Veröffentlichung von Subventionen
Eigener Leitsatz:
Die Veröffentlichung von gezahlten Subventionen und deren Empfänger kann in das Datenschutzgrundrecht eingreifen. Allerdings ist dies durch ein berechtigtes öffentliches Interesse gerechtfertigt. Dazu gehören eine transparente Verwendung öffentlicher Mittel sowie eine wirtschaftliche Haushaltsführung. Die Höhe der ausgezahlten Summe lässt dabei nur einen Rückschluss auf die bewirtschaftete Fläche zu.
Verwaltungsgericht Karlsruhe
Beschluss vom 19.5.2009
Az.: 10 K 932/09
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes dagegen, dass der Antragsgegner im Internet veröffentlicht, dass und in welcher Höhe sie Zahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Gemeinschaft im Haushaltsjahr 2008 erhalten hat.
Die Antragstellerin erhielt im Haushaltsjahr 2008 Zahlungen aus Mitteln der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Finanzierungsinstrumente der Gemeinsamen Agrarpolitik sind der Europäische Garantiefonds für die Landwirtschaft (im Folgenden: EGFL) und der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (im Folgenden: ELER). Grundlegende Bestimmungen zur Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik enthält die Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21.06.2005 (im Folgenden: VO Nr. 1290/2005).
Art. 44a VO Nr. 1290/2005 lautet:
„Gemäß Artikel 53b Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 gewährleisten die Mitgliedstaaten jedes Jahr die nachträgliche Veröffentlichung der Informationen über die Empfänger von EGFL- und ELER-Mitteln sowie der Beträge, die jeder Begünstigte aus diesen Fonds erhalten hat.
Es sind mindestens die nachstehenden Angaben zu veröffentlichen:
a) für den EGFL der Betrag, aufgeschlüsselt nach direkten Zahlungen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und sonstigen Ausgaben;
b) für den ELER der Gesamtbetrag der öffentlichen Mittel je Begünstigten.“
Gemäß Art. 42 Satz 1 VO Nr. 1290/2005 werden die Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung von der Kommission erlassen. Diese Bestimmungen umfassen gemäß Art. 42 Satz 2 Nr. 8b VO Nr. 1290/2005 „die ausführlichen Bestimmungen über die Veröffentlichung von Informationen über die Begünstigten gemäß Artikel 44a und über die praktischen Aspekte im Zusammenhang mit dem Schutz natürlicher Personen bezüglich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten gemäß den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zum Datenschutz. Durch diese Vorschriften ist insbesondere sicherzustellen, dass die Mittelempfänger darüber unterrichtet werden, dass diese Daten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zum Zwecke der Wahrung der finanziellen Interessen der Gemeinschaften von Rechnungsprüfungs- und Untersuchungseinrichtungen verarbeitet werden können; in diesen Vorschriften ist auch der Zeitpunkt festzulegen, zu dem der Begünstigte darüber zu unterrichten ist“.
Gestützt auf vorstehend zitierte Bestimmung hat die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 259/2008 mit Durchführungsbestimmungen zur VO Nr. 1290/2005 hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem EGFL und dem ELER (im Folgenden: VO Nr. 259/2008) erlassen.
