Netznutzungsentgelte: Alles oder nichts entspricht manchmal der Billigkeit

10. August 2010
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Eigener Leitsatz:

Entspricht ein Netznutzungsentgelt nicht der Billigkeit und unterlässt es der Netzbetreiber, zur Billigkeit vorzutragen, kann das Entgelt aufgrund der allgemeinen Beweislastregeln gerichtlich auf 0,00 Euro festgesetzt werden.
Überhöhte Entgelte, die in der Zeit zwischen dem Antrag auf Genehmigung der Entgelte und der Entscheidung hierüber gezahlt werden, kann der Netznutzer nicht zurückfordern.
Die Abschöpfung dieser Mehrerlöse erfolgt in den nachfolgenden Kalkulationsperioden.

Oberlandesgericht Celle

Urteil vom 17.06.2010

Az.: 13 U 155/09

In der Kartellsache

T. GmbH & Co. KG, (vormals L. – d. Z. d. E. GmbH & Co. KG), vertreten durch die L. Verwaltungsgesellschaft mbH, vertreten durch die Geschäftsführer H. von T. und W. G., Große B., H.

Klägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt G., H., H.,
Geschäftszeichen: #####

gegen

Stadtwerke B. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer T. M.W., Z., B.,

Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B., B., H., M., B.,
Geschäftszeichen: #####

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht K. sowie der Richterinnen am Oberlandesgericht Z. und R. auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2010 für Recht erkannt:

Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin wird das am 26. August 2009 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hannover wie folgt abgeändert:

Das billige Netznutzungsentgelt einschließlich der Mess und Verrechnungs¬entgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die ehemalige L. – d. Z. d. E. GmbH & Co. KG zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie im Jahre 2005 im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt hatte, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze wird für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 28. Oktober 2005 auf 0,00 € festgesetzt.

Die Beklagte wird verurteilt, an die L. AG 8.819,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2009 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin 17% und die Beklagte 83% zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 29% und die Beklagte zu 71% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 12.490,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hält die von der Beklagten für das Jahr 2005 festgesetzten Netznutzungsentgelte für unbillig überhöht und begehrt daher die gerichtliche Festsetzung des billigen Entgelts sowie die Rückzahlung der Differenz zwischen den in 2005 gezahlten Netznutzungsentgelten und dem vom Gericht bestimmten billigen Entgelt.

Die Klägerin ist eine bundesweit tätige Stromhändlerin, die ihre Kunden über die Netze anderer Energieversorgungsunternehmen versorgt. Das Geschäftsfeld, zu dem die streitgegenständliche Klageforderung gehört, wurde am 31. Juli 2009 im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung zur Aufnahme auf die L. AG übertragen.

Zur Belieferung ihrer Kunden über das Verteilungsnetz der Beklagten im Rahmen von allinclusiveVerträgen schloss die Klägerin unter ihrer ehemaligen Firma L. GmbH mit der Beklagten am 14./20. Juli 2000 und am 17./20. Oktober 2003 sog. LieferantenRahmenverträge, in denen die Abwicklung der Strombelieferung und die Erbringung der damit zusammenhängenden Dienstleistungen geregelt wurde. In Bezug auf die Entgelte für die Netznutzung wies Ziff. 9.1 des Rahmenvertrages vom 17. /20. Oktober 2003 auf die Preisregelung in dem als Anlage 2 beigefügten Preisblatt hin. Ziffer 9.2. des Vertrages räumte der Beklagten die Möglichkeit zur jährlichen Anpassung der Netznutzungsentgelte ein. Wegen des weiteren Inhalts der Verträge wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen.

Bereits mit Unterzeichnung des Vertrags vom 14./20. Juli 2000 hatte sich die Klägerin die jederzeitige energie und kartellrechtliche Überprüfung vorbehalten und auch nur unter diesem Vorbehalt Entgelte gezahlt. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 wiederholte sie den Vorbehalt für den Vertrag vom 17. /20. Oktober 2003 und wies darauf hin, dass eine Einigung hinsichtlich der Preisstellung nicht erzielt worden sei. In ihrer Einzugsermächtigung gab die Klägerin ebenfalls an, dass Zahlungen nur unter dem Vorbehalt ihrer Rückforderung erfolgten (Anlage K 6). Darauf wies sie auch in ihren Schreiben vom 30. August 2004, 8. Dezember 2005 und 24. August 2006 erneut hin (Anlage K 7).

Mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 verpflichtete die Bundesnetzagentur die Beklagte, ihre mit Bescheid vom 4. Dezember 2008 im Rahmen der Anreizregulierung der Netzentgelte festgelegten kalenderjährlichen Erlösobergrenzen für die Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013 im Hinblick auf die Mehrerlösabschöpfung um einen konkret angegebenen Betrag zu reduzieren (Anlage B 24).

Die Klägerin hält die von der Beklagten für die Nutzung des Energieversorgungsnetzes im Jahre 2005 verlangten und von ihr ausweislich der Anlage K 22 unstreitig in Höhe von 9.185,33 € netto (10.654,98 € brutto) entrichteten Netznutzungsentgelte für unbillig überhöht. Mit ihrer am 13. Dezember 2005 eingereichten Klage hat sie die gerichtliche Bestimmung des billigen Entgelts gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und die Zahlung der Differenz zwischen den in 2005 geleisteten Entgelten und dem vom Gericht bestimmten billigen Entgelt begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei für die Billigkeit der von ihr einseitig festgesetzten Netznutzungsentgelte darlegungs und beweispflichtig. Aus der dafür vorzulegenden transparenten und nachrechenbaren Kalkulation ihrer Netznutzungsentgelte werde sich ergeben, dass die Netznutzungsentgelte für das Jahr 2005 um mindestens 30 % überhöht gewesen seien. Darüber hinaus verstießen die verlangten Netznutzungsentgelte auch gegen die §§ 19, 20 GWB.

Die Klägerin hat beantragt,
1. das Gericht möge das billige Netznutzungsentgelt einschließlich der Mess und Verrechnungsentgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die Klägerin zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie im Jahre 2005 im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt hat, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze bestimmen,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Differenz zwischen den ausweislich der Auflistung Anlage K 22 tatsächlich gezahlten Entgelten für die Netznutzung für das Jahr 2005 in Höhe von 9.185,33 € (netto) und dem vom Gericht bestimmten billigen Entgelt für das Jahr 2005 für die Netznutzung zuzüglich Umsatzsteuer nebst gesetzlicher Rechtshängigkeitszinsen an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Netznutzungsentgelte entsprächen billigem Ermessen, da sie nach den vertraglich vereinbarten Vorgaben der Verbändevereinbarung Strom II Plus berechnet worden seien. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei zur Offenlegung ihrer Kalkulation nicht verpflichtet, da dies einen Eingriff in ihre Betriebs und Geschäftsgeheimnisse darstelle. Zudem obliege die Darlegungs und Beweislast für die Unbilligkeit der Entgelte der Klägerin. Jedenfalls sei sie die Beklagte bezüglich der auf die vorgelagerten Netze entfallenden Kosten entreichert, nachdem sie die ihr insoweit zugeflossenen Zahlungen an den vorgelagerten Netzbetreiber weitergeleitet habe. Hinsichtlich der ab dem 29. Oktober 2005 gezahlten Netznutzungsentgelte scheide eine Rückforderung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG aus. Etwaige Ansprüche der Klägerin seien zudem verwirkt.

