Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen gem. § 13 TMG stellt Wettbewerbsverstoß dar

12. Juli 2013
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Eigener Leitsatz:

Eine Internetseite, die personenbezogene Daten nutzen will,  muss eine Datenschutzbelehrung gem. § 13 TMG enthalten. Bei § 13 TMG handelt es sich um eine sog. Marktverhaltensregelung – im Gegensatz zur Auffassung des KG Berlin. Ein Verstoß hiergegen stellt einen Wettbewerbsverstoß dar.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Beschluss vom 27. Juni 2013

Az.: 3 U 26/12

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 20.1.2012, Geschäfts-Nr. 406 HKO 155/11, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es am Ende des Verfügungstenors zu I. b) „wie aus der Anlage A 2 ersichtlich“ und am Ende des Verfügungsantrags zu c) „wie aus der Anlage A 6 und A 7 ersichtlich“ heißt.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin 7 % und die Antragsgegnerin 93 % zu tragen.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Antragstellerin, die in Deutschland B.-Produkte vertreibt, wendet sich im vorliegenden Eilverfahren auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage gegen eine Werbung für Blutzuckermessgeräte der Antragsgegnerin, die in Deutschland Roche-Blutzuckermesssysteme vertreibt.

Die Antragstellerin beanstandet von dem Dienstleister C. GmbH unter www.d.de geschaltete Werbung im Internet, mit der Diabetiker aufgefordert wurden, sich zu registrieren und das Gerät „A.“ „unter Alltagsbedingungen zum Kennenlernen“ zu erhalten (Anlage A 2). Zudem wurde in einer auf dem Postweg versendeten Mitteilung Diabetikern unter dem Banner „Gutschein im Wert von 100 €“ angeboten, sich ein „hochwertiges A. Blutzuckermessgerät (…) kostenfrei zum Testen unter Alltagsbedingungen“ nebst dem Ratgeber „Gesunde Ernährung“ zuschicken zu lassen (Anlage A 3). Die Seite www.d.de enthielt am 19.8.2011 kein Impressum (Anlage A 2); sie enthielt auch keine Informationen zur Erhebung und Verwendung der für die Registrierung der angesprochenen Kunden erforderlichen personenbezogenen Daten (Anlagen A 6, A 7).

Die Antragstellerin hat unter dem 22.8.2011 die Fa. R. GmbH (Anlage A 9) und die Fa. C. GmbH (Anlage A 11) sowie unter dem 1.9.2011 die Antragsgegnerin (Anlage A 12) abgemahnt. Die Fa. C. GmbH hat sich daraufhin am 26.8.2011 strafbewehrt unterworfen (Anlage A 14), nicht aber die Antragsgegnerin (vgl. Anlage A 18).

Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Auslobung einer kostenlosen Zuwendung im Wert von 100 € verstoße gegen § 7 Abs. 1 HWG in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG. Ein Ausnahmetatbestand des § 7 HWG liege nicht vor. Zudem beeinflusse die Auslobung entgegen § 4 Nr. 1 UWG die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher in unangemessener und unsachlicher Art und Weise, weil ein erheblicher Anreiz zum „Ausprobieren“ gesetzt und der Patient „geködert“ werde. Die weiteren Anträge seien begründet, weil der angegriffene Internetauftritt den Vorschriften der §§ 5 und 13 TMG nicht genüge. Die Antragsgegnerin sei neben der Fa. C. GmbH als Mittäterin passivlegitimiert, denn sie habe die genannte Fa. mit der streitgegenständlichen Werbung beauftragt. Eingehende Anfragen von Kunden würden von der Antragsgegnerin selbst bearbeitet; diese versende auch die versprochenen Gegenstände. Auch sei die Internetpräsenz der Antragsgegnerin auf dem Mailing gem. Anlage A 3 als weitere Informationsmöglichkeit angegeben. Zudem seien weite Teile der Adressbestände, an die das Mailing gem. Anlage A 3 versandt worden sei, der Antragstellerin in strafrechtlich relevanter Weise entwendet worden.

