Freigesprochener muss verdeckte Hinweise auf Begehung des angeklagten Verbrechens nicht hinnehmen
Oberlandesgericht Köln
Urteil vom 27.05.2014
Az.: 15 U 3/14
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 4.12.2013 (28 O 244/13) wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Parteien streiten über einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch.
Der Kläger ist ein bekannter Wettermoderator. Ab Frühjahr 2010 wurde gegen ihn u.a. wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt. Vom 20.3.2010 bis zum 29.7.2010 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim begann am 6.9.2010. Am 31.5.2011 wurde der Kläger vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von W freigesprochen. Das Urteil ist seit dem 7.10.2011 rechtskräftig. Im Ermittlungs- und Strafverfahren stellte sich heraus, dass der Kläger gleichzeitig intime Beziehungen zu mehreren Frauen unterhalten hatte, ohne dass diese voneinander wussten. Die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe fanden in der Öffentlichkeit große Beachtung und waren Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in verschiedenen Medien.
In der am 15.12.2011 veröffentlichten Winter 2012-Ausgabe der Zeitschrift F, die von der Beklagten zu 1) herausgegeben und von der Beklagten zu 2) verlegt wird, wurde ein Beitrag mit dem Titel „Das Unwort des Jahres 2012“ veröffentlicht, der u.a. folgende Textpassage enthält:
„… F greift diesmal der Entscheidung voraus und verkündet hiermit schon mal ihre Unworte des Jahres, denn wir konnten uns zwischen zweien einfach nicht entscheiden. Sie lauten: „einvernehmlicher Sex“ und „Unschuldsvermutung“. Begründung? Da fragt man am besten E2 oder E oder irgendeine von den 86800 geschätzten vergewaltigten Frauen im Jahr, deren Vergewaltiger nie angezeigt, nie angeklagt oder nie verurteilt wurden.“
Nach Bekanntgabe der Entscheidung der „Unwort-Jury“ der „Gesellschaft für deutsche Sprache“, den Begriff „Döner-Morde“ zum „Unwort des Jahres 2011“ zu wählen, wurde auf der Internetseite www.F.de, für die die Beklagte zu 2) verantwortlich ist, am 18.1.2012 ein Artikel mit der Überschrift „Fs Vorschlag zum „Unwort des Jahres““ und folgender Textpassage veröffentlicht:
„… F … hätte … noch zwei weitere Vorschläge gehabt: „einvernehmlicher Sex“ und „Unschuldsvermutung“. Begründung? Da fragt man am besten E2 oder E oder irgendeine von den 86800 geschätzten vergewaltigten Frauen im Jahr, deren Vergewaltiger nie angezeigt, nie angeklagt oder nie verurteilt wurden.“
Wegen der weiteren Einzelheiten der beiden Artikel wird auf Bl. 13 f. GA verwiesen.
Der Kläger ließ die Beklagten deswegen mit Schreiben vom 17.2.2012 abmahnen. Diese löschten zwar den Artikel auf www.F.de, lehnten die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung jedoch mit Schreiben vom 22.2.2012 ab. Der Kläger erwirkte daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln vom 28.2.2012 (28 O 96/12), durch die den Beklagten untersagt wurde, durch die o.g. Äußerungen den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe eine Vergewaltigung zum Nachteil von Frau E begangen. Die unter dem Aktenzeichen 15 U 107/12 (OLG Köln) geführte Berufung gegen das diese einstweilige Verfügung bestätigende Urteil des Landgerichts vom 13.6.2012 (28 O 96/12) nahmen die Beklagten kurz vor dem auf den 25.9.2012 angesetzten Verhandlungstermin zurück.
