Kein Schadensersatzanspruch von „bwin“ gegen Stadt Bremen
Oberlandesgericht Bremen
Urteil vom 13.2.2013
Az.: 1 U 6/08
In dem Rechtsstreit
bwin e.K.
gegen
Stadtgemeinde Bremen
hat der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2012 für Recht erkannt:
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 27.12.2007 – 1 O 2375/06 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das vorgenannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen nach ihrer Ansicht rechtswidriger Untersagungsverfügungen der Beklagten gegenüber werblichen Aktivitäten des Fußballbundesligavereins Werder Bremen (im Folgenden: SV Werder) und der DSM Sport Werbung GmbH (im Folgenden: DSM).
Die Klägerin ist ein einzelkaufmännisches Unternehmen (früher betandwin e.K.) des Herrn Dr. P. mit Sitz in Sachsen. An der Klägerin ist die b. AG mit Sitz in Österreich mit 50 % als atypisch stille Gesellschafterin beteiligt. Die Firma b. Ltd. mit Sitz in Gibraltar ist eine 100%-ige Tochter der b. AG in Österreich. Die Klägerin nahm über die Internetseite www.bwin.de Sportwetten an und vermittelte die Spieler aus Deutschland an die b. Ltd., die mit den Spielern Verträge über Sportwetten schloss. Hierfür erhielt die Klägerin eine Provision.
Der Inhaber der Klägerin verfügt seit 1990 über eine Gewerbeerlaubnis nach dem damaligen Gewerberecht der DDR des Kreises Löbau (Sachsen), die die „Eröffnung eines Wettbüros für Sportwetten“ umfasst.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung vom 28.03.2006 zum bayerischen Staatslotteriegesetz (1 BvR 1054/01) verkündet hatte, schloss die Klägerin mit dem SV Werder einen Sponsorenvertrag für die Saison 2006/2007 bis 2008/2009, beginnend am 01.07.2006. Gemäß § 4 des Vertrages musste die Klägerin an den SV Werder pro Vertragsjahr 4.925.000 € netto in vier gleichen Raten zahlen sowie eine Erfolgsprämie. Als Gegenleistung erhielt die Klägerin das exklusive Recht auf Verwendung der Bezeichnung „Offizieller Hauptsponsor des SV Werder“ sowie umfangreiche Sponsorenrechte, insbesondere das Recht der Trikotwerbung. In § 8 des Vertrages haben die Klägerin und der SV Werder geregelt, dass in dem Fall, dass der SV Werder aufgrund behördlicher und/oder gerichtlicher Maßnahmen die geschuldeten Werbemaßnahmen zur Gänze oder teilweise nicht durchführen kann, der SV Werder – wie geschehen – die geschuldeten Leistungen suspendieren darf, die Zahlungspflicht der Klägerin jedoch bestehen bleibt. Die Klägerin hat in diesem Fall das Recht, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn dem SV Werder (und/oder bwin) die vertraglich eschuldeten Werbemaßnahmen gerichtlich oder behördlich rechtskräftig untersagt werden. Die Zahlungspflicht bleibt jedoch auch in diesem Fall noch 16 Monate bestehen, wenn nicht vorher ein neuer Hauptsponsor zu den gleichen Konditionen gefunden wird.
Mit der DSM schloss die Klägerin zwei Werbeverträge beginnend am 01.07.2006 für zunächst drei Jahre. Als Gegenleistung für die Werbemaßnahmen hatte die Klägerin jährlich insgesamt 1.150.000 € netto zu zahlen.
Ferner haben sich der SV Werder und DSM gegenüber der Klägerin verpflichtet, gegen die behördlichen Maßnahmen jedes zulässige Rechtsmittel einzulegen. Die Kosten dieser Rechtsverfolgung hatte die Klägerin zu tragen.
Mit Verfügung vom 07.07.2006 untersagte das Stadtamt Bremen dem SV Werder und der DSM, in der Stadtgemeinde Bremen für Sportwetten oder andere öffentliche Glücksspiele zu werben (z.B. in Form von Trikot- oder Bandenwerbung oder auf ihrer Homepage im Internet), die ohne Genehmigung der in der Freien Hansestadt Bremen zuständigen Behörden im Land Bremen veranstaltet oder vermittelt werden. Dies gelte nsbesondere für Werbung für Sportwetten des Unternehmens betandwin e.K. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld von 50.000 €, ersatzweise Haft, angedroht. Ferner wurde die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Gestützt wurden die Verfügungen auf § 12 Abs. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (LottStV), hilfsweise auf § 10 Abs. 1 BremPolG i.V.m. § 284 StGB. Zur Begründung wird ausgeführt, betandwin e.K. verfüge über keine in der Freien Hansestadt Bremen gültige Erlaubnis zur Veranstaltung oder Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen. Das staatliche Glücksspielmonopol verstoße weder gegen Europarecht noch gegen deutsches Verfassungsrecht. Die Einhaltung der Vorgaben des Bundes-verfassungsgerichtsurteils vom 28.03.2006 werde vom Senator für Inneres und Sport überwacht; so seien beispielsweise auch gegenüber der Bremer Toto und Lotto GmbH Beschränkungen verfügt worden. Betandwin e.K. könne sich nicht auf eine im Jahr 1990 in der ehemaligen DDR erteilte Genehmigung berufen. Sofern diese überhaupt noch wirksam sei, könne sie keine Wirkung auf dem Gebiet der Stadtgemeinde Bremen entfalten. Die Untersagung der Werbung für betandwin e.K. sei notwendig, geeignet und erforderlich, um rechtswidriges Handeln zu unterbinden und die damit einhergehenden Gefahren zu verhindern. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, da besondere und konkrete Gefahren für das Allgemeinwohl, wie Spielsucht und Vermögensverlust, drohten, die es umgehend abzuwehren gelte.
Gegen diese Verfügung legten der SV Werder und DSM Widerspruch ein. Ferner beantragten sie beim Verwaltungsgericht Bremen, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche wiederherzustellen. Mit Beschlüssen vom 24.07.2006 stellte das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche wieder her. Gegen diese Beschlüsse legte das Stadtamt Beschwerde ein. Gemäß Beschluss vom 03.08.2006 lud das Oberverwaltungsgericht Bremen die Klägerin zum Verfahren bei. Mit Beschlüssen vom 07.09.2006 hob das Oberverwaltungsgericht Bremen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Bremen auf, wodurch die Untersagungsverfügungen wieder sofort vollziehbar waren. In dem von SV Werder angestrengten Hauptsachverfahren vor dem Verwaltungsgericht lehnte dieses durch Beschluss vom 03.05.2007 (Az.: 5 V 796/07) einen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gestellten Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 07.09.2006 ab. Die Anfechtungsklage in der Hauptsache nahm der SV Werder Anfang September 2011 zurück. Das Verwaltungsgericht Bremen stellte durch Beschluss vom 07.09.2011 das Hauptsacheverfahren ein.
Am 20.10.2006 kündigte die Klägerin die Verträge mit dem SV Werder und der DSM. Der SV Werder akzeptierte die Kündigung als vertragsgerecht. Zur Beilegung des Streits mit der DSM schloss die Klägerin einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 31.12.2006 gegen Zahlung einer Abfindungssumme i.H.v. 357.716,50 €. Zum 01.07.2007 fand der SV Werder mit der Citybank einen neuen Hauptsponsor.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 07.12.2006 am 08.12.2006 Klage vor dem Landgericht Bremen erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, das deutsche Glücksspielmonopol widerspreche dem EU-Recht. Es sei insbesondere mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit aus Art. 43 und 45 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – EGV (heute: Art. 49 und 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) nicht vereinbar. Die Behörden der Beklagten hätten es unterlassen, aus den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts, des Europäischen Gerichtshofs, zahlreicher weiterer nationaler Gerichte, des Bundeskartellamtes und der europäischen Kommissionen die gebotenen Konsequenzen zu ziehen, nämlich die EU-widrigen monopolistischen Bestimmungen unangewendet zu lassen.
