Verfassungsmäßigkeit der elektronischen Gesundheitskarte

22. November 2013
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Eigener Leitsatz:

Die Verpflichtung der Krankenversicherten, ab dem 01.01.2014 die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen, ist rechtmäßig. Aufgrund des überwiegenden Interesses der Versichertengemeinschaft an effizienter Leistungserbringung verstoßen weder das obligatorische Foto noch die Speicherung personenbezogener Daten auf der Karte gegen das Sozialgeheimnis oder das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Sozialgericht Berlin

Beschluss vom 07.11.2013

Az.: S 81 KR 2176/13 ER

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Entscheidungsgründe:

I. Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin den Ersatz seiner Krankenversichertenkarte durch die Ausstellung einer Mitgliedsbescheinigung ohne Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte.

Der Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert.

Die Antragsgegnerin stattet ihre Versicherten derzeit mit der elektronischen Gesundheitskarte aus. Hierzu wurde der Antragsteller mehrfach gebeten, ein Formular mit Personalangaben sowie ein Lichtbild zu übersenden.
Dem kam der Antragsteller nicht nach. Vielmehr beantragte er wiederholt bei der Antragsgegnerin die Ausstellung eines Nachweises bzw. einer formlosen Bescheinigung über seinen Versicherungsschutz zur Verwendung gegenüber behandelnden Ärzten. Die "biometrisch angelegten Krankenkarten" möchte er nicht nutzen und verweist auf die dagegen erhobene öffentliche Kritik. Seine bisherige Krankenversichertenkarte war bis 30. September 2013 gültig.

Am 21. Oktober 2013 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung über den Versicherungsschutz zur Vorlage bei Ärzten auszustellen, ohne die elektronische Gesundheitskarte hierfür zu nutzen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Zur Begründung verweist sie auf die verpflichtende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zum 1. Januar 2014, die "Vereinbarung zum Inhalt und zur Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte" zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie auf § 15 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V). Sie erklärt sich bereit, dem Antragsteller im Falle eines Arztbesuches nachträglich eine formlose Versicherungsbescheinigung auszustellen, sieht jedoch keine Grundlage für eine Vorabbescheinigung. Sie ist der Ansicht, allein zur Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte verpflichtet zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II. Der Antrag des Antragstellers ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der Antragsteller kann von der Antragsgegnerin die Ausstellung einer anderen Mitgliedsbescheinigung als der elektronischen Gesundheitskarte (im Folgenden eGK) nicht verlangen. 1. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird.

Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines Hauptverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).

a. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass ein Eilbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes besteht. Zum einen verlor seine bisherige Versichertenkarte zum 30. September 2013 ihre Gültigkeit. Zum anderen wird die seit längerem geplante eGK verbindlich zum 1. Januar 2014 eingeführt. Mit der "Vereinbarung zum Inhalt und zur Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte" vom 11. September 2013 haben der GKV-Spitzenverband sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf der Grundlage von § 291 Abs. 3 iVm. § 291a Abs. 7 SGB V geregelt, dass ab 1. Januar 2014 (nur noch) die eGK als Nachweis für die Berechtigung der Inanspruchnahme von Leistungen gilt (§ 4 der Vereinbarung). Nach § 7 der Vereinbarung iVm. Anlage 1 Ziffer 1.2 ist der Arzt zur Identitätsprüfung des Versicherten anhand des Lichtbildes auf der eGK verpflichtet.

b. Ein Anordnungsanspruch ist jedoch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines anderweitigen Versicherungs- bzw. Mitgliednachweises. Er kann nicht von der Nutzung der eGK befreit werden. Eine derartige Befreiung ergibt sich weder aus einfachem Gesetz noch aus Verfassungsrecht.

aa. § 15 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen möchten, dem Arzt (Zahnarzt) vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen aushändigen. Mit der Regelung des § 15 Abs. 2 SGB V wird die Inanspruchnahme von Leistungen, für die die gesetzliche Krankenversicherung zuständig ist, erleichtert, da der Versicherte Leistungen erlangen kann, ohne in jedem Einzelfall vorab einen Antrag auf Bewilligung von Krankenversicherungsleistungen stellen zu müssen und die Bewilligung durch die gesetzliche Krankenversicherung abwarten zu müssen. Um dieses Ziel verwirklichen zu können, bedurfte es bisher der Ausgabe der Krankenversicherungskarte, welche die in § 291 Abs. 2 SGB V genannten Daten enthalten musste.

