Rufschädigendes Informationsschreiben

17. Februar 2010
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
4754 mal gelesen
0 Shares

Eigener Leitsatz:

Ein "presserechtliches Informationsschreiben" der Beklagten, aus dem hervorgeht, dass ein in einer Zeitschrift veröffentlichtes Interview so nicht gegeben wurde, verletzt den veröffentlichenden Verlag in seinem Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Denn ein solches "Informationsschreiben" schädigt mit den unwahren Behauptungen den Ruf des Verlages. Der klagende Verlag konnte nämlich glaubhaft darstellen, dass es zu dem streitgegenständlichen Interview der Beklagten, eine Schlagersängerin, sehr wohl gekommen ist und somit das "Informationsschreiben" haltlos ist. Folglich wurde die beklagte Sängerin auf Unterlassung verurteilt.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 28.08.2009

Az.: 324 O 404/09

Tenor

I. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,–, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre),

verboten

zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

„In der Zeitschrift ‚D.. N.. B.. vom heutigen Tage [sic. 1. Juli 2009] wird auf Seite 4 ein Text veröffentlicht, der in Gestalt eines Interviews mit unserer Mandantin [sic. Beklagte] daherkommt. Unsere Mandantin hat ein derartiges Interview nicht gegeben. Die dort unserer Mandantin untergeschobenen Äußerungen treffen auch in der Sache nicht zu.“

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von EUR 20.000,00 zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen eines „Presserechtlichen Informationsschreibens“ der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin verlegt „D.. N.. B..“, in deren Ausgabe Nr. …/09 ein Beitrag der Autorin Autorin P. über die Antragsgegnerin, eine Sängerin, erschien. Die Überschrift des Beitrages lautet: „Exklusiv  Beklagte & F.S.  Geheimes Liebesnest in Hamburg?“ Nach einem einleitenden Absatz folgen (fettgedruckt) Fragen und (normal gedruckt) Antworten, wobei sich aus deren Inhalt ergibt, dass die Antworten von der Antragsgegnerin stammen sollen. Wegen der Einzelheiten der Berichterstattung wird auf Anlage ASt 1 Bezug genommen.

Unter dem 1. Juli 2009 ließ die Antragsgegnerin durch ihre Prozessbevollmächtigten ein „presserechtliches Informationsschreiben“ versenden. Darin heißt es:

        „In der Zeitschrift „D.. N.. B..“ vom heutigen Tage wird auf Seite 4 ein Text veröffentlicht, der in Gestalt eines Interviews mit unserer Mandantin daherkommt. Unsere Mandantin hat ein derartiges Interview nicht gegeben. Die dort unserer Mandantin untergeschobenen Äußerungen treffen auch in der Sache nicht zu.“

Wegen der Einzelheiten des „presserechtlichen Informationsschreibens“ wird auf Anlage ASt 2 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2009 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin wegen des „presserechtlichen Informationsschreibens“ auf, eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Rechtsanwaltsschreiben vom 29. Juli 2009 ab (Anlagenkonvolut ASt 5).

Die Antragstellerin trägt vor, die Antragsgegnerin habe der freien Journalistin Autorin P. das veröffentlichte Interview gegeben. Sie beruft sich auf die in der Verhandlung vom 28. August 2009 vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Journalistin Autorin P. vom 28. Juli 2009 (Anlage ASt 6).

Die Antragstellerin beantragt,

        im Wege einer einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu verbieten,

        erneut zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. erneut zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

            „In der Zeitschrift ‚D.. N.. B.. vom heutigen Tage [sic. 1. Juli 2009] wird auf Seite 4 ein Text veröffentlicht, der in Gestalt eines Interviews mit unserer Mandantin [sic. Beklagte] daherkommt. Unsere Mandantin hat ein derartiges Interview nicht gegeben. Die dort unserer Mandantin untergeschobenen Äußerungen treffen auch in der Sache nicht zu.“

Die Antragsgegnerin beantragt,

        den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, dass sie das veröffentlichte Interview nicht gegeben habe, und bezieht sich auf eine eigene eidesstattliche Versicherung vom 14. Juli 2009 (Anlage ASt 2 zur Schutzschrift vom 29. Juli 2009, Az. 324 O 136/09). Es fehle sowohl am Verfügungsgrund als auch am Verfügungsanspruch.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.

1. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 186 StGB zu, denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht.

Auch Personengesellschaften des Handelsrechts genießen als solche zivilrechtlichen Ehrenschutz, wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8.7.1980, Az. VI ZR 177/78, Juris Rz. 44). Auf diesen Schutz kann sich die Antragstellerin vorliegend berufen, denn die angegriffene Äußerung verletzt sie in ihrer Geschäftsehre. Die Behauptungen, ein Interview veröffentlicht zu haben, das so nicht gegeben worden sei, und darin einer Person unzutreffende Äußerungen untergeschoben zu haben, schädigen den Ruf der Antragstellerin im Kernbereich ihrer geschäftlichen Tätigkeit als Zeitschriftenverlag.

