VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion

31. Oktober 2013
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Amtlicher Leitsatz:

a) Weist ein Zeichen Ähnlichkeiten mit einer bekannten oder gar berühmten Marke auf, kann das Publikum wegen der Annäherung an die bekannte Marke zu dem Schluss gelangen, zwischen den Unternehmen, die die Zeichen nutzten, lägen wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen vor.

b) Eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV kann bereits vorliegen, wenn die Werbung dem Publikum suggeriert, dass zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht.

c) Der Bekanntheitsschutz einer Marke nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV kommt nur in dem Gebiet der Europäischen Union in Betracht, in dem die Gemeinschaftsmarke die Voraussetzungen der Bekanntheit erfüllt.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 11.04.2013

Az.: I ZR 214/11

 

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2013 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Oktober 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, die Volkswagen AG, ist das größte deutsche Automobil-unternehmen und einer der größten Automobilhersteller weltweit. Sie ist Inhaberin folgender Wortmarken:

– der Gemeinschaftsmarke Nr. 703 702 „VOLKSWAGEN“, die mit Priorität vom 12. Dezember 1997 für

Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser sowie deren Teile; Reparaturwesen, insbesondere Reparatur, Wartung und Pflege von Fahrzeugen eingetragen ist (Klagemarke 1);

– der Gemeinschaftsmarke Nr. 2 700 342 „VOLKSWAGEN“, die über eine Priorität vom 17. Mai 2002 verfügt und für

Einzelhandels- und Großhandelsdienstleistungen bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör, insbesondere Einzel- und Großhandelsgeschäfte, Versandkatalogdienste, Versandhandel und Online-Bestelldienste bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen oder Kraftfahrzeugzubehör eingetragen ist (Klagemarke 2);

– der deutschen Marken „VOLKSWAGEN“ in Groß- und Kleinschreibung, und zwar der Marken Nr. 398 00 185 mit Priorität vom 2. Januar 1998 (Klagemarke 3) und Nr. 621 252 mit Priorität vom 21. Februar 1949 (Klagemarke 4).
Die Beklagte zu 1 ist eine Tochtergesellschaft der Axel Springer AG. Sie betreibt den Internetauftritt der BILD-Zeitung. Die Beklagte zu 2 unterhält ein Filialnetz markenunabhängiger Kraftfahrzeugwerkstätten mit angeschlossenen Fachmärkten und einem Online-Shop für Automobilzubehör.

Die Beklagte zu 1 führt seit 2002 in unterschiedlichen Bereichen mit Kooperationspartnern groß angelegte und beworbene Aktionen durch, in deren Rahmen bestimmte Erzeugnisse und Dienstleistungen angeboten werden. Diese werden mit der Bezeichnung „Volks“ und dem Gegenstand des Produkts oder der Dienstleistung gekennzeichnet (etwa Volks-Schlafsofa, Volks-Spartarif, Volks-Farbe, Volks-Bettset oder Volks-DSL).

Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin der deutschen Wort-Bild-Marke Nr. 306 38 670 (Priorität 16. Juni 2006), die für folgende Dienstleistungen eingetragen ist:

Klasse 35 Einzelhandelsdienstleistungen mit Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge; Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren aus dem Bereich der Wartung, Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen Klasse 37 Fahrzeugservice, nämlich Wartung, Reparatur und Instandsetzung von Fahrzeugen; Reinigen und Polieren von Fahrzeugen.

Die Beklagte zu 1 ist weiterhin Inhaberin der nachfolgend dargestellten Wort-Bild-Marke Nr. 306 54 206, die mit Priorität vom 28. August 2006 für folgende Waren eingetragen ist:

Reifen für Fahrzeugräder, Reifen (Pneus); Fahrzeugreifen; Schläuche für Reifen; Laufmäntel für Luftreifen; Bleigewichte zum Auswuchten von Fahrzeugreifen; Ventile für Fahrzeugreifen; Spikes für Reifen; selbstklebende Flickgummis für Reifenschläuche; Laufflächen für die Runderneuerung von Reifen; Flickzeug für Reifenschläuche; Gleitschutzvorrichtungen für Fahrzeugreifen.

Die Marken sind auf rotem und schwarzem Hintergrund in weißer Schrift gehalten.

Im Frühjahr 2009 führten die Beklagten unter der Bezeichnung „Volks-Inspektion“ eine Aktion durch, in deren Rahmen Verbraucher Wertgutscheine über 49 € für die Durchführung einer Inspektion an ihrem Kraftfahrzeug erwerben konnten, die die Beklagte zu 2 einlöste. Die Beklagten bewarben die Aktion in der im Klageantrag zu I 1 wiedergegebenen Weise. Dabei verwendeten sie die Bezeichnung „VOLKS-INSPEKTION“ und die entsprechende Wort-Bild-Marke der Beklagten zu 1. In der Aktion wurde die Beklagte zu 2 als „Volks-Werkstatt“ bezeichnet. Die Beklagte zu 1 ließ den Domainnamen „volks-werkstatt.de“ auf sich registrieren.

