„Do-not-call-Liste“ bei Werbeanrufen

31. März 2009
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Eigener Leitsatz:

Wird der Eintrag in eine sogenannte "Do-not-call-Liste" angeboten, jedoch vom Betroffenen abgelehnt, kann darin keine mutmaßliche Einwilligung zur Telefonaquise gesehen werden. Andernfalls würde nämlich die sogenannte Opt-in-Regelung, für die sich der deutsche Gesetzgeber entschieden hat, durch eine Opt-out-Regelung ersetzt.

Oberlandesgericht Hamm

Urteil vom 17.02.2009

Az.: 4 U 190/08

Urteil

Tenor:  

Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. August 2008 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es am Ende des Verbotes wie folgt heißt: “wie geschehen durch den Anruf vom 16. August 2007 bei der S als Geschäftspartner der Telekom.“

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist die Wettbewerbszentrale, zu deren Mitgliedern alle Industrie- und Handelskammern, der Deutsche Handwerkskammertag und zahlreiche Handelskammern gehören. Die Beklagte betreibt ein Call-Center, von dem sie unter anderem für die U AG Telefonwerbung betreibt. Unstreitig rief sie jedenfalls am 16. August 2007 bei der gewerblich tätigen S GmbH an, um bei dieser Kundin, die bereits einen Telefon- oder Telekommunikationsvertrag mit der Telekom abgeschlossen hatte, für DSL-Anschlüsse und Flatrates zu werben.

Die Klägerin hat darin eine wettbewerbswidrige Belästigung gesehen und die Beklagte mit Schreiben vom 11. September 2007 erfolglos abgemahnt. Nach einem Verfahren vor der Einigungsstelle, das zu keiner Einigung geführt hat, hat die Klägerin die Beklagte mit der vorliegenden Klage unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel in Anspruch genommen, es zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd mittels Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren mutmaßliche oder ausdrückliche Einwilligung zu werben, insbesondere für Angebote der Deutschen Telekom.

Außerdem hat sie die Zahlung der üblichen Abmahnkostenpauschale von 189,- € begehrt.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe im August/ September 2007 mehrmals unaufgefordert bei der S GmbH angerufen und dabei die Zusatzleistungen und Flatrates angeboten. Das habe eine Fangschaltung ergeben, aufgrund derer auch die genauen Zeitpunkte der Anrufe feststünden.

Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Sie hat die Klagebefugnis der Klägerin in Frage gestellt und beanstandet, dass der Antrag auch auf ein Verbot der Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern gerichtet sei, obwohl es insoweit an einer entsprechenden Verletzungshandlung fehle. Die Beklagte hat geltend gemacht, für den Anruf am 16. August 2007 habe jedenfalls eine mutmaßliche Einwilligung vorgelegen. Der Anruf hätte dem Interesse der S entsprochen, da sowohl der angebotene DSL-Anschluss als auch eine Flatrate für deren unternehmerische Ziele nur günstig gewesen wäre. Bei den weiteren Anrufen habe sie jedenfalls nicht wieder dieselbe Nummer angerufen. Es sei allenfalls denkbar, dass sie in der irrigen Meinung, es mit anderen Gewerbetreibenden zu tun zu haben, weitere Nummern der S GmbH angerufen habe, die mehr als 150 Telefonverbindungen geschaltet habe. Diese Anrufe müssten dann zum zuerst angerufenen Anschluss weitergeleitet worden sein. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Protokoll könne sie auch nicht ersehen, ob diese Anrufe erfolgreich gewesen seien. Darauf komme es aber letztlich auch nicht an, weil die Klage rechtsmissbräuchlich sei. Ihre Geschäftsführerin habe dem Geschäftsführer der S in einem Telefongespräch angeboten, alle Nummern, über die er nicht angerufen werden wolle, in eine sog. "do-not-call"-Liste aufnehmen zu lassen. Damit wäre sichergestellt worden, dass diese Nummern von ihr in Zukunft nicht mehr angewählt würden. Der Geschäftsführer der S sei auf diesen Vorschlag aber nicht eingegangen, sondern habe nur angekündigt, sie, die Beklagte, fertig machen zu wollen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit es um Werbeanrufe gegenüber Verbrauchern ging und sie zugesprochen, soweit sie Werbeanrufe gegenüber sonstigen Marktteilnehmern zum Gegenstand hatte. Zur Begründung der teilweisen Verurteilung hat es ausgeführt, die Klägerin könne aus §§ 3, 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG Unterlassung von Werbeanrufen gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren ausdrückliche oder mutmaßliche Einwilligung verlangen, insbesondere wenn –wie geschehen- die Legitimation für den Anruf lediglich aus einem bestehenden Vertrag mit der Telekom hergeleitet werde.

