Verschwiegenheitspflicht vs. Interessenvertretung – das Gutachten im Patentprozess

22. Februar 2010
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Eigener Leitsatz:

Wird im Rahmen der Beweiserhebung eines Patentprozesses ein Gutachten hinsichtlich der Patentverletzung eingeholt, so kann sich der vermeintliche Verletzer nur dann gegen die vorbehaltlose Offenlegung des Gutachtens richten, wenn er darzulegen vermag, dass schützenswerte Geheiminteressen berührt sind, denen im Wettbewerb ein hoher Stellenwert zukommt und dass ihm aus der Offenbarung Nachteile entstehen. Das Gericht prüft im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung, in welchem Umfang eine Offenlegung in Frage kommt. Dabei kann insbesondere auch der Anwalt des Patentinhabers zur Verschwiegenheit gegenüber seiner Partei verpflichtet werden.

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 16.11.2009

Az.: X ZB 37/08

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinski
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 11. August 2008 aufgehoben. Die Herausgabe des unter der Datumsangabe "31.11.2007" erstellten Beweissicherungsgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S. – abgesehen von Ziffern 2.2 und 4.6 des Gutachtens – an die rechts- und patentanwaltlichen Vertreter der Antragstellerin, Rechtsanwältin Dr. S. R. , Rechtsanwalt Dr. G. H. und Patentanwalt Dr. R. G. , wird angeordnet.
Rechtsanwältin Dr. S. R. , Rechtsanwalt Dr. G. H. und Patentanwalt Dr. R. G. werden verpflichtet, über die ihnen aufgrund dieses Beschlusses bekannt gewordenen Inhalte des Beweissicherungsgutachtens auch gegenüber der ei-genen Partei Verschwiegenheit zu bewahren.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Gegenstands des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 200.000,– € festgesetzt.

Gründe:
A.

Die Rechtsbeschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) ist Inhaberin des deutschen Patents 44 46 560, das ein Verfahren zum Schweißen von Werkstücken mit Laserstrahlung betrifft. Aufgrund des Inhalts einer Dissertati-onsschrift kam bei ihr der Verdacht auf, die Rechtsbeschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin), die Automobile herstellt, könne bei der Produktion jedenfalls eines ihrer Modelle vom geschützten Verfahren Gebrauch ma-chen. Auf ihren Antrag "im selbständigen Beweisverfahren auf Sachverständigenbegutachtung und Duldungsanordnung" hat das Landgericht München I (Aktenzeichen 21 OH 17787/07) beschlossen, durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen Beweis darüber zu erheben, ob die in einer bestimmten Betriebsstätte der Antragsgegnerin befindlichen Laserstrahl-MIG-Hybrid-Schweißstationen das anhand folgender Merkmalsgliederung be-schriebene Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents ausführen:
(1) Verfahren zum Schweißen von Werkstücken mit Laserstrahlung,
(2) die Laserstrahlung wird auf das relativbewegte Werkstück fokussiert,
(3) durch die Laserstrahlung wird eine Verdampfung von Werkstoff bewirkt,
(4) außer der Laserstrahlung wird ein im Laserstrahlschweißbereich des Werkstücks fußender Lichtbogen eingesetzt,
(5) Verwendung eines Werkstücks mit einer Oberflächenspur, die den Lichtbogen im durch den Strahlfleck der Laserstrahlung bestimmten Schweißbereich führt,
(6) die Oberflächenspur schnürt den Lichtbogen zusammen,
(7) die Oberflächenspur ist dielektrikumsfrei,
(8) der übrige Schweißbereich ist durchweg mit einer dielektrischen Schicht bedeckt.

