Keine Verwechslungsgefahr zwischen „Bunte“ und „Bunte Zeit“

02. März 2011
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Eigener Leitsatz:

Zwischen den beiden Wortmarken "Bunte Zeit" und "Bunte" besteht keine Verwechslungsgefahr, die der Eintragung der Erstgenannten entgegen steht. Die Waren und Dienstleistungen für welche die jeweilige Marke angemeldet bzw. eingetragen worden ist, nämlich "Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet" und "Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften" ähneln sich nur mittelgradig. Zudem kommt der Marke "Bunte" trotz des hohen Bekanntheitsgrades nur eine normale Kennzeichnungskraft zu. Letztlich unterscheiden sich beide Marken auch schriftbildlich und klanglich, weshalb eine Beschwerde gegen die Wortmarke "Bunte Zeit" vor dem Bundespatentgericht keinen Erfolg hatte.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 10.01.2011

Az.: 26 W (pat) 61/10

 

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 78 579.3

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 19. Januar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden und der Richter
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegen die am 5.12.2007 für die Dienstleistungen

„Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet;
Klasse 39: Veranstaltung von Reisen;
Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen“

angemeldete, am 28.02.2008 eingetragene Wortmarke 307 78 579.3

Bunte Zeit

ist ein auf die Dienstleistung der Klasse 38 der angegriffenen Marke beschränkter Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, seit 11.3.1981 aufgrund von Verkehrsdurchsetzung für die Waren und Dienstleistungen:

„Klasse 16: Zeitschriften;
Klasse 41: Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften“

eingetragenen Wortmarke 1015307

BUNTE.

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes den Widerspruch zurückgewiesen und eine Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneint. Zwischen der Dienstleistung der Klasse 38 der angegriffenen Marke und der Ware und den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bestehe eine allenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit. Dem geforderten durchschnittlich hohen Markenabstand werde die angegriffene Marke gerecht. Die Gesamtmarke „Bunte Zeit“ werde nicht durch den Wortbestandteil „Bunte“ geprägt; diesem könne auch keine selbständig kennzeichnende Stellung zugesprochen werden.

Gegen diese Entscheidungen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, dass der Widerspruchsmarke im publizistischen Bereich eine erhöhte Kennzeichnungskraft zukomme. Aus der Tatsache, dass Zeitschriften wie die „Bunte“ über Onlineauftritte verfügten, ergebe sich eine hochgradige Ähnlichkeit der zu beurteilenden Waren und Dienstleistungen. Der die angegriffene Marke allein prägende Bestandteil „Bunte“ sei mit der Widerspruchsmarke identisch. Angesichts dessen bestehe zwischen den Kollisionsmarken Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Widersprechende beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 29.1.2009 und 11.5.2010 aufzuheben.

Die Markeninhaberin hat in der Beschwerdeinstanz keinen Antrag gestellt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes Aktenzeichen 307 78 579.3 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, da die Markenstelle zu Recht eine Verwechselungsgefahr zwischen beiden sich gegenüberstehenden Marken verneint hat, §§ 66 Abs. 1 und 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Verwechslungsgefahr des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2006, 237, 238, Nr. 18 ff. – PICASSO; BGH GRUR 2005, 513, 514 – MEY/Ella May; GRUR 2006, 859, 861 – Malteserkreuz; GRUR 2007, 235 ff. – Goldhase).

Hiervon ausgehend hat die Markenstelle unter Hinweis auf einschlägige Vorentscheidungen zutreffend festgestellt, dass zwischen der Dienstleistung der Klasse 38 der angegriffenen Marke und den Dienstleistungen der Klasse 41 sowie der Ware „Zeitschriften“, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, von einer allenfalls mittelgradigen Ähnlichkeit auszugehen ist (vgl. OLG Hamburg, GRUR 2004,104-110; Richter/Stoppel, 14. Aufl., S. 375 li. Sp.). So besteht zwar die Möglichkeit, dass derjenige, der Zeitschriften im Internet veröffentlicht, zugleich den Zugriff auf die hierdurch im Internet erhältlichen Informationen bereitstellt. Der durch den Internetauftritt einer Zeitschrift angesprochene Verbraucher wird jedoch nicht davon ausgehen, dass für beide Dienstleistungen typischerweise derselbe, mit dem Herausgeber einer Zeitschrift identische Unternehmer verantwortlich ist. Denn Verlage gehören zum Kreis der Abnehmer der von der jüngeren Marke beanspruchten technischen Dienstleistung; als deren Anbieter gegenüber Dritten am Markt kommen sie – soweit ersichtlich – hingegen kaum in Betracht (vgl. BPatG, 25 W pat 152/05 – Bild Punkt/Bild).