Art. 1 VO Nr. 259/2008 lautet:
„(1) Die Veröffentlichung gemäß Artikel 44a der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 enthält die folgenden Informationen über die Empfänger von Fondsmitteln:
a) bei natürlichen Personen Vorname und Nachname;
b) bei juristischen Personen den vollständigen eingetragenen Namen mit Rechtsform;
c) bei Vereinigungen natürlicher oder juristischer Personen ohne eigene Rechtspersönlichkeit den vollständigen eingetragenen oder anderweitig amtlich anerkannten Namen der Vereinigung;
d) die Gemeinde, in der der Empfänger wohnt oder eingetragen ist, sowie gegebenenfalls die Postleitzahl bzw. der Teil der Postleitzahl, der für die betreffende Gemeinde steht;
e) für den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft, nachstehend „EGFL“, den Betrag der Direktzahlungen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, die der Empfänger in dem betreffenden Haushaltsjahr erhalten hat;
f) für den EGFL außerdem den Betrag aller nicht unter Buchstabe e genannten Zahlungen, die der Empfänger in dem betreffenden Haushaltsjahr erhalten hat;
g) für den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, nachstehend „ELER“, den Gesamtbetrag der öffentlichen Mittel, die der Empfänger in dem betreffenden Haushaltsjahr erhalten hat; hierzu gehören der Betrag der Gemeinschaftsbeteiligung und der Betrag der nationalen öffentlichen Mittel;
h) die Summe der unter den Buchstaben e, f und g genannten Beträge, die der Empfänger in dem betreffenden Haushaltsjahr erhalten hat;
i) die betreffende Währung.
(2) Die Mitgliedstaaten können neben den in Absatz 1 genannten Informationen noch weitere Informationen veröffentlichen.“
Für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das „Gesetz zur Veröffentlichung von Informationen über die Zahlung von Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Landwirtschaft und Fischerei“ (BGBl. I 2008, S. 2330; im Folgenden: AFIG) erlassen. Aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage in diesem Gesetz hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen die „Verordnung über die Veröffentlichung von Informationen über die Zahlung von Mitteln aus den Europäischen Fonds für Landwirtschaft und für Fischerei“ (eBAnz AT147 2008 V1; im Folgenden: AFIVO) erlassen.
§ 2 Abs. 1 AFIVO lautet:
„Auf der in § 2 Abs. 1 des Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetzes bezeichneten Internetseite werden nur die
1. in Artikel 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 259/2008 der Kommission vom 18. März 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. L 76 vom 19.3.2008, S. 28) und
2. …
in der jeweils geltenden Fassung genannten Informationen veröffentlicht.
Mit Schreiben vom 20.03.2009 beantragte die Antragstellerin, die sie betreffenden Informationen für das Haushaltsjahr 2008 nicht zu veröffentlichen. Dies lehnte das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis mit Schreiben vom 08.04.2009, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist, ab.
Die Antragstellerin ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Veröffentlichung ihrer Daten sie in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie ihrem Recht aus Art. 8 Abs. 1 EMRK verletze.
II.
Der Antrag der Antragstellerin richtet sich – sachdienlich ausgelegt (vgl. § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) – darauf, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, nicht im Internet zu veröffentlichen, dass die Antragstellerin im Haushaltsjahr 2008 Zahlungen aus Mitteln des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums erhalten hat.
Mit dem von der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift primär gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis anzuordnen, würde sie ihr Rechtsschutzziel nicht erreichen. Eine Anordnung – oder auch eine Wiederherstellung – der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die angefochtene Entscheidung weder kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO) noch kraft behördlicher Vollzugsanordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO) sofort vollziehbar ist.
Eine gerichtliche Feststellung entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO, dass der Widerspruch gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat, würde dem Rechtsschutzziel der Antragstellerin auch nicht entsprechen. Denn die Entscheidung des Landratsamts vom 08.04.2009 stellt keinen belastenden Verwaltungsakt, gegen den in der Hauptsache eine Anfechtungsklage zu erheben wäre, dar (was aber Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Antrags wäre; vgl. Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 80 Rn. 65). Die Veröffentlichung, gegen die sich die Antragstellerin wehrt, bedarf nämlich keiner vorhergehenden behördlichen Entscheidung. Vielmehr erfolgt die Veröffentlichung unmittelbar aufgrund der unter I. genannten Rechtsvorschriften, insbesondere der VO Nr. 259/2008, in der Inhalt, Form und Zeitpunkt der Veröffentlichung weitestgehend gemeinschaftsrechtlich vorgegeben sind. Mit der Entscheidung vom 08.04.2009 hat es das Landratsamt lediglich abgelehnt, von der gesetzlich angeordneten Veröffentlichung im Fall der Antragstellerin eine Ausnahme zu machen, weil diese kein schutzwürdiges, in ihrer persönlichen Situation begründetes Interesse einwenden könne (vgl. § 4 Abs. 6 LDSG).