Bei der angegriffenen Äußerung handelt es sich nach dem zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand um unwahre Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, das Ansehen der Antragstellerin in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Zwar enthält die Formulierung „ein derartiges Interview“ ein wertendes Element bezüglich der Frage, ob etwaige tatsächliche Äußerungen der Antragsgegnerin im Vergleich zum veröffentlichten Text noch als „ein derartiges Interview“ bezeichnet werden können oder bereits zu weit davon entfernt sind. Der beanstandeten Äußerung lassen sich im Kern jedoch dem Beweis zugängliche Behauptungen entnehmen, nämlich diejenige, dass die Antragsgegnerin gar kein Interview, jedenfalls kein Interview zur veröffentlichten Thematik gegeben habe, und diejenige, dass der Antragsgegnerin Äußerungen in den Mund gelegt worden seien, die in der Sache unzutreffend seien.

Zumindest prozessual ist davon auszugehen, dass dieses nahe liegende Verständnis der angegriffenen Äußerung unwahr ist. Denn die Darlegungslast für die Richtigkeit dieser Aussage trifft nach der im Zivilrecht entsprechend anzuwendenden Beweislastregel des § 186 StGB die Antragsgegnerin, da die angegriffene Äußerung geeignet ist, das öffentliche Ansehen und den geschäftlichen Ruf der Antragstellerin herabzusetzen. Der von der Antragsgegnerin abgegebenen eigenen eidesstattlichen Versicherung (Anlage ASt 2 zur Schutzschrift vom 29. Juli 2009, Az. 324 O 136/09) kommt keine ausreichende Überzeugungskraft zu. Denn mit dieser hat die Antragsgegnerin den angegriffenen Ausschnitt des veröffentlichten Interviews lediglich zitiert und unter Bezugnahme hierauf erklärt: „Ich habe dieses Interview nicht gegeben.“ Diese Erklärung ist mehrdeutig und lässt nicht erkennen, ob die Antragsgegnerin gar kein Interview, kein Interview zu dem genannten Themenkomplex oder nur kein Interview in exakt dem veröffentlichten Wortlaut gegeben hat.

Der allenfalls geringe Aussagewert dieser eidesstattlichen Versicherung wird durch die von der Antragstellerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Journalistin Autorin P. (Anlage ASt 6) entkräftet. Mit dieser hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie sich der Antragsgegnerin im Rahmen einer Schlagerparade als Journalistin vorgestellt hatte und ihr Fragen stellte. Die Journalistin hat auch den Verlauf des Gesprächs im Einzelnen detailliert und schlüssig dargestellt. Zwar ist das Gespräch in seinem glaubhaft gemachten Wortlaut nicht Wort für Wort abgedruckt worden. Allerdings ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung, dass die Journalistin die Antragsgegnerin zu einem möglichen Umzug „in den Norden“ befragte und sich die Antragsgegnerin im Wesentlichen so wie veröffentlicht dazu äußerte, dass es eine „Katastrophe“ wäre, wenn sie und ihr Lebensgefährte auseinander ziehen würden und sehr weit voneinander getrennt wären, dass allerdings ihr Manager nach Hamburg gezogen sei, sie dort öfter zu Besuch sei, es ihr in Hamburg gefalle, sie erstaunt über das gute Wetter im Norden sei usw. Auch die veröffentlichten Äußerungen darüber, dass die Antragsgegnerin sich noch nicht auf einen Ort festlegen wolle, ihren Manager ein Umzug nach Hamburg aber wohl freuen würde, und dass die Antragsgegnerin und ihr Lebensgefährte sich jedenfalls Zeit für einen etwaigen Umzug nehmen wollten, entsprechen im Wesentlichen dem glaubhaft gemachten Gesprächsablauf.

Vor dem Hintergrund dieser Glaubhaftmachung hat der durch die angegriffene Äußerung erweckte Eindruck, die Antragsgegnerin habe gar kein Interview bzw. kein Interview zum Thema „möglicher Umzug nach Hamburg“ gegeben, als unwahr zu gelten. Dies gilt auch für die Behauptung, es handele sich um untergeschobene Äußerungen. Ob die veröffentlichten Äußerungen in der Sache unzutreffend sind, kann dahinstehen. Denn die Antragstellerin kann sich hinsichtlich des Aussagegehaltes der wiedergegebenen Interviewäußerungen jedenfalls darauf berufen, dass sich die Antragsgegnerin selbst entsprechend geäußert hatte, wie in der eidesstattlichen Versicherung der Journalistin Autorin P. wiedergegeben. Die Wiederholungsgefahr besteht aufgrund der rechtswidrigen Ortsbegehung fort.

2. Auch die weiteren Voraussetzungen, unter denen nach §§ 935, 940 ZPO eine einstweilige Verfügung erlassen werden darf, liegen vor. Zu diesen Voraussetzungen gehört nach § 940 ZPO, dass die begehrte Anordnung als „nötig“ erscheint. Dieses Merkmal der gesetzlichen Regelung umfasst auch die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung. An dieser fehlt es etwa, wenn der Antragsteller – mag ursprünglich auch ein Regelungsbedürfnis bestanden haben – lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt (vgl. nur Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 940 Rdnr. 4 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer beträgt der Zeitraum, nach dessen Ablauf eine Angelegenheit typischerweise nicht mehr als eilbedürftig angesehen werden kann, fünf Wochen ab Kenntnisnahme des Betroffenen von der gerügten Verletzungshandlung. Vorliegend ist der Verfügungsantrag am 29. Juli 2009 und damit weniger als vier Wochen nach der Versendung (und damit auch der möglichen Kenntnisnahme) des streitgegenständlichen „presserechtlichen Informationsschreibens“ eingegangen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 3 ZPO.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a