Mit Beschluss vom selben Tage hat das Landgericht München I der An-tragsgegnerin auf Antrag der Antragstellerin im Wege einstweiliger Verfügung und unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel aufgegeben zu dulden, dass ein gerichtlich bestellter, namentlich benannter Sachverständiger die in der besagten Betriebsstätte befindlichen Schweißstationen im Zuge der im Verfahren 21 OH 17787/07 angeordneten Begutachtung nach Maßgabe bestimmter, im Beschluss genannter Anweisungen darauf hin besichtigt und untersucht, ob das Verfahren nach Anspruch 1 des deutschen Patents 44 46 560 ausge-führt wird. Des Weiteren hat das Landgericht der Antragsgegnerin aufgegeben, bei den Untersuchungen des gerichtlichen Sachverständigen neben diesem und einem etwaigen von ihm benannten Assistenten die Anwesenheit dreier ebenfalls namentlich benannter Vertreter der Antragstellerin (Patent- und Rechtsanwälte) zu dulden. Diese hat das Landgericht (antragsgemäß) ver-pflichtet, Tatsachen, die im Zuge des selbständigen Beweisverfahrens zu ihrer Kenntnis gelangen und den Geschäftsbetrieb der Rechtsbeschwerdegegnerin betreffen, geheimzuhalten, und zwar auch gegenüber der Antragstellerin und deren Mitarbeitern.
Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten im Wesentli-chen fünf Merkmale als ganz, ein weiteres nach Maßgabe einer kurzen Erläuterung teilweise, und Merkmal 5 nur mit Einschränkungen erfüllt gesehen. Eine Aussage darüber, ob Merkmal 6 erfüllt sei oder nicht, hat der Sachverständige nicht zu treffen vermocht; seine Verwirklichung lasse sich mit Hilfe der vorhandenen Messtechnik und den versuchstechnischen Randbedingungen nicht nachweisen; eine kurze Literaturrecherche habe auch nicht zu eindeutigen Hinweisen/Aussagen geführt.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, ob die Antragstellerin uneingeschränkt Einsicht in das Gutachten bekommen kann. Die Antragsgegnerin hat sich lediglich mit der Aushändigung der gutachterlichen Zusammenfassung, mit der der Sachver-ständige am Ende des Gutachtens kurz die Erfüllung der einzelnen Merkmale kommentiert hat, einverstanden erklärt, nicht aber mit der Weitergabe der übrigen Teile des Gutachtens an die Antragstellerin oder ihre Vertreter. Sie hat gel-tend gemacht, das Gutachten enthalte zahlreiche Informationen über geheimes technisches Know-how, das im Übrigen in keinem Zusammenhang zum Patent der Antragstellerin stehe und für die Verletzungsfrage unerheblich sei.
Durch seinen am 31. März 2008 erlassenen und am 4. April 2008 berich-tigten Beschluss hat das Landgericht über die Zusammenfassung hinaus die Herausgabe der Abschnitte 2.2 und 4.6 des Gutachtens an die Antragstellervertreter ohne weitere Verschwiegenheitsverpflichtung angeordnet. Im Ab-schnitt 2.2 des Gutachtens erläutert der Sachverständige die Beschränkungen, die sich an der Betriebsstätte für die Untersuchungen ergaben; der Gliederungspunkt 4.6 enthält die Erläuterungen des Sachverständigen zu Merkmal 6. Die beantragte Herausgabe der übrigen Teile des Gutachtens an die nament-lich benannten Vertreter der Antragstellerin unter Anordnung ihrer Verschwiegenheit gegenüber der eigenen Partei hat das Landgericht abgelehnt.

Mit ihrer dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin diesen Antrag weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet die Antragstellerin sich mit ihrer vom Be-schwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

I. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Das Beschwerdegericht hat sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). An die Zulassung ist das Rechtsbe-schwerdegericht grundsätzlich gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Die Bindung an die Zulassung entfällt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wenn die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2002 – III ZB 43/02, NJW 2002, 3554; Beschl. v. 8.10.2002 – VI ZB 27/02, NJW 2003, 211). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Unstatthaftigkeit der Rechtsbeschwerde lässt sich, anders als die Antragsgegnerin meint, nicht in Anlehnung an § 542 Abs. 2 ZPO bejahen, wonach gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, die Revision nicht stattfindet. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde könnte, wenn überhaupt, mit Blick auf § 542 Abs. 2 ZPO nur dann zu verneinen sein, wenn das mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Petitum der Antragstellerin einem Verfahren der einstweiligen Verfügung zuzuordnen wäre und das Rechtsmittel schon wegen der Erschöpfung des Rechtsmittelzugs in der Hauptsache als unstatthaft angesehen werden müsste. Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Das Landgericht hat die Anträge der Antragsgegnerin auf Sachverständigenbegutachtung im selbständigen Beweisverfahren und auf Duldung der Besichtigung (vgl. zur Kombination solcher Anträge Kühnen, GRUR 2005, 185 ff.) in getrennten Verfahren beschieden. Diese verfahrensmäßige Behandlung ist auch sachgerecht, weil die Duldung der Besichtigung ein von der Anordnung der Begutachtung verschiedener Verfahrensgegenstand ist und mit Letzterer nur insoweit zusammenhängt, als sie vorab, ohne das Verhalten der Antragsgegnerin abzuwarten, die rechtlichen Voraussetzungen für den Zugang des Sachverständigen und gegebenenfalls weiterer Personen (aus der Sphäre des Schutzrechtsinhabers) zum Gegenstand der Begutachtung eröffnet.

Das mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Begehren der Antragstellerin bezieht sich auf das im selbständigen Beweisverfahren erstellte Sachverständigengutachten und nicht auf die im Vorfeld der Begutachtung im Verfügungsverfahren angeordnete Duldung der Besichtigung und Untersuchung der Schweißanlage durch den Sachverständigen, die verfahrensrechtlich vom selbständigen Beweisverfahren unabhängig ist. Dass die Rechtsbeschwerde in Bezug auf in selbständigen Beweisverfahren erlassene Beschlüsse unstatthaft wäre, ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, für eine weitergehende Ein-sicht in das Gutachten bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Es sei nicht ersichtlich, welche Relevanz diese Angaben für die Beweisfrage hinsichtlich der vom Gutachter als zweifelhaft und nicht feststellbar bezeichneten Merkmale 5 und 6 hätten, und davon auszugehen, dass die dem Sachverständigen zur Ver-fügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten bei der Besichtigung erschöpfend genutzt worden seien. Entscheidend für die Frage der Schutzrechtsverletzung sei die Feststellung des Sachverständigen, dass sich Merkmal 6 mit Hilfe der Messtechnik und der versuchstechnischen Randbedingungen nicht nachweisen lasse. Es sei kein Zusammenhang zwischen dieser Feststellung und den kon-kreten verfahrenstechnischen Parametern, gegen deren Bekanntgabe sich die Antragsgegnerin wehre, ersichtlich.

2. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in GRUR-RR 2009, 191 veröffentlicht ist, scheitert die Beschwerde jedenfalls am Recht der Antragsgegnerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dessen Schutzbereich geheimes Know-how einschließe. Eine Abwägung des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin mit dem Anspruch der Antrag-stellerin auf rechtliches Gehör führe zu keinem abweichenden Ergebnis, wobei dieser Anspruch der Partei und nicht ihren rechtlichen Vertretern zustehe und das Gutachten uneingeschränkt der Ersteren und nicht nur ausgewählten Vertretern zugänglich gemacht werden müsse. Gegen einen Verzicht der Partei darauf spreche insbesondere, dass damit ein schützenswertes Geheimhal-tungsinteresse des Besichtigungsschuldners ausgehebelt werde. Auch wenn sie von ihren Vertretern nicht explizit über den Inhalt des Gutachtens informiert werde, könne die sachkundige Partei aus deren Stellungnahmen in Bespre-chungen möglicherweise Schlüsse auf das begutachtete Verfahren und sein technisches Umfeld ziehen. Es gebe im Übrigen keine Gewähr dafür, dass die Partei auf Dauer bei ihrem Verzicht auf eigene Kenntnisnahme bleibe und Gleiches gelte, wenn die Partei ihre Vertreter wechsle. Daraus erhelle, dass nach-trägliche Maßnahmen, wie das Gesetz sie den Gerichten zu treffen überlasse, nicht zum Ziel führen könnten. Es gelte vielmehr auch hier der Vorherigkeitsgrundsatz. Wie den berechtigten Interessen beider Parteien bestmöglich entsprochen werden könne, sei, gegebenenfalls unter Einbeziehung eines Sach-verständigen, vor Formulierung und Erlass eines Beweisbeschlusses schriftsätzlich oder in mündlicher Verhandlung zu klären.

III. Das Beschwerdegericht hat die begehrte Einsicht in das Beweissiche-rungsgutachten zu Unrecht verwehrt.

1. a) Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist ausschließlich, worauf zur Klarstellung hinzuweisen ist, ob in den Vorinstanzen zu Recht abgelehnt worden ist, das im selbständigen Beweisverfahren erstellte Gutachten aus Gründen des Geheimnisschutzes antragsgemäß auszuhändigen. Nicht verfahrensgegenständlich ist, unter welchen tatbestandlichen Voraussetzungen eine Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren wegen im Raum stehender Patentverletzung angeordnet werden kann und inwieweit die dafür erforderlichen Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind.

b) Wie zu verfahren ist, wenn der wegen Patentverletzung auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache bzw. eines Verfahrens in An-spruch genommene mutmaßliche Verletzer (nach dem Gesetzeswortlaut: vermeintliche Verletzer) in Bezug auf die Urkunde oder Sache bzw. das Verfahren Geheimnisschutz geltend macht, ist nunmehr in § 140c Abs. 1 Satz 3 PatG in der am 1. September 2008 gemäß Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (BGBl. I S. 1191) in Kraft getretenen Fassung geregelt. Danach trifft, soweit der vermeintliche Verletzer geltend macht, es handle sich um vertrauliche Informationen, das Gericht die erforderlichen Maßnahmen, um den im Einzelfall gebotenen Schutz zu gewährleisten.

c) Ob das Rechtsbeschwerdegericht seiner Beurteilung § 140c PatG zugrunde legen kann, obwohl die Besichtigung, in deren Zusammenhang Ge-heimnisschutzmaßnahmen angeordnet werden sollen, vor Inkrafttreten der Neuregelung stattgefunden hat und das Gesetz eine Übergangsregelung nicht vorsieht, kann offenbleiben. Denn die durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums geschaffene Rechtslage weicht materiell weder zu Lasten des Schutzrechtsinhabers noch des vermeint-lichen Verletzers vom bisherigen Rechtszustand ab (vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 16/5048 S. 40). Der Besichtigungsanspruch war zur fraglichen Zeit mit Blick darauf, dass die Frist für die Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie) abgelaufen war, in Anlehnung an die §§ 809 f. BGB zu gewähren (vgl. BGHZ 150, 377 – Faxkarte; Melullis, Festschrift für Tilmann, S. 843 unter Hinweis auf RGZ 69, 401 – Nietzsche-Briefe). Der Regelung in § 809 BGB kam zur Zeit der instanzgerichtlichen Entscheidungen auch die Funktion zu, die Maßnahmen zu verwirklichen, die nach Art. 6 der Durchsetzungsrichtlinie in Zusammenhang mit der Vorlage von Beweismitteln vorgesehen waren (BGHZ 169, 30 Tz. 41 – Rest-schadstoffentfernung). Dabei stand auch vor Inkrafttreten von § 140c PatG au-ßer Frage, dass nur aufgrund einer umfassenden Abwägung der beteiligten In-teressen bestimmt werden konnte, in welchem Umfang dem Schutzrechtsinha-ber ein Anspruch auf Besichtigung eines möglicherweise verletzenden Gegens-tands oder Verfahrens bzw. auf Auswertung der durch die Besichtigung gewon-nenen Erkenntnisse zugebilligt werden kann (vgl. BGHZ 150, 377 – Faxkarte; Melullis aaO, S. 856). Die in diesem Zusammenhang gegebenenfalls vorzuse-henden Schutzmaßnahmen waren so zu treffen, wie es nunmehr der Regelung in § 140c Abs. 1 Satz 3 PatG entspricht.