Das Landgericht Hannover hat der Klage überwiegend stattgegeben und das billige Entgelt für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 28. Oktober 2005 auf 80 % des von der Klägerin in dieser Zeit gezahlten Netzentgelts festgesetzt sowie die Beklagte zur Zahlung der Differenz von 1.795,83 € verurteilt. Hinsichtlich des nachfolgenden Zeitraums hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das von der Beklagten einseitig bestimmte Netzdurchleitungsentgelt für die Zeit bis zum 28. Oktober 2005 nicht der Billigkeit entsprochen habe. Mangels Vortrags der insoweit darlegungs und beweisbelasteten Beklagten zur Kalkulation ihrer Entgelte sei das billige Entgelt unter Berücksichtigung des Regulierungsergebnisses, das ab dem 1. Januar 2008 eine Absenkung der Netzentgelte gegenüber den in 2005 gezahlten Beträgen um bis zu 18 % vorsah, zu schätzen und läge um 20 % unter dem von der Klägerin für diesen Zeitraum gezahlten Betrag von 8.879,15 € brutto. Die Differenz von 1.775,83 € zu dem gerichtlich festgesetzten billigen Entgelt in Höhe von 7.103,32 € habe die Beklagte herauszugeben. Für den Zeitraum vom 29. Oktober bis zum 31. Dezember 2005 bestehe dagegen kein Rückzahlungsanspruch. Soweit es die Differenz zwischen den gezahlten und den von der Bundesnetzagentur festgesetzten Netzentgelten betreffe, könne die Klägerin sich auf eine Unbilligkeit der Leistungsbestimmung nicht berufen, weil § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG für diese Zeit in der Beziehung zwischen Netzbetreiber und Netznutzer eine Rückabwicklung ausschließe.

Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die nun eine gerichtliche Festsetzung des Netznutzungsentgelts für das Jahr 2005 auf 0,00 € und die Rückzahlung des gesamten von ihr gezahlten Netznutzungsentgelts in Höhe von 10.654,98 € brutto nebst Zinsen an die L. AG begehrt. Sie vertritt die Auffassung, mangels Sachvortrags der Beklagten zur Billigkeit der von ihr festgesetzten Netznutzungsentgelte und fehlender Schätzgrundlagen sei das billige Entgelt für die Netznutzung auf 0,00 € festzusetzen. Zudem seien ihre Rückforderungsansprüche für den Zeitraum ab dem 29. Oktober 2005 nicht ausgeschlossen. Mit der periodenübergreifenden Saldierung gem. § 11 StromNEV habe der Gesetzgeber lediglich ein weiteres Instrument zur Korrektur überhöhter Netzentgelte geschaffen, das jedoch eine individuelle Rückabwicklung im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Netznutzer nicht ausschließe. In jedem Fall gelte ein Ausschluss nicht für den von der Bundesnetzagentur gegenüber den Netzbetreibern gewährten Rabatt von 30 % auf die Differenz zwischen beibehaltenen und genehmigten Entgelten, weil in dieser Höhe keine Mehrerlösabschöpfung stattfinde. Ferner seien regulierte Entgelte nicht mit billigen Entgelten i. S. des § 315 BGB gleich zu setzen, so dass ihr jedenfalls die Differenz zustehe. Darüber hinaus ergebe sich ihre Klageforderung aus § 33 GWB i. V. m. den §§ 19, 20 GWB. Soweit § 111 EnWG einen Ausschluss der §§ 19, 20 GWB vorsehe, stehe die Regelung im eindeutigen Widerspruch zu Art. 23 Abs. 11 der Richtlinie 2003/54/EG sowie zu Art. 37 Abs. 15 der nun geltenden Richtlinie 2009/72/EG. Für den Fall, dass ihr geltend gemachter Hauptantrag abzuweisen sei, begehre sie mit dem Hilfsantrag Schadensersatz nach § 33 GWB i. V. m. den §§ 19, 20 GWB bzw. Art. 81, 82 EGV. Die Verbändevereinbarung II Plus, auf deren Basis die Beklagte ihre Netznutzungsentgelte kalkuliert habe, verstoße gegen das Kartellverbot des Art. 81 Abs.1 EGV. In der mittelbaren oder unmittelbaren Erzwingung von unangemessenen Preisen oder Geschäftsbedingungen durch die Beklagte als marktbeherrschendes Unternehmen liege zudem ein Verstoß gegen Art. 82 EGV.

Die Klägerin beantragt unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

1. das billige Netznutzungsentgelt einschließlich der Mess und Verrechnungsentgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die ehemalige L. – d. Z. d. E. GmbH & Co. KG zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie in dem Jahr 2005 im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt hat, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze, soweit berechnet bzw. übergewälzt, auf 0,00 € zu bestimmen.

2. die Beklagte zu verurteilen, 10.654,98 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, d. h. ab 16. Januar 2009, an die L. AG zu zahlen,

3. hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an die L. AG Schadensersatz in Höhe des vom Gericht nach § 287 ZPO festgestellten Schadens durch die kartellrechtswidrig erhöhte Berechnung der Entgelte für die Netznutzung für das Jahr 2005 nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit des Hauptantrages zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Im Rahmen der von ihr eingelegten Anschlussberufung beantragt sie,
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 26. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens führt die Beklagte ergänzend aus, die klägerische Berufung sei mangels fristgerechter Einlegung bereits unzulässig. Ebenfalls unzulässig sei der nun geltend gemachte Hilfsantrag, mit dem die Klägerin erstmals Schadensersatz nach § 33 GWB i. V. m. Art. 81, 82 EGV verlange. Der darin liegenden Klageänderung stimme sie – die Beklagte – nicht zu. sie sei nicht sachdienlich und erfordere die Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei das Landgericht befugt gewesen, das billige Netznutzungsentgelt im Wege einer Schätzung festzusetzen und dabei dem Genehmigungsbescheid der Bundesnetzagentur eine Indizwirkung für die Höhe der billigen Entgelte auch bezüglich des Zeitraums vor der Preisbestimmung nach der Stromnetzentgeltverordnung beizulegen. Eine Rückzahlung von vereinnahmten Netznutzungsentgelten für den Zeitraum ab dem 29. Oktober 2005 komme nach § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG nicht in Betracht. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche nach § 33 Abs. 3 GWB i. V. m. §§ 19, 20 GWB bzw. Art. 81, 82 EGV seien mangels ausreichenden Vortrags zu ihrem Tatbestand und insbesondere zu einem etwaigen Verschulden der Beklagten oder einem Schaden der Klägerin unbegründet. Hinsichtlich der in der Berufungsinstanz erfolgten Erweiterung der Hauptanträge erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Zu ihrer Anschlussberufung führt die Beklagte ergänzend aus, die Klage sei erstinstanzlich bereits deswegen abzuweisen gewesen, weil ein Anspruch auf Rückzahlung von Netznutzungsentgelten bei Schriftsatzschluss im schriftlichen Verfahren am 31. Juli 2009 wegen des am selben Tag geschlossenen Ausgliederungs und Übernahmevertrages nicht mehr der Klägerin, sondern der L. AG zustand.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht und vor dem Senat Bezug genommen.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und zum überwiegenden Teil auch begründet (A), während die zulässige Anschlussberufung der Beklagten in der Sache keinen Erfolg hat (B).

