Von Anwälten und Abofallen

09. September 2009
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Eigener Leitsatz

Vertritt ein Rechtsanwalt eine Firma, die unberechtigte Forderungen aus sogenannten Abofallen gegen Nutzer ihrer Webseite erhebt und weiß der Rechtsanwalt von der Unrechtmäßigkeit der Forderung, so macht er sich der Beihilfe zum versuchten Betrug schuldig. Darüber hinaus verursacht er einen Vermögensschaden bei den Nutzern, die ihrerseits kostenpflichtig einen Rechtsanwalt mit der Abwehr der Forderung beauftragen. Diesen Schaden hat er dann ebenfalls zu tragen.

Amtsgericht Karlsruhe

Urteil vom 12.08.2009

Az.: 9 C 93/09

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 46,41 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 24.10.2008 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Das Amtsgericht Karlsruhe ist gem. § 32 ZPO örtlich zuständig. Die Beklagte schuldet gem. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 263, 22, 27 StGB Schadensersatz in Höhe der der Beklagten entstandenen Anwaltskosten für die Abwehr eines geltend gemachten unberechtigten Anspruchs. Nach dem unbestrittenen Vortrag vertritt die beklagte Rechtsanwältin die Firma … in einer Vielzahl von Fällen. Ihr ist bekannt, dass die Firma … Homepages betreibt, unter anderem die Seite www…. Auf dieser Homepage wird innerhalb verschiedener Rubriken "Alles, was man für eine tolle Geburtstagsparty braucht" angeboten. In dem für Nutzer vorgesehenen Formular für die Anmeldung (As. 23) findet sich der Satz: "Bitte fülle für deine Anmeldung * alle Felder vollständig aus:". Wenn man die entsprechende Seite ganz nach unten scrollt, findet sich zu dem Sternchen der Hinweis: Um Missbrauch und wissentliche Falscheingaben zu vermeiden, wird Ihre IP-Adresse 85.190.xxx.xxx bei der Teilnahme gespeichert. Anhand dieser Adresse sind Sie über Ihren Provider: 85.190.xxx.xxx identifizierbar. Durch Betätigung des Button "Zum Geburtstags-Archiv" beauftrage ich … mich für den Zugang zum Geburtstags-Archiv freizuschalten sowie für das …-Gewinnspiel zu registrieren. Der einmalige Preis für einen Sechs-Monats-Zugang zu unserer Datenbank beträgt 59,95 Euro inkl. gesetzlicher Mehrwertsteuer. Vor diesem Hinweis befindet sich bereits der sogenannte Anmelde-Button. Die Klägerin hatte diesen Button gedrückt. Zwischen der Klägerin und der Firma … war dennoch kein Vertrag zustandegekommen, weil die Gestaltung der Onlineseite bewusst so erfolgte, dass ein durchschnittlicher Benutzer der Auffassung war, er fülle lediglich eine Anmeldung aus. Der Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit befand sich unter dem Anmelde-Button in dem oben genannten Absatz, dort jedoch am Ende. Die Seite ist ersichtlich darauf angelegt, Internetbenutzer zu täuschen über die Kostenpflichtigkeit des Angebotes. Unstreitig war der Beklagten bekannt, dass ihre Auftraggeberin … in einer Vielzahl von Fällen Ansprüche aus angeblich so zustandegekommenen Verträgen geltend macht. Ihr war die Gestaltung der Intemetseite bekannt. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hat sie in vergleichbaren Fällen nach Androhung negativer Feststellungsklagen mehrfach erklärt, die entsprechenden Rechnungen würden storniert. Dies zeigt, dass die Beklagte selbst davon ausging, dass die von ihr geltend gemachten Forderungen nicht existieren. Bei der Geltendmachung solcher Forderungen für Mandanten handelt es sich um die Beihilfe zu einem versuchten Betrug. Die Belastung der Klägerin mit Anwaltskosten, die durch die außergerichtliche Abwehr dieser Forderung entstanden sind, stellt einen adäquat kausal verursachten Schaden dar, den die Beklagte zu erstatten hat. Der der Klägerin unstreitig entstandene Schaden beläuft sich auf Euro 46,41, nämlich eine 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer aus einem Streitwert von bis zu Euro 300,00. Das Vorbringen der Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung bot keine Veranlassung, diese wieder zu eröffnen, § 296a ZPO. Die Zinsforderung ergibt sich aus Verzug. Nebenentscheidungen: §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

1 Kommentar

  1. RA T.Schultze, 8. Oktober 2009

    Endlich traut sich einmal ein Gericht denjenigen Dammen und Herren Kollegen Rechtsanwälte diejenigen Grenzen aufzuzeigen, von denen sich (zu)viele Internetnutzer wünschen, die Rechtsanwaltskammern würden dies tun.
    Es ist sehr schade, wenn Damen und Herren Kollegen durch ihr Handeln den ganzen Berufsstand bei (zu)vielen Internetnutzern in Verruf bringen.

    T.Schultze
    Rechtsanwalt

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