Die Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an. Sie räumt ausdrücklich ein, bei verschiedenen Anschlüssen der S angerufen und Telefondienstleistungen angeboten zu haben. Sie behauptet aber, dass sie erst im Rahmen des durch die Abmahnung eingeleiteten Streites davon erfahren habe, dass es sich um Nummern des selben Gewerbetreibenden gehandelt habe. Sie meint, dass die Telefonwerbung zulässig gewesen sei, weil eine mutmaßliche Einwilligung der Angerufenen vorgelegen habe. Bei den angerufenen Anschlüssen habe es sich um Teilnehmer gehandelt, die mit der Telekom bereits einen Vertrag über Telefondienstleistungen abgeschlossen hatten. Zwischen der eigentlich Werbenden und den Angerufenen habe somit bereits eine Geschäftsbeziehung bestanden. Allein diese Geschäftsbeziehung stelle hier wie häufig schon einen konkreten Grund für eine zulässige Telefonwerbung dar. Bei der S handele es sich um ein Unternehmen, dass unter anderem mit Wasserschadensbeseitigung, Bautrocknung, Mauerwerksentfeuchtung und Leckortung befasst sei. Deren Kunden wollten sich in der Regel zeitnah zu einem Schadensfall telefonisch mit dem Unternehmen in Verbindung setzen. Es sei deshalb zu vermuten gewesen, dass es im Interesse dieses Unternehmens liege, die zu erwartenden erheblichen Telefonkosten für sich und ihre Kunden möglichst gering zu halten. Gerade in Bezug auf ein Angebot mit günstigeren Tarifen und sog. Flatrates habe sie, die Beklagte, somit von einem mutmaßlichen Einverständnis ausgehen können. Die Beklagte bezieht sich im Hinblick auf einen ähnlichen Fall, in dem es um die Telefonwerbung bei einem Taxiunternehmen im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung ging, auf ein klageabweisendes Urteil des OLG Düsseldorf (CR 2008, 297).

Die Beklagte meint weiter, dass dem Unterlassungsanspruch der Klägerin auch entgegen stehe, dass der S ausdrücklich angeboten worden sei, sich auf eine sog. "do-not-call-Liste" setzen zu lassen. Mit der Benennung der direkt oder indirekt zur S gehörenden Telefonanschlüsse wäre jedweder Anruf bei der "S" dauerhaft vermieden worden.

Abschließend meint die Beklagte, dass das Urteil des Landgerichts in seinem Ausspruch auch zu weit gehe. Es schließe die Telefonwerbung gegenüber sämtlichen Kunden der Telekom aus und führe dazu, dass es in Bezug auf solche Kunden niemals eine mutmaßliche Einwilligung in eine Telefonwerbung geben könne.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es am Ende des

Verbotsformel heißt: "wie geschehen durch den Anruf vom 16. August 2007bei der S als Geschäftspartner der Telekom."