Die Behörden der Beklagten hätten ferner nicht beachtet, dass die Klägerin als Vermittlerin von Sportwetten keine zusätzliche Erlaubnis benötige, da sie die Wetten an einen konzessionierten EU-Veranstalter vermittle. Die Vermittlung von Glücksspielen falle nicht unter § 284 StGB, so dass die Verbotsverfügung bereits insoweit fehlerhaft sei. Im Übrigen setze § 284 StGB keine deutsche Erlaubnis voraus. Die Vorschrift scheide im Übrigen als Rechtsgrundlage aus, da sie nicht ausreichend bestimmt sei. Auch § 12 Abs. 1 Lotteriestaatsvertrag (LottStV) könne nicht als Rechtsgrundlage dienen, da ein Vertrag nicht die Dienstleistungsfreiheit oder Art. 12 GG beschränken könne. Schließlich scheide § 10 BremPolG aus, da bereits keine strafbare Handlung vorliege.
Durch die Verbotsverfügung habe die Beklagte sich gegenüber der Klägerin schadensersatzpflichtig gemacht. Ihr Schaden bestehe zum einen darin, dass sie verpflichtet gewesen sei, an den SV Werder und DSM Zahlungen zu leisten, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Ferner habe sie unnütze Kosten für Merchandising- und Marketingartikel aufgewandt. Schließlich könne sie auch die Prozesskosten als Schaden verlangen. Da in Zukunft noch weitere Schäden, insbesondere durch die weitere Zahlungsverpflichtung an die Vertragspartner und weitere Prozesskosten entstünden, bestehe insoweit auch ein Feststellungsanspruch.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.908.039,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.987.820,71 € seit dem 31.01.2007 und auf weitere 2.920.218,50 € seit dem 05.12.2007 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr durch die gegen den SV Werder Bremen und gegen die Werder Bremen GmbH & Co. KG sowie gegen die Deutsche Städte Medien GmbH gerichteten für sofort vollziehbar erklärten Untersagungsverfügungen vom 07. Juli 2006 entstehen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vor dem Landgericht die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, da sie ihr gegenüber keinen Verwaltungsakt erlassen habe und sie daher als Vermittlerin der Wetten keinen Schaden durch das Verbot erleide, sondern allenfalls die Firma b. Ltd., die die Sportwetten veranstalte. Da die Beklagte die Verbotsverfügungen weder gegenüber dem SV Werder noch gegenüber DSM vollstreckt habe, sei sie nicht passiv legitimiert.
Im Übrigen lägen die Voraussetzungen eines europarechtlichen Staatshaftungsanspruchs nicht vor, da es an einer hinreichend qualifizierten Verletzung des Gemeinschaftsrechts fehle. Das deutsche Sportwettenmonopol sei mit dem Europarecht vereinbar. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof billige den Mitgliedsstaaten die freie Regulierung des Sportwettenrechts zu und halte das Sportwettenmonopol in Deutschland für gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die sog. DDR-Genehmigung im Bundesland Bremen keine Gültigkeit besitze. Dies werde sowohl in der zivilrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechend beurteilt. Das Stadtamt habe dieser Rechtsprechung vertrauen und die Verfügung auch auf § 284 StGB stützen dürfen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die Firma b. Ltd. berechtigt sei, legal Sportwetten in ganz Europa, unter Einschluss des Territoriums von Gibraltar, zu veranstalten und zu bewerben. Einen kausalen Schaden habe die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.12.2007 abgewiesen.
Zur Begründung führte es aus:
Der Beklagten könne im Hinblick auf die Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs kein Verschulden zur Last gelegt werden. Der zuständige Mitarbeiter des Stadtamtes habe nach sorgfältiger Prüfung auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01 – NJW 2006, 1261) trotz der festgestellten Unvereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG die Notwendigkeit einer Unterbindung der werbenden Tätigkeit der Klägerin als rechtlich vertretbar ansehen dürfen. Denn das Bundesverfassungsgericht habe mit seiner Entscheidung ebenfalls ausgesprochen, dass das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden dürften. Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber zur Beseitigung des Verfassungsverstoßes eine Frist bis zum 31.12.2007 gewährt, während der die bisherige Rechtslage mit der Maßgabe anwendbar bleibe, dass der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits herzustellen habe. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass das Bundesverfassungsgericht das bremische Wettmonopol nicht anders bewerten werde und daher auch ordnungsrechtliche Verfügungen – jedenfalls für einen Übergangszeitraum – weiterhin zulasse.
Die Beklagte habe auch zu Recht davon ausgehen dürfen, dass die b. Ltd., für deren Tätigkeit geworben worden sei, ohne Erlaubnis gehandelt habe. Diese habe unstreitig keine bremische Erlaubnis gehabt und sich auch nicht auf eine möglicherweise in Gibraltar bestehende Erlaubnis stützen können. Eine derartige Einschätzung habe im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Bremen, Urteil vom 11.11.2004, Az.: 2 U 39/04, S. 14 ff.) gestanden.
Hinsichtlich der Ungültigkeit der DDR-Erlaubnis habe sich das Stadtamt wiederum zutreffend auf höchstrichterliche Rechtsprechung beziehen können (BVerwG, NVwZ 2006, 1175 ff.).
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung habe – ebenfalls im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – auf einer sorgfältigen Abwägung beruht.
Auch ein europarechtlicher Staatshaftungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte sei nicht gegeben, weil kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliege. Die Beklagte habe die Grenzen ihres Ermessens nicht offenkundig und erheblich überschritten, weil sie sich an die Vorgaben des höchsten nationalen Gerichts gehalten habe. Außerdem habe auch der Europäische Gerichtshof den Mitgliedstaaten einen Handlungsspielraum hinsichtlich der Regulierung von Wetten eingeräumt bis hin zur Errichtung von Wettmonopolen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 25.01.2008, bei Gericht eingegangen am 28.01.2008, gegen das ihr am 02.01.2008 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 31.03.2008, nachdem ihr eine entsprechende Fristverlängerung gewährt worden war.
In ihrer Berufungsbegründung wiederholt und vertieft die Klägerin ihre Ausführungen aus der 1. Instanz. Sie trägt vor:
Es gebe schon keine Rechtsgrundlage für die die Werbung für das Wettangebot der Klägerin betreffenden Untersagungsverfügungen.
Die Rechtsansicht, das Bundesverfassungsgericht habe „im Grundsatz“ das staatliche Sportwettenmonopol jedenfalls für eine Übergangszeit (auch für Bremen) toleriert, sei – jedenfalls im Hinblick auf die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts – nicht vertretbar. Das Landgericht habe das Merkmal des qualifizierten Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht falsch ausgelegt. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof hätten sich hinreichend deutlich zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit geäußert. Soweit das Stadtamt der Beklagten Äußerungen nationaler Gerichte dahingehend verstanden habe, dass die Werbung für die Klägerin verboten werden dürfe, sei dies unerheblich, weil kein nationales Gericht den Vorrang des Gemeinschaftsrechts außer Kraft setzen könne. Dies hätten die handelnden Amtsträger im Übrigen auch gewusst. Jedenfalls sei keine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung der Rechtslage vorgenommen worden.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.10.2012 (Az. III ZR 197/11, NJW 2013, 168) sei auf die Situation in Bremen nicht übertragbar. Anders, als es der Bundesgerichtshof für Bayern (zu Unrecht) attestiert habe, seien in Bremen die Kohärenzkriterien in der staatlichen Praxis bis heute nicht „zügig und vollständig“ umgesetzt worden. Überdies habe die durch das Bundesverfassungsgericht den bayerischen Behörden befristet eingeräumte Weitergeltungsermächtigung für das bayerische Staatslotteriegesetz außerhalb Bayerns keine Wirkung. Zudem könne die Fortgeltungsanordnung nur im Hinblick auf das Verfassungsrecht, nicht aber in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht Relevanz haben. Darüber hinaus blieben die Anforderungen in Bremen hinter den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs an die Kohärenz zurück. Danach sei eine Beschränkung des Wettangebots nur zulässig, wenn die Mitgliedstaaten nicht selbst zum Glücksspiel ermunterten, genau dies geschehe aber. Das Gemeinschaftsrecht verlange ein Vollmaß an Konsistenz im tatsächlichen Bereich und nicht den „Beginn der Herstellung eines Mindestmaßes an Konsistenz“.
