Prominenter Beziehungskrach auf offener Straße

23. Juni 2010
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Eigener Leitsatz:

Die Antragstellerin ist eine bekannte Schauspielerin. Die über 9 Jahre anhaltende Beziehung mit einem Fußballmanager trug sie stets in die Öffentlichkeit, gab Interviews und ließ Homestories zu. Nachdem die beiden infolge einer heftigen Auseinandersetzung fotografiert und diese Aufnahmen in einem Artikel abgedruckt wurden, sah sie ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Nach Ansicht des Gerichts stellt die Veröffentlichung bzw. Verbreitung der Fotos jedoch keine Rechtsverletzung dar. Sie habe sowohl vor, als auch nach dem Vorfall der Öffentlichkeit Einblicke in ihre Beziehung gewährt, ja diese gar in Werbespots kommerzialisiert. Weiter sei sie spätestens seit ihrer Rolle im Tatort eine Person des öffentlichen Lebens. Infolgedessen müsse zwar noch immer eine Abwägung ihres persönlichen Interesses mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit erfolgen. Letzteres überwiege hier jedoch aufgrund des hohen Nachrichtenwertes der Berichterstattung.

Kammergericht Berlin

Urteil vom 19.03.2010

Az.: 9 U 163/09

Tenor

1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Juli 2009 (Az. 27 O 604/09) abgeändert und wie folgt gefasst:

Die einstweilige Verfügung vom 9. Juni 2009 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

    I.

    Die Antragstellerin ist Schauspielerin. Anfang des Jahres 2009 trennte sie sich von ihrem langjährigen Lebensgefährten, dem ehemaligen Manager des Fußballvereins S. …, A. Die Antragsgegnerin verlegt u. a. die B.-Zeitung und die B2. Am 3. Juni 2009 gegen 21:00 Uhr kam es in der K.straße in K. auf S. zu einer – auch – handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Herrn A. und der Antragstellerin, in deren Verlauf ein Zeuge die Polizei um Hilfe anrief, woraufhin eine Streifenwagenbesetzung vor Ort erschien.
    Die Antragsgegnerin berichtete über diesen Vorfall in der Ausgabe der B.-Zeitung vom 5. Juni 2009 auf der Titelseite unter der Überschrift „Prügelei auf S.“ und der Seite 14 mit der Schlagzeile „Sie küssen und sie schlagen sich“. Im Zusammenhang mit dieser Berichterstattung veröffentlichte sie u. a. eine Serie von insgesamt neun Fotos der Auseinandersetzung mit Bildunterschriften, wie: „Hier ist schon dicke Luft zwischen A. und S. Plötzlich kommt es zum heftigen Streit … er fasst sie am Arm …er nimmt sie in den Schwitzkasten. S. weint … er fasst ihr ins Gesicht … drückt sie über eine kleine Mauer in ein Blumenbeet. S. wehrt sich, tritt A. in den Unterleib. Erst als die Polizei kommt ist Ruhe“. Die Fotoserie über die Auseinandersetzung hatte ein für B. H. tätiger Fotoredakteur vor Ort gefertigt. Am 6. Juni 2009 veröffentlichte die Antragsgegnerin einen weiteren Bericht auf dem Titel und Seite 13 und bebilderte diesen u. a. mit zwei der zuvor genannten Fotos; die Bildunterschriften wurden sinngemäß wiederholt. In der B2 vom 7. Juni 2009 setzte die Antragsgegnerin die Berichterstattung auf dem Titel und den Seiten 30-32 fort. Der Artikel war mit fünf der am 3. Juni 2009 gefertigten Fotos bebildert.
    Die Antragstellerin hat am 9. Juni 2009 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt worden ist, die durch die jeweiligen Bildunterschriften näher bezeichneten neun Fotos erneut – wie geschehen – zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und /oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
    Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 16. Juli 2009 bestätigt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sämtliche Fotos illustrierten einen Beitrag, der ausschließlich unterhaltenden Charakter und keinerlei Debatte mit Sachgehalt zum Inhalt habe. Sie dienten ausschließlich der Befriedigung von Neugier über das Privatleben der Antragstellerin und der Art ihres Verhältnisses zu ihrem ehemaligen Lebensgefährten. Eine Veröffentlichung von Bildnissen, auf denen jemand – wie die Antragstellerin – in erniedrigender Pose als unterlegenes Opfer eines tätlichen Angriffs dargestellt werde, sei unzulässig. Es handele sich zudem um eine private Auseinandersetzung. Die Antragstellerin habe in der Situation die berechtigte Erwartung haben dürfen, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Zu etwaigen körperlichen Auseinandersetzungen in ihrer Beziehung mit Herrn A. habe sich die Antragstellerin zuvor nie geäußert.
    Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung macht sie geltend: Die generelle Untersagung durch das Landgericht, die streitgegenständlichen Bildaufnahmen zu veröffentlichen, sei mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar. Die Antragstellerin könne sich aber auch nicht gegen die Veröffentlichung der Fotos im konkreten Berichtszusammenhang wenden. Die Presse habe ein legitimes Berichtsinteresse, wenn ein Prominentenpaar, das in der Vergangenheit ganz bewusst die ruppige Form seines Beziehungslebens kultiviert und kommerzialisiert habe, sich in aller Öffentlichkeit eine körperliche Auseinandersetzung liefere. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin den Medien stets bereitwillig Einblick in ihr Privat- und Beziehungsleben gewährt habe und – wie ein Exklusivinterview mit der Zeitschrift „B. “ (Heft Nr. … vom 19. November 2009) zeige – auch weiterhin gewähre.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 16. Juli 2009 die einstweilige Verfügung vom 9. Juni 2009 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Auf das Interview mit der Zeitschrift „B. “ könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil dem eine rechtswidrige Berichterstattung in der B2 über die neue Beziehung der Antragstellerin vorangegangen sei. Hierzu habe die Antragstellerin in ihren Interview-Äußerungen lediglich Stellung genommen.