Die Klägerin macht unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens weiter geltend, die Beklagte habe nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung der S ausgehen dürfen, weil diese schon in einer Geschäftsbeziehung zur Telekom gestanden habe und der S bei den Anrufen günstigere Tarife und Flatrates angeboten habe. Dabei stünde der Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung schon entgegen, dass die S bereits bei Begründung der Geschäftsbeziehung mit der Telekom zukünftige Telefonakquise ausdrücklich untersagt habe. Obwohl die S bei jedem Anruf erklärt habe, dass sie solche Anrufe nicht wünsche, sei die Gruppe in relativ kurzer Zeit wieder und wieder angerufen worden, obwohl die Beklagte spätestens nach der ersten Reaktion nicht mehr von einer mutmaßlichen Einwilligung hätte ausgehen können. Darauf komme es aber nicht einmal entscheidend an. Eine bestehende Geschäftsbeziehung könne zwar ein Grund für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung sein, müsse es aber nicht. Es sei vielmehr auch bei einer solchen Geschäftsbeziehung in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Anrufende bei Würdigung aller Umstände davon ausgehen durfte, dass der Anzurufende einem solchen Anruf jedenfalls positiv gegenüberstehe. Davon sei nach der Entscheidung "Telefonwerbung für Zusatzeintrag" des BGH auszugehen, wenn die telefonische Werbemaßnahme dem Interesse des Anzurufenden in einem solchen Maße entspreche, dass die damit verbundenen Belästigungen noch als hinnehmbar erschienen. Die vom BGH dafür aufgezeigten Kriterien lägen im vorliegenden Fall aber gerade nicht vor. Die Belästigungen wögen hier vielmehr so schwer, dass sie nicht durch irgendwelche Interessen der S aufgewogen werden könnten. Hier sei nichts dafür ersichtlich, warum die S gerade auch mit einer telefonischen Werbung einverstanden sein sollte. Die Tarifwerke der Telefonanbieter, um die es bei der Werbung gegangen sei, seien selbst dann noch höchst komplex und schwierig zu verstehen, wenn sie in Schriftform vorliegen würden. Telefonisch dargestellt seien sie noch weniger nachvollziehbar, so dass der Angerufene an einer solchen Werbung per Telefon nur ein denkbar geringes Interesse haben könnte. Hier sei der sachliche Zusammenhang zwischen dem beworbenen Angebot und dem früheren Geschäft auch nicht so eng. Es sei nicht um eine sinnvolle Ergänzung oder Änderung eines bestehenden Auftrages gegangen, sondern um neue Tarife und das Angebot einer recht verschiedenen Leistung. Es sei auch um eine Werbung gegangen, bei der der Anrufer nicht damit rechnen könne, dass das entsprechende Angebot häufig genutzt werde. Denn Telefontarife ändere der Telefonkunde eher selten, weil er nie so genau wissen könne, ob der geänderte Tarif tatsächlich auch für ihn selber günstiger wäre. Für eine unzumutbare Belästigung spreche auch in besonderer Weise, dass der Angerufene bei der Annahme eines mutmaßlichen Einverständnisses in solchen Fällen mit häufigen Werbeanrufen rechnen müsse. Gerade angesichts des gegenseitigen Wettlaufs im Wettbewerb um das Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen überböten sich die einzelnen Unternehmen bekanntermaßen ständig mit neuen Tarifen. Dann müsste der sonstige Marktteilnehmer wegen dieser neuen Tarife jedes Mal mit einem Werbeanruf rechnen. Die Angelegenheit sei auch nicht so eilig gewesen, dass sie deshalb telefonisch erledigt werden musste. Die mutmaßliche Beeinträchtigung werde zudem durch die tatsächlichen Verhältnisse eindrucksvoll bestätigt. Die S habe die Belästigungen durch Werbeanrufe als so massiv empfunden, dass sie sogar eine aufwendige Fangschaltung einrichten ließ, um den Anrufer und weitere Anrufe zu ermitteln. Die Klägerin weist darauf hin, dass die durch die Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr durch das Angebot der Aufnahme in die sogenannte "do-not-call-Liste" auch nicht hätte ausgeräumt werden können.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, weil der Klägerin gegenüber der Beklagten schon wegen des Werbeanrufs vom 16. August 2007 bei der S GmbH ein Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zusteht. Bei diesem hat es sich um eine belästigende und damit unzulässige Telefonwerbung gehandelt.

1) Der Unterlassungsantrag und das ihm folgende Verbot sind hier ungeachtet der Gesetzeswiederholung jedenfalls bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, nachdem die Klägerin die konkrete Verletzungshandlung in den Verbotsantrag einbezogen hat. Im Hinblick auf den Begriff der mutmaßlichen Einwilligung ist möglicherweise noch nicht hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber sonstigen Marktteilnehmern von deren zumindest mutmaßlicher Einigung ausgegangen werden kann (vgl. BGH GRUR 2007, 607, 609 –Telefonwerbung für Individualverträge). Dadurch, dass die konkrete Verletzungshandlung in das Verbot einbezogen wird, wird klar genug, um welche tatsächlichen Voraussetzungen es hier geht, die eine mutmaßliche Einwilligung ausschließen.

2) Der Klage kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass es sich um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG handeln könnte. Zunächst ist festzuhalten, dass allenfalls die S als Informantin ein besonderes Verfolgungsinteresse an den Tag gelegt hat und nicht etwa die Klägerin, die sogar zunächst die Einigungsstelle angerufen hat. Der S kann auch nicht vorgehalten werden, dass sie nach der Verletzungshandlung nicht auf das Angebot der Beklagten eingegangen ist, sich in eine sog. "do-not-call-Liste" eintragen zu lassen. Dadurch konnte die durch die Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt werden. Außerdem brauchte sich die S ohnehin nicht auf ein solches Angebot verweisen zu lassen. Das Landgericht hat völlig zutreffend ausgeführt, dass man die sog. Opt-in- Regelung, für die sich der deutsche Gesetzgeber entschieden hat, durch eine Opt-out- Regelung ersetzen würde, wenn man Telefonwerbung ohne eine solche eigene Initiative der Kunden unter dem Aspekt der mutmaßlichen Einwilligung erlauben würde.

3) Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen die Beklagte zu. Die sich vorliegend aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ergebende Klagebefugnis steht zwischen den Parteien nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht mehr im Streit. Die Beklagte hat mit ihrer Telefonwerbung auch einen Wettbewerbsverstoß begangen. Nach der Regelung des § 7 Abs. 1 UWG in der alten Fassung hat sie unlauter gehandelt und nach neuem Recht hat sie eine unzulässige geschäftliche Handlung begangen, weil sie mit der Telefonwerbung einen sonstigen Marktteilnehmer unzumutbar belästigt hat. Eine solche unzumutbare Belästigung liegt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. UWG vor, wenn mit Telefonanrufen geworben wird, mit denen der angerufene Gewerbetreibende wie hier die S GmbH nicht zumindest mutmaßlich einverstanden ist. Hier kann auch allenfalls ein mutmaßliches Einverständnis in Betracht kommen, weil die S unstreitig gegenüber der Beklagten weder ausdrücklich noch stillschweigend in eine solche Form der Werbung eingewilligt hat.

a) Bei einer Telefonwerbung im gewerblichen Bereich ist von einer mutmaßlichen Einwilligung auszugehen, wenn die Umstände vor dem Anruf sowie Art und Inhalt der Werbung eine solche nahe legen. Ein ausreichend großes Interesse des Gewerbetreibenden kann zwar schon dann gegeben sein, wenn die Telefonwerbung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung steht. Auch bei einer bestehenden Geschäftsverbindung ist aber weiter zu prüfen, ob der Werbende bei verständiger Würdigung aller ihm bekannten Umstände vor dem Anruf ein Einverständnis des anzurufenden Geschäftspartners annehmen konnte (BGH GRUR 2008, 189, 190 –Suchmaschineneintrag; Hefermehl / Köhler, UWG, 26. Auflage, § 7 Rdn. 62). Es kommt dabei auf eine Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls an, da eine generalisierende Betrachtungsweise nicht am Platz ist (Senat, Urteil vom 14. April 2005 -4 U 24 / 05, bestätigt durch die BGH-Entscheidung Suchmaschineneintrag). Der anzurufende Gewerbetreibende muss dabei gerade auch mit einer telefonischen Werbung einverstanden sein (BGH GRUR 1991, 764 -Telefonwerbung IV). Selbst wenn die Werbung durch einen Telefonanruf keine Vorteile oder sogar einige Nachteile gegenüber einer schriftlichen Werbemitteilung aufweist, kann eine mutmaßliche Einwilligung anzunehmen sein, wenn die Telefonwerbung den Interessen des Anzurufenden in einem solchen Maß entspricht, dass die mit dem Anruf verbundene Belästigung als hinnehmbar erscheint (vgl. BGH WRP 2004, 603, 605 –Telefonwerbung für Zusatzeintrag). In der Entscheidung Telefonwerbung für Zusatzeintrag hat der Bundesgerichtshof das angenommene geringe Maß an Belästigung daraus hergeleitet, dass die Werbemaßnahme eine mit der bestehenden Geschäftsbeziehung eng zusammenhängende Leistung darstellte und in Zusammenhang mit einem ohnehin zur Abstimmung erforderlichen Telefonanruf erfolgte. Außerdem waren einem solchen Werbeanruf angesichts der jährlichen Herausgabe des beworbenen Telefonverzeichnisses zeitliche Grenzen gesetzt und war angesichts der besonderen Stellung des Herausgebers des Teilnehmerverzeichnisses auch eine Nachahmung durch Dritte nicht zu befürchten. Im Gegensatz dazu hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Suchmaschineneintrag ein größeres, zur Unzulässigkeit des Werbeanrufs ausreichendes Maß an Belästigung angenommen, weil im Rahmen einer schwachen Geschäftsverbindung zu dem Angerufenen durch einen kostenlosen Eintrag in eine Suchmaschine die Gefahr bestand, dass zahllose Betreiber von Suchmaschinen dasselbe Recht wie der dortige Beklagte zu einem unaufgeforderten Werbeanruf in Anspruch nehmen könnten.

