Freie Benutzung einer Pressefotografie

16. April 2009
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Eigener Leitsatz:

Eine freie Benutzung einer Fotografie setzt eine Eigenart des neuen Werkes mit eigenpersönlichen Zügen voraus. Die prägende Kraft eines Lichtbildes entsteht aus einer Kombination von Zeitpunkt, Blickwinkel und Belichtung der Aufnahme. Motive, die lediglich auf fotografischem Glück beruhen, auf die der Fotograf keinen Einfluss nehemen kann, unterfallen nicht dem urheberrechtlichen Schutz.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 14.11.2008

Az.: 308 O 114/08

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen der Veröffentlichung einer Pressefotografie im Internet.

Der Kläger ist Fotograf. Er hat die nachfolgend abgebildete Fotografie aufgenommen, welche unter dem Titel "…" weltweite Berühmtheit erlangte. …

Die Beklagte betreibt das Internetangebot des „T…s…“, welches unter der Domain www. t…s….de abrufbar ist. Dort veröffentlichte die Beklagte unter der URL www. t…s….de/ den nachfolgend dargestellten Artikel „G… als Plastik – aus Plastik“, welcher am 10.01.2008 auch in der Druckausgabe des T…s… erschienen war. …

Anlass für diesen Artikel war die Initiative von drei Ost-Berlinern, die vorgeschlagen hatten, im Zuge der Neugestaltung des Mauer-Gedenkareals „B Straße“ in Berlin eine Plastik in Anlehnung an die Fotografie des DDR-Grenzsoldaten C. S. zu errichten. Das in den Artikel eingebundene Foto gibt neben den Initiatoren in halblinker Position das von diesen erstellte Modell der zu errichtenden Plastik wieder.

Der Kläger ist der Ansicht, die Plastik stelle eine unfreie Bearbeitung der vom ihm geschaffenen Fotografie "…" im Sinne des § 23 UrhG dar. Die Wiedergabe des Fotos von der Plastik im Internetangebot der Beklagten verletze daher den Kläger in seinem Recht auf öffentliches Zugänglichmachen nach § 19a UrhG. Die Fotografie selbst sei als Lichtbildwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG geschützt. Die erforderliche Individualität gewinne die Fotografie durch die vom Kläger bewusst gestaltete Wahl des Aufnahmezeitpunktes und des Aufnahmestandortes. Die Fotografie zeige im Scheitelpunkt des Sprungs eindrucksvoll und exemplarisch die Dramatik eines „zur Freiheit fliehenden Soldaten“

Der Kläger behauptet insoweit, er habe den Grenzsoldaten zuvor angesprochen und gefragt, ob er fliehen wolle. Der Kläger habe in der Zeit, bis sich der Grenzsoldat zur Flucht endgültig durchringen konnte, den bestmöglichen Standort gesucht und mit der Aufnahme zugewartet, bis sich der Grenzsoldat im Scheitelpunkt des Sprunges befand. Die Skulptur löse sich nicht vom Vorbild, sondern setze lediglich die Fotografie um und mache sich den ästhetischen Gesamteindruck der Fotografie zu nutze. Die vorbildgetreue Umsetzung des vom Kläger eingefangenen Motivs in eine dreidimensionale Gestaltung sei dadurch erkennbar, dass die Plastik dieselbe Haltung der Arme, dieselbe Kopfneigung, dieselbe Anordnung der Waffe und dieselbe Sprunghaltung wie die Darstellung in der Fotografie des Klägers aufweise. Es fehle somit an einem hinreichenden inneren Abstand zur Vorlage. Dies bleibe auch in dem von der Beklagten genutzten Foto zum Presseartikel erkennbar.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, das Foto von der Skulptur/Modell des über den Stacheldraht in die Freiheit springenden DDR-Grenzsoldaten C. S. öffentlich zugänglich zu machen bzw. zu veröffentlichen, so wie es im Internet unter