    II.

    1. Die Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.

    a) Dies folgt zwar nicht schon daraus, dass der Urteilstenor der angefochtenen Entscheidung zu weit gefasst ist. Die Tenorierung im landgerichtlichen Urteil (in Bestätigung der einstweiligen Verfügung): „Der Antragsgegnerin wird … untersagt, das Bildnis mit der Bildzeile [es folgen die jeweiligen Bildunterschriften unter neun Fotos, die z. T. wiederholt in den drei Zeitungen abgedruckt worden sind] erneut – wie geschehen – zu veröffentlichen …“ steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
    Danach kann im Bereich der Bildberichterstattung weder mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage über die konkrete Verletzungsform hinaus eine ähnliche oder „kerngleiche“ Bildberichterstattung für die Zukunft noch die erneute Verbreitung eines Bildnisses – sofern die Verbreitung nicht schon an sich unzulässig ist, etwa weil die Intimsphäre tangiert wird – generell verboten werden (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 232/08 – NJW 2009, 2823 Tz. 7 m. w. N.). Der Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, dass es für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre bedarf. Eine solche Interessenabwägung kann jedoch in Bezug auf bereits veröffentlichte Bilder, deren Veröffentlichung sich in einem anderen Kontext als der zu beanstandenden Berichterstattung als zulässig erweisen könnte, nicht vorgenommen werden. Für die Zulässigkeit der Verbreitung von Bildnissen kann die Wortberichterstattung, zu der sie veröffentlicht werden, eine bedeutende Rolle spielen (BGH, a. a. O.).
    Ein über die konkrete Verletzungsform hinausgehendes, generelles Unterlassungsgebot hat die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht begehrt. Aus der Begründung (S. 4 – 5) wird deutlich, dass sie einen Zusammenhang mit der jeweiligen begleitenden Textberichterstattung herstellt. Aus dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 2009 folgt nicht, dass die Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform allein durch eine Formulierung wie „im Zusammenhang mit“ zum Ausdruck kommen kann. Die Antragstellerin weist in der Berufungserwiderung zutreffend darauf hin, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 1. Juli 2008 – VI ZR 243/06 – die dortige Beklagte nach der auch dem Verfügungsantrag zugrunde liegenden Formulierung „wie geschehen“ verurteilt hat (Anlage BB 1, insoweit in NJW 2008, 3138 nicht veröffentlicht; vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 26. November 2009 – 10 W 81/09 -; Anlage BB 2).