Scheidet vorläufiger Rechtsschutz gemäß bzw. entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO aus, so kommt nach der Systematik der VwGO lediglich eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Einen entsprechenden Antrag hat die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift auch schon – zumindest hilfsweise – gestellt.
III.
Der Antrag der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
1. Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund, d.h. die besondere Eilbedürftigkeit ihres Rechtsschutzbegehrens glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Denn der Antragsgegner hat lediglich zugesagt, dass die Veröffentlichung ihrer Daten bis zu einer gerichtlichen Entscheidung unterbleibt.
2. Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anordnungsanspruch, d.h. keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung glaubhaft gemacht.
a) Würde die Kammer die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung erlassen, so würde Recht der Europäischen Gemeinschaft – vorläufig – nicht zur Anwendung kommen. Die Veröffentlichungspflicht ergibt sich nämlich, soweit sie die Antragstellerin beanstandet (nämlich nach Inhalt und Form), unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht. Insbesondere werden gemäß § 2 Abs. 1 AFIVO „nur“ die Informationen veröffentlicht, die in Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 259/2008 genannt sind. Von der in Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 259/2008 vorgesehenen Möglichkeit, weitere Informationen zu veröffentlichen, hat der nationale Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.
Der Kammer ist es zwar nicht gänzlich verboten, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, die zur Folge hat, dass Gemeinschaftsrecht vorläufig nicht zur Anwendung kommt. Der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von folgenden – strengen – Voraussetzungen abhängig (EuGH, Urt. v. 09.11.1995 – C-465/93 – [Atlanta Fruchthandelsgesellschaft mbH u.a./Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft], NJW 1996, 1333 [1335 f.], Urt. v. 26.11.1996 – C-68/95 – [T. Port GmbH u. Co. KG/Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft], NJW 1997, 1225 [1227], zuvor auch schon Urt. v. 21.02.1991 – C-143/88 und C-92/89 – [Zuckerfabriken Süderdithmarschen AG u. Soest GmbH/Hauptzollämter Itzehoe u. Paderborn], NVwZ 1991, 460 [461]):
– Das Gericht muss erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Handlung der Gemeinschaft haben und die Gültigkeitsfrage, sofern der Europäische Gerichtshof noch nicht mit ihr befasst ist, diesem selbst vorlegen.
– Die Entscheidung muss in dem Sinne dringlich sein, dass die einstweilige Anordnung erforderlich ist, um zu vermeiden, dass die sie beantragende Partei einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet,
– Das Interesse der Gemeinschaft muss angemessen berücksichtigt sein.
– Schließlich muss das Gericht bei der Prüfung der vorgenannten Voraussetzungen die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts Erster Instanz über die Rechtmäßigkeit der Verordnung und einen Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend gleichartige einstweilige Anordnungen auf Gemeinschaftsebene beachten.
Im vorliegenden Fall scheitert der Erlass der einstweiligen Anordnung schon an der erstgenannten Voraussetzung. Die Kammer hat nämlich keine erheblichen Zweifel an der Gültigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, die die von der Antragstellerin angegriffene Veröffentlichung regeln.