Die bisher gültige Krankenversicherungskarte enthält gemäß § 291 Abs. 2 SGB V neben der Unterschrift und – soweit schon ausgestellt einem Lichtbild des Versicherten:

1. die Bezeichnung der ausstellenden Krankenkasse, einschließlich eines Kennzeichens für die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bezirk das Mitglied seinen Wohnsitz hat,
2. den Familiennamen und Vornamen des Versicherten,
3. das Geburtsdatum,
4. das Geschlecht,
5. die Anschrift,
6. die Krankenversichertennummer,
7. den Versichertenstatus, 8. den Zuzahlungsstatus,
9. den Tag des Beginns des Versicherungsschutzes und
10. bei befristeter Gültigkeit der Karte das Datum des Fristablaufs.

Gemäß § 291 Abs. 2a sowie § 291a Abs. 1 SGB V wird die Krankenversicherungskarte zur eGK erweitert. Gemäß § 291 a Abs. 2 Satz 1 SGB V hat die eGK – wie die bisherige Krankenversicherungskarte – die Angaben nach § 291 Abs. 2 SGB V zu enthalten zu enthalten. Aus der Formulierung "hat zu enthalten" ergibt sich, dass es sich um Informationen handelt, die für die eGK benötigt werden und die vom Kläger anzugeben sind (Lichtbild, Unterschrift des Klägers und die in § 291 Abs. 2 SGB V Nr. 1 bis 10 genannten Informationen).

Bei der Erweiterung der Krankenversicherungskarte zur eGK ändert sich nichts an dem Umfang der Daten, die zwingend auf der eGK enthalten sein müssen (vgl. auch SG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juni 2012 – S 9 KR 111/09 –, juris). Die eGK tritt rechtlich und funktionell an die Stelle der Krankenversicherungskarte.

bb. Der Antragsteller ist nach § 15 Abs. 2 SGB V verpflichtet, zum Nachweis seines Versicherungsschutzes bis zum 31. Dezember 2013 die Krankenversicherungskarte und ab 1. Januar 2014 die eGK zu nutzen. Eine Befreiungsmöglichkeit sieht § 15 Abs. 2 SGB V nicht vor. Mit der Nutzungspflicht korrespondiert ein Verweigerungsrecht der Antragsgegnerin, dem Antragsteller einen anderen Berechtigungsnachweis auszustellen.

Die in § 15 Abs. 2 SGB V statuierte Nutzungspflicht beschränkt zwar die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers. Diese Beschränkung ist jedoch gerechtfertigt durch das Interesse der Solidargemeinschaft (§ 1 SGB V) an einer einheitlichen und effektiven Zusammenarbeit von Versichertem, Krankenkasse und Leistungserbringern und einer wirtschaftlichen Abrechnung der Behandlungskosten. Gemäß § 15 Abs. 3 SGB V ist lediglich für die Inanspruchnahme anderer Leistungen (als den in Abs. 2 genannten Behandlungen bei Ärzten und Zahnärzten) vorgesehen, dass die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine ausstellt, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen. Vorliegend begehrt der Antragsteller einen formlosen Berechtigungsnachweis für die (zahn-)ärztliche Behandlung. § 15 Abs. 3 SGB V findet demnach keine Anwendung. Die Fälle der Notbehandlung und der Behandlung bei Verlust der Krankenkassenkarte – geregelt in § 15 Abs. 5 SGB V sowie in § 7 der "Vereinbarung zum Inhalt und zur Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte" iVm. Ziffer 2 des Anhangs –, sind hier nicht streitig. Die Antragsgegnerin ist lediglich im Falle der erfolgten ärztlichen Behandlung verpflichtet, nachträglich einen Versicherungsnachweis zur Verhinderung einer Privatabrechnung auszustellen.

Nach § 7 der "Vereinbarung zum Inhalt und zur Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte" iVm. Ziffer 2.1 des Anhangs der Vereinbarung kann der Arzt eine Privatvergütung für die Behandlung vom Versicherten verlangen, wenn nicht nach Ablauf von 10 Tagen die eGK vorgelegt werden kann. Die Verpflichtung zur nachträglichen Bescheinigung bestreitet die Antragsgegnerin nicht. Eine erfolgte Behandlung wurde vom Antragsgegner weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Sein Rechtsschutzinteresse zielt vielmehr auf einen allgemeinen Berechtigungsnachweis ohne Funktionalität der eGK.

cc. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Ausstellung einer Krankenversicherungskarte nach § 291 SGBV mit einer Gültigkeit bis 31. Dezember 2013. Aus wirtschaftlichen Gründen kann die Antragsgegnerin darauf bestehen, mit Blick auf die Einführung der eGK bereits jetzt nur noch Berechtigungsnachweise in Gestalt der eGK herauszugeben.

