Du bist nicht von der Stange

01. Oktober 2012
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Eigener Leitsatz:

Der Wortfolge „Du bist nicht von der Stange…" fehlt als Marke jede Unterscheidungseignung und Unterscheidungskraft. Diese Redewendung bedeutet im übertragenen Sinn „etwas nicht allerweltsmäßiges, etwas besonderes und einmaliges zu haben oder zu sein und nicht wie massenhaft hergestellte Konfektionsware von der Kleiderstange“. Der Verbraucher versteht diese Wortfolge nur als anpreisende Werbeaussage dahingehend, dass es sich um besondere, geradezu einmalige Waren und Dienstleistungen handle und die Verbraucher, die so besondere Produkte erwerben oder solche einmaligen Angebote nutzen, ebenfalls einmalig und besonders seien.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 13.09.2012

Az.: 27 W (pat) 542/11

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 067 382.6
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch
den Vorsitzenden Richter …, den Richter … und die Richterin
… am 13. September 2012

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gr ü n d e

I.

Die Anmeldung der Wortmarke

Du bist nicht von der Stange.

vom 17. November 2010 für die Waren und Dienstleistungen

Klasse 25:
Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;

Klasse 35:
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeit;

Klasse 41:
Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten
hat die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für
Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts nach Beanstandung mit
Bescheid vom 29. Dezember 2010 mit Beschluss vom 10. Mai 2011 nach § 37
Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Die angemeldete Wortfolge
eigne sich nicht dazu, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, da ihr die erforderliche Unterscheidungskraft fehle.
Die für jedermann inhaltlich verständliche Aussage „Du bist nicht von der Stange.“ werde immer nur als Slogan und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden.
Die Wortzusammensetzung zeige, dass es um Waren und Dienstleistungen
gehe, die selbst nicht aus einer Serienfertigung stammten und es sich um Besonderes handle.
„Du bist nicht von der Stange.“ enthalte keinen zusätzlichen Aussagegehalt, der über diese allgemeine (gesellschaftliche oder auch persönliche) Aussage oder Stellungnahme hinausgehe. Dabei sei unerheblich, ob die damit bezeichneten Produkte oder der Angesprochene „Nicht von der Stange“, also „nicht als Massenware produziert“ würden bzw. er nicht der Käufer von Massenware sei. Es werde damit nur suggeriert, dass die darunter bezeichneten Waren und Dienstleistungen etwas Besonderes seien und sich vom üblichen Massengeschäft abhöben.
Dies stelle eine ganz allgemeine Aussage in einer Reihe mit den unterschiedlichsten Redewendungen oder Sprüchen dar und bedeute weiter nichts als eine (lockere) Mitteilung an die Umwelt. Ein fantasievoller Überschuss, der von der allgemeinen Aussage wegführe, sei auch durch die Personalisierung nicht zu erkennen.
Diese einfache Zweideutigkeit stelle dabei nur eine werbeübliche Unschärfe
der Aussage dar, die den potentiellen Käufer nur zum Schmunzeln anrege.
Das Publikum begegne derartigen Sprüchen lediglich als Ausdruck persönlicher
Gefühle, Empfindungen oder Lebenserfahrungen in vielfältiger Weise, wie sie insbesondere zur Beschriftung von Kopfbedeckungen, Bekleidungsstücken, T-Shirts, auf Schirmen, Taschen, Geschenk- und Souvenirartikel verwendet würden. Die angemeldete Wortfolge werde nur als eine von den vielen üblichen mehr oder weniger witzigen Sprüchen gesehen und nicht als betrieblicher Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen. Der Erwerb entsprechender Waren (mit diesem Aufdruck gleich an welcher Stelle) beruhe alleine auf dem jeweiligen Spruch und seiner Eignung, die Gefühle des Käufers zum Ausdruck zu bringen, und nicht auf einer irgendwie gearteten Vorstellung über die Herkunft der so gekennzeichneten Waren aus einem bestimmten Unternehmen.
Auch die Interpretationsvariante durch die Personalisierung entfalte ihrerseits keine schutzbegründende Wirkung für die Eintragung als Marke. Die inhaltliche Aussage „Du bist nicht von der Stange.“ weise in keinem Fall eine besondere Eigenart auf, sondern stelle nur eine allgemeine Aussage dar im Sinne von „dies ist keine Massenware“ bzw. auch „Du bist nicht der Käufer von Massenware“. Dieses sei weder ungewöhnlich noch phantasievoll. Dadurch eigne sich der Slogan auch nicht als ein Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen. Solche allgemeine Aussagen oder Botschaften (I am HipHop, Fuck the World, young and rich, You can win, Harmonie für die Sinne, …welch ein Wunder, man glaubt es kaum) seien regelmäßig nicht geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen, da das angesprochene Publikum, auch wenn es den Spruch wiedererkenne, damit keine betriebliche Hinweiswirkung verbinde. Vielmehr werde in der angemeldete Bezeichnung ein Slogan allgemeiner Art ohne schutzbedürftigen phantasievollen Gehalt gesehen. Die Funktion einer Marke sei mit dieser Aussage nicht erfüllt.