A. Berufung der Klägerin

Soweit es den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 28. Oktober 2005 betrifft, hat die zulässige Berufung (vgl. Ziffer 1) der Klägerin in der Hauptsache Erfolg (vgl. Ziffer 2). Für den Zeitraum zwischen 29. Oktober und 31. Dezember 2005 ist sie hingegen unbegründet, weil der Klägerin kein Anspruch auf gerichtliche Bestimmung des billigen Entgelts gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB sowie auf Rückzahlung des von ihr überhöht geleisteten Netznutzungsentgelts nach §§ 812 Abs.1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB (vgl. Ziffer 3) oder auf Schadensersatz nach § 33 Abs. 3 GWB (Ziffer 4), auch nicht in Form des Hilfsantrages zusteht (vgl. Ziffern 4 und 5).

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung, weil der am letzten Tag der Berufungsfrist eingegangene Berufungsschriftsatz statt der erstinstanzlich als „L. – d. Z. d. E. GmbH & Co. KG“ bezeichneten Klägerin die „L. – d. Z. d. E. GmbH“ als Klägerin und Berufungsklägerin benannt hat und eine Richtigstellung, dass Berufungsklägerin tatsächlich die erstinstanzliche Klägerin ist, die nun unter „T. H. GmbH & Co. KG“ firmiert, erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgt ist.

aa) Zum notwendigen Inhalt einer Berufungsschrift gemäß § 519 Abs. 2 ZPO gehört u. a. die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Aus der Berufungsschrift muss entweder für sich allein oder mithilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (BGH, Beschluss vom 22. September 2009, VI ZB 76/08, NJWRR 2010, 277 Tz. 5 m. w. Nachw.). Dabei sind vor allem an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen. bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre. sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (BGH, a. a. O.). Im Hinblick auf das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip), wonach es den Gerichten verboten ist, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren, darf die Zulässigkeit der Berufung nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnungen der Parteien des Berufungsverfahrens scheitern, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (BGH, a. a. O. Tz. 6).

bb) So liegt der Fall hier. Der vor Ablauf der Berufungsfrist als Fax eingegangenen Berufungsschrift lagen zwei Kopien des erstinstanzlichen Urteils (vgl. Aktenhülle) bei. Den Urteilsablichtungen ist eindeutig zu entnehmen, dass Klägerin in erster Instanz die L. – Z. d. E. GmbH & Co. KG, vertreten durch die L. Verwaltungsgesellschaft mbH war. Andere Firmen mit der Bezeichnung „L.“ werden in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt. Daher war die Angabe der Klägerin mit „L. – Z. d. E. GmbH, diese vertreten durch die L. Verwaltungsgesellschaft mbH“ in der Berufungsschrift so auszulegen, dass die für die Klägerin und Berufungsklägerin eingelegte Berufung für die erstinstanzlich klagende „L. – d. Z. d. E. GmbH & Co. KG“ erfolgt ist, deren Firmenbezeichnung bei Berufungseinlegung versehentlich lediglich verkürzt wiedergegeben wurde.

b) Die Berufung der Klägerin ist auch statthaft. Der in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgesehene Wert des Beschwerdegegenstandes von 600 € wird überschritten.

aa) Für die Zulässigkeit der zulassungsfreien (Wert)Berufung ist nicht die Beschwer, sondern der Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgeblich (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2002 – VI ZR 148/02, NJW 2002, 2720, 2721). Er ist der Teil der Beschwer, dessen Beseitigung die Berufung erstrebt. Sein Wert wird bestimmt durch den Umfang, in dem Beschwer und Berufungsantrag sich decken. Er kann daher nicht höher sein als die Beschwer (BGHZ 124, 313, 315 ff.. 128, 85, 89. Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl. § 511 Rdn. 18). Eine klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur insoweit beschwert, als diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zum Nachteil der Partei abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (BGHZ 140, 335, 338. BGH, Beschluss vom 30. September 2003 – VI ZR 78/03, NJWRR 2004, 102). Bei unbezifferten Klagen ist der Kläger beschwert, wenn der zuerkannte Betrag wesentlich von der Größenordnung abweicht, die sich aus den Angaben des Klägers als seine eigene Vorstellung ergibt. Hat der Kläger im Klageantrag oder außerhalb desselben (BGH, Beschluss vom 24. September 1991 – VI ZR 60/91, NJW 1992, 311, 312) einen Mindestbetrag angegeben, so ist er um dessen Unterschreitung beschwert (BGHZ 140, 335, 340, BGH, Urteil vom 2. Oktober 2001 – VI ZR 356/00, NJW 2002, 212, 213, BGH, Beschluss vom 30. September 2003 – VI ZR 78/03, NJWRR 2004, 102 f.. BGH, Urteil vom 30. März 2004 – VI ZR 25/03, NJWRR 2004, 863).

bb) In der Klageschrift hatte die Klägerin aufgeführt, dass die in 2005 von ihr gezahlten Entgelte 30 % überhöht und damit unbillig gewesen seien. Diese Erklärung ist dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Bemessung der Billigkeit nach § 315 Abs. 3 BGB durch das Gericht auf diesen (Mindest)Betrag hat begrenzen wollen. Ausgehend von dem in 2005 insgesamt gezahlten Netznutzungsentgelt von 10.654,98 € brutto hat das Landgericht die Beklagte zur Rückzahlung von 20 % des auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Oktober 2005 entfallenden Entgeltbetrages von insgesamt 8.879,15 € brutto (gerechnet auf 300 Tage. bei 298 Tagen: 8.819,96 €) und daher auf Zahlung in Höhe von 1.775,83 € verurteilt. Dem gegenüber errechnet sich bei der von der Klägerin für das gesamte Jahr 2005 verlangten Reduzierung des gezahlten Netznutzungsentgelts von 10.654,98 € brutto um 30 % ein Rückzahlungsbetrag von 3.196,49 €, der ungefähr ihrer Streitwertschätzung in der Klageschrift (3.300,00 €) entspricht. In Höhe der Differenz von 1.420,66 € zwischen beiden Beträgen ist sie beschwert.

2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist auch für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. Oktober 2005 bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinshöhe begründet.

a) Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung durch die beantragte Reduzierung des billigen Entgelts auf 0,00 € und die damit verbundene Erhöhung des Rückzahlungsbetrages auf insgesamt 10.654,98 € ist gemäß §§ 533, 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Eine Partei kann ihre Klage auch in der Berufungsinstanz erweitern, wenn das Rechtsmittel als solches zulässig eingelegt werden kann (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2000 VI ZR 356/00, NJW 2002, 212, 213. BGH, Beschluss vom 30. September 2003 VI ZR 78/03, NJWRR 2004, 102, 103). Das ist wie unter Ziffer A. 1 b) dargelegt – hier der Fall.

b) Zulässig ist auch die von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgenommene Umstellung auf Leistung an ihre Rechtsnachfolgerin auf dem Geschäftsfeld, in das der streitgegenständliche Klageanspruch fällt. Unstreitig ist dieser Geschäftsbereich im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG zur Aufnahme auf die L. AG im Ausgliederungs und Übernahmevertrag vom 31. Juli 2009 übertragen worden. Die beantragte Umstellung auf Leistung an den Rechtsnachfolger ist keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung und daher nach § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO auch in der Berufungsinstanz zulässig (BGH, Urteil vom 19. März 2004 – V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 305 f..
Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. § 264 Rdn. 3 b und § 265 Rdn. 6 a).

