EuGH: Auslegung der konkludenten Einwilligung des Markeninhabers

29. Dezember 2009
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Eigener Leitsatz:

Die Zustimmung zum Inverkehrbringen von Marken nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104/EWG ist auch konkludent möglich. Der Gerichtshof hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung aus dem Urteil Zino Davidoff und Levi Strauss(C-414 bis 416/99) dahingehend ausgeweitet, dass nunmehr auch dann eine konkludente Einwilligung anzunehmen ist, wenn mit der Marke versehene Waren unmittelbar im EWR durch einen Dritten in Verkehr gebracht werden. Erforderlich sind dafür Anhaltspunkte, die einen Verzicht des Inhabers auf sein Recht bei oder nach dem Inverkehrbringen erkennen lassen.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 15.10.2009

Az.: C-324/08

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/104).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Makro Zelfbedieningsgroothandel CV (im Folgenden: Makro), der Metro Cash & Carry BV und der Remo Zaandam BV einerseits und der Diesel SpA (im Folgenden: Diesel) andererseits über das Inverkehrbringen von mit einer Marke, deren Inhaberin Diesel ist, versehenen Schuhen durch Makro ohne ausdrückliche Zustimmung von Diesel.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

Art. 5 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 89/104 sah vor:

„(1)      Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a)      ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

b)      ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

(2)      Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

(3)      Sind die Voraussetzungen der Absätze l und 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:

a)      das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;

b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

c)      Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

d)      das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.“

Art. 7 der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 89/104 lautete:

„(1)      Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.

(2)      Absatz l findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.“

Gemäß Art. 65 Abs. 2 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verbindung mit Anhang XVII Nr. 4 dieses Abkommens wurde die ursprüngliche Fassung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie für die Zwecke des Abkommens in der Weise geändert, dass der Ausdruck „in der Gemeinschaft“ durch die Worte „in einem Vertragsstaat“ ersetzt wurde.

 Internationales Recht

Art. 2.23 Abs. 3 des am 25. Februar 2005 in Den Haag unterzeichneten Benelux-Übereinkommens über geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle), der Art. 13 Teil A Abs. 9 des Einheitlichen Benelux-Markengesetzes ersetzt hat, lautet:

„Das ausschließliche Recht umfasst nicht das Recht, sich der Benutzung der Marke für Waren zu widersetzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung in der Europäischen Gemeinschaft oder im Europäischen Wirtschaftsraum [im Folgenden: EWR] in den Verkehr gebracht worden sind, es sei denn, berechtigte Gründe rechtfertigen es, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Aufgrund der Eintragung der Marke Diesel für den Benelux-Raum ist Diesel Inhaberin dieser Wortmarke.

Die Distributions Italian Fashion SA mit Sitz in Barcelona (Spanien) (im Folgenden: Difsa) war Vertriebshändlerin für die mit der Marke Diesel versehenen Waren in Spanien, Portugal und Andorra.

Am 29. September 1994 schloss Difsa einen Alleinvertriebsvertrag mit der Gesellschaft spanischen Rechts Flexi Casual SA (im Folgenden: Flexi Casual), nach dem dieser das ausschließliche Recht eingeräumt wurde, bestimmte Waren, darunter Schuhe, mit der Wortmarke Diesel in Spanien, Portugal und Andorra zu verkaufen. Gemäß Art. 1.4 dieses Vertrags war Flexi Casual berechtigt, „Markteinführungstests“ für mit der Marke Diesel versehene Schuhe durchzuführen, indem sie diese ihren Kunden in den betreffenden geografischen Gebieten zum Verkauf anbot, um „in zuverlässiger Weise die Bedürfnisse des Markts festzustellen“.

So erteilte Difsa der Flexi Casual am 11. November 1994 eine Lizenz, die diese berechtigte, als Muster und zur Marktanalyse Schuhe nach ihrer eigenen Konzeption herzustellen und zu vertreiben, um Diesel diese Artikel zum Vertrieb oder für eine „Abtretung der Herstellungslizenz“ anbieten zu können.

Am 21. Oktober 1997 erteilte ein Geschäftsführer von Flexi Casual der Cosmos World SL (im Folgenden: Cosmos) schriftlich eine Lizenz für die Herstellung und den Verkauf von Schuhen, Taschen und Gürteln der Marke Diesel. Dementsprechend produzierte und verkaufte Cosmos aufgrund dieses Vertrags, aber ohne jegliches ausdrückliches Einverständnis von Difsa oder Diesel, mit dieser Marke versehene Schuhe.