2. Die Antragsgegnerin kann die Ausstellung eines anderen (allgemeinen) Berechtigungsnachweises als der eGK verweigern, da der vom Antragsteller geforderten Mitwirkung an der Ausstellung der eGK keine rechtlichen Bedenken entgegen stehen. Die Mitwirkungspflichten des Antragstellers ergeben sich aus dem Versicherungsverhältnis und § 15 Abs. 2 SGB V. Ohne die Mitwirkung (z.B. durch Übersendung eines Lichtbildes) kann die Antragsgegnerin die eGK nicht erstellen. Die Anforderung dieser Daten zur Erstellung der eGK ist rechtmäßig, sie dient einem nachvollziehbaren Zweck und einem überwiegenden Interesse.

aa. Die Prüfung der Personaldaten dient der Identifizierung, der unverzögerten Kommunikation mit dem Versicherten und der Identitätskontrolle. Die Übermittlung eines Lichtbildes des Versicherten ist notwendig, um dieses auf der Karte darzustellen. Nur dies ermöglicht in Verbindung mit den Personaldaten und der Unterschrift des Versicherten eine eindeutige Zuordnung der Krankenversichertenkarte zum jeweiligen Karteninhaber und verhindert Missbrauch zulasten der Versichertengemeinschaft (so auch die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs 15/1525, S. 143). Nur bei Versicherten, deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, sieht das Gesetz eine Versichertenkarte ohne Lichtbild vor (vgl. § 290 Abs. 2 Satz 1, letzter Halbsatz SGB V). Anhaltspunkte für eine fehlende Mitwirkungsmöglichkeit des Antragstellers liegen nicht vor. Der Versicherte hat es in der Hand, die Karte mit seinem Bild nur gegenüber Berechtigten (z.B. Ärzten, Zahnärzten, Apothekern) zu verwenden. Der Verwendung des auf der Karte dargestellten Bildes gegenüber den Berechtigten steht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht entgegen. Denn das Lichtbild ist nicht in elektronischer Form auf der eGK gespeichert, sondern zur visuellen Identifizierung aufgedruckt. Aus diesem Grund bestehen auch keine Bedenken gegen die Darstellung der Unterschrift des Versicherten auf der Karte.

bb. Das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung ist dadurch nicht verletzt. Die vom Versicherten nach § 291 Abs. 2 und § 291a Abs. 2 SGB V zwingend zu gebenden Informationen sind Sozialdaten, die dem Schutz des Sozialgeheimnisses (vgl. hierzu § 35 Abs. 1 SGB I, § 67 SGB X) und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 1 Abs. 1 GG unterliegen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung stellt darauf ab, dass sich aus dem Gedanken der Selbstbestimmung die Befugnis des Einzelnen ableitet, grundsätzlich selbst zu bestimmen, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Denn wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden (vgl. Urteil des BVerfG vom 15. Dezember 1983, BVerfGE 65, 1, 42 – Volkszählungsurteil).

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. Urteil des BVerfG vom 15. Dezember 1983 , a.a.O., und Beschluss vom 11. Juni 1991, BVerfGE 84, 192, 194). Der mit der Darstellung des Lichtbildes, der Unterschrift und den Angaben nach § 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGBV verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist gerechtfertigt.

Der Kläger muss die damit verbundenen Einschränkungen seines informationellen Selbstbestimmungsrechts hinnehmen. Denn jeder Einzelne muss – als eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit – Einschränkungen bei überwiegendem Allgemeininteresse hinnehmen (vgl. hierzu Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 13. Februar 2006 1 BvR 1184/04 juris, dort Rn. 65, zur Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Einfügung der elektronischen Gesundheitskarte). Vorliegend überwiegt das Allgemeininteresse an der Darstellung des Lichtbildes und Speicherung der Personaldaten erheblich das Individualinteresse des Antragstellers. Denn das System der gesetzlichen Krankenversicherung, Sachleistungen in Anspruch zu nehmen, kann nur funktionieren, wenn die in § 15 Abs. 2 SGB V vorgesehene Verfahrensweise – die Legitimation bei Innspruchnahme von Leistungen auch von allen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen wird (vgl. auch SG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juni 2012 – S 9 KR 111/09, juris). Die Personaldaten nach § 291 Abs. 2 iVm § 291a Abs. 2 SGB V betreffen keine höchstpersönlichen und sensiblen Verhältnisse des Versicherten (vgl. BVerfG vom 13. Februar 200 1 BvR 1184/04 juris, dort Rn. 65.