c) Das von der Beklagten für den vorgenannten Zeitraum festgesetzte Netzdurchleitungsentgelt entsprach nicht der Billigkeit nach § 315 Abs. 1 BGB und war daher gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil festzusetzen. Mangels ausreichenden Sachvortrags der Beklagten hatte insoweit eine Festsetzung auf 0,00 € zu erfolgen. Die Klägerin kann daher von der Beklagten nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB die Zahlung des von ihr für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 28. Oktober 2005 geleisteten Netznutzungsentgelts in Höhe von 8.819,96 € an die L. AG verlangen.

aa) Der Beklagten stand ein vertragliches Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB zu. Nach Ziffer 9.2 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrages vom 17./20. Oktober 2003 durfte die Beklagte ihre Netznutzungsentgelte bei Änderung der maßgeblichen Kosten jährlich anpassen. Eine solche Preisanpassung hat sie auch zum 1. Januar 2005 vorgenommen.

bb) Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass ihre Preisbestimmung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. Oktober 2005 der Billigkeit entsprach.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung obliegt die Darlegungs und Beweislast für die Billigkeit des Entgelts dem Netzbetreiber als Inhaber des Leistungsbestimmungsrechts auch im Rückforderungsprozess, sofern der Netznutzer nur unter Vorbehalt gezahlt hat (BGH, Urteil vom 5. Juli 2003 X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2922. BGHZ 164, 336, 344 f. Stromnetznutzungsentgelt I). Das war hier der Fall. Die Klägerin hat die monatlich von ihrem Konto eingezogenen Beträge nur unter Vorbehalt geleistet. Die von ihr dazu erteilte Einzugsermächtigung vom 2. November 2000 enthielt den Hinweis, dass sämtliche Zahlungen „unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall der Unzulässigkeit der angeforderten Beträge erfolgen.“ Auf diesen Zahlungsvorbehalt und den Vorbehalt einer energie und kartellrechtlichen Überprüfung wies sie mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 und 30. August 2004 nochmals hin.

(2) Die Beklagte hat trotz entsprechenden Hinweises des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2009 keinen Vortrag zu der Kalkulation ihrer Entgelte gehalten. Allein ihr – bestrittener – Vortrag, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe nach Überprüfung ihrer Kalkulation bestätigt, dass diese der Verbändevereinbarung Strom II Plus entsprochen habe, genügt dazu nicht. Soweit nach § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG i. d. F. vom 26. August 1998 bei Einhaltung der Verbändevereinbarung Strom II Plus grundsätzlich die Erfüllung der Bedingungen guter fachlicher Praxis vermutet wurde, galt dies nur bis zum 31. Dezember 2003 (BGHZ 164, 336, 344 – Stromnetznutzungsentgelt I, BGH, Urteil vom 7. Februar 2006 KZR 8/05, ZNER 2006, 136, 37 Stromnetznutzungsentgelt II). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die in § 6 Abs. 1 EnWG i. d. F. vom 20. Mai 2003 genannten Preisfindungskriterien, die den allgemeinen Maßstab des „billigen Ermessens“ nach § 315 Abs. 1 BGB konkretisieren (BGHZ a. a. O.. BGH, Urteile vom 7. Februar 2006 KZR 8/05, a. a. O. und vom 4. März 2008 – KZR 29/06, ZNER 2008, 154, 155 – Stromnetznutzungsentgelt III – Tz. 21.), ihrerseits im Lichte der Zielsetzung des § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG auszulegen und anzuwenden sind, eine möglichst sichere, preisgünstige und umweltverträgliche leitungsgebundene Stromversorgung und darüber hinaus wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten. Wo sie Bewertungsspielräume eröffnen, sind sie daher so zu nutzen, dass dem Gesetzeszweck bestmöglich Rechnung getragen wird (BGHZ 164, 336, 344 f. – Stromnetznutzungsentgelt I). Ohne Darlegung, inwieweit sich die von der Beklagten verlangten Entgelte aus berücksichtigungsfähigen und nicht berücksichtigungsfähigen Kostenanteilen zusammensetzen (BGHZ 115, 311, 322 f.), ist dem Senat eine Überprüfung, ob die von ihr festgesetzten Netzdurchleitungsentgelte den dargestellten Anforderungen entsprechen, nicht möglich. Auch etwaige Geheimhaltungsinteressen stehen dieser prozessualen Verpflichtung der Beklagten nicht entgegen. Insoweit hätte sie ihr Geheimhaltungsinteresse bezogen auf einzelne Unterlagen konkret darlegen müssen (BGH, Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 zitiert nach Tz. 47). Davon hat die Beklagte nach entsprechendem Hinweis des Landgerichts abgesehen.

(3) Der Einwand der Beklagten, die Billigkeit der von ihr verlangten Netzentgelte folge daraus, dass diese unter dem Durchschnitt der Entgelte vergleichbarer Netzbetreiber in Deutschland gelegen hätten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, ob es sich bei den von ihr zum Vergleich herangezogenen Netznutzungsentgelten um solche vergleichbarer Verteilernetze handelt, ist die Vergleichsmarktbetrachtung nur eines von drei Elementen der Preisbildung nach den Preisfindungsprinzipien in Anlage 3 der Verbändevereinbarung Strom II Plus. Insbesondere wird durch die Darlegung der Preise vergleichbarer Netzbetreiber nicht die Darlegung der kalkulatorischen Kosten und Erlösrechnung entbehrlich.

(4) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die gewälzten Kosten der vorgelagerten Ebenen nicht vereinnahmt, sondern an die Betreiber dieser Netze weitergeleitet zu haben. Mit ihrem insoweit erhobenen Entreicherungseinwand dringt sie bereits deswegen nicht durch, weil mangels Offenlegung ihrer Kalkulation nicht feststellbar ist, in welchem Umfang sie die Kosten der vorgelagerten Netze überhaupt in das von ihr berechnete Entgelt einkalkuliert hat. Davon abgesehen hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, ihrerseits gegenüber dem Betreiber des vorgelagerten Netzes gemäß § 315 Abs. 3 BGB oder nach § 19 Abs. 1 GWB die Unverbindlichkeit bzw. Unangemessenheit der verlangten Vergütung für die Netznutzung geltend zu machen (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 22. März 2007 – VI – 2 U (Kart) 17/04 zitiert nach juris Tz. 17 ff.) und so die Weitergabe etwaig überhöht gezahlter Netznutzungsentgelte für vorgelagerte Netze bei der Festsetzung ihrer eigenen Entgelte zu vermeiden.

cc) Die Bestimmung des billigen Entgelts ist deshalb für die Zeit bis zum 28. Oktober 2005 gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil zu treffen. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung kann das Netznutzungsentgelt für den Zeitraum vom 1. Januar bis einschließlich 28. Oktober 2005 lediglich auf 0,00 € festgesetzt werden.

(1) Im Rahmen der Bestimmung des billigen Entgelts durch das Gericht gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist auf alle für die Beurteilung unter diesen Gesichtspunkten in Betracht kommenden, von den Prozessparteien vorzutragenden Umstände des Einzelfalls abzustellen (BGHZ 41, 271, 280). Maßgebend ist dabei die Sachlage zu der Zeit, zu der die billige Bestimmung hätte getroffen werden sollen (BGHZ a. a. O.).

