Kostenlose Rechtsberatung für Studierende

18. September 2008
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Eigener Leitsatz:

Wirbt ein Studentenwerk damit, „Studenten in Rechtsangelegenheiten aller Art zu beraten“, handelt dieses nicht im zulässigen Rahmen des Rechtsberatungsgesetz (RBerG). Für die Zulässigkeit einer solchen Werbung muss deutlich werden, dass nicht der Werbende die Rechtsberatung durchführt, sondern, dass lediglich eine Beratung von Volljuristen oder Rechtsanwälten vermittelt werden soll, die über die erforderliche Zulassung nach dem RBerG verfügen.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 22.05.2008

Az.: 315 O 992/07

In der Sache (…)

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 15 …

für R e c h t:

I.
Die einstweilige Verfügung vom 11.12.2007 wird bestätigt.

II.
Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Verfügungsverfahren um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Äußerungen der Antragsgegnerin auf ihrer lnternetpräsenz.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt in F..

Antragsgegnerin ist das …. Sie warb im Internet für ihre Tätigkeit, wie aus Anlage A 1 ersichtlich. Unter dem Stichwort „Rechtsberatung“ heißt es auf der Webseite:

„Das … bietet Studierenden für Rechtsfrage aller Art eine kostenlose Beratung an …“

Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin nach Kenntnisnahme von der lnternetpräsenz unter dem 06.11.2007 erfolglos ab, wie aus Anlage A 2 ersichtlich.

Mit Beschluss vom 11.12.2008 hat das Gericht der Antragsgegnerin auf Antrag des Antragstellers bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel

v e r b o t e n,

für die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten (Rechtsberatung) mit Ausnahme des Hochschul- und Bafögrechts zu werben, insbesondere wie folgt:

„Das … bietet Studierenden für Rechtsfragen aller Art eine kostenlose Beratung an.“

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller macht geltend, dass die örtliche Zuständigkeit des angegangenen Gerichts für den Erlass der Verfügung gegeben sei. Er sei beratend für Studenten tätig, insbesondere über ein Kanzlei-Netzwerk namens „…“ (s. handschriftliche, in der mündlichen Verhandlung überreichte eidesstattliche Versicherung). Die Antragsgegnerin spreche mit ihrem Angebot u.a. an einem Studium in … interessierte potenzielle Studenten an. Die Universitäten befänden sich in einem bundesweiten Wettbewerb um Studierende.

In der Sache liege ein Verstoß gegen das RBerG vor. Dass die angebotene Beratung ausschließlich durch Rechtsanwälte und Volljuristen erfolge, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen, werde bestritten.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen;

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das LG Frankfurt a.M. zu verweisen;

höchst hilfsweise,

den Rechtsstreit an das LG Heidelberg zu verweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Verfügung sei gem. § 929 Abs. 3 ZPO nicht wirksam vollzogen.

Das LG Hamburg sei örtlich nicht zuständig. Die streitgegenständliche Äußerung werde nicht bestimmungsgemäß in … abgerufen.

Von einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien könne nicht die Rede sein. Auch an einem Verstoß gegen das RBerG fehle es. Die Antragsgegnerin mache Gebrauch von den in Art. 1, § 3 RBerG vorgesehenen Ausnahmen. Zudem erfolge die Beratung durch beauftragte Volljuristen und Rechtsanwälte (Anlagen AG 2, 3 und 4). Schließlich sei das Vorgehen des Antragstellers rechtsmissbräuchlich, denn es gehe ihm in einer Vielzahl von Verfahren gegen Studentenwerke um die Erzielung hoher Kosten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2008.

Der Antragsteller hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung einen weiteren Schriftsatz (vom 15.05.2008) eingereicht.

Entscheidungsgründe:

I.
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen. Sie hat sich auch nach dem weiteren Vorbringen im Widerspruchsverfahren als zu Recht ergangen erwiesen.