Anders das Verwaltungsgericht Wiesbaden (Beschl. v. 27.02.2009 – 6 K 1045/08.WI -, juris), auf das sich die Antragstellerin insbesondere beruft, ist die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Veröffentlichung von Informationen gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoßen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist grundsätzlich von einem grundrechtlichen Schutz personenbezogener Daten auch im Gemeinschaftsrecht auszugehen. In seinem Urteil vom 20.05.2003 (verbundene Rechtssachen C-465/00, C-138/01 und C-139/01 [Rechnungshof/ORF u.a.], kostenfrei abrufbar unter www.curia.eu [Rn. 68 ff.]; zu Entwicklung und Umfang des Datenschutzgrundrechts ausführlicher Heußner, Informationssysteme im Europäischen Verwaltungsverbund, 2007, S. 312 ff.) heißt es u.a.:
„Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 95/46 (Anm. der Kammer: Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Personenverkehr [im Folgenden: RL 95/46]) , soweit sie die Verarbeitung personenbezogener Daten betreffen, die zu Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten und insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens führen kann, im Licht der Grundrechte auszulegen sind, die nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat (vgl. u. a. Urteil vom 6. März 2001 in der Rechtssache C-274/99 P, Connolly/Kommission, Slg. 2001, I-1611, Randnr. 37).
Diese Grundsätze sind ausdrücklich in Artikel 6 Absatz 2 EU aufgenommen worden, der wie folgt lautet: „Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der [EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.“
Obwohl die Richtlinie 95/46 als Hauptziel die Gewährleistung des freien Verkehrs personenbezogener Daten anstrebt, bestimmt sie in Artikel 1 Absatz 1, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“ gewährleisten. Dasselbe Erfordernis kommt auch in mehreren Begründungserwägungen der Richtlinie – insbesondere in der zehnten und elften – zum Ausdruck.
Während in Artikel 8 Absatz 1 EMRK der Grundsatz aufgestellt wird, dass Behörden nicht in die Ausübung des Rechts auf Achtung des Privatlebens eingreifen dürfen, wird in Absatz 2 ein solcher Eingriff für zulässig erklärt, soweit er „gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer notwendig ist“.
Für die Anwendung der Richtlinie 95/46 und insbesondere der Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c, 7 Buchstaben c und e und 13 ist daher zunächst zu prüfen, ob eine Regelung wie die den Ausgangsverfahren zugrunde liegende einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt und gegebenenfalls ob ein solcher Eingriff nach Artikel 8 EMRK gerechtfertigt ist.“
Aufgrund der Herleitung des Datenschutzgrundrechts aus Art. 8 EMRK und insoweit aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens erscheint überaus zweifelhaft, ob sich auch andere als natürliche Personen – wie die Antragstellerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts – auf das (gemeinschaftsrechtliche) Grundrecht auf Datenschutz berufen können (vgl. hierzu ausführlicher Heußner, a.a.O. S. 316 ff.). Denn es ist schon begrifflich schwierig, von einem Privatleben einer anderen – „nicht natürlichen“ – Person zu sprechen. Gemäß Art. 1 Abs. 1 RL 95/46 gewährleisten die Mitgliedstaaten nach den Bestimmung dieser Richtlinie denn auch lediglich den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre „natürlicher Personen“ bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.
Selbst wenn sich die Antragstellerin, deren Namen immerhin sich aus den Namen zweier natürlicher Personen zusammensetzt, auf das (gemeinschaftsrechtliche) Grundrecht auf Datenschutz berufen könnte, so deutet nach Auffassung der Kammer viel darauf hin, dass der durch die Veröffentlichung im Internet erfolgende Eingriff gerechtfertigt wäre.
Ein Eingriff ist gerechtfertigt, wenn und soweit er gesetzlich vorgesehen ist und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK, EuGH, Urt. v. 20.05.2003, a.a.O. Rn. 76).