(2) Mangels jedweden Sachvortrags der hierfür darlegungs und beweisbelasteten Beklagten ist dem Senat eine Prüfung, inwieweit die von ihr für die Nutzung ihrer Netze berechneten Entgelte der Billigkeit nach § 315 Abs. 3 BGB entsprachen, nicht möglich. Auch für eine Schätzung nach § 287 ZPO fehlt damit jegliche tatsächliche Grundlage (BGHZ 115, 311, 323. OLG Düsseldorf, ZNER 2009, 46 ff. Tz. 38. a. A. OLG München, Urteil vom 14. Mai 2009 – U (K) 3283/08, zitiert nach juris Tz. 28. OLG Nürnberg, Urteil vom 26. Mai 2009 1 U 1422/08, zitiert nach juris Tz. 87). Das belegen auch die Schwierigkeiten des Landgerichts, die als billig erachtete Kürzung von 20 % der verlangten Netzentgelte plausibel zu begründen. Die von der Klägerin zur Bemessung des Streitwertes abgegebene Schätzung einer 30%igen Überhöhung der an die Beklagte im Jahr 2005 gezahlten Netznutzungsentgelte kann dafür ebenfalls keine belastbare Schätzgrundlage liefern. Gleiches gilt für das Ergebnis der Netzentgeltregulierung, das zu einer Absenkung gegenüber den in 2005 an die Beklagte gezahlten Entgelten um bis zu 18 % führte. Die Frage, welche Wirkung den für einen bestimmten Zeitraum von der Regulierungsbehörde genehmigten Entgelten für ihre Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB zukommt, kann dabei dahinstehen. Denn die Genehmigung der Netzentgelte bezieht sich gerade nicht auf den hier relevanten Zeitraum bis zum 28. Oktober 2005, für den die Beklagte ihre Netzentgelte noch nach der Verbändevereinbarung Strom II Plus und nicht – wie ab dem 29. Oktober 2005 gefordert – nach der Strom¬netzentgeltverordnung bestimmen durfte.

Gegen das Ergebnis einer Entgeltreduzierung auf 0,00 € spricht auch nicht, dass der darin liegende „Strafcharakter“ mit dem Billigkeitsprinzip des § 315 BGB nicht vereinbar sei (so aber: OLG München, Urteil vom 14. Mai 2009 – U (K) 3283/08, zitiert nach juris Tz.28. OLG Nürnberg, Urteil vom 26. Mai 2009 – 1 U 1422/08, zitiert nach juris Tz. 87). Es entspricht den allgemeinen Regeln über die Darlegungs und Beweislast, dass diejenige Partei, die ihrer prozessualen Verpflichtung nicht nachkommt, die entsprechenden Nachteile zu tragen hat (i. E.: BGHZ 115, 311, 323. sowie bei fehlender Abrechnung über Betriebskostenvorschüsse: BGH, Urteil vom 9. März 2005 – VIII ZR 57/04, NJW 2005, 1499, 1502).

dd) Die von der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Oktober 2005 erbrachten Entgelte sind daher ohne Rechtsgrund geleistet worden, so dass ihr insoweit ein Anspruch auf Wertersatz nach §§ 812 Abs.1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB zusteht. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien sind die in 2005 insgesamt gezahlten Netznutzungsentgelte der Klägerin in Höhe von 10.654,98 € brutto gleichmäßig auf die Monate des Jahres zu verteilen. Danach ergibt sich für die Zeit bis zum 28. Oktober 2005 und mithin für 298 Tage ein gezahltes Entgelt von 8.819,96 €, zu deren Zahlung an die L. AG, die aufgrund des Ausgliederungs und Übertragungsvertrag vom 31. Juli 2009 nach § 123 Abs.3 Nr. 1 UmwG Rechtsnachfolgerin der Klägerin in Bezug auf die streitgegenständliche Forderung ist, die Beklagte nach §§ 812 Abs.1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB verpflichtet ist.

ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Herausgabeanspruch der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auch in dem vorbezeichneten Umfang nicht nach § 214 Abs. 1 BGB verjährt. Mit der Zustellung der unbezifferten Klage wurde von vorneherein die vollständige Rückzahlung der Entgelte von der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfasst. Eine weitere Reduzierung des gerichtlich zu bestimmenden Entgelts nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB lag im Rahmen sowohl ihres ursprünglichen Klageantrags zu Ziffer 1 als auch des auf Herausgabe des Differenzbetrages nach gerichtlicher Entgeltfestsetzung gerichteten Klageantrags zu Ziffer 2 (BGH, Urteil vom 13. Mai 1974 – III ZR 35/72, zitiert nach juris Tz. 67 ff.).

ff) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Bestimmung des billigen Entgelts nach § 315 BGB ist ebenso wenig wie der auf Herausgabe der Differenz gerichtete Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gemäß § 242 BGB verwirkt.

(1) Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, sodass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die bei objektiver Betrachtung das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr.: vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2001 – VII ZR 416/99, NJW 2001, 1649, vom 14. November 2002 – VII ZR 23/02, NJW 2003, 824 und vom 30. Oktober 2009 – V ZR 42/09, NJW 2010, 1074 Tz.19). Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BGHZ 97, 212, 221).

(2) Das ist hier nicht der Fall. Unabhängig vom Zeitmoment liegt das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht vor. Dem steht bereits entgegen, dass die Klägerin mit Erteilung der Einzugsermächtigung vom 2. November 2000 erklärt hatte, sämtliche Zahlungen stünden unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall der Unzulässigkeit der angeforderten Beträge. Auch bei Abschluss des Rahmenvertrages vom 17. /22. Oktober 2003 erklärte die Klägerin, sie zahle die Entgelte unter Vorbehalt ihrer energierechtlichen und kartellrechtlichen Überprüfung und einer Rückforderung. eine Einigung hinsichtlich der Preisstellung sei nicht erzielt worden. Mit Schreiben vom 30. August 2004 erbat sie eine verjährungshemmende Vereinbarung wegen der Rückforderungsansprüche für die Jahre 2000 und 2001. Wegen der gezahlten Netzentgelte für das Jahr 2002 übersandte die Klägerin am 8. Dezember 2005 ein ähnliches Schreiben. Nachdem sie mit Schreiben vom 24. August 2006 vergeblich eine vergleichsweise Regelung angeregt hatte, erhob sie in den Jahren 2006 und 2007 Klage auf Rückforderung überhöhter Netznutzungsentgelte für die Jahre 2003 bzw. 2004. Vor diesem Hintergrund hatte die Beklagte bis zur hiesigen Klageerhebung Ende 2008 keinen Anlass zur Annahme, dass die Klägerin die in 2005 gezahlten Netzentgelte nicht gerichtlich geltend machen werde.

Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht dargelegt, ihr eigenes Verhalten im Vertrauen darauf, dass die Klägerin ihre Rückforderungsansprüche nicht mehr geltend machen werde, eingerichtet und im Hinblick darauf außerordentliche Aufwendungen, insbesondere Investitionen in den Erhalt ihres Stromnetzes, getätigt zu haben, die eine Rückzahlung der Beträge unmöglich machten bzw. eine mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbare Härte darstellten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2007 – VI – 2 U (Kart) 9/06, zitiert nach juris Tz. 11).

d) Der Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergibt sich aus § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. §§ 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dem von der Beklagten unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG München (Urteil vom 14. Mai 2009 – U (K) 3283/08, zitiert nach juris Tz. 60) vertretenen Ansatz, eine etwaige Zinspflicht entstehe wegen § 820 Abs. 2 BGB analog erst ab Eintritt der Rechtskraft, vermag der Senat nicht zu folgen. Für eine entsprechende Anwendung des § 820 Abs. 2 BGB fehlt es neben einer planwidrigen Regelungslücke an einem vergleichbaren Sachverhalt.