Eine weitere Aktion führten die Beklagten im Mai 2009 durch, bei der sie die Bezeichnung „Volks-Reifen“ und die entsprechende Wort-Bild-Marke der Beklagten zu 1 verwendeten. Die Internetauftritte der Beklagten sind aus dem Klageantrag zu I 2 ersichtlich. Die Beklagte zu 2 wurde wiederum als „Volks-Werkstatt“ bezeichnet.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Bezeichnungen „Volks-Inspektion“, „Volks-Reifen“ und „Volks-Werkstatt“ mit und ohne graphische Gestaltung verletzten ihre Kennzeichenrechte an der Bezeichnung „VOLKSWAGEN“.

Das Landgericht hat die Beklagten auf die Klageanträge zu I unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,

es zu unterlassen,

1. im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union die Zeichen „Volks-Inspektion“ und/oder „Volks-Werkstatt“ (auch in anderen Schreibweisen wie z.B. „VOLKS-INSPEKTION“ oder in der nachfolgenden Gestaltung
oder „VOLKS-WERKSTATT“ und als Domain www.volks-werkstatt.de) für die Wartung, Pflege und/oder Reparatur von Automobilen zu benutzen, insbesondere sogenannte „Inspektionen“ unter diesen Zeichen anzubieten, zu bewerben und/oder zu erbringen und insbesondere wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:

und/oder

2. im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union das Zeichen „Volks-Reifen“ (auch in anderen Schreibweisen wie z.B. „VOLKS-REIFEN“ und/oder „Volksreifen“ oder in nachfolgender Gestaltung) für Autoreifen zu benutzen, insbesondere Autoreifen unter diesem Zeichen zu bewerben, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, und insbesondere wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:

Weiter hat das Landgericht die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt (Klageantrag zu II) und sie zur Auskunftserteilung (Klageantrag zu III) und zur Vernichtung der in ihrem Eigentum und Besitz befindlichen rechtsverletzenden Gegenstände (Klageantrag zu IV) und die Beklagte zu 1 zur Einwilligung in die Löschung der Marken Nr. 306 38 670 und Nr. 306 54 206 für die vorstehend angeführten Waren und Dienstleistungen (Klageantrag zu V) verurteilt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen (OLG München, GRUR-RR 2011, 449 = WRP 2012, 354). Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat eine Verletzung der Klagemarken und des Unternehmenskennzeichens der Klägerin durch die angegriffenen Bezeichnungen verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Eine markenmäßige Benutzung der von den Beklagten verwandten Bezeichnungen sei zwar zu bejahen. Zwischen den Klagemarken und den angegriffenen Bezeichnungen bestehe aber keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV und § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Wortmarken „VOLKSWAGEN“ verfügten aufgrund überragender Bekanntheit über eine starke Kennzeichnungskraft. Weiter liege Waren- und Dienstleistungsidentität vor. Zwischen den Kollisionszeichen bestehe auch eine gewisse Zeichenähnlichkeit. Diese sei jedoch so gering, dass trotz hoher Kennzeichnungskraft und bestehender Waren- und Dienstleistungsidentität eine Verwechslungsgefahr ausscheide. Ansprüche aufgrund des Bekanntheitsschutzes der Klagemarken bestünden ebenfalls nicht, weil keiner der Eingriffstatbestände des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV und des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG er-füllt sei. Die Ansprüche aus dem Unternehmenskennzeichen der Klägerin gegen die beanstandeten Bezeichnungen nach § 15 Abs. 2 bis 5 MarkenG seien aus den gleichen Gründen nicht gegeben.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Klägerin hat klargestellt, dass sie ihr Klagebegehren mit Ausnahme des Antrags auf Löschung der Dienstleistungen der Klasse 35 der Marke Nr. 306 38 670 (Volks.Inspektion) in erster Linie auf die Gemeinschaftsmarke Nr. 703 702 „VOLKSWAGEN“ (Klagemarke 1) und hilfsweise – in dieser Reihenfolge – auf die Klagemarken 3 und 4 sowie ihr Unternehmenskennzeichen stützt. Das Löschungsbegehren im Hinblick auf die Dienstleistungen der Klasse 35 der Marke Nr. 306 38 670 leitet die Klägerin in erster Linie aus der Klagemarke 2 und hilfsweise – in dieser Reihenfolge – aus den Klagemarken 1, 3 und 4 sowie ihrem Unternehmenskennzeichen ab.

Es ist danach zunächst zu prüfen, ob die Klage mit Ausnahme des gesonderten Teils des Löschungsanspruchs (Dienstleistungen der Klasse 35 der Marke Nr. 306 38 670) aus der in erster Linie geltend gemachten Gemeinschaftsmarke Nr. 703 702 (Klagemarke 1) und hinsichtlich des gesonderten Teils des Löschungsanspruchs aus der Gemeinschaftsmarke Nr. 2 700 342 (Klagemarke 2) zu Recht abgewiesen worden ist.