www. t…s….de/

geschehen ist ausweislich des oben dargestellten Artikels mit dem Foto,

2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Auskunft über die Anschrift der Hersteller der auf obigem Foto abgebildeten Skulptur, nämlich F. B., M. B. und E.A. zu erteilen sowie weiter Auskunft über die Anschrift des Herstellers des Fotos, des Fotografen U.S.;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 500,00 Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit und vorgerichtliche Kosten in Höhe von EUR 899,40 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der klägerischen Fotografie komme kein eigenschöpferischer Gehalt zu; es sei nur als Lichtbild gemäß § 72 Abs. 1 UrhG einzuordnen. Der Kläger sei daher nur gegen die Übernahme des Fotos selbst geschützt. Selbst bei Annahme von Werkschutz stelle die streitgegenständliche Bildberichterstattung eine freie Benutzung des Werkes gemäß § 24 UrhG dar. Dies folge daraus, dass der Schutzbereich aufgrund des allenfalls geringen eigenschöpferischen Gehalts einerseits sehr eng sei und andererseits zwischen Original und Bearbeitung keine Übereinstimmungen von individuellen Zügen, sondern nur hinsichtlich bereits vorgegebener Elemente, insbesondere der Körperhaltung des Soldaten, vorliege. Diese Elemente seien jedoch selbst nicht schutzfähig. Vielmehr handele es sich um ein gemeinfreies Motiv. Eine Übernahme dieses Motivs bedürfe daher schon keiner Zustimmung des Klägers. Zudem sei bei der gebotenen Gesamtbetrachtung festzustellen, dass zwischen Fotografie und Plastik ein hinreichender Abstand bereits durch die dreidimensionale Darstellung des Soldaten gewahrt sei, hinter dem das Werk des Klägers verblasse. Schließlich sei die Bildberichterstattung im Internetangebot der Beklagten auch durch die Schrankenregelung des § 50 UrhG gedeckt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2008 sowie auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger stehen die gegen die Beklagte geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht zu.

A.

Die Beklagte hat die Rechte des Klägers aus §§ 19a, 23 UrhG an der streitgegenständlichen Fotografie nicht verletzt.

I.

Die vom Kläger aufgenommene Fotografie ist als Lichtbildwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG geschützt.

1. Als Lichtbildwerke sind Fotografien geschützt, bei denen der Urheber durch den gezielten Einsatz eines oder mehrerer Ausdrucksmittel das Bildresultat in einer Weise beeinflusst und prägt, dass eine persönliche und geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 vorliegt (BGH GRUR 2000, 317, 318 – Werbefotos; Wandtke/Bullinger, UrhG, 2. Aufl. § 2 Rz. 117). Eines besonderen Maßes an schöpferischer Gestaltung bedarf es für den Schutz als Lichtbildwerk nicht. Erfasst ist auch die „kleine Münze“ (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 3. Aufl. § 2 Rn. 177). Lichtbildwerke zeichnen sich gegenüber der bloß handwerklich gelungenen Abbildung der Wirklichkeit (Lichtbilder) dadurch aus, dass sie eine individuelle Betrachtungsweise oder künstlerische Aussage des Fotografen zum Ausdruck bringen, dass sie über die gegenständliche Abbildung hinaus eine Stimmung besonders gut einfangen oder in eindringlicher Aussagekraft eine Problematik darstellen (vgl. OLG Hamburg, GRUR 1999, 717 – Wagner Familienfotos). Diese individuelle Bildersprache des Fotografen konkretisiert sich etwa durch die Auswahl des Motivs, der Bildschärfe, der Verteilung von Licht und Schatten oder auch der Perspektive oder – wie vorliegend bei Bewegungsvorgängen – der Wahl des richtigen Moments (vgl. zu letzterem OLG Hamburg ZUM-RD 1997, 217, 220 – Troades).

