Unzulässige ABG-Klausel bei Stromlieferungsverträgen mit Sonderkunden

02. Dezember 2013
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Eigener Leitsatz:

Eine Klausel in einem Stromlieferungsvertrag mit einem Sonderkunden, die zur Aufschiebung einer Zahlung nur  berechtigt, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht, ist unwirksam, wenn sie sich zwar aus § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV ableiten lässt, diese Norm jedoch nicht vollständig übernommen wird. Dabei reiche jedenfalls nicht aus, wenn angeführt wird, dass der Energieverbrauch im Vergleich zum Vorjahr ein deutlich höherer sein soll und zudem ein Widerspruch zum tatsächlichen Energieverbrauch beanstandet wird.

 

Oberlandesgericht Celle

Urteil vom 26.09.2013

Az.: 13 U 30/13

 

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Hildesheim vom 22. Januar 2013 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Klage in der Hauptsache erledigt ist.

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 16.703,59 € nebst Zinsen

in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 16.701,09 € und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen

Basiszinssatz aus 2,50 € seit dem 19. September 2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

A.
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Stromlieferungsvertrag.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, hat das Landgericht der Widerklage mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagten gegen den Kläger ein Anspruch auf Zahlung aus dem Stromlieferungsvertrag in Höhe von 16.701,09 € zustehe. Einwendungen, die im vorliegenden Prozess zu berücksichtigen wären, würden dem Kläger nicht zustehen. Gemäß Ziffer 4.6 der Stormlieferbedingungen berechtigten Einwände gegen Rechnungen nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht. Gegen die Wirksamkeit dieser Regelung, die weitgehend § 17 Abs. 1 StromGVV nachgebildet sei, würden keine Bedenken bestehen. Die Voraussetzungen der Ziffer 4.6 der Stromlieferbedingungen lägen nicht vor. Denn die von dem Kläger erhobenen Einwendungen begründeten nicht die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers. Dem Kläger stehe auch kein Zurückbehaltungsrecht bis zur Durchführung einer Zählerbefundsprüfung zu. Diese in § 17 Abs. 1 Nr. 2 StromGVV geregelte Variante finde in den Stromlieferbedingungen der Beklagten keine Entsprechung. Der Kläger könne im Fall eines Fehlers des Zählers Ansprüche daher nur in einem Rückforderungsprozess geltend machen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Widerklageabweisungsantrag weiter. Der Kläger wiederholt und vertieft zunächst sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Ergänzend führt er aus, die Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers sei grundsätzlich dann zu unterstellen, wenn bei objektiver Betrachtung vernünftige Zweifel an der Fehlerhaftigkeit der Rechnung bestehen. Hiervon sei auch dann auszugehen, wenn der Energieverbrauch zu dem streitgegenständlichen Zeitraum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum außergewöhnlich hoch und nicht mit dem tatsächlichen Verbrauchsverhalten in Einklang zu bringen sei. Hiervon sei vorliegend auszugehen, da sein Stromverbrauch im Jahre 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 30 % gestiegen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 22. Januar 2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Hildesheim, Geschäftszeichen 3 O 226/12, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.

Im Einverständnis der Parteien hat der Senat die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend verwiesen.

B.
Die Berufung hat lediglich zu einem geringfügigen Teil Erfolg.

I. Der Beklagten steht gegen den Kläger gemäß §§ 433 Abs. 2, 453 Abs. 1 BGB ein Zahlungsanspruch in Höhe von 16.703,59 € zu. Die diesbezügliche Berechnung der Beklagten in dem Schriftsatz vom 13. September 2012 (S. 6 f = Bl. 61 f d. A.) steht als solche zwischen den Parteien nicht im Streit. Unschlüssig ist diese Berechnung der Beklagten lediglich insoweit, als sie unter dem 19. April 2012 Mahnkosten in Höhe von 5 € geltend macht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind – wie hier – pauschaliert geltend gemachte Mahngebühren lediglich in Höhe von 2,50 € anzuerkennen.

Der Kläger verteidigt sich vorliegend gegen die streitgegenständliche Forderung der Beklagten allein mit der Behauptung, dass die der Abrechnung zugrunde gelegten – als solches unstreitigen – Verbrauchszahlen nicht den tatsächlichen Verbrauch widerspiegeln würden, da davon auszugehen sei, dass der Stromzähler nicht korrekt gearbeitet habe. Mit diesem Vorbringen kann der Kläger im vorliegenden Primärverfahren indes nicht gehört werden.