Vorliegend handelt es sich um die diesbezügliche Hauptsacheklage, mit welcher der Kläger in erster Instanz eine Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung sowie zur Freistellung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten beantragt hat. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass durch die o.g. Äußerungen dem Leser als verdeckte Tatsachenbehauptung vermittelt werde, der Kläger habe eine Vergewaltigung begangen, obwohl dies nicht der Fall sei und er rechtskräftig freigesprochen wurde. Für den von den Publikationen der Beklagten angesprochenen Leserkreis sei klar, dass mit „E“ die Nebenklägerin in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren, Frau E, gemeint sei, zumal sie in der Berichterstattung, u.a. in der Zeitschrift F, entsprechend bezeichnet wurde.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten bei unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, hinsichtlich der Beklagten zu 2) zu vollstrecken an ihrer Geschäftsführerin, zu verbieten, durch die Äußerung
„Da fragt man am besten E2 oder E oder irgendeine von den 86.800 geschätzten vergewaltigten Frauen im Jahr, deren Vergewaltiger nie angezeigt, nie angeklagt oder nie verurteilt wurden.“
den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe eine Vergewaltigung zum Nachteil der E begangen,
wenn dies geschieht wie im Artikel „Das Unwort des Jahres 2012“ auf Seite 11 der Zeitschrift F Ausgabe Winter 2012 und/oder dem am 18.1.2012 im Internetangebot emma.de veröffentlichten Artikel „Fs Vorschlag zum ,Unwort des Jahres´“, und
2. die Beklagten zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der Höcker Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 344,95 Euro freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass in den Artikeln weder von dem Kläger noch von Frau E die Rede sei. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, sei durch die Formulierung „oder“ eine Differenzierung zwischen „E“ und 86.800 vergewaltigten Frauen vorgenommen worden, so dass ein dem Unterlassungsbegehren entsprechender Eindruck nicht entstehe. Vielmehr handele es sich um ein zulässiges Werturteil zur Begründung der eigenen Vorschläge für das „Unwort des Jahres“. Im Übrigen sei den Lesern aufgrund der sonstigen Berichterstattung u.a. der Beklagten bekannt, dass der Kläger freigesprochen wurde.
Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die Artikel einen Bezug zum Kläger enthielten, weil sich für einen durchschnittlichen Leser eine Verknüpfung zu der darin erwähnten „E“, dem in der Öffentlichkeit bekannten Namenskürzel für die Nebenklägerin in dem gegen den Kläger gerichteten Strafverfahren, und damit zum Kläger aufdränge. Durch die angegriffenen Äußerungen entstehe im Sinne einer verdeckten Tatsachenbehauptung als unabweisliche Schlussfolgerung der unzutreffende Eindruck, dass der Kläger eine Vergewaltigung zum Nachteil von „E“ begangen habe. Durch den „oder“-Zusatz werde kein Exklusivitätsverhältnis hergestellt, sondern „E“ in den Kreis der vergewaltigten Frauen eingeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem Urteil vom 4.12.2013 (Bl. 306 ff. GA) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgen sowie ihr Vorbringen aus erster Instanz wiederholen, vertiefen und ergänzen. Die Beklagten sind der Auffassung, dass die in Rede stehenden Artikel keine verdeckte Tatsachenbehauptung in dem vom Landgericht angenommenen Sinne enthielten. Die Nennung von „E“ und ein damit verbundener etwaiger Bezug zum Kläger werde jedenfalls nicht hinsichtlich einer ungesühnten Vergewaltigung, sondern nur bezüglich der Begriffe „Unschuldsvermutung“ oder „einvernehmlicher Sex“ hergestellt, die in der medialen Begleitung des Strafverfahrens gegen den Kläger eine Rolle gespielt hätten, da es sich um eine alternativ verstandene Aufzählung handele. Im Übrigen sind die Beklagten der Auffassung, dass keinesfalls ein Zusammenhang mit dem konkreten Vergewaltigungsvorwurf (am 9.2.2010) hergestellt werden könne, der Gegenstand des Strafverfahrens gegen den Kläger war, da nur von einer Vergewaltigung die Rede sei. Die Äußerungen seien als Kritik an dem Umgang der Medien mit Frauen zu verstehen, die eine Vergewaltigung zur Anzeige bringen und sich dem Verdacht ausgesetzt sähen, tatsächlich habe einvernehmlicher Sex vorgelegen.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der – insbesondere der durch die Berichterstattung in der Zeitschrift „F“ vorinformierte – durchschnittliche Rezipient die inkriminierten Textpassagen in dem vom Landgericht angenommenen Sinne verstehe, auch wenn er weiß, dass der Kläger freigesprochen wurde. „E“(…), die der Durchschnittsleser der in Rede stehenden Publikationen als Nebenkläger in dem Strafverfahren gegen den Kläger kenne, werde nach der Formulierung der beiden Artikel, die sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht mit der medialen (Ungleich-) Behandlung von Vergewaltigungsopfern befassen, in den Kreis der vergewaltigten Frauen einbezogen. Das abweichende von den Beklagten favorisierte Textverständnis sei fernliegend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 6.5.2014 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat neben der Verurteilung zur Freistellung von vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten den Beklagten im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung untersagt, durch die Äußerung „Da fragt man am besten E2 oder E oder irgendeine von den 86800 geschätzten vergewaltigten Frauen im Jahr, deren Vergewaltiger nie angezeigt, nie angeklagt oder nie verurteilt wurden.“ den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe eine Vergewaltigung zum Nachteil der Frau E begangen. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen entsprechenden Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB sowie Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Das Berufungsvorbringen führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
1. Auch wenn der Name des Klägers in den Artikeln in der Winter 2012-Ausgabe der F und auf www.F.de, bezüglich derer die äußerungsrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird, überhaupt nicht und der Name der Nebenklägerin des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens nur mit „E“ genannt wird, besteht aus der für das Textverständnis maßgeblichen Sicht eines unbefangenen, durchschnittlich informierten und interessierten Lesers kein ernsthafter Zweifel, dass die Texte sich – auch – auf den Kläger und die ihm in dem am 31.5.2011 durch Freispruch beendeten Strafverfahren zur Last gelegte, angeblich am 9.2.2010 begangene Vergewaltigung zum Nachteil der dortigen Nebenklägerin beziehen.