    b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB analog, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung bzw. Verbreitung der streitgegenständlichen Fotos nicht zu.

    aa) Nach § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person zwar grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden. An einer solchen Einwilligung fehlt es hier.

    bb) Von dem Einwilligungserfordernis macht § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Auch bei Personen, die unter dem Blickwinkel des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, ist eine Verbreitung der Abbildung allerdings dann nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

    (1) Die rechtliche Beurteilung der Voraussetzungen der §§ 22 f. KUG ist anhand der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze eines abgestuften Schutzkonzepts zur gebotenen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit (Art. 5 Abs. 1 GG) und dem Interesse des Abgebildeten am Schutz seiner Privatsphäre (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) in jedem Einzelfall vorzunehmen (BGH, Urteil vom 6. März 2007 – VI ZR 51/06 –, NJW 2007, 1977 Tz. 14; Urteil vom 1. Juli 2008 – VI ZR 243/06 –, NJW 2008, 3138 Tz. 8; Urteil vom 10. März 2009 – VI ZR 261/07 –, NJW 2009, 1499 Tz. 10).
    Maßgebend für die Frage, ob es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser Begriff darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt (BGH, Urteil vom 1. Juli 2008, a. a. O., Tz. 13). Für die Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen spielt es eine entscheidende Rolle, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 –, BVerfGE 34, 269 <283>; Urteil vom 15. Dezember 1999 – 1 BvR 653/96 –, BVerfGE 101, 361 <391> = NJW 2000, 1021).
    Zur Pressefreiheit zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird, weil solche Bildaussagen an dem verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teilnehmen, dessen Bebilderung sie dienen (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07 u. a. –, NJW 2008, 1793 <1794 Tz. 42>). Von der Eigenart und dem Niveau des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung hängt der Schutz nicht ab. Auch unterhaltende Beiträge über das Privat- und Alltagsleben von Prominenten und ihr soziales Umfeld nehmen am Schutz der Pressefreiheit teil. Erst bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten kommt es auf das Gewicht des Informationsinteresses und auf die Weise an, in der die Berichterstattung einen Bezug zu Fragen aufweist, welche die Öffentlichkeit wesentlich angehen (BVerfG, a. a. O.; Urteil vom 15. Dezember 1999, a. a. O., S. 390 f.). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008, a. a. O. Tz. 58 f., 65). Der Informationswert der Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung (BGH, Urteil vom 10. März 2009 – VI ZR 261/07 –, NJW 2009, 1499 Tz. 12 = BGHZ 180, 114).

    (2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die streitgegenständliche Bildberichterstattung hier zulässig.

    (a) Die Antragstellerin ist eine Person des öffentlichen Interesses. Spätestens seit sie im Jahr 2008 die Rolle der Kommissarin im Tatort L. des M. übernommen hat, ist die Antragstellerin einem Millionenpublikum in Deutschland bekannt. Diese Einstufung hat zur Folge, dass über eine solche Person in größerem Umfang berichtet werden darf als über andere Personen, wenn die Information einen hinreichenden Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte hat und die Abwägung keine schwerwiegenden Interessen des Betroffenen ergibt, die einer Veröffentlichung entgegenstehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008, a. a. O., S. 1796 Tz. 60, S. 1799 Tz. 99 f.; BGH, Urteil vom 1. Juli 2008, a. a. O., Tz. 27).