1. Allerdings kann sich die Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts insoweit nicht auf Ziffer 4.6 ihrer Stromlieferbedingungen stützen, wonach „Einwände gegen Rechnungen nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung berechtigen, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht“. Diese Klausel, die wörtlich die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV wiedergibt, ist nach Auffassung des Senats nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie inhaltlich nicht auch die in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV enthaltene Regelung mitübernommen hat.

a) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Eine gesetzliche Regelung, von deren wesentlichen Grundgedanken abgewichen wird, schließt zugleich die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze ein, das heißt neben den (dispositiven) Gesetzesbestimmungen zugleich alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 – VIII ZR 337/11, juris Rn. 28).

b) Vorliegend fehlt es zwar an einer ausdrücklichen Regelung für die Rechtsverhältnisse eines Energieversorgungsunternehmens zu seinen Sonderkunden. Denn die StromGVV gilt für diese Rechtsverhältnisse weder unmittelbar noch analog (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 – VIII ZR 337/11, juris Rn. 29). Jedoch kommt den Bestimmungen der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie für Sonderkundenverträge eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne“ zu, auch wenn sie dafür unmittelbar nicht gelten (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 – VIII ZR 337/11, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 246/08, juris Rn. 34). Die in der StromGVV getroffenen Regelungen verkörpern eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber im Tarifkundenbereich unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Stromkunden und Energieversorgungsunternehmen getroffen hat, und enthalten somit einen gewichtigen Hinweis auf das, was zugleich im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern zu einem notwendigen Ausgleich der Interessen des Versorgungsunternehmens und der Kunden beachtet werden muss, um die Angemessenheit eines dem Versorger zur Wahrnehmung seiner Interessen zuzubilligenden Zutrittsrechts zu wahren (BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 – VIII ZR 337/11, juris Rn. 29). Allerdings ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass ein und dieselbe Regelung sich für Sonderabnehmer ungleich nachteiliger auswirken kann als für Tarifkunden. Den Bestimmungen der Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Energieversorgung von Tarifkunden ist deshalb Leitbildfunktion für Sonderkundenverträge nicht pauschal beizumessen; vielmehr ist sie für jede einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen (BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 246/08, juris Rn. 34).

c) Nach dieser Maßgabe hält die streitgegenständliche Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. § 17 Abs. 1 StromGVV enthält eine Regelung, die die allgemeinen Rechte des Kunden aus §§ 273, 320 BGB in erheblichem Maße beschränkt. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift für den sog. Primärprozess einen grundsätzlichen Einwendungsausschluss geregelt, diesen Grundsatz aber in der Weise eingeschränkt, dass der Kunde ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen doch berechtigt ist, schon im Primärprozess Einwendungen gegen die Abrechnung des Versorgers vorzubringen. Der Verordnungsgeber hat mithin in § 17 Abs. 1 StromGVV eine Abwägung der gegenläufigen Interessen von Stromkunden und Energieversorgungsunternehmen in dem Sinne getroffen, dass der Energieversorger vom Grundsatz her im Primärprozess zwar von Einwendungen des Kunden gegen die Abrechnung verschont bleibt, dass dies aber im Falle des Vorliegens genau bestimmter Umstände ausnahmsweise nicht zu gelten hat. Die streitgegenständliche Klausel verschiebt dieses Verhältnis nunmehr noch weiter zu Lasten des Kunden, indem sie die Voraussetzungen, unter denen ein Kunde ausnahmsweise auch schon im Primärprozess Einwendungen gegen die Abrechnung des Energieversorgers erheben kann, noch weiter einschränkt. Das ist nach Auffassung des Senats nicht zulässig.

2. Die hierdurch entstehende Lücke im Regelungsverhältnis der Parteien ist nach Auffassung des Senats im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise zu schließen, dass im Vertragsverhältnis der Parteien eine Regelung mit dem Inhalt des § 17 Abs. 1 StromGVV gilt.

Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam und richtet sich sein Inhalt gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften.

a) Eine Rechtsnorm, die für Verträge über die Versorgung von Sonderkunden mit Strom einen Einwendungsausschluss hinsichtlich der Richtigkeit der Abrechnung vor-sieht, ist nicht ersichtlich. Insbesondere zählt § 17 Abs. 1 StromGVV schon deshalb nicht zu den an die Stelle der unwirksamen Klausel tretenden gesetzlichen Vorschriften, weil es sich bei dem Kläger um einen Sonderkunden und nicht um einen Tarifkunden im Sinne von § 1 Abs. 2 StromGVV handelt, deren Versorgung mit Strom nach Maßgabe von Sonderbedingungen und nicht, wie in § 1 Abs. 1 StromGVV vor-ausgesetzt, nach allgemeinen Bedingungen und zu allgemeinen Tarifpreisen erfolgt (vgl. in Bezug auf Preisanpassungsklauseln z. B. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2009 – VIII ZR 320/07, juris Rn. 39 und vom 29. April 2008 – KZR 2/07, juris Rn. 29).

b) Zu den gesetzlichen Vorschriften i. S. v. § 306 Abs. 2 BGB zählen aber auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung.

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt (nur) dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 246/08, juris Rn. 50). Die ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 14. März 2012 – VIII ZR 113/11, juris Rn. 24).

Nach dieser Maßgabe ist vorliegend davon auszugehen, dass sich die Parteien auf die Geltung der Regelungen in § 17 Abs. 1 StromGVV geeinigt hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die Unwirksamkeit der Regelung in Ziffer 4.6 der Strom-lieferbedingungen der Beklagten bewusst gewesen wäre. Insbesondere würde den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung getragen und vielmehr das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschoben werden, wenn man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu dem Ergebnis gelänge, dem Kunden im Primärprozess gar keinem Einwendungsausschluss zu unterwerfen:

Der Regelung in § 17 Abs. 1 StromGVV wie auch den (teilweise) entsprechenden Regelungen in den anderen Energieversorgungsverordnungen liegt der Gedanke zugrunde, dass die einem Kontrahierungszwang unterliegenden Versorgungsunternehmen in der Regel erheblichen Vorleistungspflichten ausgesetzt sind und ihrer gleichwohl bestehenden Aufgabe, für eine kostengünstige und sichere Energie- und Wasserversorgung einzustehen, nur dann hinreichend nachkommen können, wenn ein verhältnismäßig zeitnaher Zahlungseingang für die von ihnen erbrachte Versorgungsleistung gewährleistet ist. Um Liquiditätsengpässe und daraus folgende Versorgungseinschränkungen auszuschließen, wollte der Verordnungsgeber es den Versorgungsunternehmen mit den o. g. Bestimmungen ermöglichen, die Vielzahl ihrer häufig relativ kleinen Forderungen mit einer vorläufig bindenden Wirkung festzusetzen und im Prozess ohne eine abschließende Beweisaufnahme über deren materielle Berechtigung durchzusetzen. Zu diesem Zweck sollte dem Kunden nur der von ihm zu erbringende Nachweis einer offensichtlichen Unrichtigkeit als Verteidigungsmittel gegen das Zahlungsverlangen offen stehen. Nach der gewählten Konzeption sollte der Kunde, der einen offensichtlichen Fehler nicht vortragen und/oder belegen kann, deshalb im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens mit dem Einwand eines fehlerhaft abgerechneten Verbrauchs ausgeschlossen und darauf verwiesen sein, die von ihm vorläufig zu erbringenden Zahlungen in einem anschließend zu führenden Rückforderungsprozess in Höhe des nicht geschuldeten Betrages erstattet zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2012 – VIII ZR 17/12, juris Rn. 12).

Im Hinblick auf diese Interessenlage im Primärprozess erscheint dem Senat im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung einzig eine Regelung mit dem (vollständigen) Inhalt des § 17 Abs. 1 StromGVV als für beide Parteien interessengerecht.