Es hätte ohnehin gesetzlicher Vorkehrungen bedurft, um die staatlichen Anbieter von Glücksspielen zu einer kohärenten und systematischen Begrenzung der angebotenen Spiele anzuhalten.
Das Stadtamt habe jedenfalls nicht den Sofortvollzug anordnen dürfen, weil erhebliche Zweifel an der Konformität mit dem EU-Vertrag bestanden hätten und keine zügige und vollständige Umsetzung der Kohärenzkriterien erfolgt sei.
Das Landgericht habe die legalisierende Wirkung der DDR-Erlaubnis zu Unrecht verneint.
Die von dem erstinstanzlichen Gericht herangezogene Entscheidung des Bun9 desverwaltungsgerichts habe eine ganz andere Fallkonstellation zum Gegenstand gehabt. Die der Klägerin erteilte Erlaubnis sei wirksam.
Schließlich habe die Zivilkammer den verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch aus §§ 56 und 57 BremPolG übergangen.
Die Klägerin beantragt,
das am 27.12.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Bremen, Az.: 1 O 2375/06, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.920.039,21 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.987.820,71 € seit dem 31.01.2007 sowie auf den weiteren Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts und trägt vor:
Die Klage richte sich im Ergebnis gegen vermeintlich judikatives Unrecht in Gestalt des OVG-Beschlusses vom 07.09.2006. Daher sei die Beklagte gar nicht passivlegitimiert. Die Passivlegitimation fehle auch deshalb, weil das Stadtamt aufgrund einer Weisung des Landes Bremen tätig geworden sei.
Die Beklagte habe aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 vom Fortbestand des staatlichen Wettenmonopols ausgehen dürfen. Es bestünden Zweifel an der richterrechtlichen Herleitung des EUStaatshaftungsrechts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerin vom 31.03.2008 (Bl. 375 ff.), 10.06.2009 (Bl. 691 ff.), 18.11.2011 (Bl. 802 ff.), 28.11.2011 (Bl. 919 ff.), 15.10.2012 (Bl. 962 ff.), 20.11.2012 (Bl. 997 ff.), 22.10.2012 (Bl. 1045 ff.), 13.12.2012 (Bl. 1072 ff.), 03.01.2013 (Bl. 1135 ff.), 10.01.2013 (Bl. 1141 ff.), 14.01.2013 (Bl. 1191 ff.), 28.01.2013 (Bl. 1216 ff.) und 04.01.2013 (Bl. 1258 ff.) sowie der Beklagten vom 09.06.2008 (Bl. 521 ff.), 29.01.2009 (Bl. 660 f.), 21.11.2011 (Bl. 851a ff.), 16.08.2012 (Bl. 955 f.), 21.11.2012 (Bl. 1037 ff.), 27.11.2012 (Bl. 1057 ff.) und 11.01.2013 (Bl. 1172 ff.) und 31.01.2013 (Bl. 1238 ff.) Bezug genommen.
II.
Die statthafte (§ 511 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bremen hat in dem angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht.
1.
Der Klägerin steht ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch nicht zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten bestrittene Aktiv- und Passivlegitimation gegeben ist, da die Voraussetzungen eines qualifizierten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht nicht vorliegen.
a) Allerdings stellte das Handeln des Stadtamtes einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar.
aa) Das Stadtamt hat die Untersagungsverfügungen vom 07.07.2006 in der Hauptsache auf § 12 Abs. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (Staatsvertrag vom 18.12.2003, in Kraft ab 01.07.2004, BremGBl. 2004, S. 294 – LottStV) i.V.m. dem Bremischem Zustimmungsgesetz (Gesetz vom 15.06.2004, BremGBl. 2004, S. 291) gestützt. Nach § 12 Abs. 1 LottStV können die Länder die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür treffen. Diese Ermächtigungsgrundlage deckt – entgegen der Ansicht der Klägerin – schon hrem Wortlaut nach die die Werbung für das Wettangebot der Klägerin betreffenden Untersagungsverfügungen an den SV Werder und DSM.
Der Einwand der Klägerin, § 12 Abs. 1 LottStV könne keine Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in die Rechte der Klägerin sein, da es sich lediglich um einen Staatsvertrag und nicht um ein Gesetz handele, greift nicht durch. Durch das Bremische Zustimmungsgesetz sind die Regelungen des Staatsvertrages zu Landesrecht und damit auch für die Klägerin verbindlich geworden (vgl. P. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 5, 3. Auflage, 2007, § 99, Rn. 190). Dementsprechend hat auch das OVG Bremen keine Bedenken gegen die Anwendung des § 12 LottStV als Rechtsgrundlage gehabt (Beschluss vom 07.09.2006, Az.: 1 B 273/06). Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 18.10.2012 ebenfalls keine Bedenken daran geäußert, dass die Vorschriften aus dem LottStV als Eingriffsgrundlagen dienen können (BGH, NJW 2103, 168).
bb) Das den Untersagungsverfügungen zugrunde liegende Sportwettenmonopol war allerdings objektiv mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Aufgrund der Entscheidungen des Europäisches Gerichtshofs vom 08.09.2010 (NVwZ 2010, 1422 – Carmen Media; NVwZ 2010, 1409 – Stoß u.a.; NVwZ 2010, 1419 – Winner Wetten) steht fest, dass das seinerzeit in Deutschland geltende Glücksspielmonopol einschließlich des Verbotes, hierfür zu werben, dem Gemeinschaftsrecht widersprach, insbesondere mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit aus Art. 43 und 49 EGV (jetzt Art. 49 und 56 AEUV) nicht vereinbar war (vgl. auch BGH, NJW 2013, 168; OVG Münster, Urteil vom 29.09.2011, Az.: 4 A 17/08). Damit war auch das bremische Sportwettenmonopol wegen des Vorrangs des Unionsrechts bereits zur Zeit der Untersagungsverfügungen unanwendbar. Der Europäische Gerichtshof hat zudem ausgesprochen, dass eine vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Übergangsfrist für die Herstellung verfassungskonformer Verhältnisse im Angesicht einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts keine aufschiebende Wirkung hatte (EuGH, NVwZ 2010, 1419, 1421 f. – Winner Wetten).
b) Diese Verletzung von Gemeinschaftsrecht begründet aber keinen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte, weil kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen europäisches Recht gegeben ist. Nicht jeder Verstoß gegen Unionsrecht begründet bereits den Entschädigungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nur dann hinreichend qualifiziert, wenn der betreffende Mitgliedstaat bzw. dessen handelndes Organ bei der Wahrnehmung seiner Rechtsetzungsbefugnisse die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 05.03.1996 „Brasserie du Pêcheur“, NJW 1996, 1267 ff, 1270; BGH, NJW 2013, 168 m.w.N.). Zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten gehören insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des Ermessensspielraums, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden vorsätzlich begangen bzw. zugefügt wurde oder nicht, die Frage, ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist oder nicht, und die Frage, ob möglicherweise das Verhalten eines Gemeinschaftsorgans dazu beigetragen hat, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise eingeführt oder aufrecht erhalten wurden (EuGH, Urteil vom 05.03.1996 „Brasserie du Pêcheur“, aaO; BGH, aaO, 169; vgl. auch Staudinger-Wurm, BGB, Neubarb. 2007, § 839, Rn 534-536 m.w.N.).
Die vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätze zur Haftung eines Mitgliedstaats für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht gelten dabei für alle Staatsge12 walten unabhängig davon, ob der schadensverursachende Verstoß dem Gesetzgeber, den Gerichten oder der Verwaltung des Mitgliedsstaats anzulasten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 30.09.2003, Rs. C-224/01 – Köbler, Slg. 2003, I-10290, Rn. 31 f.).
Ob unter Berücksichtigung dieser Kriterien ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist, haben die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, insbesondere anhand der vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Leitlinien, zu beurteilen (vgl. BGH, aaO).
aa) Dass die Beklagte offenkundig gegen eine gefestigte einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes verstoßen hat, lässt sich nicht feststellen.