1. Das angegangene Gericht ist örtlich zuständig.

Die gerügte werbliche Äußerung befand sich im Internet. Im Hinblick auf Internet-Werbung ist Begehungsort i.S.v. § 14 UWG jeder Ort, an dem die Werbung bestimmungsgemäß abgerufen werden kann (s. Hans. OLG zum Az. 3 U 58/06). Darüber hinaus müssen die Druckschrift oder die Internet-Werbung in wettbewerblichen relevanter Weise verbreitet sein, d.h. die wellbewerblichen Interessen der Parteien müssen auch im Bezirk des angerufenen Gerichts aufeinander stoßen (Hans. OLG a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier – noch – erfüllt. Es ist allgemein bekannt, dass Universitäten wie die Uni … aus dem gesamten Bundesgebiet, und damit auch aus …, Studenten anziehen. An der Universität … studiert damit eine nicht unerhebliche Zahl von Studenten aus dem Raum …, die sich mitunter in … aufhalten und von dort aus auf das Internet-Angebot ihrer Uni bzw. der Antragsgegnerin zugreifen werden. Des Weiteren ist es nach aller Lebenserfahrung heute üblich, dass an einem Studium interessierte, insbesondere wechselwillige Studenten aus dem Bundesgebiet sich über ihre Wunsch-Universität (wie z.B. die beliebte Universität) im Internet informieren. Ihr Interesse wird sich u.a. auf das Betreuungsangebot für Studenten beziehen, das die Antragsgegnerin anbietet. Insoweit ist die streitgegenständliche Homepage in … bestimmungsgemäß abrufbar. Die Interessen der Parteien berühren sich sodann insoweit in Bezug auf die vorgenannten Personenkreis in … jedenfalls am Rande, als beide für diesen Personenkreis in Betracht kommende Dienstleistungen anbieten.

Das Vorbringen des Antragstellers nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu seiner angeblichen Betätigung über die ARGE auch in … war nicht mehr berücksichtigungsfähig, § 296a ZPO.

2. Dass es an einer wirksamen Vollziehung der Verfügung fehlen könnte, ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat auf ihre Rechtspersönlichkeit als Anstalt des öffentlichen Rechts und mangelnde Vollziehung mit Blick auf § 929 Abs. 3 ZPO geltend gemacht. Dieser rechtliche Einwand erschließt sich der Kammer nicht.

3. Der geltend gemachte Verfügungsanspruch besteht auf der Grundlage von §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG.

a. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht.

Die Anforderungen hieran sind nicht hoch. Für die räumliche Marktabgrenzung ist von der Geschäftstätigkeit des werbenden Unternehmens auszugehen (BGH WRP 1998, 42 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III) und zu fragen, ob die Werbemaßnahme sich zumindest auf den tatsächlichen oder potenziellen Kundenkreis des Gewerbetreibenden auswirken kann (vgl. OLG Frankfurt WRP 1995, 333; OLG Karlsruhe WRP 1995, 413; OLG Köln GRUR 1997, 316, 317). Es kommt also darauf an, ob sich die Gebiete decken oder überschneiden, in denen die Beteiligten Kunden haben oder zu gewinnen suchen. Das ist hier der Fall. Die Parteien wenden sich an Studenten der Uni …, die jedenfalls teilweise aus dem Einzugsgebiet beider Parteien stammen werden.

b. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Werbung zumindest eine Begehungsgefahr für einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz geschaffen. Die Beratung von Studenten in Rechtsangelegenheiten „aller Art“, wie sie die Antragsgegnerin ausgelobt hat, ist nur in den vom RBerG vorgesehenen Schranken zulässig. Diese hält die Antragsgegnerin mit ihrer Werbung nicht ein. Denn die Auslobung legt ohne Weiteres nahe, dass die Antragsgegnerin selbst die Beratung vornehmen wird (Begehungsgefahr). Dass ihre Mitarbeiter, soweit sie für den Bereich der Rechtsberatung in Betracht kommen, über die erforderliche Zulassung nach dem RBerG verfügen würden, hat sie nicht dargetan.

Auf ihren eidesstattlich versicherten Vortrag (Anlage AG 4), sie biete tatsächlich Beratungen nur über Volljuristen und Rechtsanwälte an — vermittle also eigentlich nur die Beratung — kommt es angesichts der konkreten Ausgestaltung der Werbung, die eine solche bloße Vermittlungstätigkeit nicht erkennen lässt, nicht an.

c. Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 3 RBerG berufen. Die Norm ist eng zu verstehen und erfasst die beworbenen Beratungsleistungen nicht. Rechtsberatung durch Studentenschaften darf sich allenfalls — auch dies ist umstritten — auf gruppenspezifische Interessen der Studenten beziehen, nicht auf Angelegenheiten „aller Art“ (s. Rennen/Caliebe RBerG, 3. Aufl.,  Art. 1 § 3 Rn 16 m.w.N.).

d. Das Vorbringen der Antragsgegnerin zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Antragsteller ist ohne Substanz.

4. Die Dringlichkeit wird vermutet, § 12 UWG.

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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