3. Finden mithin im Vertragsverhältnis zwischen den Parteien die Regelungen Anwendung, wie sie inhaltlich in § 17 Abs. 1 StromGVV enthalten sind, kann der Kläger der streitgegenständlichen Forderung vorliegend keine rechtserheblichen Einwendungen entgegenhalten. Es sind weder die Voraussetzungen im Sinne der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV (dazu nachfolgend a) noch die im Sinne der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV (dazu nachfolgend b) gegeben.

a) Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berechtigen Einwendungen gegen Rechnungen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht. Die genannte Vorschrift deckt dabei sämtliche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ab, die der Kunde der Entgeltforderung des Versorgungsunternehmens entgegensetzen kann, so dass ihr Geltungsbereich sich vom Grundsatz her nicht auf die in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich genannten Rechen- und Ablesefehler beschränkt. Ausgenommen hiervon sind lediglich die Einwendungen, die die vertraglichen Grundlagen für die Art und den Umfang seiner Leistungspflicht betreffen (st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Urteil vom 21. November 2012 – VIII ZR 17/12, juris Rn. 12 f.; BGH, Urteil vom 6. April 2011 – VIII ZR 66/09, juris Rn. 16 f; BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 – VIII ZR 138/05, juris Rn. 28; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 178, 179; OLG Hamburg, NJW-RR 1988, 1518; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1209). Diese restriktive Regelung erklärt sich aus dem allgemeinen Interesse an einer möglichst kostengünstigen Versorgung. Dieses Ziel ist nur sichergestellt, wenn das grundsätzlich vorleistungspflichtige Versorgungsunternehmen keine Verzögerungen bei der Zahlung seiner Leistungen hinnehmen müssen, die auf Einwenden des Kunden beruhen. Mit den diesbezüglichen Einwendungen ist der Kunde daher auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen (vgl. BGH, a. a. O.; im Überblick: Steenbuck, MDR 2010, 357 ff.), wobei in diesem Rückforderungsprozess die Darlegungs- und Beweislast genauso zu handhaben ist, wie sie im Aktivprozess des Versorgungsunternehmens ohne die Regelung der §§ 17 Abs. 1 StromGVV/GasGVV bzw. § 30 AVBWasserV anzuwenden wäre (vgl. Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 30 AVBWasserV Rn. 58).

Das Merkmal der Offensichtlichkeit im Sinne der vorgenannten Vorschrift setzt voraus, dass der Fehler leicht erkennbar ist; es darf kein vernünftiger Zweifel an der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung möglich sein. Zu offenkundigen Fehlern in diesem Sinne zählen insbesondere Rechen- und Ablesefehler, die dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden ins Auge fallen und deshalb regelmäßig außer Streit stehen. Ausgeschlossen ist der Versorgungskunde im Primärprozess dagegen mit dem Einwand, es müsse ein Ablesefehler oder Defekt des Zählers vorliegen, weil nicht so viel Energie in einem bestimmten Rechnungszeitraum verbraucht worden sein könne. Allgemein berechtigen Einwände zur Zahlungseinstellung nämlich dann nicht, wenn vertiefte rechtliche Überlegungen über die Berechtigung der Forderung angestellt werden müssen oder wenn im Rechtsstreit eine Beweisaufnahme über den vom Kunden behaupteten Fehler erforderlich wäre (vgl. BGH, aaO.; im Überblick, mit umfangreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung: Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 30 Rn. 27 ff.).

Dass nach dieser Maßgabe der Kläger mit seinen Mutmaßungen, dass der streitgegenständliche Zähler defekt sei, keinen „offensichtlichen Fehler“ in dem o. g. Sinn dargelegt hat, erscheint dem Senat als evident.

b) Auch die Voraussetzungen, wie sie in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV geregelt sind, sind vorliegend schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht gegeben. Der Kläger behauptet nicht, dass der Verbrauch des vorherigen Abrechnungszeitraums doppelt so hoch war wie der vorliegend streitgegenständliche; vielmehr soll der Stromverbrauch im Jahr 2012 nach seinem Vorbringen im Vergleich zum Vorjahr (lediglich) um 30 % gestiegen sein.

II. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 und 2 BGB. Bei der streitgegenständlichen Hauptforderung der Beklagten handelt es sich um eine Entgeltforderung aus einem Rechtsgeschäft, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist; insbesondere ist der Kläger als Inhaber eines Hotels, für das der streitgegenständliche Strom geliefert worden ist, kein Verbraucher im Sinne von § 13 BGB.

C.
I. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

II. Der Senat lässt die Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO zu. Die Frage, ob eine Klausel, wie sie die Beklagte verwendet, nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist und gegebenenfalls, welche Rechtsfolge sich daran anschließt, bedarf aus Sicht des Senats einer höchstrichterlichen Entscheidung.

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