Vermittlung von privaten Sportwetten in Deutschland weiterhin verboten

08. April 2010
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Eigener Leitsatz:

In Deutschland darf aufgrund des staatlichen Glücksspiel- und Wettmonopols keine Vermittlung privater Sportwetten aus anderen EU-Mitgliedstaaten erfolgen. Das Verbot, dass in die Grundrechte der Wettenvermittler eingreift, hält sowohl einer verfassungsrechtlichen als auch europarechtlichen Überprüfung stand. Obwohl der Wettmarkt in einigen Mitgliedsstaaten weitgehend liberalisiert ist, kann nach der Rechtsprechung des EuGH jeder Mitgliedsstaat zur Suchtprävention eigene, abweichende Regelungen erlassen, die an die Wertordnung in dem jeweiligen Land anknüpfen.

Oberverwaltungsgericht Bremen

Beschluss vom 11.03.2010

Az.: 1 B 314/09

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen – 1. Senat – durch die Richter Göbel, Prof. Alexy und Dr. Bauer am 11.03.2010 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen – 5. Kammer – vom 15.09.2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren ebenfalls auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

A.
Die Antragstellerin vermittelt an zwei Standorten in Bremen Sportwetten an den britischen Wettanbieter „…“. Die Antragstellerin hat hierfür mit dem Inhaber der Betriebsstätte jeweils sogenannte Kassenplatzaufstellungsverträge abgeschlossen.

Mit Verfügung vom 12.08.2009 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, Sportwetten zu vermitteln und zu bewerben, für die von der in der Freien Hansestadt Bremen zuständigen Behörde keine Genehmigung erteilt worden ist. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde weiterhin die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,00 Euro angedroht; insoweit wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.

Die Antragstellerin hat am 20.08.2009 Klage erhoben und zugleich die Aussetzung der sofortigen Vollziehung beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat den Aussetzungsantrag mit Beschluss vom 15.09.2009 abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

B.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Sowohl hinsichtlich der Untersagungsverfügung (I) als auch der Zwangsgeldandrohung (II) überwiegt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung de
sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung.

I.
Gemäß § 9 Abs. 2 des zwischen den Bundesländern abgeschlossenen Glücksspielstaatsvertrags – GlüStV –, der am 18.12.2007 von der Bremischen Bürgerschaft ratifiziert worden (BremGBl. Seite 499) und am 01.01.2008 in Kraft getreten ist, entfalten Rechtsbehelfe gegen Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsicht keine aufschiebende Wirkung. Statthafter Rechtsbehelf ist hier die Klage, weil gemäß § 21 des Bremischen Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags vom 18.12.2007 (BremGBl. Seite 499), geändert durch Gesetz vom 24.11.2009 (BremGBl. Seite 525), – BremGlüG – bei Verwaltungsakten aufgrund des Glücksspielstaatsvertrags ein Vorverfahren nicht durchgeführt wird.
Das Gericht kann, wenn der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ausgeschlossen hat, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen. Das Gericht hat in diesem Fall das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Rechtsbehelfsführers, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens von der Durchsetzung des Verwaltungsakts verschont zu bleiben, abzuwägen. In diese Interessenabwägung bezieht das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren ein, soweit sich diesbezüglich im einstweiligen Rechtschutzverfahren bereits eine Aussage treffen lässt. Der Umstand, dass der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ausgeschlossen hat, führt also nicht dazu, dass sich das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Aufschubinteresse regelhaft durchsetzt (BVerwG, B. v. 14.04.2005 – 4 VR 1005/04 – NVwZ 2005, 689).

Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung, weil, soweit sich das in diesem Eilverfahren bei summarischer Überprüfung überblicken lässt, die Klage der Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Es besteht auch kein Anlass, der Antragstellerin die erstrebte Vermittlungstätigkeit für die Dauer des Hauptsacheverfahrens unter einschränkenden Auflagen zu gestatten.

1.
Die gegen die Antragstellerin ergangene Verfügung, mit der ihr verboten wird, Sportwetten an ein Wettunternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu vermitteln und zu bewerben, kann sich auf § 9 Abs. 1 Nr. 3 GlüStV stützen. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde die Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Der Wettveranstalter, an den die Antragstellerin Wetten vermitteln möchte, besitzt für seine Tätigkeit keine Erlaubnis der zuständigen bremischen Behörde, so dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Untersagungsverfügung erfüllt sind.

Für die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen besteht gemäß § 10 Abs. 2 GlüStV, § 3 Abs. 1 BremGlüG ein staatliches Monopol. Danach dürfen öffentliche Glücksspiele nur von den Bundesländern selbst, von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, durchgeführt werden. Die erforderliche Erlaubnis darf gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV allein diesen Rechtsträgern erteilt werden. Lediglich für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial, etwa Sozial- oder Sparlotterien, gilt insoweit eine Ausnahme (§ 10 Abs. 5 GlüStV).

