Klageerhebung via Email nicht ausreichend zur Fristwahrung

12. August 2010
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Eigener Leitsatz:

Eine E-Mail stellt kein zur Fristwahrung geeignetes Mittel dar, da sich ihr nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, ob sie vollständig und richtig ist, und ob sie tatsächlich von dem in ihr angegebenen Urheber stammt. Von der ernsthaften und authentischen Einlegung des Rechtsbehelfs ist grundsätzlich nur dann auszugehen, wenn die Klageschrift eigenhändig unterschrieben ist. Bei den in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen (Telefax, Fernschreiben, Telegramm) lässt sich dagegen die Identität des Absenders auf Grund der auf seine Veranlassung beim Empfänger erstellten Urkunde eindeutig bestimmen, auch wenn das empfangene Dokument wegen der Art der Übertragung keine Originalunterschrift aufweist.

Verwaltungsgericht Minden

Beschluss vom 17.06.2010

Az.: 2 L 212/10

Tenor:     

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 4,69 EUR (= 1/4 von 18,75 EUR) festgesetzt.


Gründe:

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seiner unter dem Aktenzeichen 12 K 1000/10 erhobenen Klage anzuordnen,
    
hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig (dazu I.) und im Übrigen unbegründet (dazu II.).

I. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist bereits unzulässig, weil der Antragsteller das gemäß den §§ 80 Abs. 6 Satz 1, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO vorrangig durchzuführende Aussetzungsverfahren bei der Behörde nicht durchgeführt hat. Eine Nachholung ist nicht möglich, weil die Zugangsvoraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht vorliegen müssen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Januar 1995 – 16 B 181/95 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Auflage, München 2009, § 80 Rn. 185.

Es liegen weiter keine Anhaltspunkte für eine nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO die vorherige Stellung eines Aussetzungsantrages entbehrlich machende, drohende Vollstreckung vor.

II. Der Antrag ist auch unbegründet.

Die erstrebte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Aktenzeichen 12 K 1000/10 gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 22. März 2010 erhobenen Anfechtungsklage liegt gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Ermessen des Gerichts. Unter Berücksichtigung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten – wie hier – die begehrte Anordnung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (dazu 1.) oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (dazu 2.). An Beidem fehlt es.

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen, wenn gegen die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wenn also der Erfolg der Klage wahrscheinlicher ist als der Misserfolg.

So liegt der Fall hier nicht. Die Klage ist unzulässig (dazu a)) und wäre auch unbegründet (dazu b)).
    
a) Die vom Antragsteller erhobene Klage ist bereits unzulässig. Die für die Erhebung der Klage gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzuhaltende Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Gebührenbescheides ist nicht gewahrt. Die mit einer fehlerfreien Rechtmittelbelehrung versehene Verfügung des Antragsgegners vom 22. März 2010 ist dem Antragsteller nach seinen eigenen Angaben am 26. März 2010 bekannt gegeben worden, sodass die Klagefrist mit dem Ende des 26. April 2010 ablief (vgl. § 57 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Der Antragsteller hat hingegen erst am 29. April 2010 wirksam Klage erhoben. Denn erst an diesem Tag ist seine von ihm unterschriebene und damit dem Schriftformerfordernis des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügende Klageschrift beim Verwaltungsgericht Minden eingegangen.
    
Die am 26. April 2010 und damit am letzten Tag der Frist erfolgte Übersendung der lediglich eine eingescannte Unterschrift tragenden Klageschrift per E-Mail genügte zur Fristwahrung nicht. Denn die einmonatige Klagefrist ist unter Anderem nur gewahrt, wenn auch die Mindestanforderung des § 81 Abs. 1 VwGO, wonach die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben ist, beachtet wurden.
    
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Auflage, München 2009, § 81 Rn. 2 und 8.    

Bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs der Schriftlichkeit in § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist von den Grundsätzen der Authentizität und der Rechtsklarheit auszugehen. Diesen Grundsätzen wird entsprochen, wenn Urheber und Inhalt der rechtsgestaltenden Erklärung einwandfrei feststehen und ausgeschlossen werden kann, dass es sich dabei lediglich um einen Entwurf handelt. Von der ernsthaften und authentischen Einlegung des Rechtsbehelfs ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Kläger die Klageschrift eigenhändig unterschrieben hat, sodass ihm das Schriftstück zuverlässig und zweifelsfrei zugeordnet werden kann. Die in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen (Einlegung der Klage durch Fernschreiben, Telegramm oder Telefax) sind dadurch gekennzeichnet, dass die Identität des Absenders auf Grund der auf seine Veranlassung beim Empfänger erstellten Urkunde eindeutig bestimmt ist, auch wenn das empfangene Dokument wegen der Art der Übertragung keine Originalunterschrift aufweist.

Vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 3. November 2005 – 1 TG 1668/05 -, NVwZ-RR 2006, 377.

Die E-Mail vom 26. April 2010 genügt diesen Maßstäben nicht. Ihr lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, ob sie vollständig und richtig ist, und ob sie tatsächlich von dem in ihr angegebenen Urheber stammt.

Vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 3. November 2005 – 1 TG 1668/05 -, NVwZ-RR 2006, 377 (378).
    
Dem Schriftformerfordernis wird nicht dadurch genügt, dass die im Anhang der E-Mail befindliche Klageschrift eine eingescannte Unterschrift aufweist. Mangels einer in ihr selbst zum Ausdruck kommenden Schreibbewegung stellt sie keine eigenhändige Unterschrift dar und lässt daher keinen sicheren Rückschluss auf die Urheberschaft zu.

Vgl. vertiefend: Unruh, Bankenaufsicht im Bereich elektronischer Zahlungsmöglichkeiten, Münster 2004, S. 47.

Die elektronische Übermittlung per E-Mail ist auch nicht auf Grund anderer Rechtsvorschriften zulässig.

Nach § 55a Abs. 1 Satz 3 VwGO ist, soweit die elektronische Dokumentenübermittlung durch Rechtsverordnung zugelassen wird, für Dokumente, die einem schriftlich unterzeichneten Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein anderes sicheres Verfahren zu bestimmen.

Dem entsprechend sieht § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2005 zur Entgegennahme elektronischer Dokumente ausschließlich den elektronischen Gerichtsbriefkasten vor. Nach Satz 2 der vorgenannten Bestimmung ist die Einreichung per E-Mail – wie hier geschehen – hingegen unzulässig.

b) Die Klage wäre auch unbegründet. Es lag im Verantwortungs- und Risikobereich des Antragstellers, dem Antragsgegner den fortbestehenden Versicherungsschutz für sein Kraftfahrzeug rechtzeitig nachzuweisen. Hieran fehlt es. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben den Antragsgegner erst am 22. Februar 2010 und damit sechs Tage nach der Stillegungsverfügung telefonisch von dem fortbestehenden Versicherungsverhältnis in Kenntnis gesetzt.

Ermessensfehler bei der Festsetzung der Gebühr in Höhe von 15,30 EUR sind nicht ersichtlich. Schließlich ist auch die Höhe der angesetzten Auslagen von 3,45 EUR nicht zu beanstanden.

2. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unbilligen Härte sind schon angesichts der geringen Höhe der angeforderten Kosten nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

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