2. Bei Anwendung dieser Maßstäbe handelt es sich bei der streitgegenständlichen Fotografie um ein Lichtbildwerk. Dazu hat die Kammer mit Beschluss vom 01.12.2006 (Geschäftsnr. 308 O 686/06) bereits folgendes ausgeführt:

„Das Foto "…" des Antragstellers ist ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs.2 UrhG geschütztes Lichtbildwerk. Es handelt sich um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG, da durch die Wahl der Belichtung, der Perspektive und des Motivs die künstlerische Gestaltungskraft des Fotografen Ausdruck gefunden hat. Insbesondere der Zeitpunkt, zu dem das Motiv, der springende Soldat, aufgenommen wurde, verleiht dem Foto seine künstlerische Qualität. Es erfasst den Scheitelpunkt des Sprunges, in dem der Stiefel des Soldaten den Stacheldraht berührt und so den Betrachter die Gefahr eines Sturzes und dessen Folgen mit bedenken lässt. Auch die Haltung der Kalaschnikow, die den darauf folgenden Abwurf erahnen lässt, trägt zur Spannung des Fotos und damit zu dessen künstlerischen Qualität bei.“

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass neben der Kombination von Zeitpunkt der Aufnahme, Betrachtungswinkel und Belichtung die eingefangene Position des in den Mittelpunkt gestellten springenden Soldaten im Raum von prägender Kraft ist. Der Sprung in die Freiheit von Ost nach West wird durch die diagonale „Fluchtlinie“ zwischen dem auf westlicher Seite postierten Fotografen und der auf östlicher Seite beobachtenden Menschenmenge unterstrichen. Diese unscharfen „Fluchtpunkte“ verleihen der Fotografie erst die räumliche Tiefe, in deren Mitte der sich auf dem Boden windende Stacheldraht die Grenze zwischen Ost und West markiert. Der Stacheldraht und das in der rechten oberen Ecke nur teilweise erkennbare Schild, das auf das Ende des französischen Sektors hinweist, konkretisieren zudem eindringlich den historisch-politischen Kontext des Sprungs. Dieser Kontext kontrastiert die Darstellung des springenden Grenzsoldaten, dessen Gesichtsausdruck und Körperhaltung höchste physische Konzentration erkennen lassen und so die Überwindung des Stacheldrahtes nicht nur als persönlich folgenreiche „Republikflucht“ sondern auch als momentane sportliche Leistung erscheinen lassen. Die Fotografie erzählt damit trotz der Abbildung eines nur kurzen Augenblicks im Leben des Grenzsoldaten eine vielschichtige Geschichte, wobei sich aufgrund des spannungsvollen Schwebezustandes im Kopf des Betrachters Mutmaßungen über das Vor- und Nachher aufdrängen.

Diese vom Kläger gestaltete Bildersprache, welche sich nicht bloß auf fotografisches Glück reduzieren lässt, hebt die Fotografie nachhaltig von der bloß handwerklich einwandfreien Abbildung der Wirklichkeit ab. Insofern kann entgegen der Auffassung der Beklagten die konkrete fotografische Ausgestaltung eines sich dem Kläger ohne eigenes Zutun eröffneten an sich gemeinfreien historischen Motivs – hier des Sprungs des Grenzsoldaten C. S. in die Freiheit – sehr wohl Werkschutz für sich in Anspruch nehmen. Bereits die richtige Wahl des Aufnahmezeitpunkt und das durch Belichtung und Konstrastierung in den Mittelpunkt Stellen des springenden Soldaten begründen einen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG.

II.

Die Beklagte hat durch die streitgegenständliche Bildberichterstattung in ihrem Internetangebot die Rechte des Klägers aus §§ 19a, 23 UrhG nicht verletzt. Bereits die Bearbeitung der Fotografie durch Gestaltung der Plastik stellt eine freie Benutzung des Originals im Sinne des § 24 UrhG dar, so dass auch die weitere Nutzung durch die Beklagte in Form des Öffentlichen Zugänglichmachens des bearbeiteten Werkes den Kläger in seinen Rechten nicht verletzt.