2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der gegen die Beklagten gerichtete, auf die Klagemarke 1 gestützte Unterlassungsanspruch aus Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b, Art. 102 Abs. 1 Satz 1 GMV nicht verneint werden.

a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass eine Markenverletzung nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV grundsätzlich nur angenommen werden kann, wenn eine markenmäßige Verwendung der beanstandeten Bezeichnungen „Volks-Inspektion“, „Volks-Werkstatt“ und „Volks-Reifen“ in Groß- und Kleinschreibung, mit Bindestrich oder Punkt sowie mit und ohne graphische Gestaltung vorliegt. Von einer markenmäßigen Verwendung der angegriffenen Bezeichnung ist das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen.

aa) Eine markenmäßige Benutzung oder – was dem entspricht – eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die beanstandeten Bezeichnungen im Rahmen des Produktoder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dienen. Die Rechte aus der Marke nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV, dessen Anwendung eine Verwechslungsgefahr voraussetzt, sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion der Marke, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (zu Art. 5 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL EuGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – C533/06, Slg. 2008, I4231 = GRUR 2008, 698 Rn. 57 – O2/Hutchison; Urteil vom 18. Juni 2009 – C487/07, Slg. 2009, I5185 = GRUR 2009, 756 Rn. 59 – L’Oréal/Bellure; zu § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGH, Urteil vom 22. April 2010 – I ZR 17/05, GRUR 2010, 1103 Rn. 25 = WRP 2010, 1508 – Pralinenform II; zu Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV BGH, Urteil vom 24. November 2011 – I ZR 175/09, GRUR 2012, 618 Rn. 17 = WRP 2012, 813 – Medusa).

bb) Die Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2007 – I ZR 22/04, BGHZ 171, 89 Rn. 23 – Pralinenform I). Im Revisionsverfahren ist daher nur zu prüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ohne Widerspruch zu Denkgesetzen und Erfahrungssätzen geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird.

cc) Das Berufungsgericht hat zu Recht eine markenmäßige Verwendung der Kollisionszeichen angenommen. Diese werden beim Absatz der fraglichen Waren (Autoreifen) und Dienstleistungen (Wartung, Pflege und Reparatur von Automobilen) als Herkunftshinweis und nicht etwa als beschreibende Angabe verstanden.

b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, zwischen der Klagemarke 1 und den in den Klageanträgen zu I 1 und 2 angeführten Zeichen bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV ist nicht frei von Rechtsfehlern.

aa) Ob Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV besteht, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzel-falls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere dem Grad der Bekanntheit der Marke im Markt, der gedanklichen Verbindung, die das beanstandete Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem beanstandeten Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar 2006 – C361/04, Slg. 2006, I643 = GRUR 2006, 237 Rn. 18 – PICASSO/PICARO; Urteil vom 23. März 2006 – C206/04, Slg. 2006, I2717 = GRUR 2006, 413 Rn. 17 f. – SIR/ZIRH; BGH, Urteil vom 5. November 2008 – I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 Rn. 26 = WRP 2009, 831 – Stofffähnchen I; Urteil vom 15. Juli 2010 – I ZR 57/08, GRUR 2011, 148 Rn. 13 = WRP 2011, 230 – Goldhase II). Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auszugehen, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungs-kraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH, Urteil vom 10. April 2008 – C102/07, Slg. 2008, I2439 = GRUR 2008, 503 Rn. 36 – adidas/Marca Mode; BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 – I ZR 154/09, GRUR 2011, 826 Rn. 11 = WRP 2011, 1168 – Enzymix/Enzymax). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind.

bb) Das Berufungsgericht hat zutreffend Waren- und Dienstleistungsidentität angenommen.

cc) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe die über-ragende Kennzeichnungskraft der Klagemarke auf dem in Rede stehenden Waren und Dienstleistungssektor nicht berücksichtigt.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Klagemarke sei originär unterscheidungskräftig. Ihre Kennzeichnungskraft sei durch langjährige Benutzung gesteigert. Es handele sich um eine starke Marke. Sie sei im Automobilbereich überragend bekannt. Die Klägerin sei das größte deutsche Automobilunternehmen und weltweit einer der größten Automobilhersteller. Die überragende Bekanntheit der Klagemarke beziehe sich auch auf die Teile, aus denen Kraftfahrzeuge hergestellt würden. Die starke Kennzeichnungskraft der Klagemarke bestehe ebenfalls im Dienstleistungsbereich. Die Klägerin verfüge über ein Netz von 1.204 Vertragswerkstätten in Deutschland, die unter der Klagemarke Dienstleistungen wie etwa Inspektionen erbrächten. Unerheblich sei, ob der Bekanntheitsgrad der Klagemarke in den anderen Mitgliedstaaten geringer als in Deutschland sei. Da für die Bekanntheit der Gemeinschaftsmarke nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV regelmäßig eine Bekanntheit in einem Mitgliedstaat von der Größe Österreichs ausreiche, genügten die in Deutschland vorliegenden Umstände, um eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu begründen.

Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht sei unzutreffenderweise nur von einer überdurchschnittlichen und einer starken Kennzeichnungskraft der Klagemarke 1 ausgegangen. Es hätte der Prüfung der Verwechslungsgefahr vielmehr eine überragende Kennzeichnungskraft der Klagemarke zugrunde legen müssen. Das Berufungsgericht habe sich offensichtlich von einer nur groben Einstufung der Kennzeichnungskraft in schwache, durchschnittliche und überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft leiten lassen. Mit diesem Angriff dringt die Revision nicht durch.

Das Berufungsgericht ist zutreffend von einer überragenden Bekanntheit der Klagemarke 1 in Deutschland ausgegangen. Die Klagemarke verfügt über eine Priorität von 1997. Sie ist seit dieser Zeit umfänglich in der Werbung, beim Angebot und Vertrieb auf dem in Rede stehenden Waren und Dienstleistungssektor benutzt worden. Der Marke kommt im Inland zudem die umfangreiche Benutzung der deutschen Wortmarke „Volkswagen“ zugute, die für Kraftfahr-zeuge und deren Teile eingetragen ist und über eine Priorität von 1949 verfügt (Klagemarke 4). Die sich daraus ergebende überragende Bekanntheit der Klagemarke 1 hat das Berufungsgericht seiner Prüfung zugrunde gelegt. Dass es daraus nicht auf eine gleichermaßen gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke 1 geschlossen hat, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen.

dd) Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen den Zeichen bestehe eine gewisse Ähnlichkeit. Der Wortbestandteil „VOLKS“ der kollidierenden Zeichen sei identisch. Er präge die Klagemarke 1 aber nicht. Gleiches gelte für den weiteren Wortbestandteil „WAGEN“. Vielmehr werde die Klagemarke durch die für ihren Gesamteindruck gleichgewichtigen Elemente „VOLKS“ und „WAGEN“ bestimmt. Auch in den angegriffenen Zeichen sei der Wortbestandteil „Volks“ nicht prägend. Der Wortmarke „VOLKSWAGEN“ der Klägerin stünden danach die Wort-Bild-Zeichen „Volks.Inspektion“ und „Volks.Reifen“ und die Wortzeichen „Volks-Inspektion“, „Volks-Reifen“ und „Volks-Werkstatt“ gegen-über. In klanglicher Hinsicht sei wegen der Übereinstimmung in dem Bestandteil „Volks“ eine nicht zu vernachlässigende Zeichennähe vorhanden, weil der Verkehr den Wortanfang regelmäßig stärker beachte als die weiteren Wortbestand-teile. Aufgrund des die Klagemarke mitprägenden Wortbestandteils „WAGEN“ hielten die gegenüberstehenden Zeichen aber einen erheblichen Abstand ein. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

(1) Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungsoder Sinngehalt zu beurteilen, weil Zeichen auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. EuGH, Ur-teil vom 3. September 2009 – C498/07, Slg. 2009, I7371 = GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – La Española/Carbonell; BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 26 = WRP 2009, 1533 – airdsl). Im Verletzungsverfahren ist auf die eingetragene Form der Klagemarke und die konkrete Fassung der jeweiligen angegriffenen Bezeichnung abzustellen (vgl. EuGH, GRUR 2008, 698 Rn. 66 und 67 – O2/Hutchison; BGH, GRUR 2009, 766 Rn. 36 – Stofffähnchen I).

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist von dem das Kennzeichenrecht beherrschenden Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Die Beurteilung des Gesamteindrucks liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und kann im Revisionsverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, bestehende Erfahrungssätze angewandt und den Sachvortrag umfassend gewürdigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – I ZR 50/11, GRUR 2012, 930 Rn. 45 = WRP 2012, 1234 – Bogner B/Barbie B). Weiter ist nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnen-de Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (vgl. EuGH, Ur-teil vom 6. Oktober 2005 – C120/04, Slg. 2005, I8551 = GRUR 2005, 1042 Rn. 30 – THOMSON LIFE; BGH, Urteil vom 22. Juli 2004 – I ZR 204/01, GRUR 2004, 865, 866 = WRP 2004, 1281 – Mustang).

(2) Anders als die Revision meint, bleibt nicht unklar, welchen Grad von Zeichenähnlichkeit das Berufungsgericht seiner Prüfung zugrunde gelegt hat. Dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen ist zu entnehmen, dass es eine Zeichenähnlichkeit zwar bejaht, diese aber wegen des von ihm angenommenen weiten Zeichenabstands als gering eingestuft hat.

(3) Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klagemarke werde gleichgewichtig durch die Bestandteile „VOLKS“ und „WAGEN“ geprägt.