Die Grenzen der Zulässigkeit des deutschen Sportwettenmonopols waren durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bis zu den genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 nicht in dem Maße geklärt, dass die Untersagungsverfügungen durch die Beklagte als offenkundige Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht einzustufen sind (vgl. BGH, NJW 2013, 168, 169; OLG Köln, Urteil vom 03.05.2012, Az.: 7 U 194/11 – zitiert nach juris).
Der Europäische Gerichtshof hatte zuvor in ständiger Rechtsprechung den Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet der Spiele und Wetten einen gewissen Handlungsspielraum hinsichtlich der Regulierung bis hin zur Rechtmäßigkeit von Wettmonopolen eingeräumt (vgl. EuGH, EuZW 2000, 151 – Zenatti; EuZW 2000, 148 – Läärä, und NJW 1994, 2013 – Schindler). Auch in der Entscheidung in der Rechtssache C-243/01 („Gambelli“) vom 06.11.2003 (NJW 2004, 139 ff.) hat der Europäische Gerichtshof zwar zunächst ausgeführt, dass eine nationale Regelung, die – strafbewehrte – Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere Sportwetten, enthalte, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 und 49 EGV darstelle, wenn der betreffende Mitgliedsstaat keine Konzession oder Genehmigung erteile. Er hat jedoch auch ausgesprochen, dass es die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlichen und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, rechtfertigen können, dass die staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (EuGH aaO). Der Europäische Gerichtshof hat ferner betont, dass so restriktive Maßnahmen wie die Schaffung eines Monopols, sich nur im Blick auf die Gewährleistung eines besonders hohen Verbraucherschutzniveaus rechtfertigen lassen. Die Reglementierungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt seien, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, müssten auch ge13 eignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie „kohärent“ und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitrügen (Europäische Gerichtshof aaO).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung konnte das handelnde Stadtamt, das in seiner Begründung in den Untersagungsverfügungen auch die europarechtliche Dimension berücksichtigt hat, insbesondere unter Heranziehung der „Gambelli- Entscheidung“, zu dem Schluss kommen, dass die Untersagungsverfügungen nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstießen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs waren jedenfalls keine klaren und eindeutigen Regelungen dafür zu entnehmen, nach welchen Kriterien ein gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßendes staatliches Wettmonopol ausgerichtet sein musste, um in kohärenter Weise der dem Allgemeinwohl dienenden Zielsetzung der Bekämpfung der Spielsucht nachzukommen (vgl. BGH, NJW 2013, 168, 169 f.; OLG München, Urteil vom 15.07.2011, Az.: 1 U 392/11 – zitiert nach juris; OLG Köln, Urteil vom 03.05.2012, Az.: 7 U 194/11 – zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.2012, Az.: 11 U 88/11 – nicht veröffentlicht).
bb) Ein Rechtsirrtum des Stadtamtes ist auch aus anderen Gründen entschuldbar. Für die Beurteilung, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, darf auch berücksichtigt werden, wie die nationalen Gerichte das Gemeinschaftsrecht im Rahmen von Gerichtsverfahren ausgelegt haben, die von durch die beanstandeten Regelungen Betroffenen anhängig gemacht worden sind (vgl. BGH, NJW 2009, 2534, 2538; EuGH, Urteil vom 05.03.1996, NJW 1996, 1267, 1270). Selbst bei Annahme einer gemeinschaftsrechtswidrigen Rechtslage durfte das Stadtamt aufgrund der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 28.03.2006 (NJW 2006, 1261) jedenfalls bis zum Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist von einer Weitergeltung des Sportwettenmonopols unter bestimmten Voraussetzungen ausgehen (vgl. BGH, NJW 2013, 168, 170 f.; OLG München, aaO; OLG Köln, aaO; OLG Hamm, aaO). Das Stadtamt hat sich zur Begründung seiner Untersagungsverfügungen auch maßgeblich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 berufen.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont, dass es für die Frage der Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Norm des einfachen Rechts mit den Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht zuständig sei. Insoweit hat es die Rüge der Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts als unzulässig zurückgewiesen (BVerfG, NJW 2006, 1261). Das Stadtamt musste angesichts der weiteren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Gemeinschaftsrecht aber nicht davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht dieses bei seiner Entscheidung völlig ausgeblendet habe.
Das Bundesverfassungsgericht hat in jenem Urteil bei der Prüfung von Art. 12 Abs. 1 GG festgestellt, dass die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols grundsätzlich ein geeignetes Mittel sei, um die mit dem Wetten verbundenen Gefahren der Spiel- und Wettsucht zu bekämpfen. Der Gesetzgeber durfte auch von der Erforderlichkeit des Wettmonopols ausgehen. Angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung des staatlichen Monopols in Bayern hielt das Bundesverfassungsgericht dieses allerdings für unzumutbar und damit für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit. Den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern sei der – strafbewehrte – Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettunternehmen nur dann zumutbar, wenn das bestehende Wettmonopol auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten diene (BVerfG, aaO, 1264).
Weiter hob es in seiner Begründung hervor, dass die Unverhältnismäßigkeit der konkreten tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung des in Bayern bestehenden staatlichen Wettmonopols auch den Ausschluss der Vermittlung anderer als der vom Freistaat Bayern veranstalteten Wetten erfasse. Auch dieser lasse sich am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur rechtfertigen, wenn das Monopol an den Zielen insbesondere der Suchtbekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft rechtlich und faktisch ausgerichtet sei. Insofern – so das Bundesverfassungsgericht – liefen die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben (BVerfG, aaO, 1266 f.). Nach dessen Rechtsprechung sei die Unterbindung der Vermittlung in andere Mitgliedstaaten mit dem Gemeinschaftsrecht nur vereinbar, wenn ein Staatsmonopol wirklich dem Ziel diene, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist. Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprächen damit denen des Grundgesetzes (BVerfG, aaO, 1267).
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht zwar die Unvereinbarkeit des in Bayern bestehenden staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG festgestellt, aber zugleich dem Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, den Verfassungsverstoß zu beseitigen und hierfür eine Frist bis zu 31.12.2007 gesetzt. Während der Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bleibe die bisherige Rechtslage mit der Maßgabe anwendbar, dass der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits herzustellen habe. Das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, dürfe weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden, wenn der Freistaat Bayern durch materiell-rechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen das Erreichen der mit seinem Monopol verfolgten Ziele gewährleiste (BVerfG, aaO).
Das Bundesverfassungsgericht hat somit die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen (und die ihnen vorangegangene Vollzugsentscheidung der Verwaltung) nicht nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben. Vielmehr hatten diese Entscheidungen trotz der festgestellten Unvereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG und mit dem Gemeinschaftsrecht mit den genannten Maßgaben Bestand. Für das Stadtamt der Beklagten lag damit die Annahme nahe, dass, sofern die aufgestellten Maßgaben beachtet würden, auch vor dem formellen Erlass der entsprechenden (Änderungs-)Gesetze in der Praxis ein Zustand hergestellt werden könne, der nicht nur mit dem Grundgesetz, sondern auch mit dem Europarecht in Einklang stehe. Im Hinblick darauf konnte es sich auch über die im Vorfeld von Klägerseite bzw. dem SV Werder und DSM vorgebrachten Einwendungen hinwegsetzen.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Weitergeltungsanordung im Verhältnis zu allen bayerischen Ordnungsbehörden und Gerichten die qualifizierte Bindungswirkung des § 31 Abs. 2 BVerfGG auslöste (vgl. dazu Bethge, DVBl. 2007, 917, 919 f.; OVG Münster v. 29.09.2011). Das bedeutet, dass ihr – mit den durch das Gericht formulierten Einschränkungen – Gesetzeskraft zukam. Wenngleich diese formale Bindung für Behörden außerhalb Bayerns nicht galt, durfte das Stadtamt der Beklagten auch insoweit davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht die Rechtslage in Bremen nicht anders beurteilen würde als in Bayern (vgl. auch BGH, Urteil v. 14.02.2008 – I ZR 13/06 Tz. 24). Das folgt zum einen daraus, dass die im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossenen Lotterieunternehmen der Länder die Sportwette ODDSET schon seit 1999 im Rahmen dieses Zusammenschlusses auf im Wesentlichen gleiche Art und Weise betrieben haben. Zum anderen haben die Länder in dem am 01.07.2004 in Kraft getretenen Lotteriestaatsvertrag bundesweit einen einheitlichen Regelungsstand für die Veranstaltung, Durchführung und gewerbliche Vermittlung öffentlicher Glücksspiele vereinbart. Diese Vereinbarung hatten alle Bundesländer in ihr jeweiliges Landesrecht umgesetzt. Dass die verfassungsrechtliche Beurteilung der bayerischen Regelungen auf die Rechtslage in anderen Bundesländern gleichermaßen zutraf, hat das Bundesverfassungsgericht im Übrigen im Anschluss an sein Urteil vom 28. März 2006 mehrfach klargestellt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.07.2006 – 1 BvR 138/05, WM 2006, 1644 Tz. 10 zur Rechtslage in Baden-Württemberg; Kammerbeschluss vom 2.8.2006 – 1 BvR 2677/04, WM 2006, 1646 Tz. 16 zu Nordrhein- Westfalen; Beschluss vom 18.12.2006 – 1 BvR 874/05, MMR 2007, 168 Tz. 8 zu Sachsen-Anhalt; vgl. auch BGH, Urteil vom 14.02.2008, Az.: I ZR 187/04).