1. Voraussetzung für die Annahme einer freien Benutzung im Sinne des § 24 UrhG ist, dass durch die Bearbeitung des fremden Werkes ein neues Werk entsteht und das neue Werk gegenüber dem benutzten Werk selbstständig ist (BGH, GRUR 1994, 191 – Asterix-Persiflagen). Maßgebend hierfür ist der Abstand, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werks hält. Eine freie Benutzung setzt voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werks verblassen und der Schöpfer des neuen Werks sich von der Darstellung und den Gedanken der Werkvorlage so gelöst hat, dass seine Tätigkeit als eine selbständige schöpferische Leistung aufgefasst werden kann (BGH, GRUR 1994, 191 – Asterix-Persiflagen; GRUR 1971, 588 – Disney-Parodie; GRUR 1981, 267 – Dirlada; OLG Hamburg, ZUM-RD 1997, 217, 220 – Troades).

2. Ob und unter welchen Voraussetzungen Motivschutz bei einem Lichtbildwerk besteht und eine Motivübernahme aus einem solchen Werk eine (unfreie) Bearbeitung im Sinne von § 23 UrhG oder eine freie Benutzung Im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG darstellt, wird nicht einheitlich beurteilt (vgl. Bullinger/Garbers-von Boehm, GRUR 2008, 24, mit Beispielen). Grundsätzlich dürfte gelten, dass der urheberrechtliche Schutz eines Lichtbildwerkes sich nicht allein auf die Motivwahl beschränkt, sondern auf das mit den Mitteln der Fotografie geschaffene Gesamtbild. Eine rechtsverletzende Übernahme eines Motivs kommt in erster Linie dann in Betracht, wenn der Fotograf das Motiv selbst in einer urheberrechtlichen Schutz begründenden besonderen Weise arrangiert hat und dieses Arrangement mit seinen prägenden schutzbegründenden Gestaltungselementen nachgestellt worden ist mit der Folge, das der künstlerische Gehalt des nachgemachten Fotos mit dem der Vorlage übereinstimmt (vgl. OLG Köln, GRUR 2000, 43, 44 – Klammerpose; LG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2006 zum Az. 12 O 34/05, BeckRS 2007, 11237 – TV-MAN). Wird, wie bei der vorliegenden Fallgestaltung, ein Motiv eines Fotos als Vorlage eines Werks der bildenden Künste benutzt, gilt grundsätzlich nichts anderes. Es ist im Einzelfall festzustellen, welche schutzbegründenden Gestaltungselemente der Vorlage sich in dem neuen Werk wiederfinden und ob es gerade diese Elemente sind, die aufgrund ihrer Eigenart in dem Werk nicht verblassen oder zurücktreten dürfen (OLG Hamburg, ZUM 1996, 315, 317 – Power of Blue).

3. Für den vorliegenden Sachverhalt ergibt daraus folgendes:

Übernommen worden ist – unstreitig – das zentrale Bildmotiv des „Mauerspringers“.

Auf die Gestaltung des „Mauerspringers“ hat der Kläger keinen Einfluss nehmen können. Es handelt sich demnach nicht um ein von ihm arrangiertes Motiv, für welches für sich genommen Urheberrechtsschutz in Anspruch genommen werden kann (vgl. dazu OLG Hamburg, ZUM-RD 1997, 217, 221 – Troades). Dieses Motiv hat sich dem Kläger vielmehr eröffnet, er hat den Sprung des Grenzsoldaten kommen sehen und dann den richtigen Moment abgepasst, um diesen mit den Gestaltungsmitteln der Fotografie eindrucksvoll einzufangen. Die sich aufwerfende Frage, ob ein Fotograf, der ein sich ihm so eröffnetes Motiv einfängt, weil er die Situation erkannt und im richtigen Moment auf den Auslöser gedrückt hat, für das dadurch bildhaft festgelegt Motiv urheberrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen kann, ist nach Auffassung der Kammer zu verneinen. Dem Kläger ist mit der Aufnahme und deren Gestaltung insgesamt zwar, wie dargestellt, ein eindrucksvolles Lichtbildwerk gelungen. Die Gestaltung des Mauerspringers selbst ist jedoch nicht das Ergebnis seiner eigenschöpferischen Leistung, so dass ihm dafür auch kein isolierter Schutz zusteht (vgl. OLG Hamburg, ZUM-RD 1997, 217, 220 – Troades).