Ausweislich des 2. Erwägungsgrundes zur VO Nr. 259/2008 sind Zweck der Veröffentlichung der Informationen eine größere Transparenz in Bezug auf die Verwendung der Fondsmittel und eine wirtschaftlichere Haushaltsführung. Der 6. Erwägungsgrund zur VO Nr. 259/2008 lautet:
„Diese Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen erhöht die Transparenz in Bezug auf die Verwendung der Gemeinschaftsmittel im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und verbessert, insbesondere durch eine stärkere öffentliche Kontrolle der verwendeten Mittel, die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung bei diesen Fonds. Angesichts der überragenden Bedeutung der verfolgten Ziele ist es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Erfordernisses des Schutzes personenbezogener Informationen gerechtfertigt, diese Informationen allgemein zu veröffentlichen, da sie nicht über das hinausgehen, was in einer demokratischen Gesellschaft und zur Verhütung von Unregelmäßigkeiten erforderlich ist.“
Die hier genannten Zwecke können nach Auffassung der Kammer durchaus einen Eingriff in das Datenschutzgrundrecht rechtfertigen. Eine transparente Verwendung öffentlicher Mittel ist ein überaus berechtigtes öffentliches Interesse (vgl. auch EuGH, Urt. v. 20.05.2003, a.a.O. Rn. 84) . Dasselbe gilt für eine wirtschaftliche(re) Haushaltsführung.
Die Veröffentlichung in dem gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Umfang und der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Form dürfte darüber hinaus auch nicht unangemessen sein.
Insoweit ist nach Auffassung der Kammer davon auszugehen, dass der Eingriff nicht besonders schwerwiegend wäre. Das Oberwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen führt in seinem Beschluss vom 24.04.2009 (16 B 485/09, kostenfrei abrufbar unter www.justiz.nrw.de [„Rechtsprechungsdatenbank“]) insoweit und hieran anknüpfend aus:
„Der Antragsteller hat für die Erhebung dieser Daten einen ihm zurechenbaren Anlass gesetzt, indem er Agrarsubventionen beantragt hat. Die in Rede stehenden Informationen weisen keine hohe Persönlichkeitsrelevanz auf, weil sie nicht dem Kernbereich persönlicher Lebensführung nahe stehen. Die Subventionen, die der Antragsteller erhalten hat, gehören zu seinem Einkommen. Die deutsche Rechtsordnung räumt Einkommensdaten traditionell weitgehenden Schutz ein. Weder die Höhe noch die Art der dem Antragsteller gewährten Agrarsubventionen lassen jedoch einen Schluss auf dessen insgesamt gegebene Einkommenssituation zu. Ob und in welcher Höhe ein landwirtschaftlicher Betrieb Überschüsse erwirtschaftet, hängt nicht allein von den ihm gewährten Subventionen ab. Die insoweit maßgeblichen weiteren Einnahmen (insbesondere aus dem Verkauf der erzeugten Agrarprodukte) sowie die Betriebsausgaben werden nicht veröffentlicht. Die Höhe der gezahlten Subventionen lässt hierauf auch keine Rückschlüsse zu. Hohe Subventionen deuten weder auf eine besondere Bedürftigkeit des Empfängers noch auf einen hohen Überschuss des Betriebs hin. Die Höhe der Zahlungen hängt vielmehr maßgeblich von der bewirtschafteten Fläche ab. Dass es im Fall des Antragstellers anders liegen könnte, hat dieser nicht glaubhaft gemacht.
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Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist mit der beabsichtigten Veröffentlichung keine Prangerwirkung verbunden. Durch zahlreiche Berichte in den Medien ist bekannt, dass Agrarsubventionen gewährt werden, um eine Vielzahl gewichtiger öffentlicher Interessen zu verfolgen. Wer solche Berichte nicht kennt, wird durch die Internetseite, die für die Veröffentlichung vorgesehen ist, aufgeklärt. Dort wird zum Hintergrund der Subventionierung ausgeführt:
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Die Land-, aber auch die Forstwirtschaft erbringen neben der Erzeugung von gesunden und vielfältigen Lebensmitteln und der Produktion und Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen eine Vielzahl von Leistungen für die Gesellschaft und übernehmen als hauptsächliche Landnutzer eine besondere Verantwortung für Natur und Umwelt. Sie bewirtschaften und pflegen einen Großteil der Landesfläche, erhalten die Infrastruktur im ländlichen Raum und prägen das soziale Gefüge in den Dörfern.
