Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses

16. Juni 2010
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Eigener Leitsatz:

Das OLG Braunschweig entschied, dass zwei Anbieter von Bekleidung nicht automatisch in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Der Kläger entwarf und vertrieb Herrenkleidung, wohingegen die Beklagte gebrauchte und neuwertige Damen- und Kinderbekleidung vertrieb. Diese Waren sind jedoch nicht austauschbar; der nach Männerbekleidung suchende Durchschnittskunde kaufe nicht alternativ Damenbekleidung, so dass das Angebot der Beklagten den Kläger nicht im Absatz behindern oder stören könne. Dass Interessenten gegebenenfalls auch für ihren Partner oder andere, ihnen nahestehende Personen nach entsprechender Bekleidung suchen könnten, ändert nichts an der fehlenden Austauschbarkeit der Waren.

Oberlandesgericht Braunschweig

Urteil vom 27.01.2010

Az.: 2 U 225/09

In dem Rechtsstreit … hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzfrist bis zum 08.01.2010

f ü r   R e c h t   e r k a n n t :

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts – Kammer für Handelssachen – Braunschweig vom 27.08.2009 teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 651,80 Euro.

G r ü n d e :

I.

Der Kläger ist Designer und Hersteller von Herrenunterwäsche und Herrenbade-bekleidung. Die Beklagte hat seit Anfang Januar 2009 über die Handelsplattform E Mode- und Designartikel vertrieben, dabei aber weder ihren vollständigen Namen noch ihre Anschrift angegeben. Auch ist über das Widerrufsrecht der Verbraucher nicht informiert und die gesetzliche Umsatzsteuer nicht ausgewiesen worden. Zudem hat die Beklagte den Ausschluss der Gewährleistung erklärt. Nach einer G-Abfrage vom 07.04.2009 für die letzten 90 Tage betrug der Gesamtwert der eingestellten Waren über 31.000,00 Euro (Anlage K 2). Mindestens 140 Verkäufe führten dabei zu einem Umsatz von ca. 10.400,00 Euro.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 08.04.2009 hat der Kläger die Beklagte abmahnen und, ausgehend von einem Gegenstandswert von 35.000,00 Euro, erfolglos zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.265,00 Euro auffordern lassen. Mit der Klage verlangt er die Freistellung von den Abmahnkosten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung vom 27.08.2009 Bezug genommen.

Das Landgericht ist von einem Wettbewerbsverstoß der Beklagten ausgegangen und hat einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von den durch die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG dem Grunde nach bejaht, allerdings nur einen Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 Euro für angemessen erachtet und der Klage auf Freistellung unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Urteil vom 27.08.2009 im Umfang von 651,80 Euro stattgegeben.

Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 03.09.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 02.10.2009 bei Gericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung einlegen lassen und diese gleichzeitig begründet.

Mit der Berufung verfolgt sie ihr erstinstanzliches Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter und trägt zur Begründung vor:
Sie habe über das bei E geführte Nutzerkonto Damen- und Kinderbekleidungsstücke verkauft, wobei es sich im Wesentlichen um Kleidungsstücke gehandelt habe, die sie selbst bzw. ihr Sohn vorher getragen hätten. Von daher habe sie nur vorgehabt, ihren Kleiderschrank aufzuräumen und abgelegte, gebrauchte Bekleidung über die Verkaufsplattform E zu veräußern. Dieser gleichsam "virtuelle Flohmarkt" habe aber lediglich vorübergehender Natur sein sollen. Sie habe zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, eine dauerhafte Tätigkeit auszuüben. Da sie vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen sei, gewerblich zu handeln, habe sie auch keinerlei Pflichtangaben der vom Kläger gerügten Art vorgehalten.
Allein die Menge und die erzielten Umsätze ließen nicht den Rückschluss auf eine gewerbliche Tätigkeit zu. Die Beklagte sei nicht als Unternehmerin im geschäftlichen Verkehr tätig geworden. Sie besitze auch nicht die "Powerseller-Eigenschaft", die eine Beweislastumkehr begründen könne, wonach der Verkäufer beweisen müsse, kein Unternehmer im Sinne von § 14 BGB zu sein. Im Übrigen sei Voraussetzung für eine gewerbliche Tätigkeit immer auch eine dauerhafte, planmäßige Ausrichtung auf eine Vielzahl von Geschäften, was bei der Beklagten nicht gegeben sei. Auch fehle es an der auf Dauer angelegten Gewinnerzielungsabsicht. Mit ihren "Flohmarktaktionen" sei kein Gewinn zu erzielen. Zudem sei die Beklagte im Alten- und Pflegedienst mehr als Vollzeit beschäftigt und deshalb überhaupt nicht in der Lage, einen auf Dauer ausgerichteten Verkaufsbetrieb in unternehmerischem Umfang zu unterhalten.