2. Was als Gegenstand von Maßnahmen zum Geheimnisschutz in Be-tracht kommt, hat auch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums nicht im Einzelnen festgelegt. Der bezweckte Schutz von Geheimhaltungsinteressen des mutmaßlichen Verletzers (vgl. BT-Drucks. 16/5048 S. 40) gebietet es jedenfalls, solche Geheimnisse einzubezie-hen, die Gegenstand des Straftatbestands der Verletzung von Privatgeheimnis-sen (§ 203 StGB) sind. Darunter fallen auch die im Zusammenhang mit Besich-tigungsmaßnahmen wegen Schutzrechtsverletzung hauptsächlich betroffenen Geschäfts- und Betriebs- bzw. Fabrikationsgeheimisse des vermeintlichen Ver-letzers (vgl. Schönke/Schröder/Lenckner StGB, 27. Aufl., § 203 Rdn. 11). Dabei handelt es sich um betriebsbezogenes technisches und kaufmännisches Wis-sen im weitesten Sinne (vgl. BVerfGE 115, 205 Tz. 87), das allenfalls einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und von dem sich ein größerer Personenkreis nur unter Schwierigkeiten Kenntnis verschaffen kann (vgl. Hefer-mehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 27. Aufl., § 17 UWG Rdn. 4 ff.), an dessen Geheimhaltung der Unternehmer ein berechtigtes (wirtschaftliches) In-teresse hat und in Bezug auf das sein Geheimhaltungswille bekundet worden oder erkennbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2002 – I ZR 64/00, GRUR 353, 356 m.w.N. – Präzisionsmessgeräte). Geschützt wird der Berechtigte gegen die Wei-tergabe von Informationen in jeglicher Form über alle im Zusammenhang mit der Besichtigung einer Sache oder eines Verfahrens zugänglichen oder wahr-nehmbaren betrieblichen Gegenstände (z. B. Maschinen oder andere Vorrich-tungen inklusive der mit ihnen gegebenenfalls ausgeführten Verfahren, Modelle, Verhältnisse, Zeichnungen und sonstige Unterlagen, Inhalte oder Daten) oder Urkundeninhalte, die, unmittelbar oder mittelbar, Erkenntnisse über den Ge-genstand eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses vermitteln können.
3. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Geheimnisschutz (vorstehend B III 2) in Bezug auf die von der Antragsgegnerin als geheimhal-tungsbedürftig bezeichneten Gegenstände diesen Voraussetzungen genügen, namentlich, inwieweit sie allenfalls einem eng begrenzten Personenkreis be-kannt sind und sich ein größerer Personenkreis von ihnen nur unter Schwierig-keiten Kenntnis verschaffen kann und inwieweit ein bekundetes Geheimhal-tungsinteresse besteht, hat weder das Land- noch das Beschwerdegericht fest-gestellt. Der Senat kann gleichwohl selbst in der Sache entscheiden, weil die getroffenen Feststellungen eine ausreichende Grundlage für seine Entschei-dung bieten (§ 577 Abs. 5 ZPO) und in diesem Rahmen zugunsten der An-tragsgegnerin unterstellt werden kann, dass das, wofür sie Geheimnisschutz beansprucht, den Tatbestand des Privatgeheimnisses erfüllt.

4. Die Antragstellerin begehrt die Herausgabe der ihr noch nicht bekannt gegebenen Teile des Gutachtens nicht an sich selbst, sondern an ihre benannten rechts- und patentanwaltlichen Vertreter unter deren Verpflichtung zur Ver-schwiegenheit gegenüber ihr selbst.