3. Die vom Gesetzgeber geforderte Eignung der eGK zur Aufnahme weiterer Angaben und Funktionalitäten steht der Nutzung nicht entgegen.

a. Die elektronische Gesundheitskarte muss gemäß § 291a Abs. 2 Nr. 1 SGB V geeignet sein, Angaben für die Übermittlung ärztlicher Verordnungen in elektronischer und maschinell verwertbarer Form aufzunehmen. Sie muss nach Nr. 2 geeignet sein zur Aufnahme des Berechtigungsnachweises zur Inanspruchnahme von Leistungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz. Zum einen ist die Übermittlung ärztlicher Verordnungen in elektronischer und maschinell verwertbarer Form noch nicht eingeführt, so dass schon aus diesem Grund insoweit derzeit keine Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers droht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. November 2012 – L 11 KR 4746/12 ER-B –, juris).
Zum anderen bedeutet die technische Eignung nicht zugleich eine unzulässige Nutzung. Diese Nutzung regelt § 291a Abs. 3 ff SGB V und kann vom Antragsteller verhindert werden. Schließlich stellt die Darstellung des weiteren Berechtigungsnachweises zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, den EWR-Staaten und der Schweiz (EHIC = European Health Insurance Card) keine Rechtsverletzung des Antragstellers dar, sondern soll vielmehr gewährleisten, dass er auch außerhalb Deutschlands Krankenbehandlung in Anspruch nehmen kann.

b. Auch die geplanten, noch nicht genutzten weiteren Funktionalitäten der eGK stehen der Nutzung durch den Antragsteller nicht entgegen. Die eGK muss gemäß § 291a Abs. 3 Satz 1 SGB V geeignet sein, folgende Anwendungen zu unterstützen, insbesondere das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von:

1. medizinischen Daten für die Notfallversorgung,
2. den elektronischen Arztbrief,
3. die Daten zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit,
4. Daten für die elektronische Patientenakte,
5. Versichertendaten,
6. Daten über in Anspruch genommene Leistungen und deren vorläufige Kosten für die Versicherten, 7. Erklärungen der Versicherten zur Organ- und Gewebespende,
8. Hinweisen der Versicherten zur Organ- und Gewebespende sowie
9. Hinweise der Versicherten zu Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen.

Das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der elektronischen Gesundheitskarte in den vorgenannten Fällen des Absatzes 3 Satz 1 ist jedoch nur mit dem Einverständnis der Versicherten zulässig. Ferner kann die Einwilligung gemäß § 291a Abs. 3 Satz 4 SGB V jederzeit widerrufen werden. Indem das Gesetz darauf abstellt, dass der Versicherte mit der Verwendung der freiwilligen Daten einverstanden sein muss, hat der Antragsteller es in der Hand, bereits das Erheben seiner Daten zu verhindern. Diese gesetzliche Regelung beschwert den Antragsteller nicht (vgl. SG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juni 2012 – S 9 KR 111/09 –, und Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. November 2012 – L 11 KR 4746/12 ER-B –, juris). Daher steht die funktionale Eignung der eGK für diese Anwendungen einer Verwendung als Berechtigungsnachweis auch dann nicht entgegen, wenn berechtigte Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der weiteren Anwendungen bestünden.

c. Schließlich stehen etwaige datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die geplanten weiteren Funktionalitäten der eGK einer Verwendung durch den Antragsteller nicht entgegen.

Es kann dahinstehen, ob die Gesellschaft für Telematik nach § 291b SGB V sowie die Details der geplanten Nutzung der weiteren Funktionalitäten in Zukunft den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen werden. Denn der Antragsteller kann zunächst die Teilnahme an diesen Funktionalitäten verhindern, indem er sein Einverständnis zur Teilnahme nicht erklärt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Sie berücksichtigt das Unterliegen des Antragstellers.

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