Diese Restriktionen erfassen nicht nur die Veranstaltung, sondern auch die Vermittlung und Bewerbung von Glücksspielen: Die erforderliche Erlaubnis darf nur für die Vermittlung und Bewerbung der staatlich veranstalteten Spiele erteilt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV).

Der Begriff des Glücksspiels wird in § 3 Abs. 1 GlüStV definiert. Ein Glücksspiel liegt nach Satz 1 dieser Vorschrift vor, wenn für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Allein vom Zufall hängt die Entscheidung über den Gewinn etwa bei Lotterien ab.

Satz 3 bestimmt weiter, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses als Glücksspiele zu qualifizieren sind. Wetten auf Sportereignisse gibt es einerseits nach dem Totalisatorprinzip, bei dem ein Teil der Wetteinsätze unter den Gewinnern mit den jeweils richtigen Ergebnissen aufgeteilt wird, wie dies etwa beim herkömmlichen Fußballtoto der Fall ist. Davon unterscheiden sich Wetten nach dem Buchmacherprinzip (Oddset-Wetten), bei denen sogenannte „odds“ gesetzt werden, indem der Veranstalter eine feste Gewinnquote festlegt, die er dem Gewinner auf jeden Fall auszahlen muss, wenn eines oder mehrere Sportereignisse ein bestimmtes Ergebnis haben. Im vorliegenden Fall geht es um die Vermittlung solcher Wetten nach dem Buchmacherprinzip.

Der Hauptzweck des staatlichen Glücksspiels und Wettmonopols besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen darin, durch Ordnung und Lenkung des Spiel- und Wettangebots das Entstehen von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und die Wettleidenschaft zu begrenzen (§ 1 Nr. 1 und 2 GlüStV; § 1 Nr. 1 und 2 BremGlüG). Daneben sollen die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (§ 1 Nr. 4 GlüStV; § 1 Nr. 4 BremGlüG).

Die Vermittlungstätigkeit, die die Antragstellerin ausüben möchte, scheitert damit am staatlichen Wettmonopol. Ihre Vermittlungstätigkeit ist ungenehmigt und kann wegen des staatlichen Monopols auch nicht genehmigt werden.

2.
Das staatliche Monopol greift, indem es eine gewerbliche Wettveranstaltung und eine darauf bezogene Wettvermittlung nicht zulässt, in die grundrechtlichen Freiheiten ein. Soweit es sich um Deutsche handelt, ist die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG berührt, bei Nichtdeutschen die allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG.

Der Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn ihm legitime Gemeinwohlziele zugrunde liegen und die beschränkenden Regelungen zudem verhältnismäßig sind. Bei der in einem Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung erscheint es überwiegend wahrscheinlich, dass das staatliche Wettmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung diesen Anforderungen genügt.

2.1.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) entschieden, dass der Hauptzweck für die Errichtung eines staatlichen Wettmonopols, die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel darstellt. Die Entscheidung betraf, wie im vorliegenden Fall, das Verbot der Vermittlung von Sportwetten an einen Wettunternehmer mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat. In ihr führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass das Suchtpotenzial von Sportwetten mit festen Gewinnquoten derzeit zwar nicht abschließend beurteilt werden kann, der Gesetzgeber aufgrund des gegenwärtigen Erkenntnisstandes aber mit einem nicht unerheblichen Suchtpotenzial rechnen und dies mit dem Ziel der Abwehr einer höchstwahrscheinlichen Gefahr zum Anlass für Prävention nehmen darf (BVerfG, a. a. O., <305>). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang verschiedene von Sachverständigen erstellte Untersuchungen ausgewertet.

Im Sportwetten-Urteil wird weiter ausgeführt, dass der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraums die Errichtung eines staatlichen Wettmonopols grundsätzlich als ein verhältnismäßiges Mittel ansehen darf, um die vom Wettgeschehen ausgehenden Suchtgefahren zu beherrschen. So könne etwa die Annahme, dass eine Marktöffnung aufgrund des dann entstehenden Wettbewerbs zu einer erheblichen Ausweitung von Wettangeboten und diese Ausweitung auch zu einer Zunahme von problematischem und suchtbeeinflusstem Verhalten führen würde, nicht beanstandet werden (BVerfG; a. a. O., <308>).

Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht die seinerzeitige rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols einer deutlichen Kritik unterzogen. Dieses war nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts nicht konsequent und konsistent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichtet. Die Sportwette Oddset wurde vielmehr offensiv und expansiv vermarktet; mit ihr wurde erkennbar auch ein fiskalisches Interesse verfolgt. In der Entscheidung werden die – gravierenden – Fehlentwicklungen im Einzelnen näher dargestellt (BVerfG, a. a. O., <313 – 316>).