Die Antragstellerin hat beantragt,

es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Wege der einstweiligen Verfügung zu verbieten, in geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für für das Blutzuckermessgerät „A.“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:

a) mit dem Versprechen, interessierten Diabetikern ein A. Blutzuckermessgerät und den Ratgeber „Gesunde Ernährung“, beides in einem Gesamtwert von € 100,00, zur Verfügung zu stellen und/oder stellen zu lassen, wenn der Diabetiker hierfür lediglich eine Gutscheinkarte ausfüllt oder eine Registrierung seiner Person über das Internet vornimmt, und/oder

b) Nutzern die Angebote von Telemedien zur Verfügung zu stellen und/oder zur Verfügung stellen zu lassen, wenn diese Angebote nicht gleichzeitig die gem. § 5 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, und/oder
c) Nutzern gegenüber innerhalb eines Angebotes von Telemedien personenbezogene Daten zu erheben und/oder erheben zu lassen, ohne gleichzeitig die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen und/oder die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung stellen zu lassen.

Das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 15, hat am 6.9.2011 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen.

Im Widerspruchsverfahren hat die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben, den auf ihren Erlass gerichteten Antrag insoweit zurückzuweisen und der Antragstellerin die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen: Die Antragstellerin handele rechtsmissbräuchlich. Denn sie habe bereits am 22.8.2011 umfassend vom beanstandeten Sachverhalt Kenntnis gehabt, jedoch gleichwohl willkürlich und zur Kostenvervielfältigung den Fall in mehrere Abmahnvorgänge und gerichtliche Eilverfahren aufgespalten. Sie habe die Antragsgegnerin bezüglich des Aspekts „Datenverwendung“ gesondert im Verfahren 315 O 454/11 vor dem Landgericht Hamburg in Anspruch genommen (Anlage B 1). Es fehle hinsichtlich der Anträge zu 1.b) und 1.c) auch am Verfügungsgrund, denn es bestehe keine aktuelle Rechtsbeeinträchtigung. Für den Internetauftritt sei allein die Domain-Inhaberin (Anlage B 2) Fa. C. GmbH verantwortlich, die sich bereits strafbewehrt unterworfen habe. Aus dem gleichen Grund seien diese Anträge auch unbegründet, denn die Antragsgegnerin sei nicht der Diensteanbieter gewesen. Die Antragsgegnerin habe die Fa. C. GmbH u.a. mit der Versendung von Postwurfsendungen an Haushalte beauftragt. Der Antrag zu 1.c) sei auch deswegen unbegründet, weil diese datenschutzrechtliche Norm keine Bestimmung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG darstelle. Es sei auch nicht erkennbar, inwiefern die Antragstellerin hier in ihren wettbewerblichen Interessen berührt sei. Die Werbung verstoße nicht gegen § 7 HWG oder § 4 Nr. 1 UWG. Das Mailing sei nicht auf den von der Antragstellerin herausgestellten Aspekt einer kostenfreien Zusendung des Geräts und des Ernährungsratgebers beschränkt, sondern spreche einen Fragebogen an, der dem Testgerät beiliege. Hier werde nichts schlicht „verschenkt“, sondern eine Gegenleistung in Gestalt des auszufüllenden Fragebogens verlangt. Die Antragstellerin werbe selbst ähnlich für ihre Geräte (Anlage B 2). Es bestehe auch keine erhebliche Anreizwirkung. Für den gestellten abstrakten Antrag bestehe keine Begehungsgefahr; er treffe auch nicht die konkrete Verletzungsform. Der Antrag zu b) sei zudem unbestimmt, weil es sich um eine reine Gesetzeswiederholung handele. Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 TMG könne im Einzelfall höchst problematisch sein, weshalb ein pauschaler Verweis auf diese Vorschrift zur Unbestimmtheit des Antrags führe. Keinesfalls bestehe eine Begehungsgefahr für alle von § 5 TMG geregelten Sachverhalte.

Hierauf hat die Antragstellerin erwidert: In der angegriffenen Werbung verspreche die Antragsgegnerin die beschriebenen Gaben gegen Ausfüllung der Gutscheinkarte oder Registrierung; das Ausfüllen und Zurücksenden des Fragebogens stelle keine relevante Gegenleistung dar. § 13 TMG habe verbraucherschützenden Charakter. Die Antragsgegnerin sei auch hinsichtlich dieser Anträge passivlegitimiert, da sie mit der Fa. C. GmbH kollusiv zusammengewirkt habe und Nutznießerin des Gemeinschaftsprojekts gewesen sei. Sämtliche Anträge seien hinreichend bestimmt. Die Anträge zu 1.b) und c) seien bestimmt, weil die in ihnen zitierten Informationspflichten keine unbestimmten Rechtsbegriffe darstellten, sondern konkret und in keiner Weise interpretationsfähig seien. Das Vorgehen der Antragstellerin sei nicht rechtsmissbräuchlich, da sie nicht einen einheitlichen Wettbewerbsverstoß, sondern zwei unterschiedliche Streitgegenstände verfolge, nämlich der unlauteren Werbung einerseits und der Verwertung von kriminell erlangten Kundendaten andererseits.

