Keine Kenntnis, keine Haftung

19. Mai 2009
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Eigener Leitsatz:

Veröffentlicht ein Buchhändler ein Buch mit persönlichkeitsrechtsverletzendem Inhalt, so haftet er nicht als Störer, wenn er seiner allgemeinen Prüfungspflicht gerecht wurde. Er haftet auch nicht als Täter, wenn ihm kein Verschulden bezüglich der Rechtsverletzung zur Last fällt. Auch eine Haftung als Teilnehmer scheidet aus, wenn er von der Rechtsverletzung gar keine Kenntnis hatte.

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 18.03.2009

Az.: 12 O 5/09

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 08.01.2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragstellerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung unter Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin die Unterlassung der Verbreitung einer Fotografie von ihr in einem Buch über den Künstler und Sänger Dean Reed.

Die Antragstellerin ist die ehemalige Lebensgefährtin des Künstlers und Sängers. Dieses Buch – … – wurde von der … vertrieben. In diesem Buch ist ein Bildnis der Antragstellerin enthalten. Mit Versäumnisurteil vom 22.10.2008 wurde dem Verlag untersagt, das streitgegenständliche Foto künftig zu veröffentlichen, soweit es die Antragstellerin wiedergibt.

Die Antragsgegnerin ist ein Online-Buch-Verlag. Im Rahmen eines Testkaufes, welcher Ende November 2008 stattfand, verkaufte die Antragsgegnerin das Buch … .

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.12.2008 wurde die Antragsgegnerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Eine solche gab sie nicht ab.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, es läge ein Verstoß gegen § 22 KUG vor. Die Antragsgegnerin sei für den Vertrieb dieses Buches und somit für die Rechtsverletzung verantwortlich. Die Antragstellerin könne es nicht hinnehmen, nur gegen den ursprünglichen Verlag vorgehen zu dürfen. Sie müsse zur Vermeidung einer Perpituierung der Persönlichkeitsverletzung auch die unmittelbaren Verbreiter in Anspruch nehmen können.

Die Antragstellerin beantragt,

1. Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, das nachfolgend wiedergegebene Foto zu verbreiten, soweit es Frau … (siehe rechte Person im Profil) wiedergibt:

[Bild entfernt]

Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung zurückzuweisen.

Sie behauptet, sie habe durch den Einbau von Filtern, die zuverlässig die ISBN und den Titel des Werkes ausfiltern, sichergestellt, dass das Buch mit dem streitgegenständlichen Foto nicht mehr in das Sortiment aufgenommen werde. Sie ist der Auffassung, eine Haftung der Antragsgegnerin komme als Täter oder Teilnehmerin nicht in Betracht. Eine Inanspruchnahme als Störerin scheide ebenfalls aus, da sie keine Prüfungspflicht verletzt habe.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, da er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt sachlich gerechtfertigt ist.

Der Antragstellerin steht gegenüber der Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit Art. 1, 2 GG, § 1004 Abs. 1 BGB nicht zu. Die Antragsgegnerin haftet weder als Täterin, Teilnehmerin noch als Störerin für die Verbreitung der streitgegenständlichen Fotografie.

1. Eine täterschaftliche Verantwortlichkeit scheidet vorliegend aus, da die Antragsgegnerin zumindest nicht mit bedingtem Vorsatz die Verletzungshandlung in Form der Verbreitung der streitgegenständlichen Fotografie vorgenommen hat.

2. Eine Haftung als Teilnehmerin scheidet ebenfalls aus. Neben dem fehlenden bedingten Vorsatz fehlt es bereits an einem Hilfeleisten.

a. Die Haftung eines Teilnehmers setzt zumindest einen bedingten Vorsatz voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit des Teilnehmers einschließen muss (vgl. BGH, MMR 2004, 668, 671 – Rolex). Ein solcher ist von der Antragstellerin nicht behauptet worden.

b. Eine Hilfeleistung i.S.v. § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung, die den Taterfolg des eigentlichen Täters in irgendeiner Weise objektiv fördert (BGH, NJW 2003, 2996; OLG Düsseldorf, StV 2003, 626). Bei sog. »neutralen Handlungen«, also solchen Handlungen, die bei einer äußeren Betrachtungsweise für sich genommen keinen strafbaren Charakter aufweisen, ist ferner zu berücksichtigen, dass nicht jede Handlung tatfördernd ist (vgl. BGH, NJW 2003, 2996; BGH, NStZ 2000, 34; LK-Roxin, StGB, 11.Aufl., § 27 Rz.16 ff). Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weiß dies der Hilfeleistende, so stellt dies eine strafbare Beihilfehandlung dar, denn das neutrale Element der Handlung geht verloren und die eigentliche Handlung wird zweckentfremdet. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, so scheidet eine Beihilfehandlung aus. Letzteres gilt nicht, wenn das von ihm erkannte Risiko des strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch war, dass er mit seiner Hilfeleistung die Tat eines erkennbar Tatgeneigten fördert (BGH, NJW 2003, 2996; BGH, NStZ 2000, 34). Eine solche Sachverhaltskonstellation ist hier nicht gegeben. Die Antragsgegnerin hat entsprechend ihres Geschäftsbetriebes, auf eine Kundenanfrage hin, das bestellte Buch ausgeliefert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragsgegnerin keine Kenntnis von der Rechtsverletzung.