Die mit diesem Antrag erstrebte Verschwiegenheitsauflage steht unab-hängig neben der in der Duldungsverfügung (antragsgemäß) erlassenen An-ordnung, dass die Rechts- und Patentanwälte Tatsachen, die im Zuge des selbständigen Beweisverfahrens zu ihrer Kenntnis gelangen und den Ge-schäftsbetrieb der Antragsgegnerin betreffen, geheimzuhalten haben. Damit ist trotz des missverständlich umfassenden Wortlauts ("im Zuge des selbständigen Beweisverfahrens") keine verfahrensübergreifende Geheimhaltungspflicht ge-meint. Wie sich aus der Gesamtheit der Prozesshandlungen einschließlich der getrennten Einleitung von selbständigem Beweis- und Verfügungsverfahren ergibt, die sich ersichtlich an eine in der Fachliteratur vorgeschlagene (vgl. Kühnen GRUR 2005, 185 ff.) und auch andernorts praktizierte Verfahrensweise anlehnen, bezieht sich die in der einstweiligen Verfügung enthaltene Geheim-haltungsanordnung vielmehr nur auf Wahrnehmungen im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die im Verfügungsverfahren angeordnet worden sind, um die Durchführung des Beweisverfahrens auch gegen den etwaigen Willen der An-tragsgegnerin durchzusetzen. Nach dem Gesamtkonzept dieses Verfahrens sind in Bezug auf die Inhalte des im selbständigen Beweisverfahren zu erwar-tenden Gutachtens von vornherein eigenständige Entschließungen über etwa erforderliche Maßnahmen des Geheimnisschutzes vorgesehen, um die es auch im vorliegenden Verfahren geht.
Der Antrag der Antragstellerin ist so zu verstehen, dass das Gutachten ohne vorgeschaltete Erörterung und Prüfung etwaiger geheimhaltungswürdiger Inhalte und ohne eine Entschließung über deren Vorenthaltung herausgegeben werden soll. Die Geheimhaltungsinteressen der Antragsgegnerin sollen an-tragsgemäß – worauf zurückzukommen sein wird – unabhängig davon durch die Verpflichtung der Bevollmächtigten der Antragstellerin zur Verschwiegenheit gesichert werden. Damit geht der Antrag im Übrigen insoweit über die vorbe-zeichnete, im Verfügungsverfahren erlassene Geheimhaltungsanordnung hin-aus, als er auf Verschwiegenheit über den gesamten Gutachteninhalt – soweit er vom Landgericht noch nicht freigegeben worden ist – zielt, und nicht nur selektiv auf "Tatsachen, die … den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin betref-fen". Das ist mit Blick darauf, dass eine gerichtliche Prüfung der Geheimhaltungsinteressen nicht erfolgen soll, allerdings auch sachgerecht und konsequent, weil es sonst in das Ermessen der Vertreter der Antragstellerin gestellt wäre zu befinden, welche Informationen über den Betrieb des vermeintlichen Verletzers Geheimnisschutz verdienen und welche nicht.
Der Senat hat den mit der Rechtsbeschwerde verfolgten Antrag ferner so verstanden, dass damit nicht nur Verschwiegenheit gegenüber der eigenen Par-tei, sondern (erst recht) auch gegenüber außenstehenden Dritten angeordnet werden möge, und dies im Tenor durch eine Einfügung ("auch") klargestellt.

5. Die Aushändigung eines solchen Gutachtens an die rechts- oder patentanwaltlichen Vertreter des Schutzrechtsinhabers mit der Maßgabe, Ver-schwiegenheit auch gegenüber der von ihnen vertretenen Partei zu bewahren, wird in der Fachliteratur unter dem Gesichtspunkt des zu wahrenden Schutzes von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen des vermeintlichen Verletzers für unbedenklich erachtet (vgl. Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 140c Rdn. 62; eingehend Kühnen in GRUR 2005, 185 ff.). Der Senat hat keine durchgreifen-den Bedenken, dieser Ansicht beizutreten.
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a) Die etwaigen Geheimhaltungsinteressen des Besichtigungsschuldners antragsgemäß präventiv durch Anordnung der Verschwiegenheit der vom Be-sichtigungsgläubiger beauftragten Rechts- oder Patentanwälten zu wahren, ist aufgrund der Stellung gerechtfertigt, die das Gesetz diesen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Rechtspflege zuweist. Der Rechtsanwalt ist unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO), und dasselbe gilt für den Patentanwalt in dem ihm durch die Patentanwaltsordnung zugewiesenen Aufgabenbereich (§ 1 PAO), der hier berührt ist (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 PAO). Die ihnen gesetzlich zugewiesene Funktion, an einer rechtsstaatlichen, geordneten Rechtspflege mitzuwirken, und die ihnen dafür zugewiesene Stellung als unab-hängige Organe der Rechtspflege rechtfertigen generell die Erwartung, dass Rechts- und Patentanwälte die Verpflichtung zur Verschwiegenheit, die ihnen auf von ihnen selbst vertretenen Antrag ihrer Partei vom Gericht – nunmehr auch auf ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage (§ 140c Abs. 1 Satz 3 PatG) – auferlegt worden ist, auch gegenüber der von ihnen vertretenen Partei nicht verletzen werden.
b) Der Rechtsanwalt, der ein solches Gutachten unter Verschwiegen-heitspflicht entgegennimmt, vertritt dabei, entgegen der Ansicht der Rechtsbe-schwerdeerwiderung, keine widerstreitenden Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO). Vielmehr nimmt der Rechtsanwalt allein die Interessen der von ihm vertretenen Partei wahr; dies erfolgt lediglich unter den ihm gerichtlich auferlegten Be-schränkungen. Diese ergehen aber auf Antrag der Partei, also mit deren Kennt-nis und Billigung, und haben im Übrigen prinzipiell nur vorläufigen Charakter, weil es der Partei freisteht, die Bewilligung der persönlichen Einsicht in das Gutachten zu beantragen (unten B III 5 f und B III 6). Mehr als das, was ihr auf diesem Wege zur Kenntnis gelangt, könnte die Partei auch nicht auf dem Um-weg über ihren vollständig informierten Rechtsanwalt in Erfahrung bringen.

c) Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die dem Rechts- oder Patentanwalt auferlegte Verschwiegenheitspflicht ein gewisses Spannungsfeld zu seinen berufsständischen und vertraglichen Pflichten entstehen lässt. Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt, abgesehen von seiner Unabhängigkeit und Verschwiegenheit, einen den Interessen des eigenen Mandanten verpflich-teten Rechts- bzw. Patentanwalt voraus (vgl. BGH, Senat für Patentanwaltssachen, Beschl. v. 25.10.2004 – PatAnwZ 1/03, WRP 2005, 226). Die Interessen des Mandanten kann der Anwalt vorliegend infolge der Verschwiegenheits-pflicht nur bedingt wahrnehmen. Er muss den Inhalt des Gutachtens bei der Beratung völlig ausblenden bzw. darf ihn, wie im Streitfall, nur im Umfang der vom Landgericht erteilten Freigabe zur Grundlage von Erörterungen mit dem Mandanten machen. Das erfordert generell hohe Umsicht, zumal die Erörterung der effizienten Interessenwahrnehmung des Patentinhabers nach einer Schutz-rechtsverletzung häufig nur schwierig völlig losgelöst von der Sphäre des vermeintlichen Verletzers, sei es in Bezug auf dessen Produktionsanlagen, sonstige Gerätschaften oder eigene Erzeugnisse, die selbst Gegenstand von Ge-schäftsgeheimnissen sein können etc., wird erfolgen können.
Deshalb muss der Rechts- oder Patentanwalt, dem Verschwiegenheit auferlegt ist, bei der weiteren Beratung des Patentinhabers, etwa über das wei-tere Vorgehen gegen den vermeintlichen Verletzer, sein besonderes Augen-merk darauf richten, keine Gutachteninhalte zu offenbaren oder Ausführungen zu machen, die dem – in der Regel sachkundigen – Patentinhaber Rückschlüsse darauf, insbesondere auf Privatgeheimnisse des vermeintlichen Verletzers er-möglichen könnten. Ist das nach Lage des Sachverhalts nicht möglich, bleibt dem Rechts- bzw. Patentanwalt nur übrig, zunächst darauf hinzuwirken, dass das Gutachten auch der Partei zugänglich gemacht werden darf und die Bera-tung danach auszurichten. Dem Rechts- oder Patentanwalt wäre es insbesondere verwehrt, selbst zu befinden, welche Informationen in dem ihm unter An-ordnung der Verschwiegenheit überlassenen Dokument "wirklich" geheimhaltungswürdige Belange des vermeintlichen Verletzers betreffen und seine Verschwiegenheit nur auf diese zu beschränken.

d) Dem vermeintlichen Verletzer bleibt als Gewähr dafür, dass die gegne-rischen Rechts- oder Patentanwälte die Verschwiegenheitsanordnung beachten, nicht nur der Verlass darauf, dass diese das in sie kraft ihrer Stellung als Organe der Rechtspflege gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen. Die Verpflichtung zur Bewahrung etwaiger aus dem Gutachten ersichtlicher Privatgeheim-nisse des Besichtigungsschuldners ist auch strafbewehrt (§ 203 StGB).

aa) Solche Privatgeheimnisse sind dem Rechts- oder Patentanwalt bei dem hier in Rede stehenden Verfahren "sonst anvertraut" worden (§ 203 Abs. 1, 2. Alt. StGB). Anvertraut ist ein Geheimnis dem Rechts- oder Patentan-walt, wenn es ihm in innerem Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs unter Umständen mitgeteilt worden ist, aus denen sich die Anforderung des Geheimhaltens ergibt (vgl. nur Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 203 Rdn. 13 m.w.N.). So verhält es sich hier. Dass der Anvertrauende und der Geheimnisträger dabei, wie vorliegend, nicht personenidentisch sind, steht der Tatbestandsmäßigkeit nicht entgegen (vgl. Cierniak in MünchKomm.StGB, § 203 Rdn. 45; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 203 Rdn. 9).