Landwirte und Waldbewirtschafter gewährleisten
– eine nachhaltige und ressourcenschonende Bewirtschaftung von ca. 80 % der Staatsfläche,
– die sichere Versorgung der Bevölkerung mit gesunden und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln,
– eine flächendeckende Erhaltung, Pflege und Gestaltung der Kultur-, Natur- und Erholungslandschaften,
– die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe und die Bereitstellung erneuerbarer Energien, insbesondere aus Biomasse,
– den Erhalt der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion der Wälder,
– den Erhalt der biologischen Vielfalt und
– die Sicherung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung in der Land- und Forstwirtschaft, aber auch in den ihr vor- und nachgelagerten Bereichen.
Diese vielfältigen Leistungen können insbesondere mit Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erbracht werden. Durch regelmäßige und risikoorientierte Kontrollen stellen Bund und Länder sicher, dass entsprechende Gegenleistungen für die öffentlichen Mittel erbracht werden.>
(http://www.agrar-fischerei-zahlungen.de/agrar_foerderung.html).
Diese niedrigschwellige Einschränkung hat der Antragsteller hinzunehmen, weil ihr überwiegende öffentliche Interessen gegenüberstehen. Der Antragsteller hat ein Interesse, vorläufig von einer Veröffentlichung verschont zu bleiben, weil die Veröffentlichung, wenn die Daten einmal ins Internet eingestellt wurden, nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Wer diese Informationen abgerufen hat, kennt sie auch dann noch, wenn sie wieder von der amtlichen Internetseite entfernt werden. Es ist zudem nicht auszuschließen, dass sie trotz einer solchen Löschung noch an anderer Stelle im Internet verfügbar bleiben. Zwar sind technische Vorkehrungen getroffen, die verhindern sollen, dass die Daten mit Hilfe von Suchmaschinen gefunden werden können. Ein Kopieren sämtlicher auf der amtlichen Internetseite veröffentlichter Daten ist dadurch erschwert, dass maximal 500 Treffer angezeigt werden. Trotzdem erscheint denkbar, dass jemand sämtliche oder zumindest die den Antragsteller betreffenden Daten an anderer Stelle im Internet veröffentlicht. Gegenüber diesem Interesse des Antragstellers ist jedoch das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung zum vorgesehenen Zeitpunkt vorrangig. Durch die Veröffentlichung der Subventionszahlungen soll die Transparenz der Verwendung der Gemeinschaftsmittel erhöht werden.
Vgl. 6. Erwägungsgrund zur Verordnung (EG) 259/2008.
Das auf europäischer und nationaler Ebene in vielen Bereichen anzutreffende Bemühen um Transparenz dient einer Stärkung der demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger. Die hinter den zahlreichen diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen auf europäischer, vgl. neben den hier in Rede stehenden Vorschriften nur die Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors und die Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003, die Grundlage für die Neufassung des Umweltinformationsgesetzes vom 22. Dezember 2004 war, Bundes-, vgl. nur das Informationsfreiheitsgesetz vom 5. September 2005, das Verbraucherinformationsgesetz vom 5. November 2007, das Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz vom 3. August 2005 sowie die Verpflichtung zur Anzeige und Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten in § 44a Abs. 4 Satz 1 Abgeordnetengesetz, und Landesebene, vgl. nur die Informationsfreiheitsgesetzes der Länder, stehende gemeinsame Idee wird in der Begründung des Entwurfs zum Informationsfreiheitsgesetz wie folgt zusammengefasst:
<Der Zugang zur Information und die Transparenz behördlicher Entscheidungen ist eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Dies gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates heute mehr denn je. Lebendige Demokratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen.>
(BT-Drs. 15/4493, S. 6).