Der weitergehende von der Klägerin beantragte Zinsanspruch in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB besteht dagegen nicht, weil es sich bei Bereicherungsansprüchen nicht um „Entgeltforderungen“ (vgl. Art.1, Art. 2 Abs. 1 der Zahlungsverzugsrichtlinie 2000/35/EG) handelt (Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB 2 Aufl. § 8181 Rdn. 101. Westermann/BueckHeeb, in: Erman, BGB 12. Aufl. § 818 Rdn. 52)

3. Soweit die Klägerin sich dagegen wendet, dass ihre auf Bestimmung des billigen Entgelts für den Zeitraum vom 29. Oktober bis zum 31. Dezember 2005 und auf Rückgewähr des in dieser Zeit zuviel gezahlten Entgelts gerichtete Klage abgewiesen wurde, bleibt ihre Berufung ohne Erfolg.

In dem vorgenannten Zeitraum richtete sich die Bestimmung der zulässigen Netznutzungsentgelte nach den Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes in der Fassung des Jahres 2005, insbesondere des § 21 EnWG, und der auf seiner Grundlage (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG) ergangenen Stromnetzentgeltverordnung.

a) Gem. § 32 Abs. 2 Satz 1 StromNEV hatten Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen ihre Netzentgelte spätestens ab dem für sie maßgeblichen Zeitpunkt am 29. Oktober 2005 (§ 118 Abs. 1 b Satz 1 EnWG a. F.) auf der Grundlage der Stromnetzentgeltverordnung zu bestimmen. Erfolgte die Antragstellung rechtzeitig, so durfte der jeweilige Netzbetreiber die in dem Zeitraum zwischen dem erstmaligen Antrag auf Genehmigung der Entgelte bis zur Entscheidung über die beantragte Genehmigung festgesetzten und veröffentlichen Entgelte beibehalten (§ 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG i. V. m. § 118 Abs. 1 b Satz 2 EnWG a. F.).

Diesen Regelungen, insbesondere § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG, ist aber nicht zu entnehmen, dass die Netzbetreiber die in dem vorgenannten Zeitraum vereinnahmten Entgelte auch insoweit endgültig behalten durften, als sie über die entsprechend den Vorgaben der Stromnetzentgeltverordnung gebildeten und deswegen später genehmigten Höchstpreise hinausgingen (BGH, Beschluss vom 14. August 2008 – KVR 39/07, ZNER 2008, 217 ff. Tz. 19 – Vattenfall). Der Ausgleich des entstandenen Mehrerlöses, den der Netzbetreiber nicht behalten darf, hat nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs dadurch stattzufinden, dass er periodenübergreifend abzurechnen und wie sonstige Erlöse in der nächsten Genehmigungsperiode Entgelt mindernd in Ansatz zu bringen ist. Ergänzend hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass in der Beziehung zwischen Netzbetreibern und Netznutzern § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG, auch wenn die Vorschrift keinen Rechtsgrund dafür schaffe, dass der Netzbetreiber zuviel erhobene Entgelte endgültig behalten dürfe, eine Rückabwicklung ausschließe (BGH, a. a. O. Tz. 21 f. Vattenfall).

b) In Anbetracht dieser Rechtsprechung scheiden Ansprüche der Klägerin auf Überprüfung der von der Beklagten bestimmten Netznutzungsentgelte nach § 315 Abs. 3 BGB und Herausgabe einer sich hieraus ergebenden ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ab dem 29. Oktober 2005 aus. In der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen und vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 21. Dezember 2009 (1 BvR 273/08, RdE 2010,
92 ff.) bestätigten Auslegung enthält das Energiewirtschaftsrecht durch die periodenübergreifende Saldierung nach den §§ 9, 11 StromNEV analog ein spezielles Abwicklungsregime zur Abschöpfung der von dem Netzbetreiber vereinnahmten Mehrerlöse. § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG schafft daher einen modifiziert fortbestehenden Rechtsgrund, der eine Bereicherungskondiktion im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Netznutzer ausschließt.

aa) Soweit die Klägerin den Vorrang der individuellen Rückabwicklung in ihrer Leistungsbeziehung zu der Beklagten mit einem in § 33 Abs. 2 EnWG zum Ausdruck kommenden verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken begründet, wonach die Vorteilsabschöpfung subsidiär gegenüber dem individuellen Ausgleich sei, verkennt sie die unterschiedlichen Regelungsansätze und ziele beider Rechtsinstitute. Die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung nach § 33 EnWG soll sicherstellen, dass wirtschaftliche Vorteile aufgrund einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der Abschnitte zwei und drei des dritten Teils des EnWG, die darauf gestützten Rechtsverordnungen oder eine auf Grundlage dieser Vorschriften ergangene Entscheidung der Regulierungsbehörde nicht bei dem Unternehmen verbleiben, das den Verstoß begangen hat (vgl. RegE, BTDrucks. 15/3917, S. 64.). Um eine Doppelbelastung der Unternehmen zu verhindern, sieht § 33 Abs. 2 EnWG die Subsidiarität der Vorteilsabschöpfung gegenüber dem Schadensersatzanspruch (§ 32 EnWG) und der Geldbuße (§ 95 EnWG) vor. Mit dieser Ausgangslage ist die Problematik der von den Netzbetreibern in der Übergangszeit zwischen Genehmigungsantrag und dessen Wirksamwerden vereinnahmten Mehrerlöse indes nicht vergleichbar. Die Netzbetreiber trifft nicht der Vorwurf einer schuldhaften Zuwiderhandlung (vgl. auch Dederer, NVwZ 2008, 149, 151 ff.. Jacobs, RdE 2009, 42, 46). § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG eröffnet ihnen vielmehr die Möglichkeit, in der Übergangsphase ihre bisherigen Entgelte beizubehalten, um die Rechtsbeziehungen zu den Netznutzern während dieser Zeit auf eine sichere Grundlage zu stellen, ohne den Netzbetreibern die Entgelte endgültig zu überlassen (BGH, Beschluss vom 14. August 2008 – KVR 39/07, ZNER 2008, 217 ff. Tz. 13, 15 – Vattenfall). Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass der im Rahmen von § 33 Abs. 1 EnWG abgeschöpfte Betrag der Staatskasse und nicht wie bei der periodenübergreifenden Saldierung den Netznutzern in Form von künftig geringeren Netznutzungsentgelten und damit dem Wettbewerb zu Gute kommt (vgl. Zeidler, RdE 2010, 122, 123), verfolgt § 33 Abs. 2 EnWG ein Regelungsziel, das auf die Mehrerlösabschöpfung nicht übertragbar ist.