Davon abgesehen stünden die Parteien auch in keinem, eine kostenpflichtige Abmahnung rechtfertigenden Wettbewerbsverhältnis. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen sei anzunehmen, wenn sie versuchten, gleiche oder gleichartige Waren innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen. Daran fehle es. Aus Sicht des Nachfragers seien die angebotenen Waren nicht austauschbar. Die Beklagte biete schwerpunktmäßig gebrauchte Damen- und Kinderbekleidung, jedoch keine Herrenbekleidung an. Dagegen ziele die von dem Kläger angebotene Herrenbekleidung nicht auf den "breiten Markt" ab. Da der Kläger sehr körperbetonte Herrenunterwäsche und -bademoden entwerfe, handele es sich nach Art und Zuschnitt um ein regelrechtes Nischenprodukt.

Abschließend sei auch ein der Abmahnung zu Grunde liegender Gegenstandswert von 10.000,00 Euro nicht gerechtfertigt. Da der Verstoß von seiner Wertigkeit her als eher gering einzustufen sei, halte die Beklagte einen Gegenstandwert von nicht mehr als 4.000,00 Euro für angemessen.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27.08.2009,
Aktenzeichen: 21 O 1530/09 wird abgeändert. Die Klage wird
insgesamt abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und erwidert:
Entgegen der Ansicht der Beklagten habe diese gewerblich gehandelt. Der Um-fang ihrer Verkäufe und der so getätigte Umsatz indizierten für sich genommen eine gewerbliche Tätigkeit. Es seien vielfach "neue" oder "neuwertige" oder ungetragene Sachen angeboten worden, die die Beklagte professionell dargestellt und mit Schaufensterpuppen präsentiert habe. Die Größen divergierten; so fänden sich solche in der Größe "L", aber auch solche in "D 36", in Größe "39", "40" und "42". Es werde deshalb vermutet, dass die Beklagte in größerem Umfang Zugang zu hochwertigen Marken habe.

Zutreffend sei das Landgericht von einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien ausgegangen. Beide hätten sich im Bereich des Verkaufs von hochwertiger Markenbekleidung betätigt. Die Gruppe der potentiellen Käufer überschneide sich. Außerdem arbeite der Kläger an der Veröffentlichung einer Damenkollektion. Das konkrete Wettbewerbsverhältnis werde schon allein durch die Tatsache begründet, dass beide Parteien Bekleidungsartikel verkauften, und bestünde nicht erst dann, wenn es sich in beiden Fällen um Damen- bzw. Herrenbekleidungsartikel gehandelt hätte.

Abwegig sei der Verdacht der Beklagten, bei der Abmahnung handele es sich um ein rechtsmissbräuchliches Handeln im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Dem Kläger komme es darauf an, in seinen Segmenten nicht mit Wettbewerbern konkurrieren zu müssen, die sich auf rechtswidrige Art und Weise Wettbewerbsvorteile zu verschaffen suchten. Den ursprünglich angenommenen Gegenstandswert habe er aufgrund der Umsatzzahlen für gerechtfertigt gehalten.

Der Senat hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 23.11.2009 darauf hingewiesen, dass es an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG fehlen dürfte. Hierauf trägt der Kläger ergänzend vor:
Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liege auch unter der Prämisse vor, dass die Beklagte fast ausschließlich mit Damenbekleidung handele. Der Kläger habe keineswegs nur männliche Kunden. Oft kauften auch die Lebensgefährtinnen von potentiellen Trägern seiner Mode bei ihm ein. Dies sei aber die Kundschaft, die auch die Beklagte anspreche.
Zudem habe der Kläger soeben eine komplette Damenkollektion entworfen, die in den nächsten Monaten in Herstellung gehen solle. Der Anlass für die streitgegenständliche Abmahnung sei die Analyse des Marktumfeldes gewesen, mit dem sich der Kläger zukünftig auseinanderzusetzen habe.
Ungeachtet dessen könne es aber auch nicht darauf ankommen, ob beide Mitbewerber Damenbekleidung anböten. Es reiche, dass ein Konkurrenzverhältnis auf dem Bekleidungsmarkt bestehe. Entscheidend sei, ob dem Kläger durch die Tätigkeit der Beklagten Kunden verloren gingen, was zu bejahen sei.