Durch die Zusammenfassung der Bestandteile „VOLKS“ und „WAGEN“ zu einem Wort entsteht eine ausgeprägte Klammerwirkung. Auch wenn der Verkehr den beschreibenden Gehalt des Wortbestandteils „WAGEN“ im Automobilsektor erkennt, hat er keinen Anlass, sich ausschließlich an dem Bestand-teil „VOLKS“ als Herkunftshinweis zu orientieren. Vernachlässigt der Verkehr den Wortbestandteil „WAGEN“ nicht, sondern fasst er das Markenwort als ein einheitliches Zeichen auf, hat auch die Endung „WAGEN“ eine die Klagemarke mitprägende Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 – I ZB 55/05, GRUR 2008, 909 Rn. 28 bis 30 = WRP 2008, 1345 – Pantogast; Beschluss vom 29. Mai 2008 – I ZB 54/05, GRUR 2008, 905 Rn. 28 und 29 = WRP 2008, 1349 – Pantohexal).

ee) Die Verneinung einer Verwechslungsgefahr kann im Ergebnis gleichwohl keinen Bestand haben.

(1) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Zeichenähnlichkeit im Hinblick auf die in den gegenüberstehenden Zeichen zusätzlich vorhandenen markanten Bestandteile – einerseits „WAGEN“ und andererseits „Inspektion“, „Reifen“ und „Werkstatt“ – zu gering ist, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu begründen.

(2) Das Berufungsgericht hat weiter eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens verneint. Für die Annahme dieser Verwechslungsgefahr sei erforderlich, dass die Klägerin mit einer Markenfamilie mit dem Bestandteil „VOLKS“ und einem Zusatz auf dem Markt präsent sei. Entsprechendes habe die Klägerin nicht dargelegt. Als weitere Marke könne sie sich nur auf die deutsche Wortmarke „VOLKSBUS“ berufen. Der mit dieser Marke gekennzeichnete Reisebus sei aber in erster Linie für außereuropäische Märkte bestimmt.

Mit ihren dagegen gerichteten Angriffen dringt die Revision nicht durch. Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens scheidet vorliegend aus.

Diese Art der Verwechslungsgefahr, die erst zu prüfen ist, wenn die einander gegenüberstehenden Zeichen – wie im Streitfall – nicht unmittelbar mit-einander verwechselbar sind, greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 – I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Rn. 38 = WRP 2009, 616 – METROBUS). Das Vorliegen einer Zeichenserie setzt die Benutzung mehrerer Marken mit einem gemeinsamen Stammbestandteil voraus, damit die angesprochenen Verkehrskreise das gemeinsame Element kennen und mit der Zeichenserie in Verbindung bringen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. September 2007 – C234/06, Slg. 2007, I7333 = GRUR 2008, 343 Rn. 64 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]). Soweit der Senat es in Ausnahme-fällen unter engen Voraussetzungen für denkbar gehalten hat, in einem erstmalig verwendeten Zeichen ein Stammzeichen zu sehen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 1995 – I ZB 33/93, BGHZ 131, 122, 127 – Innovadiclophlont; Urteil vom 22. November 2001 – I ZR 111/99, GRUR 2002, 542, 544 = WRP 2002, 534 – BIG), hält er daran nicht mehr fest (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 – I ZR 84/09, GRUR 2013, 840 Rn. 23 = WRP 2013, 1030 – PROTI II).

Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin im Gebiet der Europäischen Union verschiedene Marken mit dem Bestandteil „VOLKS“ in einer Art und Weise und in einem Umfang benutzt hat, der den Verkehr veranlasst, vom Vorliegen einer Zeichenserie auszugehen. Die Klägerin hat die Marke „VOLKSBUS“ nicht in einem für die Bildung einer Zeichenserie ins Gewicht fallenden Umfang im Bereich der Europäischen Union benutzt. Gegen diese Feststellungen des Berufungsgerichts erinnert die Revision nichts.

Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, zu den anderen von der Klägerin benutzten Bezeichnungen mit dem Zusatz „Volks“ – etwa „Volks-Van“ oder „Volks-Seat“ – habe sie nicht vorgetragen, in welchem Umfang eine Benutzung erfolgt sei. Gegenteiliges zeigt auch die Revision nicht auf.

Schließlich folgt eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens auch nicht daraus, dass die Beklagte zu 1 eine Zeichenserie mit dem Bestandteil „Volks“ gebildet hat und das Publikum die Klagemarke 1, die diesen Bestandteil enthält, daher irrtümlich der Beklagten zu 1 zurechnet. Ob eine derartige Fehlzuordnung einer älteren Marke zu einer Zeichenfamilie eines Dritten mit prioritätsjüngeren Kennzeichen eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens begründen kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Im Streitfall ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass der angesprochene Verkehr die überragend bekannte Marke der Klägerin wegen des Bestandteils „VOLKS“ der Zeichenserie der Beklagten zu 1 zurechnet.

(3) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, zwischen der Klagemarke 1 und den angegriffenen Bezeichnungen sei auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gegeben, ist dagegen nicht frei von Rechtsfehlern. Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne unter dem Aspekt des gedanklichen Inverbindungbringens kann gegeben sein, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Zeicheninhabern ausgeht. Eine solche Verwechslungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden (BGH, Urteil vom 29. April 2004 – I ZR 191/01, GRUR 2004, 779, 783 = WRP 2004, 1046 – Zwilling/Zweibrüder; Beschluss vom 3. April 2008 – I ZB 61/07, GRUR 2008, 903 Rn. 31 = WRP 2008, 1342 – SIERRA ANTIGUO). Dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen, reicht hierzu nicht (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 – I ZR 142/07, GRUR 2010, 729 Rn. 43 = WRP 2010, 1046 – MIXI).