Das Landgericht Hamburg hat mit am 20.1.2012 verkündeten Urteil die einstweilige Verfügung bestätigt. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und ergänzt diesen wie folgt: Zum rechtsmissbräuchlichen Charakter des Vorgehens der Antragstellerin sei zu beachten, dass diese eine Abmahnung an zwei Parteien hätte richten können, anstatt zwei Parteien getrennt und mit doppelter Kostenfolge abzumahnen. Das Landgericht habe nicht gesehen, dass die Beantwortung des Fragebogens in direktem Zusammenhang mit dem Hinweis auf das „Testpaket“ stehe. Auf das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung zur Ausfüllung des Fragebogens komme es für die Frage der geforderten Gegenleistung nicht an.
Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 20.1.2012, Az. 406 HKO 455/11, die einstweilige Verfügung vom 6.9.2011 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es am Ende des Verfügungsantrags zu b) „wie aus der Anlage A 2 ersichtlich“ und am Ende des Verfügungsantrags zu c) „wie aus den Anlagen A 6 und A 7 ersichtlich“ heiße.
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ergänzt ihren Vortrag wie folgt: Es stehe völlig außer Frage, dass die Zuwendung eines Wertes von 100 € dem Verbotstatbestand des § 7 HWG unterfalle. Für das Verhalten der Fa. C. GmbH hafte die Antragsgegnerin gem. § 8 Abs. 2 UWG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Antrag zu a)

a) Mit ihrer Berufung wehrt sich die Antragsgegnerin gegen das auf den Antrag zu a) ergangene Verbot,
– für für das Blutzuckermessgerät „A.“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:

– mit dem Versprechen, interessierten Diabetikern ein A. Blutzuckermessgerät und den Ratgeber „Gesunde Ernährung“, beides in einem Gesamtwert von € 100,00, zur Verfügung zu stellen und/oder stellen zu lassen,

– wenn der Diabetiker hierfür lediglich eine Gutscheinkarte ausfüllt oder eine Registrierung seiner Person über das Internet vornimmt.
Es handelt sich also um einen abstrakten, nicht auf das Verbot der konkreten Verletzungsform bezogenen Antrag.

b) Der Antrag ist zulässig.

aa) Die von der Antragsgegnerin erhobene Rüge des Rechtsmissbrauchs hat keinen Erfolg.

Rechtsmissbrauch im Sinne des des § 8 Abs. 4 UWG ist anzunehmen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Motiven leiten lässt; diese müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, sondern es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH GRUR 2009, 1180 Rn. 20 – 0,00 Grundgebühr). Der Bundesgerichtshof hat vielfach ausgeführt, dass Anhaltspunkte für missbräuchliche Anspruchsverfolgung im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG etwa dann bestehen können, wenn ein Gläubiger bei einem Wettbewerbsverstoß getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht. Hierbei kann es sich um die Mehrfachverfolgung eines Verstoßes (so die Konstellation in BGH GRUR 2000, 1089 -Missbräuchliche Mehrfachverfolgung) oder die Verfolgung mehrerer identischer oder ähnlicher Verstöße eines Handelnden (so die Konstellation in BGH GRUR GRUR 2009, 1180 -0,00 Grundgebühr) oder um gemeinschaftliche Wettbewerbsverstöße von Mittätern (so die Konstellation in BGH GRUR 2006, 243 – MEGA SALE) handeln, deren Bündelung im Sinne der genannten Rechtsprechung tunlich erscheint.

Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist vorliegend ein Überwiegen sachfremder Motive bei der Art der Geltendmachung der Unterlassungsansprüche jedoch nicht zu konstatieren. Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass Gegenstand der „aufgespaltenen“ Verfahrensweise (Abmahnung und Eilverfahren) einerseits der vorliegend verfolgte Wettbewerbsverstoß, andererseits die Verwendung behauptetermaßen kriminell erlangter Daten war. Unbeschadet der Frage, ob es sich hierbei um unterschiedliche Streitgegenstände im zivilprozessualen Sinne handelt, erscheint die getrennte Geltendmachung angesichts der unterschiedlichen Anforderungen an Sachvortrag und Beweislage nicht überwiegend sachfremd (vgl. zu dem Kriterium „unterschiedliche Beweislage“ BGH GRUR 2009, 1180 Rn. 20 – 0,00 Grundgebühr). Es bedürfte für das Verdikt des Rechtsmissbrauchs weiterer, hier nicht vorgetragener und auch nicht erkennbarer Umstände, die das gewählte Vorgehen als von sachfremden Motiven bestimmt erscheinen ließen.