Das Stadtamt durfte wegen der vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Parallelität der Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts mit denen des Gemeinschaftsrechts seinerzeit die Ansicht vertreten, das höchste deutsche Gericht gehe auch mit Blick auf eine etwaige Verletzung des Gemeinschaftsrechts von einer weiteren Anwendbarkeit des deutschen Rechts aus. Wie der Bundesgerichtshof für das insoweit gleich zu beurteilende bayerische Sportwettenmonopol festgestellt hat, wäre andernfalls wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts die Einräumung einer Übergangszeit durch das Bundesverfassungsgericht nicht nur ins Leere gegangen, sondern sogar für den Rechtsanwender irreführend gewesen (BGH, NJW 2013, 168, 171; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 03.05.2012, Az.: 7 U 194/11). Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht bei den Aussagen zur Übergangszeit auch keine Beschränkung auf rein innerstaatliche Sachverhalte vorgenommen hat (vgl. Beljin, NVwZ 2008, 156). Das hätte bei einer nur eingeschränkten Fortgeltungsregelung aber möglicherweise nahe gelegen, weil es in dem zu entscheidenden Fall gerade um die Vermittlung von Sportwetten ins europäische Ausland innerhalb der EU ging. Überdies hat das Bundesverfassungsgericht die Sache weder selbst dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt, noch die unterbliebene Vorlage durch die Instanzgerichte ausdrücklich beanstandet.
Dass der Europäische Gerichtshof es letztlich für nicht gemeinschaftsrechtskonform halten würde, die vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Übergangsfrist auch auf die Frage des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts anzuwenden (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1419 – Winner Wetten und Urteil vom 24.01.2013, Rs. C 186/11 und C 209/11), lag im Zeitpunkt der Entscheidungen des Stadtamtes nicht auf der Hand. Insbesondere gab es zu dieser Frage keine ausdrückliche und eindeutige einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. In der nachfolgenden juristischen Diskussion wurde das Modell der Übergangsfristen zur Herstellung eines gemeinschaftsrechtskonformen Zustandes im Übrigen kontrovers diskutiert (vgl. Beljin, NVwZ 2008, 156; Postel, WRP 2006, 703, 711; Leupold/Walsh, WRP 2006, 973, 988; Pischel, WRP 2006, 1413, 1417 ff.; Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1409). Auch das OLG München hat in dem parallel gelagerten Staatshaftungsverfahren, das den Ent17 scheidungen des Bundesgerichtshofs vom 18.10.2012 zugrunde lag, die Frage, ob die vom Bundesverfassungsgericht gewährte Übergangsfrist auch europarechtlich anzuerkennen sei, für erwägenswert gehalten (Urteil vom 15.07.2011, Az.: 1 U 392/11). Schließlich hat der Europäische Gerichtshof in der „Winner Wetten-Entscheidung“ für sich selbst die Befugnis reklamiert, die Wirkungen der Nichtigerklärung oder der Feststellung der Ungültigkeit einer solchen Handlung auszusetzen, bis die festgestellte Rechtswidrigkeit mit einer neuen Handlung behoben ist (NVwZ 2010, 1419, 1421). Erstmals mit jener Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof aber auch erst klargestellt, dass allein der Gerichtshof über eine solche Aussetzung entscheiden könne.
cc) Das Stadtamt konnte damit in Ansehung des Oddset-Urteils des Bundesverfassungsgerichts die Ansicht vertreten, dass seine Untersagungsverfügungen rechtmäßig seien, wenn und sofern es mit der Herstellung eines Mindestmaßes an Konsistenz beginne. Genau dies ist auch geschehen.
(1) Da das Bundesverfassungsgericht für die Herstellung einer verfassungsmäßigen Gesetzeslage eine Frist bis zum 31.12.2007 eingeräumt hatte, konnte dies auch mit zunächst nur tatsächlich wirkenden Maßnahmen geschehen.
Soweit die Klägerin rügt, dass jedenfalls gemeinschaftsrechtlich die vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit angeordnete Herstellung eines Mindestmaßes an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Wettmonopols herzustellen sei, nicht ausreiche, das Gemeinschaftsrecht vielmehr alleine eine rechtliche Regelung zur Herstellung der geforderten Kohärenz zulasse, überzeugt dies nicht. Die Herstellung des verfassungsgerichtlich geforderten Mindestmaßes an Konsistenz durch die vom Bundesverfassungsgericht angeführten tatsächlichen Maßnahmen ist nicht nur geeignet, einen – jedenfalls übergangsweise – verfassungsrechtlich hinnehmbaren Zustand herbeizuführen, sondern auch einen im Wesentlichen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand (BVerfG, Beschluss vom 27.12.2007, 1BvR 3082/06). Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts stellt das Gemeinschaftsrecht in erster Linie auf ein tatsächliches Ausgestaltungs- und Anwendungsdefizit des staatlichen Wettangebots ab, nicht aber auch auf ein gesetzliches Regelungsdefizit, wie es verfassungsgerichtlich darüber hinaus bemängelt wurde. Das Bundesverfassungsgericht betont in jener Entscheidung noch einmal, dass die verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung eines staatlichen Wettmonopols parallel laufen.
Dass auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht tatsächliche Änderungen der Sportwettenpraxis geeignet sein können, einen gemeinschaftsrechtswidrigen Zustand in einer Weise zu verändern, dass dieser gemeinschaftsrechtskonform wird, stellt im Übrigen zumindest die Europäische Kommission nicht in Frage (vgl. Stellungnahme der EUKommission gegenüber dem EuGH in der Rs. C-409/06 – Winner Wetten vom 25.01.2007). Damit kann aber dem Stadtamt nicht der Vorwurf gemacht werden, dass es – auch im Hinblick auf eine etwaige bestehende Gemeinschaftsrechtswidrigkeit – an den bestehenden ordnungsrechtlichen Vorschriften festhielt und meinte, das bremische Sportwettenmonopol könne aufrecht erhalten bleiben, sofern dies mit einer Erfüllung der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts einhergehe – nämlich der Einführung stärkerer Sicherungselemente zunächst in der Praxis, etwa durch Beschränkungen hinsichtlich des Umfangs des Angebotes und der Werbung für das Glücksspiel der staatlichen oder halbstaatlichen Monopolisten sowie durch Auflagen zur Aufklärung über die Gefahren des Glücksspiels.