    (b) Die beanstandeten Fotos zeigen die Antragstellerin – worauf auch die jeweiligen Begleittexte hinweisen – in einer extremen Ausnahmesituation, nämlich in einer offensichtlich gewalttätigen Auseinandersetzung mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten auf öffentlichem Straßenland. Die Fotos sind jeweils Teil einer Berichterstattung über eine „Prügelei auf S.“ (5. Juni 2009) und deren unmittelbare Folgen unter dem Titel „Nach Prügelei auf S.“ (6. Juni 2009) bzw. der Zusammenfassung dieser Ereignisse in der B2, dort verbunden mit einer Reflexion einer der Öffentlichkeit ebenfalls bekannten Autorin über problematische Beziehungen anderer prominenter Paare (7. Juni 2009). Wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogar die Normalität des Alltagslebens als auch in keiner Weise anstößige Handlungsweisen prominenter Personen der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden dürfen, sofern dies der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann, gilt dies erst recht für skandalöse, sittlich oder rechtlich zu beanstandende Verhaltensweisen (vgl. BVerfG, a. a. O.).
    Die Berichterstattung über dieses Ereignis, das zumindest den Anfangsverdacht einer Straftat begründete, hat hohen Nachrichtenwert. Dies gilt umso mehr als an der tätlichen Auseinandersetzung eine weitere Person des öffentlichen Interesses maßgeblich beteiligt war. A., der frühere Lebensgefährte der Antragstellerin, ist als ehemaliger Manager des FC S. … ebenfalls Millionen Zeitungslesern und Fernsehzuschauern ein Begriff. Zwar gab A. seinen Posten bei S. … im Jahr 2006 auf (vgl. „R. “ Nr. … vom 24. Mai 2006, S. 18 – Anlage AG 2). Bis zum Berichtszeitpunkt im Juni 2009 äußerte er sich aber weiterhin in einer Vielzahl von Presseartikeln gemeinsam mit der Antragstellerin über den Stand ihrer Beziehung. Auch wegen der V.-Werbung in TV-Spots, die A. ab März 2009 mit dem Hollywood-Star B. W. betreibt (vgl. B. Nr. … vom 28. Januar 2009 – Anlage AG 6), kann für seine Person nicht von einem Rückzug aus dem aktiven Leben in der Öffentlichkeit ausgegangen werden.
    Die von ihrem Beginn im April 2000 bis zu ihrem Ende im Januar 2009 von beiden Partnern stets in die Öffentlichkeit getragene Beziehung als auch der Umgang mit ihrer Trennung bietet der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen und erfüllt Leitbild- oder Kontrastfunktion (vgl. BVerfG, a. a. O.). Das Führen einer Beziehung bzw. die Überwindung von einer Trennung des Partners, einschließlich eines Kontrollverlustes, die Entscheidung für ein Gemeinsam- oder Alleinleben, beschäftigt beinahe jeden Erwachsenen. Gewalt in einer Beziehung oder die gewalttätige Reaktion eines – zumeist des körperlich überlegenen – Partners auf die Entscheidung des anderen ist eine gesellschaftliche Realität, die von den Betroffenen häufig aus Scham verschwiegen und hingenommen wird. Die Berichterstattung über ein prominentes Paar, das ebenfalls mit solchen Problemen zu kämpfen hat, kann zu einer größeren Offenheit, einem freieren Umgang und möglicherweise sogar zu Lösungsansätzen für das eigene Leben führen. Sie ist mithin – entgegen der Auffassung des Landgerichts – Bestandteil einer die Allgemeinheit interessierenden Sachdebatte.

