„Meine Nr. 1“ keine wettbewerbliche Alleinstellung

28. September 2010
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Eigener Leitsatz:

„Wird in einer Printanzeige einem Fotomodell in einer Sprechblase die Aussage „Meine Nr. 1“ in den Mund gelegt, so liegt aufgrund der erkennbar subjektiven Einfärbung keine Anmaßung einer Allein- oder Spitzenstellung vor. Die Aussage „STARK in Kundenzufriedenheit“, die in einem Fußnotentext durch eine selbst durchgeführte Kundenbefragung gestützt wird, stellt ebenfalls eine zulässige Eigenbelobigung dar.“

Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen

Urteil vom 27.08.2010

Az.: 2 U 62/10

In dem Rechtsstreit
Deutsche Telekom AG, […]
Verfügungsklägerin und Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte […]
gegen
EWE TEL GmbH, […]
Verfügungsbeklagte und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte […]

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 6. August 2010 durch die Richter … und … sowie die Richterin … für Recht erkannt:
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen – 2. Kammer für Handelssachen – vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

Entscheidungsgründe:
I.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Telekommunikationsdienstleitungen.
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) hat am 01.04.2010 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) beantragt mit dem Ziel, derselben unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. mit der Angabe „Meine Nr. 1!“ zu werben und/oder werben zu lassen, wenn das geschieht wie in der in Fotokopie als Anlage K 1 beigefügten Printanzeige und/oder dem in Fotokopie als Anlage K 3 beigefügten Auszug aus dem Internetauftritt www.ewetel.de und/oder der in Fotokopie als Anlage K 4 beigefügten nordcom-Printanzeige und/oder dem in Fotokopie als Anlage K 5 beigefügten Auszug aus dem Internetauftritt www.nordcom.net;
und/oder
2. mit der Angabe „STARK in Kundenzufriedenheit“ zu werben und /oder werden zu lassen, wenn dies geschieht wie in den in Fotokopie als Anlage K 1 und/oder Anlage K 3 beigefügten Werbemitteln und/oder der in Fotokopie als Anlage K 4 beigefügten nordcom-Printanzeige und/oder dem in Fotokopie als Anlage K 5 beigefügten Auszug aus dem Internetauftritt www.nordcom.net.
Dem lag eine u.a. in der N.-Zeitung vom 04.03.2010 veröffentlichte Anzeigenwerbung der Beklagten zugrunde, bei der im Blickfang eine lächelnde junge Frau ihre Augen auf einen Werbetext richtet, der – ebenfalls vom Blickfang umfasst – lautet:

Meine Nr. 1

(sowie)

STARK
in Kunden-
Zufriedenheit

Der letztgenannte Text ist mit einem Anmerkungsstern versehen, welcher auf den folgenden Fußnotentext verweist:
„Unser bislang bestes Ergebnis in der von EWE TEL beauftragten Befragung durch das Institut „Produkt + Markt“ im Sommer 2009. Die dort befragten Kunden der EWE TK-Gruppe (insgesamt 2506 Kunden) gaben der EWE TK-Gruppe (EWE TEL, nordcom, osnatel, htp und Teleos) zum Thema „Gesamtzufriedenheit“ die Note 1,93 (Vergleich 2008: 2,05).“ In entsprechender Weise warb die Beklagte im Internet.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Werbung sei insbesondere deshalb wettbewerbswidrig, weil die Beklagte darin in irreführender Weise eine ihr nicht zukommende Alleinstellung für sich beansprucht habe.
Das Landgericht Bremen – 2. Kammer für Handelssachen – hat mit Urteil vom 22. April 2010 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, hinsichtlich der Werbeaussage „Meine Nr. 1“ habe die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 UWG. Die Werbung enthalte keine irreführende Angabe. Es fehle an Angaben im Sinne inhaltlich nachprüfbarer Aussagen; vielmehr werde nur die subjektive Empfindung der abgebildeten „Kundin“ bezeichnet. Die Aussage habe keinen in ihrem Kern konkret fassbaren und nachprüfbaren Inhalt. Auch die Aussage „STARK in Kunden-Zufriedenheit“ sei nicht irreführend. Es lasse ihr nicht entnehmen, dass die Beklagte mehr zufriedene Kunden habe als andere Mitbewerber. Zufriedenheit stelle zudem ein persönliches Urteil dar.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr Begehren auch im zweiten Rechtszuge verfolgt und dazu insbesondere vorträgt, die Beklagte habe keine Alleinstellung in Bezug auf die Leistung ihrer Produkte inne. Gleichwohl beziehe sich die Anzeige auf eine dahingehende eigene Aussage der Beklagten und nicht auf die einer bestimmten dritten Person. Die abgebildete Dame überbringe eine Botschaft des Unternehmens, welche eine Alleinstellungsbehauptung darstelle, nämlich – nach dem Verbraucherverständnis – die Inanspruchnahme einer Spitzenstellung in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen. Irreführend sei auch die Aussage „Stark in Kundenzufriedenheit“. Die Fußnote verweise letztlich auf eine bezahlte Umfrage, die nicht überprüfbar sei und nichts weiter als eine Eigenbelobigung darstelle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Bremen vom 22.04.2010 abzuändern und die Beklagte wie erstinstanzlich beantragt zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 22.06.2010 und 23.07.2010 Bezug genommen.