(2) Das Stadtamt hat zugleich mit den Untersagungsverfügungen durch die von ihm ergriffenen Maßnahmen ausreichend dafür gesorgt, dass die durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßgaben eingehalten werden. Das Stadtamt konnte davon ausgehen, dass mit den ergriffenen Maßnahmen auch vor dem formellen Erlass der entsprechenden (Änderungs-)Gesetze in der Praxis ein Zustand hergestellt werden könne, der nicht nur mit dem Grundgesetz, sondern zugleich mit dem Europarecht in Einklang steht. Anders als die Klägerin meint, bedurfte es dazu nicht einer zügigen und vollständigen Umsetzung der Kohärenzkriterien.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zwar für die Situation in Bayern festgestellt, dass die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Maßnahmen tatsächlich zügig und vollständig umgesetzt worden seien. Dass nur ein derart zügiger und vollständiger Vollzug der Umsetzung der Kohärenzkriterien den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht werde, hat aber auch der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 18.10.2012 nicht verlangt (NJW 2013, 168, 171). Er hat vielmehr das Bundesverfassungsgericht dahingehend zitiert, dass für die Übergangszeit damit begonnen werden müsse, das bestehende Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten (BGH, aaO, 170; BVerfG, NJW 2006, 1261, 1267). Der Staat durfte die Übergangszeit nicht zu einer expansiven Vermarktung von Wetten nutzen. Daher waren bis zu einer Neuregelung die Erweiterung des Angebots staatlicher Wettveranstaltung sowie eine Werbung untersagt, die über sachliche Informationen zur Art und Weise der Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten auffordert. Ferner hatte die staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv über die Gefahren des Wettens aufzuklären.
Der Behebung eben jener Defizite dienten die im Vorgriff auf entsprechende gesetzliche Neuregelungen für die Übergangszeit aufgestellten Maßgaben. In den Untersagungsverfügungen des Stadtamtes wird dazu mitgeteilt, dass dem einzigen Unternehmen, das berechtigt war, in Bremen öffentlich Sportwetten zu veranstalten, der Bremer Toto und Lotto GmbH, mit bestandskräftigem Verwaltungsakt aufgegeben worden sei, die vom Bundesverfassungsgericht im Einzelnen gemachten Vorgaben einzuhalten. So sei beispielsweise verfügt worden, dass bis zu einer Neuregelung des Rechts das Wettangebot nicht erweitert werden dürfe, streng an der Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten und Werbung untersagt sei, die über eine sachliche Information zur Art und Weise der Wettmöglichkeiten hinausgehend zum Wetten auffordere. Fernsehwerbung sei ebenso grundsätzlich untersagt wie Werbung im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere Trikot- und Bandenwerbung. Ferner sei der Bremer Toto und Lotto GmbH im Einzelnen aufgegeben worden, aktiv über die Gefahren des Wettens aufzuklären.
Das OVG Bremen hat insoweit in dem rechtskräftigen Beschluss vom 07.09.2006 (Az.: 1 B 273/06) unter Aufführung der einzelnen Maßnahmen festgestellt, dass die notwendigen Anordnungen in Bremen auch tatsächlich ergangen sind und damit begonnen wurde, die vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit festgelegten Vorgaben zu erfüllen, das bestehende Wettmonopol im Bereich der Sportwetten an einer Bekämpfung der Wettsucht und an einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten. Diesen Feststellungen stehen auch keine anderen Feststellungen aus dem Hauptsacheverfahren entgegen, das aufgrund der Rücknahme der Anfechtungsklage nicht weiter betrieben wurde. Im Gegenteil hat das Verwaltungsgericht Bremen in seinem ebenfalls rechtskräftigen Beschluss vom 03.05.2007 (Az.: 5 V 796/07) die Einschätzung des OVG Bremen, die es in einem Beschluss vom 13.02.2007 (Az.: 1 B 514/06) noch einmal wiederholt hatte, bekräftigt und festgestellt, es sei nicht ersichtlich, dass die Stadtgemeinde Bremen in den letzten Monaten von ihrem Kurs abgewichen wäre.
dd) Ein qualifizierter Verstoß kann hier auch nicht darin gesehen werden, dass das Stadtamt die sofortige Vollziehung der nicht bestandskräftigen Untersagungsverfügungen angeordnet hat. Auch insoweit ist die Entscheidung des Landgerichts überzeugend.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 27.04.2005, NVwZ 2005, 1303) kann das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts in der Regel gegeben sein, wenn durch den Verwaltungsakt strafbares Verhalten unterbunden werden soll. Dies setzt voraus, dass die Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwä20 gung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Das war – wie das Landgericht zutreffend herausstellt – vorliegend der Fall.
Das Stadtamt hat seine Erwägungen zur Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht allein auf die grundsätzliche Strafbarkeit unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür gestützt, sondern vielmehr im Einzelnen ausgeführt, welche speziellen Gefahren für die Allgemeinheit drohen. Zum einen hat es auf die Gefahr der Spielsucht und des Vermögensverlustes hingewiesen, insbesondere weil der Sport eine hohe Jugendaffinität aufweise, so dass die Werbung für entsprechende Wetten auch unter dem Aspekt des Jugendschutzes besondere Gefahren mit sich bringe. In diesem Zusammenhang hat das Stadtamt sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 berufen, das diese Gefahren ebenfalls hervorgehoben und erklärte hatte, dass das Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten durch nichtstaatliche Anbieter weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden dürfen, wenn denn unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits hergestellt werde. Zugleich hat es die Frage der weiteren Anwendbarkeit von § 284 StGB offen gelassen und der Entscheidung der Strafgerichte überlassen. Mit den in den Untersagungsverfügungen mitgeteilten Maßnahmen gegenüber dem staatlichen Wettanbieter durfte das Stadtamt bei objektiver Betrachtung der damaligen Sach- und Rechtslage davon ausgehen, dass auch die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügungen rechtmäßig war (vgl. auch VGH Kassel, NVwZ 2006, 1435, 1439). Sofern es später zu Umsetzungsmängeln gekommen sein sollte, hat dies für die Berechtigung der Anordnung des Sofortvollzuges außer Betracht zu bleiben.‘
Das Stadtamt hat sich überdies in zulässiger Weise auf die Entscheidung des OVG Münster vom 28.06.2006 (4 B 961/06) gestützt, das in einem vergleichbaren Verfahren ausgeführt hatte, die Interessenabwägung ergebe, dass das Suspensivinteresse des Antragstellers hinter die öffentlichen Interessen zurücktreten müsse.
ee) Soweit die Klägern darauf abstellt, dass die Verfügung bzw. der Sofortvollzug später hätte zurückgenommen werden können und müssen, ist festzustellen, dass eine etwaige Nichtaufhebung jedenfalls nicht kausal für den mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Schaden wäre. Die Klägerin macht hier nur den infolge der Vertragsbeendigung mit SV Werder und DSM entstandenen Schaden geltend. Die Klägerin hat die Verträge mit dem SV Werder und DSM aber bereits am 20.10.2006 gekündigt. SV 21 Werder hatte die Kündigung als vertragsgerecht akzeptiert. Mit der DSM war mit Wirkung zum 31.12.2006 ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen worden. Ab dem 01.07.2007 besaß der SV Werder einen neuen Hauptsponsor.
Die für die Aufhebung der sofortigen Vollziehung angeführte Nichtanwendbarkeit des § 284 StGB stand dagegen erst aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.08.2007 (NJW 2007, 3078) fest. Das Bundesverfassungsgericht hatte noch im Jahr 2007 die Verfassungsbeschwerde in einem parallel gelagerten Fall, in dem eine auf einen Verstoß gegen § 284 StGB gestützte Untersagungsverfügung ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt worden war, nicht zur Entscheidung angenommen (Nichtannahmebeschluss vom 27.12.2007 – 1 BvR 2007). Es hatte keinen Verfassungsverstoß darin gesehen, dass die Tätigkeit der dortigen Beschwerdeführerin, die die Werbung für und Vermittlung von Sportwetten zum Gegenstand hatte, von der zuständigen Behörde sofort vollziehbar ordnungsrechtlich unterbunden worden war.
Dass die vom Stadtamt ergriffenen Maßnahmen jedenfalls in der Übergangszeit ausreichten, haben das VG Bremen und das OVG Bremen der Beklagten seinerzeit attestiert (OVG Bremen, Beschluss vom 07.09.2006, Az.: 1 B 273/06 und Beschluss vom 13.02.2007, Az.: 1 B 514/06, VG Bremen, Beschluss vom 03.05.2007, Az.: 5 V 796/07). Dass die dort getroffenen Feststellungen unzutreffend waren, hat die Klägerin nicht überzeugend dargelegt. Aus den von ihr angeführten Beispielen von Werbemaßnahmen für staatliche Wettanbieter folgt nicht, dass dem Stadtamt in dem Zeitraum bis zur Vertragskündigung bzw. -aufhebung manifeste Umsetzungsdefizite seiner Anordnungen hätten bekannt sein müssen mit der Folge einer Verpflichtung zur Aufhebung des Sofortvollzuges ab einem Zeitpunkt vor dem 31.12.2006 oder auch noch vor dem 01.07.2007.