Zusammenfassend führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass der Gesetzgeber, wenn er an einem staatlichen Wettmonopol festhalten will, er dieses sowohl rechtlich als auch tatsächlich konsequent am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht ausrichten muss. Nur unter dieser Voraussetzung stellt der Ausschluss gewerblicher Wettveranstalter und der Vermittlung von Wetten an diese Veranstalter einen verhältnismäßigen Eingriff in deren grundrechtliche Freiheiten dar. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang verschiedene verfassungsrechtliche Kriterien genannt, denen ein staatliches Wettmonopol genügen muss, wobei die Umsetzung dieser Anforderungen im Einzelnen und im Zusammenspiel miteinander dem Gesetzgeber obliege (BVerfG, a. a. O., <318>).

Den Landesgesetzgebern ist in der Entscheidung zur Erfüllung dieser Anforderungen eine Frist bis zum 31.12.2007 gesetzt worden (BVerfG, a. a. O., <319>).

2.2.
Durch den Glücksspielstaatsvertrag und das Bremische Glücksspielgesetz, die beide am 01.01.2008 in Kraft getreten sind, sollte erklärtermaßen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden. Das Oberverwaltungsgericht gelangt nach summarischer Überprüfung zu dem Ergebnis, dass durch die neuen Vorschriften die grundlegenden Regelungsdefizite, welche die alte Regelungslage in Bezug auf das staatliche Wettmonopol kennzeichneten, als grundsätzlich behoben angesehen werden können. Auch ist diesbezüglich ein tatsächliches Ausgestaltungsdefizit, bei dem es sich angesichts der nunmehr vorhandenen gesetzlichen Gewährleistungen um ein grundlegendes handeln müsste, nicht erkennbar. Das Oberverwaltungsgericht teilt insoweit die Einschätzung, zu der das Bundesverfassungsgericht in einem Kammerbeschluss vom 20.03.2009 (1 BvR 2410/08, NVwZ 2009, 1221) bezüglich der in Niedersachsen seit dem 01.01.2008 geltenden Rechtslage, die im Wesentlichen der in Bremen entspricht, gekommen ist.

a)
Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass die Landesgesetzgeber mit den neuen gesetzlichen Regelungen am staatlichen Wettmonopol festgehalten haben. Das Bundesverfassungsgericht hat ein solches Monopol – bei konsequenter Ausgestaltung – ausdrücklich als mit der Verfassung vereinbar bezeichnet. Die Länder haben sich bei Abschluss des Staatsvertrags auf die verschiedenen, teilweise auch schon vom Bundesverfassungsgericht berücksichtigten Untersuchungen über das Suchtpotenzial von Glücksspielen und Wetten gestützt, die gerade auch in Bezug auf Sportwetten von einem relevanten Suchtrisiko ausgehen (Mitteilung des Senats vom 13.02.2007, Bremische Bürgerschaft/Landtag, Drs. 16/1304, Seite 15, 30 ff.). Das Risiko hängt unter anderem mit der Attraktivität des Sportgeschehens, der Überschätzung der Möglichkeit eigener Einflussnahme und der Schnelligkeit der Spielfolge zusammen.

Um sicherzustellen, dass das staatliche Wettmonopol zukünftig konsequent am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist, enthält das neue Recht folgende Regelungen:

–    § 4 Abs. 3 GlüStV / § 9 Abs. 1 BremGlüG (Teilnahmeverbot für Minderjährige und Jugendliche),
–    § 4 Abs. 4 GlüStV (Veranstaltungs- und Vermittlungsverbot im Internet),
–    § 5 Abs. 1 bis 3 GlüStV (Beschränkung der Werbung auf Information und Aufklärung über Wettmöglichkeiten und Ausrichtung auf die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags; deutliche Hinweise auf die von Wetten ausgehende Suchtgefahr sowie Hilfsmöglichkeiten; Werbeverbot in Fernsehen, Internet sowie mittels Telekommunikation),
–    § 6 GlüStV (Verpflichtung, die Teilnehmer zu verantwortungsvollem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glücksspielsucht vorzubeugen; Erfüllung der "Richtlinie zur Vermeidung von Glücksspielsucht"; Personalschulung; Erstellung eines Sozialkonzepts zur Vorbeugung und Behebung von sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels),
–    § 7 GlüStV (Aufklärung über Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeit, Suchtrisiken, Beratungs- und Therapiemöglichkeiten, Teilnahmeverbot Minderjähriger),
–    § 8 GlüStV / § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und § 10 BremGlüG (übergreifendes Sperrsystem mit der Möglichkeit der Selbst- und Fremdsperre; Sperrdatei),
–    § 9 Abs. 6 GlüStV (Trennung der Glücksspielaufsicht von der Finanz- bzw. Beteiligungsverwaltung),
–    § 10 Abs. 1 GlüStV / § 1 Abs. 2 BremGlüG (ordnungsrechtliche Ausrichtung staatlicher Glücksspielangebote, beratende Begleitung durch Fachbeirat),
–    § 10 Abs. 3 GlüStV / § 5 Abs. 3, 5 und 6 BremGlüG (suchtgefahrbezogene Begrenzung der Zahl der Annahmestellen; Verbot der Errichtung einer Annahmestelle in einer Spielhalle oder einem ähnlichen Unternehmen),
–    § 11 GlüStV / § 1 Abs. 2 BremGlüG (Sicherstellung der wissenschaftlichen Forschung zur Vermeidung und Abwehr der Suchtgefahren durch Glücksspiele; Sicherstellung der Suchtprävention)
–    
sowie insbesondere