II.
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
Die Berufung ist aber nicht begründet. Die von der Klägerin beanstandete Werbung der Beklagten ist nicht unlauter i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6 UWG.

1.
Der Slogan „Meine Nr. 1“ verstößt nicht gegen Irreführungsverbote nach § 5 UWG. Er enthält keine unwahren oder sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben. Es fehlt hier schon an einer „Angabe“ i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG. Angaben sind Äußerungen eines Unternehmens, die sich auf Tatsachen beziehen und inhaltlich nachprüfbar sind (Bornkamm in: Baumbach/Hefermehl UWG, 28. Aufl., Rn. 2.37 zu § 5). Diese sind abzugrenzen zu bloßen Werturteilen. Die Aussage „meine Nr. 1“ erhält durch die Einfügung des Possessivpronomens eine subjektive Färbung und wird damit zu einem Werturteil.
Allerdings kann – neben der Verwendung von Superlativen, Komparativen und dergleichen – gerade auch die Bezeichnung eines Produkts als „Nr. 1“ als Angabe im oben genannten Sinne eine Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung darstellen (Bornkamm aaO, Rn. 2.145 m. w. Hinw.). Bei der hier von der Klägerin beanstandeten Werbung besteht aber die Besonderheit, dass die Aussage „Nr. 1“ nicht etwa in allgemeiner, verabsolutierender Form als eine Werbeangabe der Beklagten aufgestellt, sondern vielmehr in subjektivierender, Distanz herstellender Weise einer anonymen jungen Frau zugeordnet wird. Der von der Klägerin beanstandete Slogan wird somit als „Sprechblase“ auf die bloße Meinungsäußerung eines beliebigen Kunden reduziert. Für die angesprochenen Verkehrskreise verbleibt es allein bei der „Botschaft“, die unbekannte Dame – als eine stellvertretend aus der Masse der Verbraucher herausgegriffene Kundin – halte die beworbenen Produkte der Beklagten für „ihre“ Nr. 1, was sich als subjektive Äußerung von jeder konkreten, nachprüfbaren Tatsachenbehauptung entfernt.
Soweit die Klägerin argumentiert, die abgebildete Frau sei keine „reale“ Person und übermittele daher im Grunde genommen nichts anderes als die schlichte Botschaft der Beklagten, sie selbst nehme die Stellung als „Nr. 1“ für sich in Anspruch, so verkennt sie, dass die Werbung in ihrer beabsichtigten Wirkung sich gerade durch ihre anonymisierte Gestaltungsweise von einer konkreten, der Beklagten als eigene zuzuordnenden Werbeangabe distanzieren soll. Hierzu trägt vor allem auch die Verwendung des Possessivpronomens „meine“ bei, welches den Eindruck vermitteln soll, es gebe eben eine unbekannte Zahl namenloser Kunden, welche die beworbenen Produkte der Beklagten für sich, also aus ihrer subjektiven Sichtweise bevorzugten. Hinzu kommt der in dem weiteren, ebenfalls am Blickfang teilnehmenden Text enthaltene Hinweis auf die „Kundenzufriedenheit“. So wird für den durchschnittlich informierten, verständigen Verbraucher deutlich erkennbar nicht etwa eine – wie auch immer geartete – Spitzenstellung der Beklagten in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen, sondern vielmehr die Zufriedenheit ihrer Kunden thematisiert. Letzteres ist in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (vgl. auch Bornkamm in: Baumbach/Hefermehl, aaO., Rn. 2.153 zu wettbewerbsrechtlich unbedenklicher rein subjektiver Wertung).
In diesem Zusammenhang begegnet auch der Slogan „STARK in Kundenzufriedenheit“ keinen Bedenken. Schon die Verwendung der schlichten Grundform „stark“ im vorliegenden Zusammenhang schließt jede Behauptung einer Allein- oder Spitzenstellung aus und enthält auch keinen unlauteren Vergleich i.S.d. § 6 UWG.

2.
Auch der Fußnotenhinweis ist wettbewerbsrechtlich unbedenklich. Es wird für die angesprochenen Verkehrskreise deutlich, dass hier keineswegs ein Testergebnis (vergleichbar etwa mit den von der Stiftung Warentest veranstalteten Testreihen) wiedergegeben wird, so dass sich die Problematik im Zusammenhang mit § 6 UWG („Werbung mit Testergebnissen“ – vgl. Köhler in: Baumbach/Hefermehl aaO., Rn. 101 zu § 6) gar nicht stellt. Vorliegend handelt es sich nur um eine von der Beklagten selbst in Auftrag gegebene, von ihr also selbst bezahlte Umfrage, die für 2009 eine hohe, seit dem Vorjahr 2008 verbesserte Kundenzufriedenheit bezogen auf Produkte der EWE TK ergeben hat. Jeder durchschnittlich informierte, verständige Verbraucher erkennt sofort die mangels näherer nachprüfbarer Anküpfungspunkte äußerst begrenzte Aussagekraft eines derartigen „Umfrageergebnisses“ und entnimmt der Mitteilung, dass die Beklagte auch in dieser Form mit „zufriedenen Kunden“ werben will. Die darin enthaltene „Eigenbelobigung“ ist unbedenklich; sie entspricht dem Wesen jeder Werbung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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