II. 1.) Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache selbst Erfolg.

Ein Anspruch des Klägers gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf Erstattung der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen bzw. auf Freistellung hiervon besteht nicht. Nach der genannten Norm kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendung erlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist, also dann, wenn dem Abmahnenden tatsächlich nach § 8 Abs. 1 u. Abs. 3 Nr. 1 UWG ein Unterlassungsanspruch zur Seite steht. Daran fehlt es hier, weil der Kläger mangels eines zwischen den Parteien bestehenden konkreten Wettbewerbsverhältnisses jedenfalls nicht Mitbewerber der Beklagten ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Als Mitbewerber ist anzusehen, wer in einem tatsächlichen oder doch potentiellen Wettbewerbsverhältnis zum werbenden Unternehmen steht. Es kommt darauf an, ob aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die angebotenen Waren oder Dienstleistungen austauschbar sind, was insbesondere der Fall ist, wenn sich Konkurrenzangebote einander gegenüber stehen und dem Werbeadressaten dabei Kaufalternativen aufgezeigt werden. Der Absatz des einen Unternehmens muss auf Kosten des anderen gehen können (BGH, Urteil vom 17.01.2002 – I ZR 215/99, GRUR 2002, 828 – Lottoschein; Urteil vom 24.06.2004 – I ZR 26/02, GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; Fezer, UWG, § 2 Rdnr. 99 und 102 ff.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 2 Rdnr. 97 ff. u. 106 ff.).
Die hiernach erforderliche Austauschbarkeit der Waren kann nicht angenommen werden. Die Beklagte hat Damenoberbekleidung, Schuhe, Accessoires und Kinderbekleidung angeboten, während der Kläger Herrenunterwäsche und Herrenbademode vertreibt. Ein verständiger Durchschnittsverbraucher, der hiernach sucht, greift nicht alternativ zu der von der Beklagten angebotenen Damen- oder Kinderbekleidung, so dass das Angebot der Beklagten den Kläger nicht im Absatz behindern oder stören kann.
Daran vermag auch der vom Landgericht herausgestellte Gesichtspunkt nichts zu ändern, wonach Interessenten für solch hochwertige körperbetonte Bekleidung, wie sie die Parteien anbieten bzw. angeboten haben, gegebenenfalls auch für ihren Partner oder andere, ihnen nahestehende Personen nach entsprechender Bekleidung suchen könnten. Dass sich derselbe Kunde für verschiedene Produkte interessiert, führt nicht trotz fehlender Austauschbarkeit der Waren zu einem Wettbewerbsverhältnis ihrer Anbieter.

Die bloße Behauptung des Klägers, sich mit der Entwicklung einer entsprechen-den Damenlinie zu beschäftigen, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses. Zwar kann Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG auch ein Unternehmen sein, dass sich erst anschickt, auf einem bestimmten Markt tätig zu werden, und somit nur potentieller Mitbewerber ist. Allerdings reicht die bloß abstrakte Möglichkeit eines Marktzutritts nicht aus, vielmehr muss die konkrete Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts bestehen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 2 Rdnr. 96 f.). Für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs als Grundlage der Abmahnung hätte die konkrete Wahrscheinlichkeit eines solchen Marktzutritts des Klägers mit einer Damenlinie bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung bestehen müssen. Davon ist jedoch ebenfalls nicht auszugehen. Tatsächlich bietet der Kläger nach wie vor und damit noch zehn Monate nach der Abmahnung lediglich Herrenunterwäsche und -bademoden an, so dass von einem konkret bevorstehenden Marktzutritt im April 2009 nicht die Rede sein kann. Dies wird auch durch die Ausführungen im Schriftsatz vom 10.12.2009 bestätigt, wonach der Kläger "soeben" eine Damenkollektion entworfen haben will. Für den Abmahnungszeitpunkt schließt das die konkrete Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts aus, weil eine solche Kollektion jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert und sich die spätere Sortimentserweiterung des Klägers von daher noch nicht hinreichend konkret abgezeichnet hat. Wie der Kläger des weiteren selbst vorträgt, hat er sich im Augenblick der Abmahnung noch im Stadium der Analyse des Marktumfelds befunden, also in einem sehr frühen Entwicklungsschritt, der nach Sinn und Zweck einer solchen Analyse, abhängig von ihrem Verlauf, auch zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis hat somit im Augenblick der Abmahnung auch unter Einbeziehung sogenannten "potentiellen Wettbewerbs" noch nicht vorgelegen.

2.) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

3.) Der Streitwert ist gemäß den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt worden.

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