Im Sommer 1999 verkaufte Makro von zwei spanischen Unternehmen erworbene, mit der Wort- und Bildmarke Diesel versehene Schuhe, die diese Unternehmen von Cosmos gekauft hatten.

Unter Berufung darauf, dass sie niemals ihre Zustimmung zum Inverkehrbringen der fraglichen Schuhe durch Cosmos erteilt habe, erhob Diesel am 26. Oktober 1999 bei der Rechtbank te Amsterdam Klage gegen Makro und eine geschäftsführende Gesellschafterin von Makro, die Deelnemingmij Nedema BV, und beantragte u. a. die Beendigung der Verletzung ihrer Urheberrechte und der Rechte aus ihrer Marke sowie Schadensersatz.

Mit Urteil vom 29. Dezember 2004 gab die Rechtbank te Amsterdam dieser Klage im Wesentlichen statt. Auf die Berufung hin bestätigte der Gerechtshof te Amsterdam dieses Urteil durch Urteil vom 17. August 2006.

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens legten daher beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde gegen das genannte Urteil ein und trugen u. a. vor, die Rechte von Diesel aus der Marke seien erschöpft, da Cosmos die fraglichen Schuhe mit der Zustimmung von Diesel im Sinne von Art. 2.23 Abs. 3 des Benelux-Übereinkommens über geistiges Eigentum und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 auf den Markt gebracht habe.

Die von den Parteien vor dem vorlegenden Gericht geltend gemachten Argumente betreffen insbesondere die Kriterien, anhand deren zu bestimmen ist, ob Diesel konkludent ihre Zustimmung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 zum Inverkehrbringen der von Cosmos hergestellten Schuhe im EWR erteilt hat oder nicht. In diesem Zusammenhang sind sich die Parteien insbesondere darüber uneinig, ob die im Urteil vom 20. November 2001, Zino Davidoff und Levi Strauss (C‑414/99 bis C‑416/99, Slg. 2001, I‑8691), vorgenommene Auslegung der genannten Bestimmung einschlägig ist, da die mit der betroffenen Marke versehenen Waren in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, zuerst außerhalb des EWR und nicht, wie im Ausgangsverfahren, zunächst im EWR in Verkehr gebracht wurden.

Vor diesem Hintergrund hat der Hoge Raad der Nederlanden das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind in dem Fall, dass Waren unter der Marke des Markeninhabers, aber nicht von diesem und auch nicht mit seiner ausdrücklichen Zustimmung zunächst innerhalb des EWR in den Handel gebracht worden sind, hinsichtlich der Beurteilung, ob dies mit der (konkludenten) Zustimmung des Markeninhabers im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 geschehen ist, dieselben Maßstäbe anzulegen wie in dem Fall, dass solche Waren zunächst vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung außerhalb des EWR in den Handel gebracht worden sind?

2.      Falls die erste Frage zu verneinen ist: Welche Maßstäbe – die möglicherweise (auch) dem Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 1994, IHT Internationale Heiztechnik und Danzinger (C‑9/93, Slg. 1994, I‑2789), entnommen sind – sind dann in dem in der vorstehenden Frage zuerst genannten Fall hinsichtlich der Beurteilung anzuwenden, ob eine (konkludente) Zustimmung des Markeninhabers im Sinne der genannten Richtlinie vorliegt?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff der konkludenten Zustimmung eines Markeninhabers im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 auf der Grundlage der im Urteil Zino Davidoff und Levi Strauss aufgestellten Kriterien ausgelegt werden kann, wenn die mit dieser Marke versehenen Waren unmittelbar im EWR, und nicht zunächst außerhalb des EWR erstmalig in den Handel gebracht wurden.

Hierzu ist eingangs daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in Randnr. 46 des Urteils Zino Davidoff und Levi Strauss ausgeführt hat, dass die Zustimmung zum Inverkehrbringen von Waren im EWR, die zunächst außerhalb des EWR in den Handel gebracht worden waren, „sich in bestimmten Fällen konkludent aus Anhaltspunkten und Umständen vor, bei oder nach dem Inverkehrbringen außerhalb des EWR ergeben kann, die nach der Beurteilung des nationalen Gerichts ebenfalls mit Bestimmtheit einen Verzicht des Inhabers auf sein Recht erkennen lassen“. In den Randnrn. 53 bis 58 dieses Urteils hat der Gerichtshof hinzugefügt, dass eine derartige konkludente Zustimmung auf Anhaltspunkten beruhen muss, anhand deren der Verzicht des Markeninhabers, sich auf sein ausschließliches Recht zu berufen, positiv festgestellt werden kann, und dass sie nicht dem bloßen Schweigen des Markeninhabers entnommen werden kann.