–    § 21 Abs. 2 GlüStV / § 16 Abs. 4 BremGlüG (organisatorische, rechtliche, wirtschaftliche und personelle Trennung der Sportwettenveranstaltung und -vermittlung von der Veranstaltung und Organisation von Sportereignissen und dem Betrieb von Sporteinrichtungen; Verbot der Verknüpfung der Übertragung von Sportereignissen in Rundfunk und Telemedien mit der Sportwettenveranstaltung und -vermittlung; Verbot von Wettmöglichkeiten über Telekommunikationsanlagen sowie während des laufenden Sportereignisses; Annahmeschluss spätestens 15 Minuten vor Beginn der Sportveranstaltung),
–    § 21 Abs. 3 GlüStV (Teilnahmeverbot für gesperrte Spieler, Identitätskontrolle und Sperrdateiabgleich).

Diese Regelungen sind grundsätzlich geeignet, die verfassungsrechtlich geforderten Restriktionen im Bereich des Vertriebs und des Bewerbens staatlicher Sportwetten herbeizuführen.

Allerdings könnte fraglich sein, ob sie das Wettangebot in ausreichendem Umfang sachlich begrenzt. Das Sportwetten-Urteil zählt zu den erforderlichen Regelungen ausdrücklich inhaltliche Kriterien betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten. § 21 Abs. 1 GlüStV lässt insoweit Sportwetten nur in Form von Kombinations- und Einzelwetten auf den Ausgang von Sportereignissen zu; weitere Vorgaben macht die Vorschrift nicht. Das schließt aber immerhin die sogenannten Livewetten aus. In Verbindung mit den genannten Regelungen der Vertriebs- und Werbemodalitäten kann ein insoweit möglicherweise bestehendes Regelungsdefizit jedenfalls im Eilverfahren als unerheblich angesehen werden (so auch BVerfG, B. v. 20.03.2009, a. a. O., Rn. 43).

b)
Die tatsächliche Ausgestaltung des bremischen Wettmonopols lässt Defizite, die auf einen grundlegenden Mangel bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelungen hinweisen könnten, nicht erkennen.

So sind im Hinblick auf den Jugend- und Spielerschutz praktisch wirksame Vorkehrungen getroffen worden, zu denen unter anderen die Einführung einer Kundenkarte zählt, die die Identifizierung der Wettteilnehmer ermöglicht. Für den Spielerschutz ist die Errichtung einer Sperrdatei von besonderer Relevanz. Die Antragsgegnerin hat die Schutzvorkehrungen im Beschwerdeverfahren nochmals im Einzelnen dargestellt; hierauf wird Bezug genommen.

Dem Spieler- und Jugendschutz dient ebenfalls, dass über die Risiken von Glücksspiel und Wetten auf verschiedene Weise aufgeklärt wird. Die Informationsangebote werden ersichtlich auch wahrgenommen und genutzt. Eine soeben erschienene Untersuchung weist ausdrücklich auf die Wirksamkeit der Aufklärungsmaßnahmen hin (vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009, Ergebnisbericht Januar 2010, Seite 70).

Die Werbung für die vom staatlichen Wettmonopol durchgeführten Sportwetten, die bis zum Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts am Ziel einer expansiven Vermarktung orientiert war, ist bereits unmittelbar nach diesem Urteil grundlegend geändert worden (vgl. dazu OVG Bremen, B. v. 07.09.2006 – 1 B 273/06 – NordÖR 2006, 398; B. v. 15.05.2007 – 1 B 447/06 – juris). Dass – bezogen auf die in Bremen angebotenen Sportwetten – insoweit die in § 5 GlüStV genannten gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten würden, trägt die Antragstellerin nicht vor. Soweit es – bezogen insbesondere auf Lotterien (etwa den Jackpot) – zu Verstößen gegen § 5 GlüStV gekommen sein sollte, berührt das nicht das hier in Rede stehende Sportwettenmonopol, zumal soweit diese Verstöße in anderen Bundesländern erfolgt sind.