(…)
Notwendige Folge dieser Bemühungen um gleichgewichtige Informationsverteilung zwischen Staat und Bürger ist, dass Informationen, an deren Geheimhaltung betroffenen Privatpersonen gelegen ist, von staatlichen Stellen an interessierte Dritte weitergegeben werden. Hierfür bedarf es teilweise – etwa im Anwendungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder sowie des Umweltinformationsgesetzes – eines besonderen Antrags. Andere Gesetze sehen vor, dass die Informationen unabhängig vom Antrag eines einzelnen Bürgers für jedermann einsehbar veröffentlicht werden. Das ist neben dem hier interessierenden Bereich etwa im Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz so angelegt. Auch die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten werden für jedermann einsehbar auf der Internetseite des Parlaments veröffentlicht.
Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 – 2 BvE 1/06 u. a. -, BVerfGE 118, 277.
Um auf europäischer Ebene eine Stärkung der demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger erreichen zu können, kommt der Schaffung von Transparenz hinsichtlich der von der EU gezahlten Agrarsubventionen besondere Bedeutung zu. Die Förderung der Landwirtschaft ist einer der zentralen Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft. Der überwiegende Teil der Haushaltsmittel der EU wird für diesen Zweck verwandt. Die Höhe der insgesamt zu gewährenden Subventionen und die Kriterien für ihre Verteilung waren in der Vergangenheit immer wieder zwischen den Mitgliedstaaten umstritten und werden voraussichtlich auch Gegenstand künftiger Diskussionen innerhalb der EU sein.“
Diese – nach Auffassung der Kammer überzeugenden – Ausführungen gelten im vorliegenden Fall entsprechend. Hinzugefügt sei, dass eine Veröffentlichung lediglich von Summen gezahlter Subventionen in einem bestimmten Gebiet das Bemühen um Transparenz nicht erheblich fördern würde. Denn in diesem Fall bliebe es bei anonymen Zahlen, anhand derer gerade nicht erkennbar würde, in welch erheblichem Umfang der einzelne Landwirt Zahlungen aus Gemeinschaftsmitteln und damit aus Mitteln des europäischen und dabei auch des deutschen Steuerzahlers erhält.
Dass die Antragstellerin in besonderer Weise nachteilig von der Veröffentlichung betroffen sein könnte, also in einer Weise, die über die Betroffenheit vergleichbarer landwirtschaftlicher Betriebe hinausgeht, hat sie schon nicht behauptet.
b) Nach Auffassung der Kammer scheidet eine Überprüfung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes aus.
In seiner sog. „Solange II“-Entscheidung vom 22.10.1986 (2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht – im vorliegenden Fall die VOen Nr. 1290/2005 und 259/2008 -, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben. Eine solche Gerichtsbarkeit hatte das Bundesverfassungsgericht für sich in der sog. „Solange I“-Entscheidung vom 29.05.1974 (2 BvL 52/71 -, BVwerfGE 37, 271) für sich in Anspruch genommen.
Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG, der nicht zuletzt in Anknüpfung an die vorstehend zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ins Grundgesetz aufgenommen worden ist, wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung einer europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und – insoweit im vorliegenden Zusammenhang maßgeblich – einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 07.06.2000 – 2 BvL 1/97 -, BVerfGE 102, 147 [164]) ist hiernach kein deckungsgleicher Schutz in den einzelnen Grundrechtsbereichen des Grundgesetzes durch das europäische Gemeinschaftsrecht und die darauf fußende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gefordert. Den verfassungsrechtlichen Erfordernissen ist vielmehr genügt, wenn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt.
Dass der hiernach notwendige Standard nicht gewahrt ist, hat die Antragstellerin nicht substantiiert behauptet. Anhaltspunkte dafür, dass der gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsstandard unter das erforderliche Niveau gesunken sein könnte, sind für die Kammer auch nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004.