3. Die Antragsgegnerin haftet auch nicht als Störerin. Als Störer haftet derjenige auf Unterlassung, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechts beiträgt (BGH, MMR 2007, 507 – Internetversteigerung II; BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner-Dekor). Die Haftung setzt indes voraus, dass der Störer Prüfungspflichten verletzt hat. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen Störer nach den Umständen des Einzelfalls eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, MMR 2007, 507 – Internetversteigerung II; BGHZ 148, 13, 17 ff. – Ambiente.de; BGH NJW 1999, 1960 -Möbelklassiker). Im Anzeigengeschäft des Zeitungs- und Zeitschriftengewerbes besteht keine allgemeine Prüfungspflicht. Dies würde die tägliche Arbeit eines Presseunternehmens über Gebühr erschweren und dem Schutz der Pressefreiheit nicht gerecht werden (BGH NJW 1999, 1960 – Möbelklassiker).

a. Eine Haftung kommt dann in Betracht, wenn es für den Pressevertrieb unschwer zu erkennen war, dass ein grober Verstoß gegen Schutzrechte vorliegt (BGH, NJW 1990, 1960 – Möbelklassiker). Anhaltspunkte hierfür hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Dass in Büchern über natürliche Personen Lichtbilder von diesen und anderen Personen enthalten sind, ergibt sich aus der Sache und lässt keine Rückschlüsse auf mögliche Rechtsverletzungen zu.

b. Eine weitere Fallgruppe, die zu einer Haftung des Verbreiters von Presseerzeugnissen führen kann, liegt dann vor, wenn der Verbreiter von der behaupteten Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und keine hinreichenden Vorsorgemaßnahmen trifft, um künftige Rechtsverletzungen zu verhindern (BGH, NJW 1990, 160 – Möbelklassiker; OLG Frankfurt, ZUM-RD 2008, 128; LG Berlin, ZUM 209, 163). Ob darüber hinaus noch eine Haftung für den Fall anzunehmen ist, wenn keine Kenntnis vorliegt (vgl. OLG München, AFP 2001, 139; OLG München, NJW-RR 2002, 186), braucht vorliegend nicht entschieden werden, da die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2008 abgemahnt worden ist. Vorliegend war das Abmahnschreiben geeignet, die Antragsgegnerin konkret und umfassend auf die Persönlichkeitsverletzung hinzuweisen.

Nach ausreichender Kenntnis von der Rechtsverletzung hat der Verbreiter von Presseerzeugnissen entsprechende, wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Denn es geht beim Unterlassungsanspruch um die Abwehr von rechtswidrigen Beeinträchtigungen, vorliegend des Persönlichkeitsrechts. Anders als bei der Haftung auf Schadensersatz, welcher nach den Grundsätzen der Störerhaftung nicht in Betracht kommt, hat die Störerhaftung ihre Grundlage außerhalb des Deliktrechts in den Regelungen über Besitz- und Eigentumsstörung. Um einen umfassenden (unterlassungsrechtlichen) Schutz zu gewährleisten, bedarf es eines weit gefassten Verletzerbegriffes. Damit einher geht auch die Pflicht des Verletzers, Maßnahmen zu ergreifen, die Beeinträchtigung zu stoppen. Eine solche Verpflichtung ist wegen des grundrechtlich abgesicherten Rechts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geboten (vgl. LG Hamburg, ZUM-RD 2008, 433).

aa. Im Rahmen seines Sachvortrags obliegt dem Verbreiter eine sekundäre Darlegungslast, denn es ist dem Verbreiter zuzumuten, Maßnahmen vorzutragen, die aus seinem Geschäftsbereich herrühren und es für den Verletzten ungleich schwieriger wäre, solche Tatsachen in das Verfahren einzuführen (vgl. BGH MDR 1999, 1371). Die Antragsgegnerin musste deshalb aus ihrem Verkehrskreis Tatsachen zum Ergreifen von Vorkehrungen zur weiteren Verhinderung von Rechtsverletzungen vortragen. Diesen Anforderungen ist der Tatsachen Vortrag der Antragsgegnerin gerecht geworden. Sie hat vorgetragen, dass sie lediglich einmal das streitgegenständliche Buch über […] verkauft habe. Weiterhin trägt sie vor, dass sie einen Filter eingebaut habe, der zuverlässig die ISBN und den Titel des Werkes ausfiltere und damit sicherstelle, dass das Buch mit dem streitgegenständlichen Foto nicht mehr in das Sortiment aufgenommen werde.

bb. Zwar hat die Antragstellerin diesen Tatsachenvortrag bestritten, indes hätte es nun ihr oblegen, weitere Tatsachen für eine mögliche Pflichtverletzung auf Seiten der Antragsgegnerin vorzutragen. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast ist die Antragsgegnerin jedoch nicht verpflichtet gewesen, ihren Sachvortrag auch glaubhaft zu machen. Eine solche Anforderung würde dazu führen, dass sich die Beweislast zu Lasten der Antragsgegnerin verschoben hätte. Dies kann aber im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorliegend nicht angenommen werden. Vielmehr hätte es nunmehr der Antragstellerin oblegen, weitere Tatsachen vorzutragen, die Anlass zur Feststellung geben, dass die Antragsgegnerin ihren Prüfungspflichten nicht nachgekommen ist. Dies hat die Antragstellerin jedoch nicht getan.

Mithin kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der Rechtsverletzung eine Prüfungspflicht verletzt hat.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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