Schließlich lässt auch die derzeitige Vertriebsstruktur der Sportwetten jedenfalls kein grundlegendes Umsetzungsdefizit erkennen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass der Vertrieb der Sportwetten über die herkömmlichen Lotto- und Totoannahmestellen – vor allem in Zeitschriften-, Schreibwarenund Tabakläden – erfolgt. Zutreffend ist darauf hingewiesen worden, dass dieser Vertriebsweg auch Elemente einer sozialen Kontrolle enthält (vgl. VGH Mannheim, U. v. 10.12.2009 – 6 S 1110/07 – juris, Rn. 33).

Allerdings erscheint fraglich, ob die Umsetzung im Hinblick auf die Zahl dieser Annahmestellen hinreichend den gesetzlichen Regelungen Rechnung trägt. Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 3 BremGlüG ist der Glücksspielveranstalter verpflichtet, der zuständigen Behörde ein jährlich vorzulegendes Konzept zur Verminderung der Zahl der Annahmestellen vorzulegen. Der Senator für Inneres und Sport wird gemäß § 5 Abs. 5 Satz 4 BremGlüG weiter ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Einzelheiten zur Anzahl der Annahmestellen und ihrer Verminderung festzulegen. In verschiedenen Bundesländern ist eine solche Verordnung erlassen worden bzw. in Vorbereitung (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 16.02.2009 – 11 ME 367/08 – juris, Rn. 16; OVG Hamburg, B. v. 27.02.2009 – 4 Bs 235/08 – juris, Rn. 21). Ob der Erlass einer solchen Verordnung geboten ist oder ob es auch zulässig ist, die Verminderung der Zahl der Annahmestellen im Rahmen der Erteilung der Glücksspielerlaubnis durchzusetzen (so im Ergebnis VGH Mannheim, U. v. 10.12.2009 – 6 S 1110/07 – juris; Rn. 36), lässt sich dem Gesetz nicht eindeutig entnehmen. Das Bundesland Bremen hat sich jedenfalls ersichtlich für den zweiten Weg entschieden. Die Antragsgegnerin hat dazu vorgetragen, dass am 01.01.2008 insgesamt 199 Annahmestellen in Bremen existierten. Durch Auflagen in der Veranstaltererlaubnis werde sichergestellt, dass sich deren Zahl bis 2011 auf 193 reduziere. Ob diese vergleichsweise geringe Verminderung der gesetzlichen Vorgabe entspricht, könnte zweifelhaft sein. Andererseits stellt sich die Frage, welche Relevanz die Anzahl der Annahmestellen hat, wenn Vertrieb und Werbung im Übrigen konsequent am Ziel der Kanalisierung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichtet sind. Diese Frage kann nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Ein grundlegendes Umsetzungsdefizit, das die Kohärenz des Gesamtskonzepts in Zweifel ziehen könnte, kann in diesem Punkt im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht gesehen werden.

Darüberhinaus könnte fraglich sein, ob derzeit der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach Trennung zwischen Glücksspielaufsicht und staatlichem Wettmonopol hinreichend Rechnung getragen wird. Im Sportwetten-Urteil wird verlangt, dass durch Schaffung einer geeigneten Kontrollinstanz, die eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates aufweisen muss, die Einhaltung der rechtlichen Beschränkungen des Wettmonopols überwacht wird. Der Glücksspielstaatsvertrag nimmt diese Forderung in § 9 Abs. 6 auf; es heißt dort, dass die Glücksspielaufsicht sowohl von der Finanzverwaltung als auch von der Beteiligungsverwaltung der Lotto- und Totogesellschaften zu trennen ist. In dieser Hinsicht könnte bedenklich sein, dass der gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 BremGlüG für die Glücksspielaufsicht zuständige Senator für Inneres und Sport offenbar zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Bremer Lotto und Toto GmbH ist, die entsprechend § 10 Abs. 2 GlüStV in Bremen das Wettmonopol ausübt (vgl. die Senatorin für Finanzen, Beteiligungsbericht der Freien Hansestadt Bremen 2008/2009, Seite 172). Das wirft die Frage einer ausreichenden Trennung von Glücksspielaufsicht und Beteiligungsverwaltung auf. Bedenklich könnte ebenfalls sein, dass – auch nach der mit Gesetz vom 24.11.2009 (BremGBl. Seite 525) erfolgten Änderung von § 13 BremGlüG – der Senator für Inneres und Sport bei der Verteilung der Glücksspieleinnahmen weiterhin anteilmäßig ersichtlich am stärksten berücksichtigt wird (vgl. Mitteilung des Senats vom 16.06.2009, Bremische Bürgerschaft/Landtag, Drs. 17/838). Dies könnte die Frage einer ausreichenden Trennung von Glücksspielaufsicht und fiskalischem Interesse aufwerfen. Beide Punkte können indes, auch im Hinblick darauf, ob sie die Schlüssigkeit des Gesamtkonzepts berühren, nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Dass insoweit ein Umsetzungsdefizit vorliegt, das bereits jetzt die tatsächliche Ausgestaltung des Wettmonopols grundlegend in Zweifel ziehen würde, kann im vorliegenden Eilverfahren nicht angenommen werden.