b) Legt man diese Grundsätze zugrunde, so ist hier ein mutmaßliches Interesse des Angerufenen zu verneinen. Der Anruf der Beklagten hatte den Zweck, der S als weitere Dienstleistungen der Telekom ganz allgemein die Möglichkeit eines DSL-Anschlusses und das Angebot einer Flatrate vorzustellen. Davon, dass die S nunmehr DSL-Anschlüsse wünschte oder mit ihren vertraglich mit der Telekom vereinbarten Tarifen nicht mehr zufrieden war, hat die Beklagte nichts vorgetragen. Die Beklagte konnte somit nach den gesamten Umständen trotz der bestehenden Geschäftsbeziehung der S zu der Telekom nicht annehmen, dass diese Kundin der Telekom mit dem Anruf, so wie er vorgesehen war, einverstanden sein würde. Art und Inhalt der Werbung legten hier nicht nahe, dass die S einer Ansprache auf telefonischem Wege positiv gegenüber stehen könnte. Es ging hier auch um einen gesonderten Anruf, nicht um ein Zusatzangebot im Rahmen eines ohnehin erforderlichen Anrufs. Bei der Komplexität der Angebote und insbesondere der Tarife, die auch angesichts der erheblichen Konkurrenz eine eingehende Prüfung erforderlich machten, entspricht es dem erkennbaren Interesse des Beworbenen weit eher, ihm solche Angebote schriftlich zu unterbreiten. Dies gilt umso mehr, als es mit der Information auch keine besondere Eile hatte. Gerade da es dem Kunden somit keine besonderen Vorteile, sondern eher Nachteile bringt, ist ein solches telefonisches Angebot hier nicht hinnehmbar, da es ein erhebliches Maß an Belästigung mit sich bringt. Es führt dazu, dass der Gewerbetreibende sich zu einem ihm aufgedrängten Zeitpunkt mit dem Angebot der Änderung und Erweiterung einer bestehenden Geschäftsbeziehung befassen muss, obwohl er gerade mit ganz anderen beruflichen Problemen beschäftigt sein mag. Der allgemeine Sachbezug des neuen Angebots und des möglicherweise auch für die S günstigeren Tarifes reicht nicht aus. Wenn man ein solches theoretisches allgemeines Interesse ausreichen ließe, würde die Schutzbestimmung leer laufen, weil die Beklagte dann alle gewerbetreibenden Kunden der Telekom wegen jedes vermeintlich besseren Angebots anrufen könnte. Zeitliche Grenzen einer solchen Telefonwerbung sind im Gegensatz zum einmal jährlichen Zusatzeintrag in den Gelben Seiten hier auch nicht erkennbar. Es besteht in diesem Marktbereich vielmehr die erheblich Gefahr der Nachahmung, alle solche Änderungsangebote nur telefonisch an jetzige oder frühere Kunden zu leiten. Der Kunde muss mit einer Störung durch eine Vielzahl ähnlicher Anrufe rechnen. Die Telefonwerbung mit ihren belästigenden Folgen wäre dann jedenfalls in diesem Bereich nahezu unbeschränkt zulässig (BGH Telefonwerbung für Individualverträge, a.a.O. S, 609). Das entspricht erkennbar nicht der Intention des Gesetzgebers. In diesem Zusammenhang kann insbesondere auch nicht von Bedeutung sein, ob der Angerufene durch Anforderung von Unterlagen Interesse gezeigt oder im Gegenteil seinen Unmut bekundet hat. Auf alles das kann es nämlich schon deshalb nicht ankommen, weil allein die ex ante Sicht entscheidend ist.

c) Ungeachtet des Ergebnisses dieser Abwägung ist im vorliegenden Fall noch besonders zu beachten, dass bei dem Anruf die Nummer des Anrufers unterdrückt worden sein muss, weil dieser erst durch eine Fangschaltung ermittelt werden konnte. Die Beklagte räumt auch ein, Nummern von ihr letztlich unbekannten Gewerbetreibenden angerufen zu haben, die nur gemeinsam hatten, dass sie bereits Kunden der Telekom waren. Schon diese beiden Gesichtspunkte machen besonders deutlich, dass die Beklagte hier nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung der Angerufenen ausgehen konnte.

d) Ist die Telefonwerbung als Wettbewerbshandlung unlauter, so ist nach altem Recht nicht mehr gesondert zu prüfen gewesen, ob das Verhalten geeignet war, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer nicht nur unerheblich im Sinne von § 3 UWG a.F. zu beeinträchtigen (vgl. BGH Telefonwerbung für Individualverträge, a.a.O. S. 609 f.). Auch nach neuem Recht gilt nichts anderes. Die unzulässige geschäftliche Handlung beeinträchtigt den Wettbewerb in jedem Fall auch spürbar im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG n.F.. Gerade eine für unzulässig gehaltene geschäftliche Handlung stellt -auch schon in einem einzigen Fall- wegen des belästigenden Eingriffs in den Gewerbebetrieb und des Nachahmungseffekts eine solche spürbare Beeinträchtigung dar.

Die sich aus § 543 Abs. 2 ZPO ergebenden Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen hier nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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