Eine Erkennbarkeit kann nicht nur aus einer namentlichen Erwähnung, sondern auch aus individualisierenden Umständen folgen, es reicht aus, dass der Anspruchsteller zumindest für seine nähere Umgebung erkennbar ist (vgl. Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kapitel 12 Rn 43). Die Identifizierbarkeit setzt deshalb eine vollständige oder auch nur abgekürzte Namensnennung nicht voraus. Es genügt vielmehr die Übermittlung von Teilinformationen, aus denen sich die Identität für die interessierte Leserschaft ohne Weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (BVerfG, Beschluss vom 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, in: BVerfGE 119, 1 ff. [„Esra“] – juris-Rn 75; BVerfG, Beschluss vom 14.7.2004 – 1 BvR 263/03, in: NJW 2004, 3619 f. [„Pressemitteilung“] m.w.N.).
Danach ist eine Erkennbarkeit des Klägers zu bejahen. Der Durchschnittsrezipient erkennt in „E“ das vermeintliche Vergewaltigungsopfer des Klägers, Frau E. In der Berichterstattung über das Strafverfahren gegen den Kläger, insbesondere in Veröffentlichungen der Beklagten, wurde die Nebenklägerin – jedenfalls überwiegend – mit diesem Namenskürzel bezeichnet. Auch wenn es sich um einen „Allerweltsnamen“ handelt, ergibt sich aus dem Textzusammenhang, in dem es um Vergewaltigung (-sprozesse) und (ungesühnte) Straftaten geht, dass auf den Kläger sowie das gegen ihn gerichtete Strafverfahren und die darin erhobenen Vorwürfe angespielt werden soll. Letztlich stellen die Beklagten auch selbst nicht ernsthaft in Abrede, dass mit „E“ die Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Kläger gemeint ist.
2. Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden Artikel der Beklagten die verdeckte Tatsachenbehauptung enthalten, der Kläger habe E vergewaltigt.
Bei der Beurteilung von „zwischen den Zeilen“ zum Ausdruck gebrachten Aussagen ist zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich „verdeckten“ Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt. Unter dem Blickwinkel des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die „verdeckte“ Aussage einer „offenen“ Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm „offen“ mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2011 – VI ZR 204/04, in: NJW 2006, 601 ff.). Voraussetzung ist daher stets, dass für einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch eine bestimmte Aussage aus dem Text für den Leser als Eindruck unabweislich folgt. Bei verdeckten Aussagen ist ein Unterlassungsanspruch nicht schon dann begründet, wenn sich aus den im Text enthaltenen Aussagen mehrere Schlüsse ergeben und ein solcher Schluss in einer nicht fernliegenden Auslegungsvariante das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen würde. Vielmehr ist zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Rezipient eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich „verdeckten“ Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt.