Die zahlreichen u.a. in Dateien auf CD-Roms (Anlagen Bf 36 und 51) und in den gedruckten Anlagen zur Akte gereichten Unterlagen, Mitschnitte von Radiospots und Fotos von Werbeartikeln und –schriftzügen sowie die „Internet-Screenshots“ lassen keinen sicheren Rückschluss darauf zu, dass die dem staatlichen Anbieter in Bremen auferlegten Maßnahmen von diesem unterlaufen worden wären und dies dem Stadtamt auch bekannt sein musste. Das von der Klägerin vorgelegte Material gibt zwar Hinweise darauf, dass die Werbung der staatlichen Lottogesellschaften im Bundesgebiet für ihr Angebot bereits im Jahr 2006 über die bloße Information hinaus ging. Allerdings betreffen zahlreiche von der Klägerin vorgelegte Belege nur Werbemaßnahmen außerhalb Bremens, auf die das Stadtamt der Beklagten ohnehin keinen Einfluss hatte (so etwa die aufgeführten Radiospots in Sendern, die ihren Standort außerhalb Bremens haben – Anlagen Bf. 35/36), andere sind darüber hinaus entweder undatiert (so 22 etwa die Anlagen Bf. 25 – Bandenwerbung oder Bf. 38 – Werbetafeln im Fernsehen) oder betreffen Zeiträume nach Vertragsbeendigung (Anlage Bf 53; Magazin „Lotto aktuell“, Anlage Bf. 57). Was die vorgelegten Internetausdrucke (Anlagen Bf. 37 und Bf. 57) betrifft, bleibt unklar, inwiefern dort dokumentierte Werbemaßnahmen von dem der ordnungsrechtlichen Zuständigkeit des Stadtamtes unterliegenden Lotterieunternehmen in Bremen veranlasst wurden.
Das Stadtamt der Beklagten war ungeachtet des gemeinschaftsrechtlichen Gebotes, dass in ganz Deutschland die Kohärenzkriterien einzuhalten waren, nicht gehalten, den Vollzugsstand im gesamten Bundesgebiet im Blick zu halten. Hiervon war bei der an den Freistaat Bayern gerichteten Aufforderung zur Herstellung eines Mindestmaßes an Konsistenz durch das Bundesverfassungsgericht auch nicht die Rede. Entgegen der Ansicht der Klägerin können der Beklagten daher nicht alle bis Mitte 2007 im Bundesgebiet etwa aufgetretenen Vollzugsdefizite zugerechnet werden, sondern nur solche, die im Hinblick auf die der Bremer Lotto und Toto GmbH erteilten Auflagen augenfällig wurden.
Die für die Stadtgemeinde Bremen dargelegten Beispiele von möglicherweise über die bloße Information hinausgehende Werbung (wie etwa der Verteilung von Kugelschreibern mit „Lotto“-Aufdruck, vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 14.01.2013, S. 15, oder der von der Klägerin behaupteten Bandenwerbung bei einem Fußballturnier) führen im Übrigen noch nicht zu dem Schluss, dass der in Bremen lizensierte staatliche Wettanbieter entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die Übergangszeit zu einer expansiven Vermarktung von Wetten genutzt hat. Ohnehin musste nur damit begonnen werden, das bestehende Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten (BVerfG, NJW 2006, 1261, 1267).
ff) Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz Zeugen für die Behauptung benennt, die handelnden Amtsträger, insbesondere die zuständige Sachbearbeiterin H. aber auch der damalige Senator für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen R., hätten vorsätzlich den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts missachtet, führt sie für das Vorliegen dieser inneren Tatsachen bereits keine konkreten Umstände an, sondern nimmt lediglich eigene rechtliche Wertungen über die angebliche Offenkundigkeit der Rechtslage vor. Unklar bleibt insbesondere, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte die handelnde Mitarbeiterin des Stadtamtes etwa drei Monate nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006, welches die Übergangsfrist statuiert hatte, gewusst haben soll, dass die Regelungen des Sportwetten23 rechts entgegen der Weitgeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr angewandt werden dürfen.
Bezüglich des benannten Zeugen R. bleibt die Klägerin überdies konkreten Vortrag schuldig, inwiefern dieser überhaupt Einfluss auf die Entscheidung des Stadtamtes genommen haben soll. Gleiches gilt für den im nachgelassenen Schriftsatz vom 03.01.2012 von der Klägerin benannten Zeugen B.. Unabhängig davon sind die Beweisantritte nicht zuzulassen (§ 531 Abs. 2 ZPO). Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz behauptet, die handelnden Amtsträger der Beklagten hätten vorsätzlich gehandelt. Diesem Vorbringen war die Beklagte entgegengetreten. Gründe für eine Zulassung des erst jetzt erfolgten Beweisantritts sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2.
Ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) besteht nicht. Zwar war das Handeln des Stadtamtes der Beklagten objektiv pflichtwidrig. Es fehlt aber an dem notwendigen Verschulden der betreffenden Amtsträger.
a) Die Beklagte hat eine Amtspflichtverletzung begangen, da die Untersagungsverfügung rechtswidrig war.
aa) Entgegen der Ansicht der Klägerin verfügte diese jedoch nicht schon über eine das öffentliche Glücksspiel legalisierende behördliche Erlaubnis, so dass an der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken bestehen.
(1) Das Stadtamt ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die der Klägerin erteilte Genehmigung nach DDR-Recht auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik keine Wirkung entfaltete. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sich das Stadtamt für seineEinschätzung zu Recht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2006 (NVwZ 2006, 1175) gestützt, die es in seiner Verfügung auch zitiert hat. Dieses hatte dargelegt, dass eine auf der Grundlage von § 3 GewG (DDR) erteilte Gewerbeerlaubnis zwar nach Art. 19 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 auch nach Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Beitrittsgebiet fortgilt, aber keine Geltung im gesamten Bundesgebiet hat. Daran anknüpfend hat das Stadtamt zu Recht angenommen, dass auch die der Klägerin am 11.04.1990 erteilte Gewerbeerlaubnis, die keine Regelung über ihren räumlichen Geltungsbereich enthält, keine Geltung in Bremen hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 28.09.2011, Az.: I ZR 30/10 – zitiert nach juris; Beschluss vom 08.05.2007, Az.: KVR 31/06, NJW-RR 2007, 1491; OVG Hamburg, Beschluss vom 25.03.2008 – 4 Bs 5/08; Pischel, WRP 2006, 1413, 1415). Dass die in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2006 entwickelten Grundsätze über die fehlende Geltung der DDR-Erlaubnis in den alten Bundesländern nach wie vor Bestand haben, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 01.06.2011 (Az.: 8 C 5.10) noch einmal bestätigt.
Soweit die Klägerin meint, aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.11.2007 (NVwZ 2008, 301) Gegenteiliges herauslesen zu können, ist dem nicht zu folgen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zur Frage der Legalisierungswirkung einer „DDR-Genehmigung“ unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 GG in jener Entscheidung gerade nicht verhalten, sondern nur herausgestellt, dass sämtliche Untersagungsverfügungen, die gestützt auf § 284 StGB oder das Staatslotteriegesetz ergangen sind, als rechtswidrig, weil unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG anzusehen sind.