Von diesen Maßstäben ist im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, besondere Umstände, die über bloße Assoziationen hinausgingen und die Annahme wirtschaftlicher oder organisatorischer Verbindungen der Unternehmen, die die kollidierenden Zeichen verwendeten, rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Wegen der groß angelegten, medienübergreifenden Bewerbung der Aktionen der Beklagten zu 1 sei den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt, dass die Beklagte zu 1 diese Aktionen mit wechselnden Kooperationspartnern durchführe. Damit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft in die Prüfung, ob eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vorliegt, nicht den Umstand einbezogen, dass die Klagemarke 1 überragend bekannt ist und über erheblich gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt.

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats ist anerkannt, dass Marken mit gesteigerter Kennzeichnungskraft über einen weiten Schutzbereich verfügen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 1997 – C251/95, Slg. 1997, I6191 = GRUR 1998, 387 Rn. 24 – Sabèl/Puma; Urteil vom 29. September 1998 – C39/97, Slg. 1998, I5507 = GRUR 1998, 922 Rn. 18 – Canon; Urteil vom 22. Juni 2000 – C425/98, Slg. 2000, I4861 = GRUR Int. 2000, 899 Rn. 41 – Marca/Adidas; BGH, Urteil vom 30. Oktober 2003 – I ZR 236/97, GRUR 2004, 235, 237 = WRP 2004, 360 – Davidoff II; BGH, GRUR 2012, 930 Rn. 70 – Bogner B/Barbie B). Intensiv genutzten Marken kommt eine erhöhte Schutzbedürftigkeit zu. Je bekannter eine Marke ist, desto größer ist die Zahl der Wettbewerber, die ähnliche Zeichen benutzen möchten (EuGH, GRUR 2008, 503 Rn. 36 – adidas/Marca Mode; BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 Rn. 42 = WRP 2012, 716 – OS-CAR). Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung der Frage zu berück-sichtigen, ob zwischen einer sehr bekannten Marke und einem angegriffenen Zeichen eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vorliegt. Weist ein Zeichen Ähnlichkeiten mit einer bekannten oder gar berühmten Marke auf, wird das angesprochene Publikum wegen der Annäherung an die bekannte oder berühmte Marke häufig annehmen, zwischen den Unternehmen, die die Zeichen nutzten, lägen wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen vor (vgl. BGH, GRUR 2009, 484 Rn. 80 – METROBUS; zum WZG BGH, Beschluss vom 3. Mai 1963 – Ib ZB 30/62, BGHZ 39, 266, 271 – Sunsweet; Urteil vom 23. Juni 1967 – Ib ZR 54/66, GRUR 1968, 371, 375 – Maggi).

Anhaltspunkte für eine solche Sichtweise ergeben sich auch aus der von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragung der TNS Infratest vom Oktober 2010. Danach gehen 28,3% der Gesamtbevölkerung und 31,5% des engeren Verkehrskreises (Personen, die die Autowerkstatt auswählen oder das Auto dorthin bringen) davon aus, bei „Volks-Werkstatt“ handele es sich um eine Bezeichnung von Volkswagen. Hinzu kommen 4,1% der allgemeinen Verkehrskreise und 2,6% des engeren Verkehrskreises, die von wirtschaftlichen oder organisatorischen Verbindungen ausgehen, so dass 32,4% der allgemeinen Verkehrskreise und 34,1% des engeren Verkehrskreises bei „Volks-Werkstatt“ einer markenrechtlich relevanten Fehlzuordnung unterliegen.

Die Annahme, die angegriffene Zeichennutzung der Beklagten erfolge aufgrund wirtschaftlicher oder organisatorischer Verbindungen zwischen den Parteien, ist nicht aufgrund der Aktionen der Beklagten zu 1 ausgeschlossen, bei denen die abgesetzten Waren oder erbrachten Dienstleistungen mit dem Wortbestandteil „Volks“ gekennzeichnet waren. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, wie die Aktionen im Einzelnen ausgestaltet waren und ob für das Publikum die Grundlagen der Zeichennutzung bei diesen Aktionen erkennbar waren und ob sie das Verkehrsverständnis deshalb überhaupt beeinflussen konnten.

3. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht den Unterlassungsanspruch nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c, Art. 102 Abs. 1 Satz 1 GMV wegen Verletzung der bekannten Klagemarke „VOLKSWAGEN“ verneint hat.

a) Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich festgestellt, dass die Klagemarke 1 die Voraussetzungen erfüllt, die an eine bekannte Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV zu stellen sind. Es hat jedoch bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft der Marke angenommen, dass diese im Inland überragend bekannt ist, weil die Klägerin als größter deutscher Automobilhersteller das Zeichen „VOLKSWAGEN“ langjährig intensiv im Inland als Kennzeichnungsmittel für Waren und Dienstleistungen und als Unternehmenskennzeichen benutzt hat. Das reicht für die Feststellung aus, dass die Klagemarke eine bekannte Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 – C301/07, Slg. 2009, I9429 = GRUR 2009, 1158 Rn. 21 bis 30 – Pago/Tirolmilch; BGH, Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 42 und 49 = WRP 2011, 1454 – TÜV II).