Sodann ist daran zu erinnern, dass die Art. 5 bis 7 der Richtlinie 89/104 nach ständiger Rechtsprechung eine umfassende Harmonisierung der Vorschriften über die Rechte aus der Marke vornehmen und die Rechte von Inhabern von Marken in der Gemeinschaft festlegen (Urteile vom 16. Juli 1998, Silhouette International Schmied, C‑355/96, Slg. 1998, I‑4799, Randnrn. 25 und 29, und Zino Davidoff und Levi Strauss, Randnr. 39).

Insbesondere gewährt Art. 5 der Richtlinie dem Markeninhaber ein ausschließliches Recht, das es ihm u. a. gestattet, Dritten zu verbieten, mit seiner Marke versehene Waren einzuführen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie enthält eine Ausnahme von diesem Grundsatz, indem er vorsieht, dass Erschöpfung des Rechts eintritt, wenn die Waren vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht wurden (Urteile Zino Davidoff und Levi Strauss, Randnr. 40, vom 8. April 2003, Van Doren + Q, C‑244/00, Slg. 2003, I‑3051, Randnr. 33, und vom 30. November 2004, Peak Holding, C‑16/03, Slg. 2004, I‑11313, Randnr. 34).

Es zeigt sich somit, dass die Zustimmung, die einem Verzicht des Inhabers auf sein ausschließliches Recht im Sinne des Art. 5 der Richtlinie 89/104 gleichkommt, das entscheidende Element für die Erschöpfung dieses Rechts ist und daher auf eine Weise geäußert werden muss, die einen Willen zum Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmtheit erkennen lässt (Urteil vom 23. April 2009, Copad, C‑59/08, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 42).

Ein solcher Wille ergibt sich in der Regel aus einer ausdrücklichen Erteilung dieser Zustimmung (Urteile Zino Davidoff und Levi Strauss, Randnr. 46, und Copad, Randnr. 42). Die Erfordernisse des insbesondere in den Art. 28 EG und 30 EG verankerten Schutzes des freien Warenverkehrs haben den Gerichtshof jedoch zu der Auffassung veranlasst, dass eine solche Regel Modifizierungen unterliegen kann.

So hat der Gerichtshof zum einen entschieden, dass die Erschöpfung des in Art. 5 der Richtlinie 89/104 vorgesehenen ausschließlichen Rechts zum Tragen kommen kann, wenn die Waren von einem Wirtschaftsbeteiligten in den Verkehr gebracht werden, der wirtschaftlich mit dem Inhaber der Marke verbunden ist, wie z. B. einem Lizenznehmer (vgl. in diesem Sinne Urteile IHT Internationale Heiztechnik und Danzinger, Randnr. 34, und Copad, Randnr. 43).

Wie in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils ausgeführt, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum anderen auch hervor, dass der Wille zum Verzicht auf das in Art. 5 der Richtlinie 89/104 vorgesehene ausschließliche Recht selbst in Fällen, in denen das erste Inverkehrbringen der betreffenden Waren im EWR durch eine Person, die keinerlei wirtschaftliche Verbindung mit dem Inhaber der Marke aufweist, und ohne dessen ausdrückliche Zustimmung erfolgt ist, auf einer konkludenten Zustimmung des Markeninhabers beruhen kann, wobei eine solche Zustimmung auf der Grundlage der in Randnr. 46 des Urteils Zino Davidoff und Levi Strauss aufgestellten Kriterien ermittelt werden kann.

Zwar hat der Gerichtshof in Randnr. 46 des Urteils Zino Davidoff und Levi Strauss auf ein erstes Inverkehrbringen außerhalb des EWR Bezug genommen, doch ist dies im Licht der Tatsache zu sehen, dass die betroffenen Waren in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, zunächst außerhalb des EWR verkauft und anschließend importiert und im EWR auf den Markt gebracht wurden.