    (c) Wie die von der Antragsgegnerin eingereichten zahlreichen Presseveröffentlichungen belegen, hat die Antragstellerin von Anfang an offen und ausführlich und keineswegs nur allgemein und oberflächlich über den Beginn ihrer Beziehung und über den jeweiligen Zustand ihrer Partnerschaft (Kinderwunsch, Ehepläne, „Bekanntgabe“ der Trennung) gegenüber der Presse gesprochen. Sie hat gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Exklusivinterviews gegeben und auch „Homestories“ (vgl. B. Nr. …. vom 19. Mai 2006 – Anlage AG 3) zugelassen. Jedenfalls mit der V. -Werbung ab dem Jahr 2003 (Anlage AG 4) hat sie ihr Privatleben mit Herrn A. kommerzialisiert. Anders als das Landgericht meint, handelt es sich nicht um eine rein künstlerische Auseinandersetzung mit der Thematik. Der große Erfolg der Werbespots beim Publikum liegt im Wesentlichen darin begründet, dass es sich – selbstverständlich in ironischer Überspitzung – um Szenen aus dem Privatleben des prominenten Paares gehandelt haben könnte. Zwar war die Antragstellerin in diesen Fällen „Herrin der Inszenierung“ ihres öffentlichen Erscheinungsbildes. Dennoch übernimmt derjenige, der seinen privaten Bereich derart öffnet, wie die Antragstellerin, eine stärkere Leitbild- oder Kontrastfunktion für eigene Lebensentwürfe in der Öffentlichkeit als derjenige Prominente, der sein Privatleben sehr zurückhält.
    In der Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass sich derjenige, der seinen privaten Bereich gegenüber der Öffentlichkeit – z. B. durch Exklusivinterviews – öffnet, nicht mehr auf den umfassenden Schutz seiner Privatsphäre berufen kann (BVerfG, Beschluss vom 21. August 2006 – 1 BvR 2606/04 u. a. –, NJW 2006, 3406 Tz. 31; Urteil vom 15. Dezember 2009, a. a. O., S. 385; zustimmend Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 5.64; Wanckel, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 19, Rn. 25 f.). An einer solchen Öffnung privater Bereiche ist zwar niemand gehindert. Er kann sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (Wanckel, a. a. O.). Das gilt auch für den Fall, dass der Entschluss, die Berichterstattung über bestimmte Vorgänge der eigenen Privatsphäre zu gestatten oder hinzunehmen, rückgängig gemacht wird.
    Die streitgegenständliche Bildberichterstattung korrespondiert auch, anders als das Landgericht meint, mit dem Themenbereich, zu dem sich die Antragstellerin zuvor bereits geäußert hat. Die Antragstellerin hat sich – wie dem von der Antragsgegnerin eingereichten Anlagenkonvolut zu entnehmen ist – unter Überschriften wie „Wir lieben unseren täglichen Ost-West-Konflikt“ (B. Nr. … vom 3. Oktober 2008), „1:1 Gewonnen“ (P. A. Nr. … vom 1. Juli 2008), „Wir sind wie immer im Clinch“, „Knatsch im Hause A. r: S. will nach B.“ (B. M. Nr. … vom 22. Mai 2006), „So lebe ich mit dem Fußball-Macho“ (B. Nr. … vom 25. Juni 2008), „Der ganz normale Wahnsinn …“ (B. Nr. … vom 25. Mai 2005), „Ich könnte ihn dreimal am Tag umbringen“ (B2 Nr. … vom 22. Februar 2004) zu einer spannungsgeladenen Beziehung bekannt, in der Konflikte ausgetragen werden. Dies bedeutet nicht, dass die Handgreiflichkeiten auf S. die Konsequenz der in den Interviews nach außen getragenen Konflikte des Paares wären. Sie stießen jedoch angesichts eines Vorlaufs auf ein erhöhtes öffentliches Interesse. Zudem hat die Antragstellerin auch nicht deutlich gemacht, dass sie diesen Teil ihres Privatlebens nicht der Öffentlichkeit preisgeben wolle.

