende Produktbeschreibung hat – wie oben bereits ausgeführt – mit der Angabe "grob entfettetes Schweinefleisch" die Verwendung von Speck vom Schwein beinhaltet und zudem einen absoluten Fettgehalt von maximal 35 % zugelassen.

Die Spezifikation bildet indessen die Grundlage für die Herstellung des Erzeugnisses. Aus Gründen der Klarheit der Spezifikation ergibt sich nach allem ein Bedarf zur Änderung der Spezifikation. Mit der beantragten Änderung wird ausdrücklich bestimmt, welche Zutaten neben "Schweinefleisch" im Sinn der LMKV zur Erreichung der in der Spezifikation unter "Herstellungsverfahren" genannten "gut bindenden Masse" – bis zu einem maximalen absoluten Fettgehalt von 35 % – verwendet werden dürfen; dazu wird ausdrücklich festgelegt, dass entsprechend der traditionellen Herstellung nur Zutaten vom Schwein hinzugefügt werden dürfen, so dass die theoretisch mögliche Verwendung von Komponenten anderer Tierarten ausdrücklich ausgeschlossen ist. Welche abweichenden Betrachtungsweisen sich anderenfalls ergeben könnten, zeigen beispielsweise die Ausführungen der Beschwerdeführerin.
Zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass die für die Überwachung und Kontrolle nach § 134 MarkenG zuständige Stelle, die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, im von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Schreiben vom 28. April 2010 ausgeführt hat, dass für Produktion und Kontrolle die Spezifikation die Grundlage darstelle und deshalb die Notwendigkeit der Aufnahme der beantragten Angaben bestehe.

Der Antrag auf Änderung der Spezifikation ist sachlich gerechtfertigt. Speck vom Schwein als Zutat ist damit festgelegt; die durch das Wort "insbesondere" eingeleitete Aufzählung von "Bauchspeck, Backen, Backenspeck, Rücken und Rückenspeck" ist beispielhaft, gibt dabei aber keine bindende Vorgabe.
Die Beschwerde ist damit auch nicht begründet.

III.
Zu einer Auferlegung von Kosten besteht keine Veranlassung (§ 71 Abs. 1
S. 1 MarkenG).

IV.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen; ob und unter welchen Voraussetzungen eine Beschwerdeberechtigung zu fordern ist, ist nicht geklärt; höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu im Fall einer Beschwerde gegen einen Beschluss des Patentamts, durch den festgestellt wird, dass ein Antrag auf Änderung der Spezifikation der VO (EG) 510/2006 entspricht, gibt es nicht.

Gleiches gilt für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Spezifikation
geändert werden darf.

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