Der Beschluss ist der Anmelderin am 17. Mai 2011 zugestellt worden.

Mit ihrer Beschwerde vom 14. Juni 2011 wendet sie sich gegen die Wertungen in
dem angegriffenen Beschluss bzw. der vorausgegangenen Beanstandung der
Markenstelle und verfolgt ihren Eintragungsantrag weiter.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei Wortfolgen dürften keine strengeren Kriterien zur Anwendung kommen als bei Einzelwortmarken. Der angemeldete Slogan sei kurz, prägnant und originell. Er habe keine eindeutig beschreibende Aussage. Er sei vielmehr aufgrund der einfach gehaltenen Aussage besonders eingängig und rege wegen seiner Mehrdeutigkeit die Verbraucher zum Nachdenken an. Nach den zutreffenden Interpretationen der Markenstelle stehe fest, dass die angemeldete Wortfolge nicht nur einen produktbezogenen Inhalt, sondern zudem in einer zweiten personenbezogenen Variante ausschließlich Angaben zum Käufer oder seinem Kaufverhalten vermittle. Vordergründig liege der Kern der Aussage „Du bist nicht von der Stange" darin, dass gerade ein Mensch nicht von der
Stange und damit keine „Serienanfertigung" sei.

Hinzukomme, dass in der Aussage „Du bist nicht von der Stange." ein tieferer sozialkritischer Sinn liege, der sich erst bei genauerem Nachdenken erschließe. Gerade in Zeiten des Massenkonsums gehe damit die These einher, dass sich die Menschen optisch nicht mehr unterschieden und alle gleich aussähen. An dieser Konformität werde Kritik geübt. „Du bist nicht von der Stange." sei damit ein kurzes und prägnantes Plädoyer für Vielfalt.

Inhaltlich könne die Wortfolge auch dahingehend interpretiert werden, dass der Käufer das Kleidungsstück oder den Gegenstand mit „Du" anspreche und damit seine besondere Wertschätzung zum Ausdruck bringe. Der ironische und originelle Inhalt der Bezeichnung „Du bist nicht von der Stange." liege in diesem Zusammenhang auf der Hand, da eine Person typischerweise nicht mit einem Gegenstand sondern mit einer anderen Person per Du sei. Darin lägen allerdings keine Sachangaben, sondern dies beschreibe das Verhältnis zwischen dem Verbraucher und dem Gegenstand.
Zudem beschäftigte sich die Beschwerdeführerin unter den angemeldeten Waren
und Dienstleistungen mit so genannter „Plus Size Mode". Die angesprochenen
Verbraucher würden mit der angemeldeten Wortfolge daher sofort assoziieren,
dass die angesprochenen Personen keine so genannten „Bohnenstangen" seien.
Damit erhalte die in Rede stehende Ware für die Angesprochenen eine positive
Wertung mit Blick auf die Person und deren „Plus Size"- Konfektionsgröße. Damit erreiche die Wortfolge sogar einen erheblichen phantasievollen Überschuss.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 10. Mai 2011 aufzuheben.

II.

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und mit eingehender und zutreffender Begründung, der sich der Senat
zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Wortfolge „Du bist nicht von der Stange." die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt.
Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

1.

Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG). Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da der Anmelder keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt hat und der Senat diese auch nicht für erforderlich hält.

2.

Dem angemeldeten Zeichen fehlt in Bezug auf die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft, § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

a)

Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die Waren und
Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen, von denjenigen anderer zu unterscheiden sowie deren Ursprungsidentität zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR
2004, 1027, 1029 – Das Prinzip der Bequemlichkeit; BGH GRUR 2009, 949,
Rn. 28 – My World).

Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren
und Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf das beteiligte Publikum zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 – SAT.2).
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Wortfolge ist auf deren Gesamtheit abzustellen (BGH GRUR 2001, 162 – Rational Software Corporation).
Wortfolgen haben keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen
Verbraucher lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache bestehen, die, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien, stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH BlPMZ 2002, 85 – Individuelle).

b)

Ausgehend hiervon fehlt der Wortfolge „Du bist nicht von der Stange…" jegliche Unterscheidungseignung und Unterscheidungskraft, weil sie für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne weiteres erkennbar lediglich eine sachliche Aussage enthält und daher nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.
Das hier angesprochene allgemeine Publikum versteht die aus gebräuchlichen
Wörtern der deutschen Sprache bestehende Wortfolge als Aussage dahingehend,
dass es sich um etwas Besonderes, das nicht der Masse entspricht, handelt. Das vermittelt im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen Herkunftshinweis.
Die Redewendung „nicht von der Stange“ bedeutet im übertragenen Sinn „etwas
nicht allerweltsmäßiges, etwas besonderes und einmaliges zu haben oder zu sein und nicht wie massenhaft hergestellte Konfektionsware von der Kleiderstange“.
Dass es sich hierbei um eine in Deutschland geläufige Redewendung handelt,
belegen die von der Markenstelle ermittelten und schon dem Beanstandungsbescheid beigefügten Fundstellen.
Der Verbraucher wird die Wortfolge daher nur als anpreisende Werbeaussage
dahingehend verstehen, es handle sich um besondere, geradezu einmalige Waren
und Dienstleistungen und die Verbraucher, die so besondere Produkte erwerben
oder solche einmaligen Angebote nutzen, seien ebenfalls einmalig und besonders und nicht wie alle anderen, sondern könnten sich aus der Masse herausheben.

Dies gilt auch, soweit die Anmelderin in der Wortfolge nicht nur eine sach- sondern auch eine personenbezogene Aussage und damit verbunden eine Mehrdeutigkeit des Slogans sieht.
Die angesprochenen Verbraucher erwarten hier durchaus, dass sie sich gemeint
fühlen dürfen, und zu denen gehören, die „nicht von der Stange“ sind, und dass sie damit für die so angebotenen Waren und Dienstleistungen prädestiniert sind, oder dass sie diejenigen sind, die Waren kaufen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die etwas Besonderes sind.
Dazu bedarf es für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Endverbraucher auch keiner gedanklichen Auseinandersetzung. Die
Wortfolge ist insoweit ohne weiteres aus sich heraus anpreisend verständlich.

Dass „Du bist nicht von der Stange.“ sowohl sach- als auch personenbezogen
verstanden werden kann, macht die Wortfolge entgegen der Ansicht der Anmelderin auch nicht eintragungsfähig; denn auch verschiedene gleichwertige Bedeutungen einer Marke sprechen nicht für deren Unterscheidungskraft, wenn sich in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen alle Deutungsmöglichkeiten als sachbezogen oder sonst als zur Erfüllung der Herkunftsfunktion als ungeeignet
erweisen (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; GRUR 2004, 778,
779 – URLAUB DIREKT), was in Bezug auf die angemeldete Wortfolge bei beiden
vorgenannten Verständnismöglichkeiten der Fall ist.

3.

Ob an der angemeldeten Wortfolge darüber hinaus auch ein Freihaltungsbedürfnis
besteht, so dass „Du bist nicht von der Stange.“ auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstünde, kann demnach dahingestellt bleiben.

4.

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein
Anlass.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 574
ZPO) sieht der Senat keinen Anlass. Der Fall wirft keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Senate oder Gerichte ab. Die Entscheidung erschöpft sich vielmehr in einer einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.

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