3.
Schließlich steht der Verfassungsmäßigkeit des staatlichen Wettmonopols nicht entgegen, dass bestimmte Bereiche des Glücksspielmarktes weniger strengen Beschränkungen unterliegen, als sie für die Glücksspiele und Wetten gelten, die vom staatlichen Monopol angeboten werden. Dies betrifft zunächst die Spielbanken, für die gemäß § 2 Satz 2 GlüStV nur bestimmte Vorschriften des Vertrages gelten; im Übrigen kommen spezielle landesrechtliche Vorschriften zur Anwendung (Bremisches Spielbankgesetz vom 20.02.1978, BremGBl. Seite 67, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.12.2007, BremGBl. Seite 499). Speziellen bundesgesetzlichen Regelungen unterliegt das gewerbliche Spiel an Automaten, Spielhallen und Gaststätten (§§ 33 c bis g GewO; Spielverordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 27.01.2006, BGBl. I Seite 280). Mit dem gewerblich betriebenen Automatenspiel wird eine Glücksspielform, die erwiesenermaßen ein hohes Suchtpotenzial besitzt und deren Anteil am Glücksspielmarkt über 20 % beträgt (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 08.07.2008 – 11 MC 71/08 – juris, Rn. 99), im Grundsatz den Marktgesetzen und deren Dynamik überlassen. Demgegenüber besitzen die ebenfalls bundesrechtlich geregelten Pferdewetten (Rennwett- und Lotteriegesetz vom 08.04.1922 i. d. F. des 2. Rechtsbereinigungsgesetzes vom 16.12.1986, BGBl. I Seite 2441) eine eher zu vernachlässigende Bedeutung.

Insbesondere die zwar nicht vollkommen fehlende (vgl. dazu OVG Münster, B. v. 18.12.2009 – 4 B 298/08 – juris Rn. 62 ff.; VGH Mannheim, U. v. 10.12.2009 – 6 S 1110/07 – juris, Rn. 65), insgesamt aber deutlich weniger restriktive gesetzliche Regelung der gewerblichen Automatenspiele hat die Frage nach Konsistenz und Systematik des staatlichen Ordnungskonzepts für den Glücksspielmarkt aufgeworfen. Dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 lässt sich indes ausreichend deutlich entnehmen, dass es aus verfassungsrechtlicher Sicht auf eine Kohärenz des gesamten Glücksspielmarktes einschließlich des Automatenspiels für die Vereinbarkeit eines staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht ankommt. Vielmehr verlangt die Verfassung insoweit nur eine konsequente und konsistente Ausgestaltung des aus ordnungsrechtlichen Gründen beim Staat monopolisierten Wettangebots. Der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.03.2009 (1 BvR 2410/08, NVwZ 2009, 1221) hat dies ausdrücklich bestätigt. Die Kohärenzforderung erstreckt sich aus grundrechtlicher Sicht mithin nur auf denjenigen Sektor des Glücksspielmarktes, von dem der betroffene Grundrechtsinhaber im konkreten Fall ausgeschlossen ist.

Der Sektor der Sportwetten, zu dem die Antragstellerin einen Zugang erstrebt, ist aber, wie oben dargelegt, in seinen Grundelementen konsistent und systematisch ausgestaltet. Die Erfüllung der Kohärenzforderung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass im Bereich der neuen Bundesländer aufgrund von insgesamt drei im Jahr 1990 nach dem Gewerberecht der DDR erteilten Erlaubnissen – eine vierte Erlaubnis ist inzwischen erloschen – Sportwetten vertrieben werden. Diese Erlaubnisse können für das Bundesland Bremen keine Geltung beanspruchen. Ihre Wirksamkeit ist im Übrigen umstritten und noch nicht abschließend geklärt. Bei ihnen handelt es sich um Sonderfälle, die aufgrund einer Übergangsrechtslage entstanden sind. Sie sind sowohl rechtlich als auch faktisch nicht dazu geeignet, das dem Glücksspielstaatsvertrag und den Glücksspielgesetzen der Länder zugrunde liegende Ordnungskonzept in Frage zu stellen (so auch VGH Mannheim, U. v. 10.12.2009 – 6 S 1110/07 – juris, Rn. 60 ff.).

Schließlich steht der Konsistenz der derzeitigen Ausgestaltung des Wettmonopols nicht entgegen, dass das Land Schleswig-Holstein offenbar beabsichtigt, den Glücksspielstaatsvertrag mit Ablauf des Jahres 2011 in seiner derzeitigen Fassung nicht zu verlängern. Das ändert nichts daran, dass gegenwärtig ein schlüssiges Ordnungskonzept verfolgt wird.

Nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann zugleich davon ausgegangen werden, dass das staatliche Wettmonopol mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist. Zwischen den verschiedenen Segmenten des Glücksspielmarktes bestehen sachliche Unterschiede, die unterschiedliche rechtliche Regelungen rechtfertigen. Dies gilt auch in Bezug auf den speziellen Sektor der Pferdewetten. Besonders gelagerte Verhältnisse bestehen, wie dargelegt, auch hinsichtlich der nach dem Gewerberecht der DDR erteilten Buchmachererlaubnisse.

4.
Dem Oberverwaltungsgericht scheint es weiterhin überwiegend wahrscheinlich, dass das staatliche Wettmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht gegen Unionsrecht verstößt.

4.1.
Beschränkungen, die Wettunternehmen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat den Zugang zu einem nationalen Glücksspielmarkt verwehren, berühren in jedem Fall die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV (Art. 49 EGV). Der Glücksspielsektor ist gegenwärtig im Unionsrecht nicht harmonisiert. Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, Seite 36) schließt in Art. 2 Abs. 2 Glücksspiele ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Das hat unter anderem zur Folge, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, die einem Wettunternehmen in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Glücksspielerlaubnis für ihr Hoheitsgebiet anzuerkennen. Wegen des fehlenden Sekundärrechts hat der Gerichtshof der Europäischen Union als Maßstab zur Überprüfung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Glücksspiel- und Wettrechts auf das Primärrecht zurückgegriffen.

4.2.
Der Gerichtshof hat anerkannt, dass solche Beschränkungen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zulässig sein können. Er hat in diesem Zusammenhang den Verbraucherschutz und die Betrugsvorbeugung, aber auch die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für die Spiele sowie die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen als legitime Ziele, die derartige Beschränkungen rechtfertigen können, genannt (st. Rspr., vgl. zuletzt U. v. 08.09.2009, Liga Portugesa, C-42/07, Rn. 56 m. w. N.).

Er hat weiter hervorgehoben, dass die ergriffenen Maßnahmen im Hinblick auf das jeweils verfolgte Ziel verhältnismäßig, d. h. geeignet und erforderlich sein müssen. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof insbesondere die Forderung nach einer Kohärenz und Systematik der jeweiligen Beschränkung erhoben. Das bedeutet, dass mit der betreffenden Beschränkung auch tatsächlich das geltend gemachte Ziel verfolgt werden muss und dies nicht etwa vorgeschoben wird, um in Wahrheit fiskalische Interessen durchzusetzen. So hat der Gerichtshof wiederholt die Praxis von Mitgliedstaaten beanstandet, die die nationalen Beschränkungen damit begründet hatten, die Glücksspiel- und Wettsucht bekämpfen und die Wettleidenschaft begrenzen zu wollen, tatsächlich aber selbst eine expansive Politik in diesem Bereich betrieben haben, um damit die Staatseinnahmen zu erhöhen (U. v. 06.11.2003, Gambelli, C-243/01, Rn. 69; U. v. 06.03.2007, Placanica, C-2338/04 u. a., Rn. 54; zur Kohärenzforderung vgl. auch U. v. 10.03.2009, Hartlauer, C-169/07, Rn. 55). Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.03.2006 ausdrücklich auf diese Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen.

Im Übrigen hat der Gerichtshof aber anerkannt, dass die Regelung der Glücksspiele und Wetten zu dem Bereich gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung des betreffenden Gebiets sei es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesem Bereich in Einklang mit der eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (st. Rspr., vgl. zuletzt U. v. 08.09.2009, Liga Portugesa, C-42/07, Rn. 57 m. w. N.). Das kann auch die Bildung eines staatlichen Monopols beinhalten, das die Veranstaltung, Vermittlung und Bewerbung von Glücksspielen und Wetten durch private Unternehmer ausschließt (vgl. EuGH, U. v. 21.09.1999, Läärä, C-124/97, Rn. 37).

Nach diesem Maßstab kann kein Zweifel daran bestehen, dass das staatliche Wettmonopol in der Ausgestaltung, die es durch den Glücksspielstaatsvertrag und das Bremische Glücksspielgesetz gefunden hat, eine verhältnismäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt. Mit dem Monopol wird ein legitimes, unionsrechtlich anerkanntes Ziel verfolgt, nämlich die Bekämpfung der Wettsucht und die Begrenzung der Wettleidenschaft. Im Hinblick auf die Gefahrenprognose und die Bestimmung des Schutzniveaus ergeben sich insoweit für den Gesetzgeber aus dem Unionsrecht keine anderen Anforderungen als aus dem nationalen Verfassungsrecht. Insbesondere kann dem Lindmann- Urteil des Gerichtshofs (U. v. 13.11.2003, C-42/02, Rn. 26) insoweit nichts Gegenteiliges entnommen werden.

Die Ausgestaltung des Wettmonopols ist – wie oben im Einzelnen ausgeführt – grundsätzlich kohärent und systematisch auf dieses Ziel hin ausgerichtet.