    (d) Der Vorfall, über den die Antragsgegnerin mit der Veröffentlichung der Fotos zu ihren Berichten informierte, ereignete sich in der Öffentlichkeit, nämlich auf öffentlichem Straßenland. Zwar ist auch die Verrichtung erkennbar privater Lebensvorgänge in der Öffentlichkeit Teil der geschützten Privatsphäre. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob der Betroffene gewärtigen muss, unter Beobachtung der Medien zu stehen. In der Öffentlichkeit bekannte Personen wie die Antragstellerin wissen, dass ihr Privatleben, insbesondere ihre privaten Beziehungen, stets von der Presse begleitet werden, und müssen auch damit rechnen, dass bei jeder sich bietenden Gelegenheit für die Berichterstattung verwendbare Fotos gemacht werden. Es würde indes eine erhebliche Einschränkung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit darstellen, wenn jeder, der einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, sich in der Öffentlichkeit nicht unbefangen bewegen könnte, weil er auch bei privaten Gelegenheiten jederzeit widerspruchslos fotografiert und mit solchen Fotos zum Gegenstand einer Berichterstattung gemacht werden dürfte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – VI ZR 75/08 – NJW 2009, 1502 Tz. 13). Diese Erwägung gilt auch für den Aufenthalt der Antragstellerin in einem klassischen Urlaubsort der Prominenten, K. auf S., und zwar unabhängig von der zuvor erfolgten Öffnung ihres Privatlebens. Indes waren die Handgreiflichkeiten zwischen ihr und ihrem früheren Lebensgefährten, die ein Fotoredakteur der B. H. aufnahm, entgegen der Auffassung des Landgerichts keine rein privaten Lebensvorgänge. Sie erfüllten, jedenfalls die Handlungsweise des Herrn A., zumindest den Anfangsverdacht einer Straftat, namentlich einer Körperverletzung.
    Dass die Berichterstattung der Antragsgegnerin einschließlich der veröffentlichten Fotos im öffentlichen Interesse lag und nicht lediglich der Befriedigung der Neugier der Leser nach rein privaten Angelegenheiten prominenter Personen diente, zeigt sich auch daran, dass die Polizeidirektion H. m am 5. Juni 2009 eine Pressemitteilung (Anlage AG 8) über das Ereignis veröffentlichte. Danach waren am 3. Juni 2009, in den Abendstunden, Beamte der Polizeizentralstation S. von einem Zeugen um Hilfe gebeten worden, da es in K. zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen einer weiblichen und einer männlichen Person gekommen war. Inwieweit es dabei zu einem körperlichen Übergriff gekommen sei, habe nicht zweifelsfrei festgestanden. Die Antragstellerin und Herr A. hätten übereinstimmend angegeben, dass es nicht zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen sei. Nachdem die Fotos erschienen seien und sich auch eine Zeugin im Nachhinein gemeldet habe, sei von der S. Polizei ein Strafverfahren wegen des Anfangsverdachts einer Körperverletzung eingeleitet worden. Sind hieran gleich zwei Prominente der Beteiligung verdächtig, ist dies eine Angelegenheit von allgemeinem Informationsinteresse. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren später offenbar wegen des fehlenden öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung (vgl. § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB) eingestellt hat.
    Zwar gingen die körperlichen Handgreiflichkeiten nicht von der Antragstellerin, sondern allein von Herrn A. aus. Beide Beteiligte wollten anschließend die Sache auf sich beruhen lassen. Die Auseinandersetzung betraf jedoch die langjährige Paarbeziehung, die beide Partner, wie dargelegt, zuvor in bestimmter Art und Weise öffentlich gemacht und kommerzialisiert hatten. Kommt es in einer derart nach außen inszenierten Beziehung zu einer Eskalation in der Öffentlichkeit, kann auch derjenige Partner, der die Kontrolle nicht verloren hat, die Grenzen seines Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit nicht mehr selbst bestimmen; er muss sich das Verhalten des anderen zurechnen lassen. Die berechtigte Erwartung, nicht in den Medien abgebildet zu werden, konnte die Antragstellerin, entgegen der Auffassung des Landgerichts, in dieser Situation nicht haben.

    (e) Die Umstände der Bildgewinnung gebieten hier ebenfalls nicht den Vorrang des Persönlichkeitsschutzes. Aus der eidesstattlichen Versicherung des für B. H. tätigen Fotoredakteurs T. K. (Anlage AG 7) ergibt sich nicht, dass es sich um sog. Paparazzi-Fotos handelt, die auf heimlichem Wege oder unter dauernder Nachstellung durch Fotoreporter gewonnen wurden. Zwar bedient sich die B.-Zeitung offenbar durchaus solcher Methoden, wie die von der Antragstellerin eingereichte DVD (Anlage BB 4) belegt, die Aufnahmen von der Antragstellerin mit ihrem neuen Lebensgefährten in B. zeigt. Die Fotos von den Handgreiflichkeiten in K. sind damit jedoch nicht vergleichbar. Dass der Fotoredakteur sich dort in der Erwartung aufgehalten haben mag, Prominente ablichten zu können, ist hier unerheblich. Die Fotos sind nicht das Ergebnis heimlicher Nachstellung, sondern sie sind zustande gekommen, weil das Paar sich in der Öffentlichkeit auffällig benommen hat.