Die Übernahme des „Mauerspringers“ als ein prägendes Bestandteil des älteren Werks begründet auch im Übrigen nicht die Annahme einer unfreien Bearbeitung. Zwar haben die Schöpfer der Plastik eine Nachbildung des springenden Soldaten erstellt, welche insbesondere aufgrund der Bekanntheit der klägerischen Fotografie sofort Assoziationen an die Vorlage weckt. Diese Wirkung war auch beabsichtigt, wie sich aus dem Bericht der Beklagten zum angegriffenen Foto ergibt. Die erkennbare Bezugnahme auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk erfüllt für sich allein jedoch noch nicht die Voraussetzungen der abhängigen und damit unfreien Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG (vgl. OLG Hamburg, ZUM 1996, 315, 317 – Power of Blue). Für die Annahme einer unfreien Bearbeitung müssen vielmehr gerade die eigenpersönlichen Züge des älteren Werks in ihrer Eigentümlichkeit in dem jüngeren Werk durchscheinen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Bereits die Transformation des „Mauerspringers“ von der zweidimensionalen Fotografie in eine dreidimensionale Plastik schafft einen großen Abstand von der Fotografie. Dies ergibt sich allein aus der plastischen Ausarbeitung der Körperkonturen und der durch die Umgestaltung geschaffenen zusätzlichen Perspektiven. Aber auch die individuelle fotografische Bildsprache des Klägers findet sich in der Plastik nicht wieder. Die werkschutzbegründende Ausdruckskraft des klägerischen Fotos ergibt sich, wie oben dargelegt, erst aus der Kombination von verschiedenen Gestaltungselementen, insbesondere aber aus der konkreten, fotografisch eingefangenen Position des springenden Grenzsoldaten im Raum. Diese oben näher dargestellte Wirkung stellt sich bei der nur ausschnitthaften und teilweisen Übernahme des Motivteils nicht ein. Der Grenzsoldat ist aus seinem konkreten räumlichen und zeitlichen Umfeld herausgelöst: kein Stacheldraht ist erkennbar, den er zu überwinden hat; keine Beobachter in Ost und West begleiten ihn. Zudem wird in der konkreten Ausgestaltung der Plastik noch nicht einmal erkennbar, dass der Grenzsoldat überhaupt springt, geschweige denn von Ost nach West flieht. Weder der durch die individuelle Bildgestaltung eindrucksvoll angesprochene politisch-historische Kontext noch das ebenso prägnant herausgearbeitete individuelle Schicksal des Grenzsoldaten finden sich in der Plastik wieder. Die isolierte plastische Darstellung des Grenzsoldaten bleibt trotz der weitgehend identischen Übernahme der in der Fotografie eingefangenen charakteristischen Körperhaltung in ihrer konkreten Ausgestaltung ohne Geschichte und vergleichbar prägend-individuelle Ausdruckskraft.

4. Handelt es sich bei der Plastik selbst um eine freie Benutzung des klägerischen Lichtbildwerks, so verletzt die weitere Verwertung der Plastik durch die streitgegenständliche Bildberichterstattung der Beklagten den Kläger ebenfalls nicht in seinen Rechten.

B.

Etwaige wettbewerbliche Ansprüche aus ergänzendem Leistungsschutz waren nicht zu berücksichtigen, da sich der Kläger darauf erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestützt hat. Unabhängig davon ist schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt, welche besonderen Umstände die Unlauterkeit der Nachahmung in Form der nachschaffenden Leistungsübernahme begründen sollen.

C.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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