bb) Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Die von der Antragsgegnerin herangezogene Rechtsprechung des 5. Zivilsenats (WRP 2007, 816) zur fehlenden Dringlichkeit bei Abwesenheit einer „aktuellen Rechtsverletzung“ streitet vorliegend nicht für die Antragsgegnerin. Zutreffend hat das Landgericht hierzu ausgeführt, dass die genannte urheberrechtliche Entscheidung eine Spezialkonstellation (Verwendung eines Bildes nicht auf der Homepage, sondern auf „tiefer liegende Seiten“ auf Web-Servern und deren Unterverzeichnissen, die unbeteiligten Dritten nicht zugänglich sind) betrifft, die vorliegend nicht passt.

c) Der Antragstellerin steht der mit dem Antrag zu a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG i.V.m. § 7 HWG zu.
Nach § 7 HWG ist es u.a. unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass die Zuwendungen oder Werbegaben geringwertig sind (Nr. 1) oder in einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden (Nr. 2).
aa) Der Sinn und Zweck des § 7 HWG liegt darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel, der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen kann (BGH GRUR 2009, 1082 – DeguSmiles & more, Tz. 16; a.A. Spickhoff/Fritzsche, MedizinR 1. Aufl. 2011, § 7 Rn. 1). Zuwendungen und sonstige Werbegaben sind nur in den in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 -5 HWG geregelten Fällen zulässig. Es besteht also ein grundsätzliches Verbot, welches nur ausnahmsweise nicht gelten soll. Bei den von der Antragsgegnerin beworbenen Blutzuckermessgeräten handelt es sich – wie zwischen den Parteien nicht streitig ist – um Medizinprodukte i.S.d. § 3 Nr. 1 lit. c) MPG. Die Vorschriften des HWG sind daher gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG anwendbar.

bb) Die vorliegend in Aussicht gestellten Vorteile sind „Zuwendungen“ bzw. „Werbegaben“ im Sinne des § 7 HWG. Bei den Zuwendungen und Werbegaben i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG handelt es sich um Zugaben i.S.d. früheren ZugabeV. Der Begriff der Werbegabe ist weit auszulegen und erfasst grundsätzlich jede im Zusammenhang mit der Werbung für ein Heilmittel gewährte unentgeltliche Vergünstigung (vgl. BGH, GRUR 2012, 1279 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT, Tz. 22 m.w.N.). Die vorliegend versprochenen Gegenstände – Blutzuckermessgerät und Buch „Gesunde Ernährung“ – sind Zugaben in diesem Sinne. Die Antragsgegnerin versucht erfolglos, die Einstufung als unentgeltliche – also ohne Gegenleistung erfolgende – Vergünstigung durch den Hinweis auf den Fragebogen zu entkräften, den die Kunden nach Erhalt der ausgelobten Gegenstände ausfüllen sollen. Weder im Internet (Anlage A 2) noch im postalischen Anschreiben (Anlage A 3) findet sich ein Anhaltspunkt dafür, dass die Antragsgegnerin den Versand der ausgelobten Gegenstände von der Ausfüllung und dem Zurücksenden eines Fragebogens hätte abhängig machen wollen. Dass die Kunden gemeinsam mit dem Blutzuckermessgerät den Hinweis erhalten, sie dürften das Gerät behalten, wenn sie den Fragebogen zurückschicken (Anlage BB 1), ändert nichts daran, dass in der vorausgehenden Werbung, der die Kunden zur Registrierung veranlasst, ein solcher Zusammenhang nicht hergestellt wird; auf in dieser Weise dem Kunden auferlegte Bedingungen kann bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung der vorausgehenden Werbemaßnahme nicht abgestellt werden. Jedenfalls handelt es sich bei dem Ausfüllen des Fragebogens (Anlage BB 1) nicht um eine adäquate Gegenleistung für Waren im (von der Antragsgegnerin behaupteten) Wert von € 100. Insofern liegt dieser Fall anders als die Konstellation in der Senatsentscheidung vom 19.7.2007 (3 U 53/07, Magazindienst 2007, 1044), in der einem Arzt für das Ausfüllen eines Fragebogens zur Patientenzufriedenheit ein Koffergurt und ein Kofferanhänger versprochen worden war.
Aus dem Begriff „Werbegabe“ in § 7 HWG und aus dessen Sinn und Zweck folgt zusätzlich, dass aus der Sicht des Werbeadressaten stets ein Zusammenhang zwischen der Abgabe eines Heilmittels und der Abgabe der Zuwendung bestehen muss (Spickhoff/Fritzsche, MedizinR 1. Aufl. 2011, § 7 Rn. 10 m.w.N.). § 7 HWG bezieht sich nur auf produktbezogene Absatzwerbung. Im vorliegenden Fall besteht ausweislich des angegriffenen Internetauftritts bzw. des per Post versandten Werbeschreibens ein konkreter Bezug zu dem Produkt „A.“ der Antragsgegnerin.