Nach diesen Grundsätzen sind die vom Kläger beanstandeten Äußerungen in den beiden in Rede stehenden Veröffentlichungen der Beklagten als verdeckte Behauptung einer Vergewaltigung von E durch den Kläger zu verstehen. Ausdrücklich ist eine entsprechende Tatsachenbehauptung zwar in den Artikeln nicht enthalten. Durch die Textpassage „Da fragt man am besten E2 oder E oder irgendeine von den 86800 geschätzten vergewaltigten Frauen im Jahr, deren Vergewaltiger nie angezeigt, nie angeklagt oder nie verurteilt wurden.“ nach den Sätzen „F greift diesmal der Entscheidung voraus und verkündet hiermit schon mal ihre Unworte des Jahres, denn wir konnten uns zwischen zweien einfach nicht entscheiden. Sie lauten: „einvernehmlicher Sex“ und „Unschuldsvermutung“. in der Winter 2012-Ausgabe der Zeitschrift F bzw. „F … hätte … noch zwei weitere Vorschläge gehabt: „einvernehmlicher Sex“ und „Unschuldsvermutung“. Begründung?“ in der Internetpublikation vom 18.1.2012 wird jedoch sowohl in Bezug auf E, Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Kläger, als auch in Bezug auf E2, das vermeintliche Vergewaltigungsopfer von T, über das im Jahre 2011 in der Presse ebenfalls ausführlich berichtet wurde, im Sinne einer unabweislichen Schlussfolgerung der Eindruck erweckt, E sei tatsächlich von dem Kläger vergewaltigt worden, obwohl – wie ebenfalls pressebekannt – die beiden vermeintlichen Täter die Vorwürfe bestreiten und der Kläger sogar rechtskräftig freigesprochen wurde. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten schließt die Art und Weise der Formulierung der beiden Artikel aus den in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegten Gründen sowohl E2 als auch E in den Kreis der „86800 geschätzten vergewaltigten Frauen im Jahr, deren Vergewaltiger nie angezeigt, nie angeklagt oder nie verurteilt wurden“ ein, auch wenn die Aufzählung der beiden namentlich bezeichneten und der nur zahlenmäßig genannten Frauen jeweils durch ein „oder“ getrennt ist. Anderenfalls würden die Ausführungen in den beiden Artikeln aus der Sicht eines unbefangenen und verständigen Durchschnittsrezipienten auch keinen nachvollziehbaren Sinn ergeben, da selbst nach dem erst- und zweitinstanzlichen Vorbringen der Beklagten nicht ersichtlich ist, in welcher (anderen) Beziehung E2 und E zu den als Unwort/e des Jahres vorgeschlagenen Begriffen „einvernehmlicher Sex“ und/oder „Unschuldsvermutung“ stehen sollen als die (anderen) „86800 vergewaltigten Frauen (…), deren Vergewaltiger nie angezeigt, nie angeklagt oder nie verurteilt wurden“. Wenn E aus der durch die Artikel vermittelten Sicht – trotz (rechtskräftigen) Freispruchs – nicht (von dem Kläger) vergewaltigt worden wäre, gäbe es in Bezug auf ihre Person keinen Grund, die Begriffe „einvernehmlicher Sex“ oder „Unschuldsvermutung“ als „Unworte“ zu charakterisieren. Gerade wenn der Leser der beiden Artikel weiß, dass der Kläger vom Vergewaltigungsvorwurf freigesprochen wurde, was angesichts der kritischen Kommentare der Beklagten zu 1) insbesondere bei F-Lesern/innen anzunehmen ist, auf deren (Vor-) Verständnis auch nach der in der Berufungsverhandlung zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Beklagtenvertreters abzustellen ist, kann E nur in die Kategorie der „vergewaltigten Frauen“ fallen, „deren Vergewaltiger nie verurteilt wurde(n)“. Dies legt die unabweisliche Schlussfolgerung nahe, dass ungeachtet des – nach der Darstellung der Beklagten nur aufgrund der „Unschuldsvermutung“ erfolgten – Freispruchs kein „einvernehmlicher Sex“, sondern tatsächlich eine Vergewaltigung von E durch den Kläger stattgefunden hat. Ein abweichendes Verständnis wäre auch für „Stammleser“ der F fernliegend und ist daher für die äußerungsrechtliche Beurteilung irrelevant. Ob sich diese verdeckte Aussage auf den Tatvorwurf, der Gegenstand des Strafverfahrens war, oder einen Vorfall bei anderer Gelegenheit beziehen soll, ist – wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – sowohl für das Verständnis der Äußerung als auch die rechtliche Beurteilung von deren (Un-) Zulässigkeit nicht ausschlaggebend.