Der Wortlaut des Urteils Zino Davidoff und Levi Strauss lässt jedoch nicht erkennen, dass die Ausführungen des Gerichtshofs in Randnr. 46 dieses Urteils zu den Anhaltspunkten und Umständen, aus denen auf eine konkludente Zustimmung des Inhabers der Marke geschlossen werden kann, nur in einem derartigen tatsächlichen Zusammenhang gelten sollten und keine allgemeine Tragweite haben könnten.

So sind die Randnrn. 53 bis 55 dieses Urteils, in denen die für den Nachweis einer konkludenten Zustimmung geltenden Anforderungen näher ausgeführt werden, allgemein formuliert und sehen keine grundsätzliche Unterscheidung danach vor, ob das erste Inverkehrbringen außerhalb oder innerhalb des EWR erfolgt ist.

Darüber hinaus würde eine solche Unterscheidung dem System der Richtlinie 89/104 zuwiderlaufen.

Wie sich aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie selbst ergibt, kann die Regel der gemeinschaftsweiten Erschöpfung, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, nämlich nur auf Waren Anwendung finden, die mit Zustimmung des Inhabers der betroffenen Marke im EWR in den Verkehr gebracht wurden. Für das Erlöschen des in Art. 5 der Richtlinie gewährten ausschließlichen Rechts des Markeninhabers ist mit anderen Worten allein entscheidend, dass die fraglichen Waren innerhalb des EWR in den Verkehr gebracht worden sind.

Dagegen hat, wie in der Gemeinschaftsrechtsprechung im Übrigen klargestellt worden ist, ein etwaiges Inverkehrbringen außerhalb des EWR in dieser Hinsicht keinerlei Erlöschenswirkung (vgl. Urteile vom 1. Juli 1999, Sebago und Maison Dubois, C‑173/98, Slg. 1999, I‑4103, Randnr. 21, Van Doren + Q, Randnr. 26, und Peak Holding, Randnr. 36).

Um den Schutz der von der Marke gewährten Rechte sicherzustellen und den Wiederverkauf von mit einer Marke versehenen Waren zu ermöglichen, ohne dass der Markeninhaber dem widersprechen könnte, ist es daher entscheidend, dass der Markeninhaber das erste Inverkehrbringen der Waren im EWR unabhängig davon kontrollieren kann, ob die Waren möglicherweise zunächst außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile Sebago und Maison Dubois, Randnrn. 20 und 21, Zino Davidoff und Levi Strauss, Randnr. 33, Van Doren + Q, Randnr. 26, und Peak Holding, Randnrn. 36 und 37).

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der rein tatsächliche Umstand, ob die mit der Marke versehenen Waren zum ersten Mal innerhalb oder außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurden, als solcher für die Anwendung der Erschöpfungsregelung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 nicht relevant ist.

Die Möglichkeit, aus bestimmten Umständen und Anhaltspunkten auf eine konkludente Zustimmung des Markeninhabers im Sinne des Urteils Zino Davidoff und Levi Strauss zu schließen, allein auf Fälle zu beschränken, in denen das erste Inverkehrbringen der betreffenden Waren außerhalb des EWR erfolgt ist, stünde daher weder mit dem Wortlaut noch der Zielsetzung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 in Einklang.

Nach alledem ist auf die Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen ist, dass die Zustimmung des Inhabers einer Marke zum Inverkehrbringen von mit dieser Marke versehenen Waren unmittelbar im EWR durch einen Dritten, der keinerlei wirtschaftliche Verbindung zu dem Markeninhaber aufweist, konkludent sein kann, sofern sie sich aus Anhaltspunkten und Umständen vor, bei oder nach dem Inverkehrbringen innerhalb des EWR ergibt, die nach der Beurteilung des nationalen Gerichts mit Bestimmtheit einen Verzicht des Inhabers auf sein Recht erkennen lassen.

 Zur zweiten Frage

Die zweite Frage ist nur für den Fall einer Verneinung der ersten Frage gestellt worden. Da diese bejaht worden ist, ist die zweite Frage nicht zu prüfen.

 Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 7 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Zustimmung des Inhabers einer Marke zum Inverkehrbringen von mit dieser Marke versehenen Waren unmittelbar im EWR durch einen Dritten, der keinerlei wirtschaftliche Verbindung zu dem Markeninhaber aufweist, konkludent sein kann, sofern sie sich aus Anhaltspunkten und Umständen vor, bei oder nach dem Inverkehrbringen innerhalb des EWR ergibt, die nach der Beurteilung des nationalen Gerichts mit Bestimmtheit einen Verzicht des Inhabers auf sein Recht erkennen lassen.

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