4.3.
Umstritten ist allerdings, ob die Kohärenzforderung sich auf die einzelnen Sektoren des Glücksspielund Wettmarktes oder auf diesen Markt im Ganzen bezieht. Diese Frage ist Gegenstand verschiedener Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (Vorlagebeschlüsse des VG Gießen vom 07.05.2007 und vom 03.09.2007 sowie des VG Stuttgart vom 24.07.2007, C-316/07 u. a.; Vorlagebeschluss des VG Schleswig vom 08.02.2008, C-46/08). Das Oberverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutige Hinweise darauf entnehmen lassen, dass es in dieser Hinsicht – nicht anders als nach nationalem Verfassungsrecht – auf die Kohärenz innerhalb des betreffenden Sektors ankommt.

Der Glücksspiel- und Wettmarkt stellt ein komplexes und differenziertes Wirtschaftsgeschehen dar, in dem spezifische nationale Überlieferungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung besitzen. Die einzelnen Sektoren dieses Marktes unterscheiden sich hinsichtlich ihres Gegenstandes, ihrer Regeln sowie der Einzelheiten ihrer Durchführung. In diesem Sinne hat der Gerichtshof im Hinblick auf die Kohärenz und Verhältnismäßigkeit jeweils auf die konkret in Rede stehende Beschränkung abgestellt (vgl. U. v. 24.03.1994, Schindler, C-275/92 – Rn. 51; U. v. 06.03.2007, Placanica, C 338/04 u. a., Rn. 49; U. v. 08.09.2009, Liga Portugesa, C-42/07, Rn. 69). Der Gedanke, die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ordnung des Glücksspiel- und Wettmarktes vor ein „alles oder nichts“ zu stellen, ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union fremd. Nur eine sektorale Betrachtungsweise wird im Übrigen auch dem Umstand gerecht, dass der Europäische Gerichtshof für die Mitgliedstaaten eine Einschätzungsprärogative anerkannt hat, die zum Schutz der Spieler und Sozialordnung erforderlichen Beschränkungen entsprechend ihrer eigenen Wertordnung zu bestimmen. Die Generalanwälte Mazák (Schlussantrag vom 23.02.2010 in der Rechtssache C-64/08, Rn. 90) und Mengozzi (Schlussantrag vom 04.03.2010 in der Rechtssache C-316/07 u. a., Rn. 72) haben jüngst zudem auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.07.2004 (C-262/02, KOM ./. Vereintes Königreich, Rn. 37) hingewiesen, die den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Schutz der Bevölkerung die Möglichkeit eines differenzierten Vorgehens zugesteht. Das Oberverwaltungsgericht teilt die rechtliche Einschätzung der genannten Generalanwälte, dass die betreffenden Beschränkungen jeweils einer auf den spezifischen Sektor des Glückspiel- und Wettmarktes bezogenen Überprüfung zu unterziehen sind, also eine sektorale Betrachtungsweise geboten ist. Das entspricht dem Standpunkt, der überwiegend auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten wird (vgl. etwa BayVGH, U. v. 18.12.2008 – 10 BV 07.558 – juris, Rn. 109; OVG Hamburg, B. v. 27.02.2009 – 4 Bs 235/08 – juris, Rn. 26; VGH Mannheim, U. v. 10.12.2009 – 6 S 1110/07 – juris, Rn. 58; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 12.01.2010 – 1 S 55.09 – juris, Rn. 20 ff.).

Das Oberverwaltungsgericht hält es nach Vorstehendem nicht für erforderlich, mit Rücksicht auf die noch ausstehende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in den genannten Vorabentscheidungsverfahren im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO – losgelöst von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens – in eine allgemeine Interessenabwägung einzutreten. Dass die Antragstellerin mit dem von ihr eingenommenen Standpunkt durchdringen wird, wonach die sie treffende Beschränkung unionsrechtlich nur zulässig sei, wenn nicht nur im Bereich der Sportwetten, sondern in allen übrigen Bereichen des Glücksspiel- und Wettmarktes ebenfalls solche Beschränkungen gelten würden, erscheint wenig wahrscheinlich. Sofern der Gerichtshof gleichwohl, ungeachtet der vorstehenden Erwägungen, den Standpunkt der Antragstellerin im Ergebnis teilen sollte, bleibt es ihr unbenommen, einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen.

5.
Besondere Umstände, die bei der Antragstellerin die berechtigte Erwartung hervorrufen durften, sie werde für die Dauer des Hauptsacheverfahrens das unerlaubte Vermittlungsgeschäft weiter ausüben können, sind ersichtlich nicht gegeben.

II.
Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung überwiegt ebenfalls das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Dabei lässt das Oberverwaltungsgericht es im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens dahinstehen, ob der Ausschluss des Vorverfahrens in § 21 BremGlüG sich auch auf die ergangene Zwangsgeldandrohung erstreckt. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Androhung bleibt hiervon unberührt. Im Übrigen weist das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.

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