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung der Klagemarke 1 verneint. Die Beklagten würden die angegriffenen Zeichen im Rahmen einer Markenserie der Beklagten zu 1 nutzen, die zuvor schon über 100 sogenannte „Volks-Aktionen“ mit den nach demselben Prinzip gebildeten Zeichen durchgeführt habe.

Die Revision hält dem ohne Erfolg entgegen, die Beklagte zu 1 sei nicht zufällig darauf gekommen, Marken mit dem Bestandteil „Volks“ zu bilden. Sie habe ein Zeichenbildungsprinzip der Klägerin übernommen.

Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Klägerin verfügt nicht über eine Markenfamilie mit dem Wortbestandteil „VOLKS“ (dazu Rn. 38 bis 43). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagten sich mit den angegriffenen Zeichen in den Bereich der Sogwirkung der bekannten Klagemarke begeben haben, um von der Anziehungskraft, dem Ruf oder dem Ansehen der bekannten Marke zu profitieren (vgl. EuGH, GRUR 2009, 756 Rn. 49 – L’Oréal/Bellure) oder auf andere Weise an dem Ruf oder der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines einer bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist.

c) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Verwendung der angegriffenen Zeichen die Wertschätzung der Klagemarke nicht beeinträchtigt.

Die Revision rügt vergeblich, die gedankliche Verbindung mit dem von der Beklagten zu 1 herausgegebenen Presseerzeugnis und den von den Beklagten bei den in Rede stehenden Aktionen im Automobilbereich vertriebenen Discountprodukten sei für die mit besonderen Qualitäts- und Gütevorstellungen verbundene Klagemarke abträglich. Anhaltspunkte für eine entsprechende Beeinträchtigung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie sind auch nicht ersichtlich. Mit ihrer gegenteiligen Beurteilung begibt sich die Revision auf das ihr grundsätzlich verschlossene Gebiet tatrichterlicher Würdigung.

d) Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Unterscheidungskraft der Klagemarke werde nicht beeinträchtigt.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die Benutzung der angegriffenen Zeichen das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen sei, ändere oder dass die ernsthafte Gefahr einer künftigen Änderung dieses Verhaltens bestehe. Die angegriffenen Zeichen würden nicht permanent benutzt, sondern nur punktuell und kurzzeitig im Rahmen einzelner Vermarktungskampagnen verwendet. Ein nur gradueller Verlust an Unterscheidungskraft reiche für eine unlautere Verwässerung nicht aus.

bb) Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu hohe Anforderungen an die Annahme einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft gestellt und keine umfassende Beurteilung der relevanten Umstände des vorliegenden Falls vorgenommen.

(1) Von einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der älteren Marke ist auszugehen, wenn die Eignung dieser Marke, als Hinweis auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und benutzt wird, zu wirken, dadurch geschwächt wird, dass die Benutzung des jüngeren Zeichens die Identität der älteren Marke und ihre Bekanntheit beim Publikum auflöst. Das ist der Fall, wenn sich das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnitts-verbrauchers der Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, infolge der Benutzung des jüngeren Zeichens ändert oder wenn jedenfalls die Gefahr einer künftigen Änderung des Verhaltens besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 27. November 2008 – C252/07, Slg. 2008, I8823 = GRUR 2009, 56 Rn. 76 f. – Intel; EuGH, GRUR 2009, 756 Rn. 39 – L’Oréal/Bellure).

(2) Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, kann diese Wirkung nicht mit der Begründung verneint werden, die von den Beklagten durch-geführten Aktionen seien nur kurzfristig und auf einzelne Waren oder Dienstleistungen gerichtet. Auch eine einmalige Benutzung eines jüngeren Zeichens kann genügen, um die Unterscheidungskraft der älteren Marke zu beeinträchtigen (vgl. EuGH, GRUR 2009, 56 Rn. 81 – Intel). Ob eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der älteren Marke vorliegt oder zu befürchten ist, ist vielmehr aufgrund einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des konkreten Falls zu beurteilen. Dazu rechnen auch das Ausmaß der Bekanntheit der Klagemarke, die Frage, ob die gegenüberstehenden Waren oder Dienstleistungen unähnlich, ähnlich oder identisch sind und der Grad der Ähnlichkeit der kollidierenden Zeichen. Eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der bekannten Marke kann bereits vorliegen, wenn die Werbung dem Publikum suggeriert, dass zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 2010 – C236/08 bis C238/08, Slg. 2010, I2417 = GRUR 2010, 445 Rn. 83 und 84 – Google France und Google/Louis Vuitton; Urteil vom 22. September 2011 – C323/09, Slg. 2011, I8625 = GRUR 2011, 1124 Rn. 44 – Interflora/Marks & Spencer; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 217/10, GRUR 2013, 290 Rn. 24 = WRP 2013, 505 – MOST-Pralinen). Eine derartige umfassende Beurteilung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Es hat weder die große Bekanntheit der Klagemarke, die eine besondere Schutzbedürftigkeit begründet, noch das Vorliegen von Waren- und Dienstleistungsidentität in die Abwägung einbezogen. Unberücksichtigt geblieben ist auch die große Medienwirksamkeit der Aktionen der Beklagten zu 1, die das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang festgestellt hat.