Die Widerspruchsmarke „BUNTE” verfügt über normale Kennzeichnungskraft. Marken, die auf Grund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden sind, weisen im Regelfall eine normale Kennzeichnungskraft und damit einen durchschnittlichen Schutzumfang auf (vgl. BGH GRUR 2009, 672, 678 – OSTSEE-POST; BGH GRUR 2002, 171 [173f.] = WRP 2001, 1315 – Marlboro-Dach; GRUR 2007, 1066 Rdnr. 34 – Kinderzeit). Um bei solchen Marken von mehr als normaler Kennzeichnungskraft ausgehen zu können, bedarf es der Feststellung zusätzlicher besonderer Umstände, die eine solche Feststellung ausnahmsweise zu tragen geeignet sind. Solche Umstände sind von der Widersprechenden weder vorgetragen noch nachgewiesen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Ihrem Vortrag in ihrer Eingabe vom 03.07.2008 hierzu fehlt zum einen die Glaubhaftmachung durch geeignete Glaubhaftmachungsmittel wie etwa eine eidesstattliche Versicherung. Zum anderen beziehen sich ihre Angaben zur Auflagenstärke sowie zur Anzahl von Zugriffen auf ihr Internetportal „www.BUNTE.de“ nicht oder nicht ausdrücklich auf einen Zeitraum vor Dezember 2007. Beruft sich der Inhaber der älteren Marke auf einen erhöhten Schutzumfang, müssen dessen Voraussetzungen jedoch bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke, hier im Dezember 2007, vorgelegen haben
(BPatG GRUR 1997, 840, 843, 24 W (pat) 255/05 – Lindora/Linola, im Anschluss an BGH GRUR 1960, 130 – "Sunpearl II"; BGH GRUR 1963, 626 – "Sunsweet"). Zum anderen sagt die Anzahl von Besuchen auf einer Website nichts über die konkrete Anzahl von Personen aus, die die Widerspruchsmarke als Kennzeichnung der einzelnen Dienstleistungen kennen.

Der Hinweis der Widersprechenden darauf, dass es sich bei „BUNTE“ um eine
bekannte Marke handele, führt zu keiner anderen Beurteilung. Hohe Zuordnungsgrade, die die hohe, hier von der Widersprechenden nicht näher spezifizierte Bekanntheit einer Marke in der Bevölkerung voraussetzen, sind bereits notwendig, um die Verkehrdurchsetzung einer Marke zu begründen. Sie können nicht ein zweites Mal zur Begründung einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke herangezogen werden, da dies einer „doppelten Belohnung“ auf Grund ein und desselben Umstandes gleichkäme, was mit dem Wesen der Verkehrsdurchsetzung nicht vereinbar ist. Zusätzliche besondere Umstände, die, wie beispielsweise ein nahezu einhelliger Zuordnungsgrad, ausnahmsweise eine erhöhte Kennzeichnungskraft des verkehrsdurchgesetzten Zeichens rechtfertigen könnten, sind hier nicht ersichtlich.

Ausgehend von einer mittelgradigen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die jüngere Marke den angesichts dessen gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein.

Schriftbildlich und klanglich unterscheiden sich beide Marken in Zeichenlänge, Silbenanzahl, im Klangbild und in der Anzahl der Wortbestandteile hinreichend
deutlich dadurch voneinander, dass in der angegriffenen Marke dem Wortbestandteil „Bunte“ das Nomen „Zeit“ hinzugesetzt ist.

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden hat der Begriff „BUNTE“ innerhalb der angegriffenen Marke keine den Gesamteindruck prägende oder selbständig kennzeichnende Stellung inne. Vielmehr verbindet er sich mit dem ihm nachfolgenden Wort „Zeit“ bereits aufgrund unmittelbarer Aneinanderfügung zwanglos zu einem für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres erkennbaren Gesamtbegriff, weil der Verkehr das Adjektiv „Bunte“ in der angegriffenen Marke auf das ihm hinzugesetzte Nomen „Zeit“ bezieht. In „Bunte Zeit“ ist dem älteren Zeichen zudem weder der Handelsname noch eine bekannte Marke des jüngeren Kennzeicheninhabers hinzugefügt (vgl. hierzu EuGH GRUR 2005, 1042 – THOMPSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859 – Malteserkreuz). Zur Annahme einer unmittelbaren begrifflichen Verwechselung mit der Widerspruchsmarke gibt der Gesamtbegriff „Bunte Zeit“ daher keinen Anlass.

Es besteht schließlich auch nicht die Gefahr von Verwechslungen unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG. Diese Art der Verwechslungsgefahr hat zur Voraussetzung, dass der Verkehr, der die Unterschiede der Marken wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar verwechselt, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Markenbildung oder in prägenden Einzelteilen Anlass hat, die jüngere Marke (irrtümlich) der Inhaberin der älteren Marke zuzuordnen oder auf Grund dieser Umstände auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinne einer gemeinsamen Produktverantwortung, zu schließen. Ausschließlich assoziative Gedankenverbindungen, die zwar zu behindernden, rufausbeutenden oder verwässernden Wirkungen, nicht jedoch zu eigentlichen Herkunftsverwechslungen führen, werden von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG nicht erfasst (EuGH GRUR 1998, 387, 389, Nr. 18 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 886, 887 – Bayer/BeyChem; GRUR 2002, 544, 547 – BANK 24).

Die Widersprechende hat nicht behauptet, Inhaberin einer Markenserie zu sein. Im Einzelfall kann zwar auch ohne vorherige Benutzung einer Markenserie die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken bestehen. Wie ausgeführt, nimmt die Widerspruchsmarke innerhalb der mehrteiligen jüngeren Marke jedoch auch keine derart selbständig kennzeichnende Stellung ein, dass der durch das zusammengesetzte Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck das Publikum glauben machen könnte, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH a. a. O. Rdn. 30 ff. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 1996, 267, 269 – AQUA). Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG gibt der entschiedene Fall keine Veranlassung, so dass gemäß § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt.

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