cc) Die Voraussetzungen der Ausnahme nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG liegt nicht vor, da der Aussicht gestellte Vorteil im Wert von € 100 nicht geringwertig ist.

dd) Auch die Voraussetzungen der Ausnahme gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG liegen nicht vor. Diese Ausnahme vom Zuwendungsverbot gilt nur, wenn die Zuwendung oder Werbegabe zusammen mit einem Heilmittel angeboten, angekündigt oder gewährt wird (vgl. Zipfel/Rathke, LebensmittelR, 149. EL 2012, § 7 HWG Rn. 24). Regelungsgegenstand dieser Ausnahme vom Zuwendungsverbot sind Geldrabatte (1.Alt.; hierzu OLG Frankfurt GRUR-RR 2005, 393 Tz. 5) oder Naturalrabatte (2. Alt.). Zwar ist eine Rabattierung unzulässig, wenn durch sie gegen Preisvorschriften (AMG, AMPreisVO) verstoßen wird, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HS. 2 HWG. Diese Rückausnahme ist aber für die vorliegend beworbenen Medizinprodukte irrelevant (vgl. Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 4. Aufl. 2012, § 7 Rn. 66: „Rabatte jeder Art sind für nicht apothekenpflichtige Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaubt“; ebenso Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 7 Rn. 25).
Vorliegend handelt es sich nicht um eine „Zugabe“ im Sinne eines Naturalrabatts, sondern ein reines „Werbegeschenk“. Denn Gerät und Buch werden nicht im Zusammenhang mit einem Kaufvorgang abgegeben, sondern im Rahmen einer „isolierten“ Werbeaktion, mit der zum Test der Geräte aufgerufen wird. Es handelt sich bei den ausgelobten Gegenständen im Übrigen auch nicht um eine „bestimmte oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware“, denn das Buch ist – bezogen auf die beworbene Ware Blutzuckermessgerät – ungleichartig.

d) Die Antragsgegnerin haftet für den Verstoß der Fa. C. GmbH als ihrer Beauftragten gem. § 8 Abs. 2 UWG.

Beauftragter im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG ist jeder, der, ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen eines anderen auf Grund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist und hierbei in die betriebliche Organisation dergestalt eingliedert ist, dass der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugute kommt und dem Unternehmensinhaber ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist (Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.41). Anerkanntermaßen unterfallen Unternehmer dem Begriff des Beauftragten, die im Rahmen von Interessenwahrungsverhältnissen für den Auftraggeber tätig sind, wie etwa Mitglieder von Absatzorganisationen (Handelsvertreter, Vertragshändler; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.45).

Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Fa. C. AG zum Zwecke der Bewerbung ihrer Produkte vertraglich eingeschaltet. Ferner ist die Antragsgegnerin in die Abwicklung der Werbeaktion eingebunden, so dass auch bei ihrer Durchführung ein enger Bezug zur Antragsgegnerin besteht. Diese Umstände rechtfertigen die Annahme der Beauftragtenhaftung.

e) Der Antrag ist in seiner abstrakten Form begründet (Wiederholungsgefahr). Er enthält sämtliche Merkmale, die die Unlauterkeit des gerügten Verhaltens bestimmen, und verweist durch die „oder“-Verknüpfung auf die beiden Alternativen „Registrierung über das Internet“ bzw. „Ausfüllen einer Gutscheinkarte“. Genauso hat die Antragsgegnerin geworben, deshalb kann es ihr auch in dieser Weise abstrahiert verboten werden.