4. Das Berufungsgericht hat die Folgeansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Vernichtung verneint, weil nach seiner Ansicht keine Verletzung der Klagemarke 1 vorliegt. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen hat diese Annahme keinen Bestand. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin die Ansprüche auf Einwilligung in die Löschung (Art. 102 Abs. 2 GMV, § 125b Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3, §§ 51, 55 MarkenG) der Marken Nr. 306 38 670 – mit Ausnahme der Dienstleistungen der Klasse 35 (dazu sogleich nachstehend Rn. 64) – und Nr. 306 54 206 der Beklagten zu 1 auf die Klagemarke 1 gestützt hat.

5. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht den Anspruch auf Einwilligung in die Löschung der Marke Nr. 306 38 670 für die in Rede stehenden Dienstleistungen der Klasse 35 verneint hat. Die Klägerin hat diesen Anspruch in erster Linie auf die Gemeinschaftsmarke Nr. 2 700 342 gestützt. Die Abweisung dieses Klageantrags kann aus den vorstehend unter II 2 und 3 angeführten Gründen keinen Bestand haben.

III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

1. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug anhand der vorstehend dargestellten Grundsätze zu prüfen haben, ob eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vorliegt, weil das angesprochene Publikum von wirtschaftlichen oder organisatorischen Verbindungen zwischen den Parteien ausgeht oder ob von einer Beeinträchtigung der Unter-scheidungskraft der bekannten Marken der Klägerin auszugehen ist. Die bislang vom Berufungsgericht hierzu getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um dem Senat eine abschließende Beurteilung zu ermöglichen.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die Klägerin macht aufgrund der Klagemarke 1 einen unionsweiten Unterlassungsanspruch geltend. Ein derartiger Anspruch kommt – soweit er auf das Vorliegen von Verwechslungsgefahr nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV gestützt ist – nur in Betracht, wenn die Klagemarke 1 für das gesamte Gebiet der Union über erheblich gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt. Soweit der Anspruch unionsweit aus einem Bekanntheitsschutz nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV hergeleitet wird, muss die Klagemarke im gesamten Gebiet der Union die Voraussetzungen erfüllen, die an die Bekanntheit einer Marke zu stellen sind. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwar entschieden, für den Schutz einer Gemeinschaftsmarke nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV reiche es aus, dass die Marke dem Publikum in einem wesentlichen Teil der Union bekannt ist und dass hierzu ein Gebiet von der Größe Österreichs ausreicht (vgl. EuGH, GRUR 2009, 1158 Rn. 30 – Pago/Tirolmilch). Das lässt aber nicht den Schluss zu, dass bei der Verwendung eines angegriffenen Zeichens eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der bekannten Marke im gesamten Gebiet der Europäischen Union vorliegt. Diese kommt vielmehr nur in dem Gebiet der Europäischen Union in Betracht, in dem die Gemeinschaftsmarke auch die Voraussetzungen der Bekanntheit erfüllt. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin für ihre Klagemarke den Schutz einer überragend bekannten Marke in Anspruch nimmt und hieraus eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ableitet. Zur überragenden Bekanntheit der Klagemarke in den anderen Mitgliedstaaten hat das Berufungsgericht aber bislang keine Feststellungen getroffen.

b) Die Klägerin hat die Folgeansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Vernichtung auf die Unterlassungsanträge zu I bezogen. Sie verfolgt die Annexanträge damit ebenfalls unionsweit. Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Gemeinschaftsgeschmacksmuster-verordnung die Frage vorgelegt, ob die Bestimmung des Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV dahin auszulegen ist, dass für unionsweit geltend gemachte Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters das Recht der Mitglied-staaten anzuwenden ist, in denen die Verletzungshandlungen begangen worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2012 – I ZR 74/10, GRUR 2012, 1253 Rn. 45 bis 49 = WRP 2012, 1536 – Gartenpavillon). Die Frage stellt sich gleichermaßen für die unionsweit geltend gemachten Folgeansprüche wegen Verletzung einer Gemeinschaftsmarke aufgrund der Verweisung nach Art. 102 Abs. 2 GMV auf das Recht des Mitgliedstaats, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen.

Der Senat hat von einer Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung des Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV abgesehen, weil vorliegend nicht feststeht, ob eine Markenverletzung vorliegt.

Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 22.02.2011 – 33 O 5562/10 –
OLG München, Entscheidung vom 20.10.2011 – 29 U 1499/11

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