Der vom Bundesgerichtshof entwickelte Ansatz, nach dem die Abschöpfung der erzielten Mehrerlöse in entsprechender Anwendung der §§ 9, 11 StromNEV durch die Regulierungsbehörde erfolgt, ist dagegen ebenfalls im Energiewirtschaftsrecht angelegt. Zwar dient die in § 11 StromNEV und § 10 GasNEV geregelte periodenübergreifende Saldierung zunächst dem Zweck, die Differenzen zwischen prognostizierten und tatsächlichen Absatzmengen nachträglich zu saldieren. Zugleich kommt darin aber ein für die Netzentgeltregulierung maßgeblicher Gedanke zum Ausdruck, nämlich der nachträgliche Ausgleich von Abweichungen zwischen den regulatorisch vorgegebenen Erlösen und den tatsächlich erzielten Einnahmen, der über das nach § 5 ARegV gebildete Regulierungskonto auch in der Anreizregulierung fortgeführt wird. Dieses Konzept zum Ausgleich von Differenzbeträgen in nachfolgenden Kalkulationsperioden ist wegen der vergleichbaren Interessenslage

auf den nicht ausdrücklich geregelten Ausgleich der von den Netzbetreibern vereinnahmten Mehrerlöse übertragbar.

bb) Dem Ausschluss etwaiger die Mehrerlöse betreffender Ansprüche der Netznutzer steht auch nicht entgegen, dass die Bundesnetzagentur die Mehrerlöse nicht in der nächsten Genehmigungsperiode, sondern erst im Rahmen der Anreizregulierung ab dem Jahr 2010 über vier – wie hier – oder neun Jahre gestreckt bei der Festlegung der Erlösobergrenze entgeltmindernd berücksichtigt. Den Regelungen der §§ 9, 11 StromNEV ist – wie ausgeführt – ein im Netzentgeltregulierungsverfahren verallgemeinerungsfähiger Rechtsgrundsatz zu entnehmen, der über die Einrichtung eines Regulierungskontos nach § 5 ARegV auch in der Anreizregulierung gilt. Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass sich durch die Berücksichtigung der Mehrerlöse erst zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit von Ungleichgewichten erhöhen könnte, weil die Lieferbeziehungen zu den einzelnen Netznutzern nicht im gleichen Umfang während der gesamten zwei Regulierungsperioden fortbestehen müssten. Diese Ungleichgewichte sind angesichts der Systemumstellung auf die Anreizregulierung und der damit verbundenen Schwierigkeiten aber noch als gerechtfertigt anzusehen und damit hinzunehmen. Gerade das von der Klägerin angeführte Gleichbehandlungsgebot des § 20 Abs. 1 EnWG spricht für die von der Bundesnetzagentur vertretene Auffassung, freiwillige Rückzahlungen der Netzbetreiber an die Netznutzer grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Denn erhielte die Klägerin zum einen das von ihr für die Übergangszeit entrichtete Netznutzungsentgelt in der Höhe von der Beklagten zurückerstattet, in der es die materiellen Entgeltmaßstäbe der Stromnetzentgeltverordnung übersteigt, und käme sie zum anderen über die entgeltmindernde Berücksichtigung der Mehrerlöse bei der Festsetzung der Erlösobergrenzen in den Genuss geringerer künftiger Netzentgelte, würde sie in ungerechtfertigter Weise doppelt profitieren.

cc) Soweit die Klägerin demgegenüber allenfalls den Abschöpfungsbetrag, der bis zum Zeitpunkt der zivilgerichtlichen Entscheidung bereits durch die Reduktion der Erlösobergrenze für das entsprechende Jahr in Abzug gebracht wurde, im Rahmen eines von der Beklagten darzulegenden Entreicherungseinwand im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB berücksichtigen will, greift dieser Ansatz nicht. Hat der Netznutzer – wie hier die Klägerin – die Netzdurchleitungsentgelte nur unter Vorbehalt gezahlt, ohne dass der Netzbetreiber dem widersprochen hat, wäre dessen Berufung auf den Wegfall der Bereicherung von vorneherein in entsprechender Anwendung des § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen (BGH, Urteile vom
8. Juni 1988 – IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161, 162 und vom 20. Oktober 2005
– III ZR 37/05, NJW 2006, 286, 288).

dd) Gegen den Ausschluss ihres auf Rückzahlung des unbillig überhöhten Netznutzungsentgelts gerichteten Anspruchs spricht auch nicht die von der Bundesnetzagentur u. a. bei der Beklagten gewählte Vorgehensweise der Mehrerlösabschöpfung im sogenannten „vereinfachten Verfahren“. Hierbei nimmt die Bundesnetzagentur auf die ermittelten Rohmehrerlöse einen pauschalen Sicherheitsabschlag von einem Drittel vor, um verbleibenden Berechnungsunsicherheiten (z.B. aufgrund zwischenzeitlich ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung) Datenlücken etc. Rechnung zu tragen und damit sicherzustellen, dass der gesamte dem Netzbetreiber entstandene Mehrerlös abgeschöpft wird. Ob diese Vorgehensweise der Bundesnetzagentur noch den Vorgaben des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 14. August 2008 (KVR 39/07, ZNER 2008, 217 ff, – Vattenfall) entspricht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls rechtfertigte eine in unzureichendem Umfang vorgenommene Abschöpfung des Mehrerlöses angesichts des vom Bundesgerichtshofs betonten Regelungszwecks des § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG, die Rechtsbeziehungen zwischen Netzbetreiber und Netznutzer für die Übergangsphase zwischen erster Antragstellung und erster Genehmigung auf eine sichere Grundlage zu stellen, keine andere zivilrechtliche Beurteilung.

ee) Scheidet wegen der gesetzlichen Regelung des § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG eine Rückabwicklung in der Beziehung zwischen Klägerin und Beklagter für die Übergangsphase zwischen Antragstellung und Genehmigungserteilung aus, kommt für diesen Zeitraum auch eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nicht in Betracht. Denn die Gestaltungsklage auf richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB dient der Klägerin als der der Leistungsbestimmung durch die Beklagte Unterworfenen dazu, ihr subjektives Recht auf eine Vertragserhaltende Regelung geltend zu machen. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass die zivilrechtlich der Beklagten zugewiesene Gestaltungsmacht für die Übergangsphase zwischen Antragstellung und Entscheidung über die beantragte Entgeltgenehmigung durch § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG dahingehend modifiziert wird, dass im Verhältnis zwischen ihr und ihren Netznutzern eine nachträgliche Korrektur nicht erfolgen soll. Die Abschöpfung der vom Netzbetreiber rechtsgrundlos vereinnahmten Mehrerlöse findet allein durch die von der Regulierungsbehörde vorgenommene periodenübergreifende Saldierung statt, indem die Mehrerlöse bei der Festlegung der Erlösobergrenze in der Anreizregulierung Erlös mindernd in Ansatz gebracht werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin verbleibt daneben auch kein Raum für eine weitergehende Billigkeitskontrolle. Denn die entsprechend den Vorgaben des EnWG und der Stromnetzentgeltverordnung kalkulierten Netzentgelte entsprechen regelmäßig billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB.