(2) Die Genehmigung für die b. Ltd. konnte hier ebenfalls keine Legalisierung der Tätigkeit der Klägerin herbeiführen. Insoweit bestand und besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass das Gemeinschaftsrecht nicht zur gegenseitigen Anerkennung von Glücksspielerlaubnissen zwischen Mitgliedsstaaten zwingt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2007, Az.: KVR 31/06, NJW-RR 2007, 1491; OLG Bremen, Urteil vom 11.11.2004, Az.: 2 U 39/2004; VGH Kassel, NVwZ 2005, 99; OVG Lüneburg, ZfWG 2008, 255). Dies hat der Europäische Gerichtshof mittlerweile bestätigt (Urteil vom 08.09.2010, NVwZ 2010, 1409, 1417 – Stoß u.a.).‘
bb) Auch wenn die Klägerin Sportwetten ohne die erforderliche Erlaubnis vermittelt und dafür geworben hat und damit die Voraussetzungen von § 12 Abs. 1 LottStV vor Erlass der Bescheide vom 07.07.2006 erfüllt waren, war die Untersagung der Werbung für Sportwetten rechtswidrig.
Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28.03.2006 festgestellten Unvereinbarkeit des in Bayern bestehenden staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Denn nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 war die bestehende Regelung bei Einhaltung der Maßgaben für die Übergangszeit weiter anwendbar, so dass aus der Unvereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG keine Rechtswidrigkeit behördlicher Untersagungsverfügungen folgte.
Das Sportwettenmonopol in der damaligen Ausgestaltung war allerdings – wie gezeigt – objektiv mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar (s. oben II.1.a).
b) Dem Stadtamt kann jedoch kein Vorwurf gemacht werden, schuldhaft gehandelt zu haben.
aa) Der Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, bewusst rechtswidrig gehandelt zu haben. Soweit die Klägerin dem Stadtamt eine vorsätzliche Missachtung der legalisierenden Wirkung der der Klägerin erteilten „DDR-Genehmigung“ vorwirft, geht das schon deshalb ins Leere, weil eine solche Genehmigung – wie gezeigt – eine werbende Tätigkeit in Bremen nicht legalisieren konnte.
bb) Dem Stadtamt der Beklagten kann auch nicht der Vorwurf einer fahrlässigen Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts gemacht werden.
Fahrlässig handelt der Amtsträger, der bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte voraussehen müssen, dass er seiner Amtspflicht zuwiderhandelt. Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt, kommt es für die Beurteilung des Verschuldens auf die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse und Fähigkeiten an. Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat der Amtsträger die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Unrichtige Auslegung ist daher vorwerfbar, wenn sie gegen den klaren Wortlaut einer Vorschrift oder gegen eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen Schuldvorwurf. Kann die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene und auf vernünftige Überlegungen gestützte Beurteilung des Beamten als rechtlich vertretbar angesehen werden und hält dieser an ihr bis zur Klärung der Rechtslage fest, so fällt ihm kein Verschulden zur Last, auch wenn seine Auffassung später von den Gerichten nicht geteilt wird (st. Rspr. vgl. BGH, NVwZ 1998, 1329 ff., Palandt-Sprau, aaO, Rn. 52 f. m.w.N.).
Vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass das Stadtamt fahrlässig Gemeinschaftsrecht außer Acht gelassen hat. Insoweit steht unter Berücksichtigung der in den Untersagungsverfügungen gegebenen Begründungen zur Überzeugung des Senats fest, dass das Stadtamt die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel ausreichend sorgfältig und gewissenhaft geprüft und die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Maßgaben an die Herstellung eines Mindestmaßes an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Wettmonopols andererseits jedenfalls in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis längstens 01.07.2007 eingehalten hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die auch insoweit tragenden Ausführungen zum Fehlen eines qualifizierten Verstoßes verwiesen (oben 1 b)).
3.
Eine Haftung der Beklagten nach §§ 56 f. BremPolG kommt nicht in Betracht, weil die Behörde hier nicht spezifisch auf der Grundlage des BremPolG tätig geworden ist, sondern in Anwendung von § 12 Abs. 1 des LottStV i.V.m. dem Bremischem Zustimmungsgesetz. Dementsprechend hat das Stadtamt die Untersagungsverfügungen auch nur „hilfsweise“ auf §§ 56 f. BremPolG gestützt.
Überdies geht die von der Klägerin offenbar vertretene Ansicht zu weit, derzufolge die Regelungen in §§ 56 f. BremPolG Sitz eines weitreichenden verschuldensunabhängigen Staatshaftungsanspruches seien, der sämtliche gefahrenabwehrende Maßnahmen in sein Haftungsregime einbeziehe. Es gibt keinen überzeugenden Grund für die Annahme, dass sämtliche Maßnahmen von Ordnungsbehörden im Falle ihrer Rechtswidrigkeit vom Geltungsbereich der polizeigesetzlichen Unrechtshaftung erfasst würden (vgl. Rachor in: Lisken Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage, 2007, L Rn. 4 ff.). Vielmehr werden die jeweils zuständigen Behörden beim Erlass von Maßnahmen auf der Grundlage besonderer Rechtsvorschriften tätig. Diese enthalten im Allgemeinen keine Verweisung auf die polizeigesetzlichen Haftungsregelungen. Auch der LottStV und das hierzu ergangene Zustimmungsgesetz sowie das Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (Gesetz vom 15.06.2004, BremGBl. 2004, S. 291) enthalten keine allgemeine Verweisung auf das Haftungsregime des BremPolG. Unter diesem Blickwinkel fehlt es somit an einem Anknüpfungspunkt, welcher die Anwendung der polizeigesetzlichen Haftungsregelungen bei rechtswidrigen Maßnahmen rechtfertigte, die in Erfüllung der dort bezeichneten Aufgaben erlassen wurden (vgl. BGHZ 125, 258; OLG Zweibrücken, OLGR 2008, 215; Rachor, aaO.).
Hinzu kommt, dass die Haftung nach § 56 BremPolG einen Sonderfall der Haftung aus enteignungsgleichem Eingriffs darstellt und es vorliegend um eine Haftung für legislatives (normatives) Unrecht geht. Dazu gehört auch der Fall, dass der Eingriff nicht durch das verfassungswidrige Gesetz selbst, sondern einen darauf gestützten Verwaltungsakt oder eine aufgrund des Gesetzes erlassene untergesetzliche Rechtsnorm erfolgt (BGH, Urteil vom 12.03.1987 – III ZR 216/85; BGHZ 100, 136 ff.; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 03.05.2012, Az.: 7 U 194/11 – zitiert nach juris). Entsprechendes gilt für die hier in Rede stehende Eingriffsgrundlage des § 12 Abs. 1 LottStV. Für die nachteiligen Auswirkungen des Vollzuges dieser Regelung haftet die öffentliche Hand nicht unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs (BGH aaO; OLG Köln aaO; OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.2012, Az.: 11 U 88/11).
III.
Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV. Die Frage, ob ein Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht – als Voraussetzung für einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch – hinreichend qualifiziert ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, insbesondere an Hand der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien zu entscheiden (vgl. BGH, NJW 2009, 2534). Auch der Europäische Gerichtshof hat wiederholt betont, dass es Sache der nationalen Gerichte sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die unionsrechtliche Haftung erfüllt sind (EuGH, Urteil vom 05.03.1996, NJW 1996, 1267, 1270; Urteil vom 01.06.1999, Rs. C-302/97, Slg. 1999, I-3122; Urteil vom 04.07.2000, Rs. C-424/97, Slg. 2000, I-5148). Dies hat der Senat unter Rückgriff auf die gefestigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Definition des qualifizierten Verstoßes getan. Darüber hinaus gehende unionsrechtliche Fragen wirft der Sachverhalt ebenso wenig auf, wie jener, den der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 18.10.2012 (vgl. nur BGH, NJW 2013, 168, 172) zu beurteilen hatte. Der Bundesgerichtshof hat dort, obwohl er – anders als der erkennende Senat – letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 267 AEUV ist, ebenfalls keine Veranlassung für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gesehen.
IV.
1. Für die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.01.2013 beantragte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sah der Senat keine Veranlassung. Gründe für weitere Erörterungen der Sach- und Rechtslage sind nicht ersichtlich. Zwingende Gründe für eine Wiedereröffnung (§ 156 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den Voraussetzungen des §§ 543 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Frage, ob die öffentliche Hand im Zusammenhang mit der Untersagung des Werbens für Sportwetten dem Betreiber schadensersatzpflichtig ist, ist seit den Entscheidungen des BGH vom 18.10.2012 höchstrichterlich als geklärt anzusehen.