bb) Der Rechts- oder Patentanwalt könnte die Offenbarung eines ihm an-vertrauten Geschäftsgeheimnisses nicht damit rechtfertigen, diese habe für eine ordnungsgemäße Wahrung der Belange seiner Partei unausweichlich erfolgen müssen. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass die Befugnis zur Offenbarung eines Geheimnisses in bestimmten Konflikt-fällen bestehen kann (etwa wenn der Rechtsanwalt ohne Offenbarung nicht in der Lage wäre, eine Honorarforderung im Zivilprozess geltend zu machen oder sich in einem gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahren sachgemäß zu vertei-digen, vgl. BGHSt 1, 366). Ob daraus ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen hergeleitet werden könnte (ablehnend Cierniak aaO Rdn. 84; Lenckner aaO Rdn. 30; zweifelnd Fischer, StGB, 57. Aufl., § 203 Rdn. 45 [ab 51. Aufl.] m.w.N.), kann hier dahinstehen, weil die Befugnis zur Offenbarung nicht i.S. eines strafrechtlichen Rechtfertigungs-grunds unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Wahrnehmung berechtigter Interessen und erst recht nicht unter dem Aspekt des rechtfertigenden Not-stands (§ 34 StGB) bejaht werden kann, wenn der Rechts- oder Patentanwalt unter den hier gegebenen Voraussetzungen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und in dem vorhersehbaren Geheimhaltungskonflikt eine Handlungsalterna-tive besteht (Antrag auf Aushändigung des Gutachtens an die Partei nach Ge-heimnisprüfung und Interessenabwägung). Hinzu kommt, dass die Anerken-nung eines dieser Rechtfertigungsgründe zu dem Wertungswiderspruch führen würde, dass der Patentinhaber durch Wahl der Aushändigung des Gutachtens an seine Anwälte unter Verschwiegenheitsanordnung anstatt an sich selbst Er-kenntnisse gewinnen kann, die ihm aus Rechtsgründen vorzuenthalten sind und die er nicht hätte in Erfahrung bringen können, wenn er die Aushändigung des Gutachtens an sich selbst verlangt hätte.
cc) Überdies bleibt es dem vermeintlichen Schutzrechtsverletzer im Ein-zelfall unbenommen, gegen die beantragte Aushändigung eines Gutachtens an einen bestimmten, namentlich benannten Vertreter zu remonstrieren, wenn er aufgrund gerade diesen betreffender konkreter, dann allerdings substanziiert darzulegender Umstände Anlass zu der Befürchtung hat, dass die Verschwiegenheitsverpflichtung missachtet werden könnte.

e) Auch die weiteren, vom Beschwerdegericht erhobenen Bedenken ge-gen die Überlassung des Gutachtens (nur) an die Vertreter der Partei greifen nicht durch. Deren Anspruch als Patentinhaberin auf Gewährung rechtlichen Gehörs im vorliegenden Verfahren ist durch diese, ihrem eigenen Antrag voll entsprechende Entscheidung nicht verkürzt. Auch der Gesetzgeber des Geset-zes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums ist, wenn auch in anderem Zusammenhang, davon ausgegangen, dass der er-forderliche Geheimnisschutz je nach Fall durch Beschränkung der Kenntnis-nahme auf Dritte verwirklicht werden kann. Die Gesetzgebungsmaterialien füh-ren insoweit als Beispiel zur Geheimniswahrung bei vorzulegenden Urkunden deren Vorlage an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten an (BT-Drucks. 16/5048 S. 41). Im Übrigen bleibt es der Patentinhaberin unbenommen, einen weitergehenden Antrag auf Gestattung der eigenen Einsichtnahme in die jeweils in Rede stehenden Unterlagen zu stellen. Bei alledem darf unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht übersehen werden, dass im vorlie-genden selbständigen Beweisverfahren nicht über den Streitstoff eines etwai-gen Hauptsacheverfahrens und insbesondere nicht darüber entschieden wird, ob und bejahendenfalls welche Tatsachen dem Patentinhaber dort vorenthalten bleiben (vgl. dazu Bornkamm in Festschrift für Ullmann, 2006, 893 ff.; zur Prob-lematik generell BVerfGE 101, 106 ff.; 115, 203 ff.).
Der Patentinhaber könnte entgegen den Befürchtungen des Beschwer-degerichts der Verschwiegenheitsanordnung auch nicht durch Sinneswandel oder Anwaltswechsel die Grundlage entziehen. Dem etwaigen vom Patentinha-ber an sie gerichteten Ansinnen, das Gutachten ihm selbst oder anderen Be-vollmächtigten zur Verfügung zu stellen, dürften die bisherigen Rechtsvertreter wegen der fortgeltenden, ihnen vom Gericht auferlegten Verschwiegenheitsver-pflichtung ungeachtet der Weisungsbefugnis des Auftraggebers nicht entspre-chen.

f) In verfahrensrechtlicher Hinsicht hält der Senat die Klarstellung für an-gezeigt, dass das im Zusammenhang mit der Besichtigung einer Sache oder eines Verfahrens wegen vermuteter Patentverletzung im selbständigen Beweis-verfahren gefertigte Sachverständigengutachten den vom Patentinhaber be-vollmächtigten Rechts- oder Patentanwälten nicht ohne Weiteres von Amts wegen mit der Auflage übermittelt werden kann, über den Inhalt Verschwiegenheit auch gegenüber der eigenen Partei zu bewahren (anders wohl Schulte/Kühnen aaO).