4. Für den Zeitraum zwischen 29. Oktober und 31. Dezember 2005 steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 33 Abs. 1 und 3 GWB i. V. m. §§ 19 Abs. 4 Nr. 2 und 4, 20 Abs. 1 GWB zu. Unabhängig davon, ob sich die mit den Hauptanträgen konkret begehrte Leistung überhaupt aus einem Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 3 GWB ergeben kann, sind die vorgenannten Vorschriften des GWB gemäß § 111 Abs. 1 EnWG ausgeschlossen. Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 EnWG treffen die Vorschriften über die Netzentgeltregulierung im dritten Teil des EnWG und damit auch § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG eine abschließende Regelung, die insoweit eine Anwendung der §§ 19, 20 und 29 GWB ausschließen. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht § 111 Abs. 1 EnWG nicht im Widerspruch zu Art. 23 Abs. 11 der Richtlinie 2003/54/EG, wonach Beschwerden nach Art. 5 und 6 die nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften möglichen Rechtsbehelfe unberührt lassen. Damit und mit der – ab dem 3. März 2011 anzuwendenden – inhaltsgleichen Vorschrift in Art. 37 Abs. 15 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG wird lediglich klargestellt, dass die in den Absätzen 5 und 6 angesprochenen Beschwerden keinen Wegfall der bereits bestehenden Rechtsbehelfe nach nationalem Recht zur Folge haben. Diese Regelung bedeutet hingegen nicht, dass der nationale Gesetzgeber seine bislang vorgesehenen Rechtsbehelfe künftig in ihrer Ausgestaltung nicht mehr ändern darf, sofern dies – im Übrigen – dem Gemeinschaftsrecht entspricht. Daran besteht bei der Regelung des § 111 EnWG keinen Zweifel. Mit dieser und der in § 130 Abs. 3 GWB getroffenen Normierung hat der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen EnWG und GWB zu Gunsten einer abschließenden Regelung nach dem EnWG für die Kontrolle von Netzanschluss, Netzzugang sowie diskriminierungsfreier Netznutzung und einer Konzentration der Netzentgeltregulierung bei den Regulierungsbehörden ausgestaltet, um eine drohende Doppelzuständigkeit von Regulierungs und Kartellbehörden zumindest für das nationale Recht zu vermeiden (vgl. Hölscher, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 111 Rdn. 1 ff.. BerlKommEnRSäcker/Meinzenbach, 2. Aufl. § 111 EnWG Rdn. 2, 14). Zudem ist die darauf erfolgte Implementierung einer behördlichen und zivilgerichtlichen Missbrauchskontrolle im EnWG (§§ 30 ff.) sowohl in ihrem Eingriffsumfang als auch in ihrer Eingriffsintensität weitergehender als die expostBefugnisse der §§ 19, 20, 29 GWB (vgl. BerlKommEnRSäcker/Meinzenbach, a. a. O. Rdn. 9).

Aus diesen Gründen können Ansprüche nach § 33 Abs.1 und 3 GWB i. V. m. §§ 19, 20 GWB auch in Gestalt des erstmalig in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrags keinen Erfolg haben.

5. Soweit die Klägerin ihren in der Berufungsinstanz erhobenen Hilfsantrag alternativ auf einen Verstoß gegen Art. 81, 82 EGV (jetzt: Art. 101, 102 AEUV) stützt, ist der Hilfsantrag bereits unzulässig. Es handelt sich gemäß § 533 ZPO um eine Klageerweiterung, der die Beklagte nicht zugestimmt hat. Unabhängig davon, ob man die Klageänderung gemäß § 533 Nr. 1 ZPO als sachdienlich anzusehen hat, steht § 533 Nr. 2 ZPO ihrer Zulässigkeit entgegen, da eine Entscheidung über die mit ihr erhobenen Ansprüche auf der Grundlage des nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen Sachverhalts nicht möglich ist. Entsprechenden Vortrag dazu hat die Klägerin erst in der Berufungsinstanz gehalten. Da die Beklagte diesen zumindest teilsweise, z. B. hinsichtlich ihrer marktbeherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt, bestritten hat, handelt es sich insoweit um ein neues Angriffsmittel, das nach § 531 Abs. 2 ZPO mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes in der Berufungsinstanz nicht mehr zu berücksichtigen ist.

Hielte man den auf § 33 Abs.1 und 3 GWB i. V. m. Art.81, 82 EGV (jetzt: Art. 101, 102 AEUV) gestützten Hilfsantrag gleichwohl für zulässig, wäre er unbegründet. Ob die Verbändevereinbarung Strom II plus – wie von der Klägerin geltend gemacht wird – gegen Art. 81 EGV (jetzt: Art. 101 AEUV) verstößt, kann dahinstehen. Denn spätestens für den hier maßgeblichen Zeitpunkt ab 29. Oktober 2005 waren die Stromnetznutzungsentgelte nicht mehr nach der Verbändevereinbarung, sondern nach den Vorgaben der Stromnetzentgeltverordnung zu kalkulieren. Zudem fehlt es sowohl hinsichtlich eines Verstoßes gegen Art. 81 EGV (jetzt: Art. 101 AEUV) als auch bezüglich einer Verletzung von Art. 82 EGV (jetzt: Art. 102 AEUV) an substantiiertem Vortrag der hierfür darlegungs und beweisbelasteten Klägerin (vgl. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht 4. Aufl. § 33
Rdn. 86. Rehbinder, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht 2. Aufl. § 33 Rdn. 52) insbesondere zum Verschulden der Beklagten und ihrem eingetretenen Schaden.

B Anschlussberufung der Beklagten

Die Anschlussberufung der Beklagten ist gemäß § 524 Abs.1 und 2 Satz 2 ZPO zulässig, aber unbegründet.

1. Zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der gesetzten Stellungnahmefrist im schriftlichen Verfahren am 31. Juli 2009 nach ihrem unstreitigen Vortrag nicht mehr aktivlegitimiert war. Die erforderliche Umstellung ihres Klageantrages auf Zahlung an die Rechtsnachfolgerin der streitgegenständlichen Forderung, die L. AG, hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung in zulässiger Weise nach § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO vorgenommen. Da die Beklagte den in der Berufungsinstanz gehaltenen Klägervortrag zu der Rechtsnachfolge der L. AG in die streitgegenständliche Forderung durch Ausgliederungs und Übernahmevertrag nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG nicht bestritten hat, war er bei der Entscheidung des Senats zu berücksichtigen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

2. Die zugesprochenen Klageansprüche sind auch nicht – wie bereits unter A. 2. c) ff) ausgeführt – verwirkt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Im Gegensatz zu der Entscheidung über die Kosten erster Instanz war bei den Kosten des Berufungsverfahrens zu berücksichtigen, dass hier auch eine Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag zu ergehen hatte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen. Bezüglich der Frage, in welcher Höhe das billige Entgelt bei einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu bestimmen ist, wenn der Netzbetreiber seiner Darlegungs und Beweislast nicht nachkommt, bestehen divergierende obergerichtliche Entscheidungen (vgl. OLG München, Urteil vom 14. Mai 2009 – U (K) 3283/08. OLG Nürnberg, Urteil vom 26. Mai 2009 1 U 1422/08 – Revision anhängig unter EnZR 31/09. a. A. OLG Düsseldorf, ZNER 2009, 46 ff. – BGH, Beschluss vom 23. Juni 2009 – EnZR 2/09). Welche Auswirkungen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 auf die von Netznutzern erhobenen Klage auf Billigkeitskontrolle der von ihnen geleisteten Netznutzungsentgelte und Rückzahlung etwaig überhöht entrichteter Entgelte zukommt, die den Zeitraum zwischen erster Antragstellung und Genehmigung der Entgelte durch die Regulierungsbehörden betreffen, ist für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung, bislang aber höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 48 Abs.1, 45 Abs. 1 Satz 2 GKG.

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