2. Antrag zu b)

a) Die Antragsgegnerin wehrt sich gegen das vom Landgericht zugesprochene Verbot,

– für für das Blutzuckermessgerät „A.“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:

– Nutzern die Angebote von Telemedien zur Verfügung zu stellen und/oder zur Verfügung stellen zu lassen,

– wenn diese Angebote nicht gleichzeitig die gem. § 5 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung stellen.

Die Antragstellerin hat diesen Antrag in der mündlichen Berufungsverhandlung mittels des Zusatzes „wie aus der Anlage A 1 ersichtlich“ auf die konkrete Verletzungsform zurückgeführt.

b) Für die Zulässigkeit des Antrags gelten die obigen Ausführungen zu 1.b) entsprechend.

c) Der Antrag ist gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 4, 5a Abs. 4, 8 UWG i.V.m. § 5 TMG begründet. Denn im beanstandeten Internetauftritt fehlt die gemäß § 5 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4 und 6 TMG obligatorische Angabe von Namen und Anschrift, Email-Adresse, Handelsregister-Eintragung und Umsatzsteueridentifikationsnummer der Fa .C. GmbH, auf die hier als Diensteanbieter abzustellen ist. Der beanstandete Verstoß ist auch wettbewerbsrechtlich „spürbar“ (vgl. hierzu KG MMR 2012, 240, juris-Rn. 9 ff.). Für die Passivlegitimation der Antragsgegnerin gelten die Ausführungen oben 1.d) entsprechend.

3. Antrag zu c)

a) Die Antragsgegnerin wehrt sich gegen das vom Landgericht zugesprochene Verbot,

– für das Blutzuckermessgerät „A.“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:

– Nutzern gegenüber innerhalb eines Angebotes von Telemedien personenbezogene Daten zu erheben und/oder erheben zu lassen,
– ohne gleichzeitig die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen und/oder die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung stellen zu lassen.

Auch diesen Antrag hat die Antragstellerin in der mündlichen Berufungsverhandlung mittels des Zusatzes „wie aus den Anlagen A 6 und A 7 ersichtlich“ auf die konkrete Verletzungsform zurückgeführt.
b) Der Antrag ist in gleicher Weise zulässig wie die bereits erörterten Anträge (s.o. 1.b]).

c) Der geltendgemachte Unterlassungsanspruch besteht gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG i.V.m. § 13 Abs. 1 TMG, denn die beanstandete Internetseite beinhaltet nicht die nach § 13 Abs. 1 TMG erforderlichen Informationen.

Nach § 13 Abs. 1 TMG hat der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.

Bei dieser Norm handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG das Marktverhalten regelnde Norm (a.A. KG GRUR-RR 2012, 19). Diese Vorschrift setzt u.a. Art. 10 der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG um, die nicht nur datenbezogene Grundrechte gewährleisten (Erwägungsgrund 1), sondern auch den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau heben soll (Erwägungsgründe 6 und 7), weil ein unterschiedliches Schutzniveau ein Hemmnis für die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten auf Gemeinschaftsebene darstellen und den Wettbewerb verfälschen könne (Erwägungsgrund 7 Satz 2). Die Regelungen der Richtlinie dienen deshalb auch der Beseitigung solcher Hemmnisse, um einen grenzüberschreitenden Fluss personenbezogener Daten kohärent in allen Mitgliedsstaaten und in Übereinstimmung mit dem Ziel des Binnenmarktes zu regeln (Erwägungsgrund 8). Entgegen der Auffassung des Kammergerichts (a.a.O.) handelt es sich deshalb bei dem Verstoß gegen § 13 TMG nicht nur um die Mißachtung einer allein überindividuelle Belange des freien Wettbewerbs regelnden Vorschrift. Denn § 13 TMG soll ausweislich der genannten Erwägungsgründe der Datenschutzrichtlinie jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung des Mitbewerbers schützen, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die Vorschrift dient mithin auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber und ist damit eine Regelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., Rn 11.35c zu § 4 UWG). Angesichts der vorgenannten, der Datenschutzrichtlinie zugrundeliegenden Erwägungen ist darüber hinaus anzunehmen, dass die Aufklärungspflichten auch dem Schutz der Verbraucherinteressen bei der Marktteilnahme, also beim Abschluss von Austauschverträgen über Waren und Dienstleistungen, dienen, indem sie den Verbraucher über die Datenverwendung aufklären und dadurch seine Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit beeinflussen (vgl. auch Köhler, a.a.O., Rn. 11.35d).
Für die Passivlegitimation der Antragsgegnerin gelten die Ausführungen oben 1.d) entsprechend.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 269 Abs. 3 ZPO.

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