Im Regelfall wird ein im selbständigen Beweisverfahren erstelltes Gut-achten den Parteien bzw. ihren Verfahrensbevollmächtigten vorbehaltlos über-mittelt. Ist dies in Fällen der vorliegenden Art nicht ohne Weiteres tunlich, weil Geheimhaltungsinteressen im Raum stehen, kann nicht von Amts wegen im Sinne eines "Minus" auf eine Zustellung an die Bevollmächtigten des Schutz-rechtsinhabers mit Verschwiegenheitsverpflichtung ausgewichen werden. Dafür besteht keine gesetzliche Grundlage. Vielmehr kann der Patentinhaber, wozu ihm notfalls Gelegenheit zu geben ist, wählen, ob er (zunächst) diesen Weg beschreiten oder ob er sogleich die Überlassung des Gutachtens mit der Mög-lichkeit auch der eigenen Kenntnisnahme beantragen will. Gleichzeitig muss der Antragsgegner Gelegenheit erhalten, Geheimhaltungsinteressen geltend zu machen. Begehrt der Patentinhaber Aushändigung des Gutachtens an sich selbst, ist zu entscheiden, inwieweit schützenswerte Interessen des vermeintli-chen Verletzers betroffen sind und das Geheimhaltungsinteresse überwiegt (dazu nachstehend B III 6). Dadurch wird Klarheit und Rechtssicherheit über die zu offenbarenden und die von einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse betroffenen Informationen hergestellt.
6. Für den Fall, dass dies im vorliegenden Verfahren noch geschieht, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin.

a) Will der vermeintliche Verletzer aus Gründen des Schutzes von Ge-schäftsgeheimnissen verhindern, dass das Gutachten der gegnerischen Partei vollständig zur Kenntnis gebracht wird, hat er nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen die tatsächlichen Voraussetzungen dafür darzutun.

§ 140c Abs. 1 PatG bringt dies eingangs von Satz 3 durch Verwendung der Konjunktion "soweit" zum Ausdruck. Dazu gehört, dass Tatsachen vorgetragen werden, aus denen der Schluss gezogen werden kann, dass Geschäfts- oder andere Privatgeheimnisse bzw. gegebenenfalls sonstige schützenswerte Ge-heiminteressen berührt sind. Wie ausgeführt (oben III 3) sind im vorliegenden Verfahren diesbezüglich keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen ge-troffen worden.
b) Die zur Wahrung des Geheimhaltungsinteresses in der Sache gebote-nen Anordnungen sind alsdann aufgrund einer einzelfallbezogenen, umfassend alle beiderseitigen möglicherweise beeinträchtigten Interessen berücksichtigen-den Würdigung zu treffen (für § 140c Abs. 1 PatG vgl. BT-Drucks. 16/5048 S. 41). Das bedeutet, dass, wenn aufseiten des vermeintlichen Verletzers ein den Tatbestand eines Privatgeheimnisses erfüllender Gegenstand berührt ist, dessen Schutz nicht obligatorischen Vorrang hat und das Interesse des Schutz-rechtsinhabers an der Offenlegung nicht stets zurücktritt. Die an den Erforder-nissen des Einzelfalls orientierte Prüfung schließt vielmehr die Abwägung ein, ob das Interesse an der Wahrung des jeweiligen Geheimnisses gegenüber dem Offenlegungsinteresse des Patentinhabers überwiegt oder umgekehrt. Das be-ruht darauf, dass bestimmten Informationen, namentlich im geschäftlichen Be-reich, zwar objektiv der Status von Privatgeheimnissen zuerkannt werden kann, dass dem Unternehmen des vermeintlichen Verletzers, insbesondere hinsicht-lich seiner wettbewerblichen Position, aus ihrer Offenlegung unter Umständen aber nur mehr oder weniger unerhebliche Nachteile drohen. Umgekehrt kann der prozessuale Nutzen, den der Patentinhaber aus den durch die Offenlegung eines Geheimnisses zusätzlich gewonnenen Erkenntnissen ziehen kann, im Einzelfall voraussichtlich als so gering einzuschätzen sein, dass das Offenle-gungsinteresse hinter dem Geheimhaltungsbedürfnis zurücktritt.

Daraus ergibt sich für den vermeintlichen Verletzer, der die vorbehaltlose Offenlegung eines Sachverständigengutachtens verhindern will, die Notwendig-keit, nicht nur darzulegen, dass schützenswerte Geheiminteressen berührt sind, sondern auch aufzuzeigen, welcher Stellenwert diesen Interessen im Wettbe-werb zukommt und welche Nachteile ihm aus der Offenbarung erwachsen könnten.

7. Eine vom Gesetz freigestellte (§ 128 Abs. 4 ZPO) mündliche Verhandlung durchzuführen hat der Senat nicht für erforderlich erachtet.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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