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Inhalt der beiden Artikel, d.h. dem Gesamtzusammenhang der vom Kläger beanstandeten Äußerungen. Zu Beginn des ersten Artikels befasst sich der/die Verfasser/in zwar mit der (bevorstehenden) Entscheidung der Jury der „Gesellschaft für deutsche Sprache“, den Begriff „Döner-Morde“ zum Unwort des Jahres 2011“ zu wählen. Die diesbezüglichen Ausführungen sind allerdings im Verhältnis zu den nachfolgenden „Alternativvorschlägen“ von F für das Unwort des Jahres und der dafür gegebenen – auf E und damit den „Fall L“ Bezug nehmenden – Begründung selbständig und geben keine Veranlassung zu einer von dem obigen Verständnis abweichenden Interpretation dieser Äußerungen. Insbesondere lässt sich entgegen dem von den Beklagten verfochtenen Standpunkt eine Kritik an der Behandlung der Nebenklägerin in den Medien und/oder ein diesbezüglicher Bezug der Vorschläge der Beklagten für das „Unwort des Jahres“ den beiden in Rede stehenden Artikeln nicht entnehmen. Die vorangegangene Berichterstattung in der Zeitschrift F, insbesondere der als Anlage K 8 vorgelegte Beitrag in der Herbst 2011-Ausgabe, der sich u.a. kritisch mit der medialen Behandlung von Vergewaltigungsvorwürfen befasst, ist für das Verständnis der vorliegend in Rede stehenden Äußerungen jedenfalls nicht ausschlaggebend, da sich den beiden Artikeln eine Bezugnahme auf diese Vorberichterstattung weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen lässt.
Zur Ermittlung dieses Verständnisses der inkriminierten Äußerungen bedarf es auch nicht – wie von den Beklagten beantragt – der Einholung eines Sachverständigengutachtens, sondern der Senat und seine Mitglieder sind als potentielle Adressaten der in Rede stehenden Veröffentlichungen selbst in der Lage zu beurteilen, wie die Texte von durchschnittlichen Rezipienten verstanden werden.
Bei dem danach durch die in Rede stehenden Äußerungen erweckten Eindruck handelt es sich nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um eine (verdeckte) Tatsachenbehauptung, da sich die Darstellung auf ein Geschehen bezieht, das einer Überprüfung mit Beweismitteln zugänglich ist, und sich nicht auf eine kritische Bewertung des Strafverfahrens gegen den Kläger und/oder seines Freispruchs bzw. der medialen Begleitung des Prozesses bezieht.
3. Dass die danach in den Artikeln der Beklagten als verdeckte Tatsachenbehauptung enthaltene Äußerung, der Kläger habe E vergewaltigt, unwahr ist, stellen die Beklagten nicht in Abrede und bieten auch keinen Wahrheitsbeweis an, der ihnen gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB obliegen würde. Die Verbreitung dieser herabsetzenden unwahren (verdeckten) Tatsachenbehauptung muss der Kläger nicht hinnehmen.
Ob die in den Artikeln genannte Zahl von „86800 geschätzten vergewaltigten Frauen im Jahr“ zutreffend ist und/oder (einschließlich der sog. Dunkelziffer) auf der Grundlage statistischer Erhebung in jedenfalls vertretbarer Weise ermittelt wurde, ist für die Beurteilung der Unwahrheit der auf den Kläger bezogenen Behauptung einer Vergewaltigung unerheblich.
4. Gründe, die geeignet wären, die aufgrund der Erstbegehung bestehende Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr zu entkräften, sind von den Beklagten weder dargelegt worden noch – mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung – sonst ersichtlich. Insbesondere hat der rechtskräftige Freispruch des Klägers – wie auch die dem vorliegenden Verfahren zeigt – nicht zu einer Beendigung der diesbezüglichen Berichterstattung geführt.
5. Dass dem Kläger aus den in dem angefochtenen Urteil dargelegten Gründen ein Anspruch auf Freistellung von seinen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten für die Geltendmachung des danach bestehenden Unterlassungsanspruchs in der erstinstanzlich zugesprochenen Höhe zusteht, greifen die Beklagten nicht explizit an, so dass auf die diesbezügliche Begründung in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden kann.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Die Revision ist nicht entsprechend der Anregung der Beklagten zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
Berufungsstreitwert:
50.000,00 € (entsprechend der für richtig erachteten erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die von den Parteien keine Einwendungen erhoben wurden)