    (f) Schließlich hat die Antragstellerin nach der handgreiflichen Auseinandersetzung auf S. kein konsistentes auf Privatheit angelegtes Verhalten gezeigt, sondern hat sich weiterhin an die Öffentlichkeit gewandt. So hat sie bereits am 13. Juni 2009 der Zeitschrift S. ein Interview gegeben, indem sie u. a. über ihre Beziehung zu Herrn A. geäußert hat: „Es gab einen Alltag voller Spannungen, der keinem gut bekam, … für mich war es irgendwann nicht mehr der richtige Platz, nicht mehr das richtige Leben“ und „Wir sind uns immer noch sehr verbunden, ich bin ja nicht aus einer grausamen Ehehölle geflohen“ (s. -Artikel aus Heft …/2009, veröffentlicht auf www.s. .de – Anlage AG 2). In einem Exklusiv-Interview mit der Zeitschrift „B.“, Ausgabe vom 19. November 2009 (Anlage BK 1), gab die Antragstellerin Auskunft sowohl über ihre neue Beziehung als auch über ihre Trennung von A. In einem Begleittext der Zeitschrift wird im Hinblick auf A., der ebenfalls interviewt wurde, auch der „Ausrutscher auf S. “ erwähnt. Wenn die Antragstellerin in ihrer Berufungserwiderung dagegen einwendet, dem Interview mit der Zeitschrift „B. “ habe eine vorherige rechtswidrige Berichterstattung der Antragsgegnerin im November 2009 zugrunde gelegen, vermag dies von einem Rückzugsverhalten nicht zu überzeugen, zumal sich die angebliche „Flucht nach vorn“ allenfalls auf die neue Partnerschaft, von der private Aufnahmen veröffentlicht wurden, beziehen kann.

    (g) Nach allem können die Fotos dem Bereich der Zeitgeschichte zugeordnet werden. Sie ergänzen in allen drei beanstandeten Fällen die Wortberichterstattung und dienen dabei der Erweiterung seines Aussagehalts, indem sie die Authentizität des Geschilderten unterstreichen. Durch die Beigabe der Bildnisse der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen, wird die Aufmerksamkeit des Lesers für die Wortberichterstattung geweckt. Auch hierin liegt ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Informationsanliegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008, a. a. O., Tz. 68).

    (h) Die Befugnis zur Bildveröffentlichung erstreckt sich nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs. 2 KUG). Der Betroffene muss es nicht hinnehmen, in einem ihn zusätzlich demütigendem Zustand abgebildet und veröffentlicht zu werden (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 2006 – 9 U 228/05).
    Eine demütigende oder entwürdigende Darstellung der Antragstellerin, über den Informationsgehalt hinaus, ist hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht gegeben. Weder die Fotoserie noch einzelne der Fotos zeigen die Antragstellerin in einer unwürdigen oder erniedrigenden Opferrolle. Stärker noch als die Wortberichterstattung geben die Bildnisse einen nach und nach eskalierenden Streit wieder, in dem die Antragstellerin, sobald er handgreiflich wird, zwar körperlich unterlegen ist, aber insgesamt keineswegs hilf- und wehrlos wirkt. Dies gilt umso mehr, wenn man den Gesamtkontext der Berichterstattung und die zugleich veröffentlichten Bildnisse, z. B. aus der V. -Werbung, heranzieht, die dem von der Antragstellerin gepflegten Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit entsprechen.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Revision gegen das Urteil findet gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht statt, weshalb auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entfällt.

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