75.000 Euro Strafe für Pädophilieverdacht im Internet
Eigener Leitsatz:
Der Artikel „ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf“ auf der Internetplattform www.stern.de, in dem ein Pädophilieverdacht geäußert wird, stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffen dar. Aufgrund der Schwere des Eingriffs kann dieser nur durch eine Geldentschädigung ausgeglichen werden. Die Grenzen der Verdachtsberichterstattung werden nämlich dann überschritten, wenn die Behauptungen als sichere Tatsachen dargestellt werden. Den Lesern muss vielmehr eindeutig mitgeteilt werden, dass es sich um einen bloßen Verdacht handelt und vor Veröffentlichung muss dem Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden. Die Höhe der Geldentschädigung bei Internetveröffentlichungen ist dabei jedoch nicht höher anzusetzen als bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen in einer gedruckten Tageszeitung. Auch sind für die Höhe der Geldentschädigung weder die Anzahl der Seitenaufrufe noch die Platzierung des Artikels im Internetportal von Bedeutung.
Oberlandesgericht Dresden
Urteil vom 03.05.2012
Az.: 4 U 1883/11
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) sowie die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des LG Leipzig vom 11.11.2011 – 8 O 4330/08 – in Ziff. 1 und im Kostenpunkt abgeändert und – teilweise klarstellend – wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner eine Geldentschädigung in Höhe von 25.000,00 EUR zu zahlen. Die Beklagten zu 1) und 2) werden darüber hinaus verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger weitere 25.000,00 EUR zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dem Kläger aufgrund der Veröffentlichung und Verbreitung des Artikels „ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf“ am 22.6.2007 auf der Internetplattform www.stern.de der Beklagten zu 2) noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
3. Die Beklagte zu 3) wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1195,95 EUR gegenüber den Rechtsanwälten Hoffmann und Meier, Rossmarkt 5, 01662 Meißen freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehenden Berufungen der Beklagten und die weitergehende Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
a) Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz tragen der Kläger zu 63 %, die Beklagten zu 1) und 2) zu 18 % als Gesamtschuldner allein und zu weiteren 19 % als Gesamtschuldner zusammen mit der Beklagten zu 3). Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) trägt der Kläger zu 2/3, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) zu 1/3. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
b) Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren tragen der Kläger zu 59 %, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 20 % und zu weiteren 21 % als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 3). Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) trägt der Kläger zu 62 %, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) zu 12 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt im Verhältnis des Klägers zu den Beklagten zu 1) und 2) 160.000,00 EUR, im Verhältnis zur Beklagten zu 3) 29.908,85 EUR.
Gründe
I.
Der Kläger ist der ehemalige Rechtsabteilungsleiter der XY. Er nimmt die Beklagten wegen ihrer Berichterstattung in dem Artikel „Ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf“, die sich maßgeblich auf Aussagen der Beklagten zu 3) stützt und die auf der von der Beklagten zu 2) betriebenen Internetplattform www.stern.de ab dem 22.6.2007 zumindest bis zum 5.7.2007 abrufbar war, auf Schadenersatz, Feststellung der Einstandspflicht für materielle und immaterielle Zukunftsschäden und Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Er vertritt die Auffassung, durch diesen Artikel in schwerwiegender Weise in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt worden zu sein. Zu den Hintergründen dieser Berichterstattung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer immateriellen Entschädigung in Höhe von 25.000,00 EUR und die Beklagten zu 1) und 2) zur Zahlung einer weiteren Geldentschädigung in Höhe von 50.000,00 EUR verurteilt. Es hat des Weiteren die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dieser Berichterstattung zu ersetzen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die beanstandete Berichterstattung der Beklagten zu 1) und 2) im Internetportal www.stern.de ab dem 22.6.2007 stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers insofern dar, als dort die Behauptung aufgestellt werde, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen gehabt, sei faul, korrupt und Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes und habe die Beklagte zu 3) bedroht und eingeschüchtert. Die genannten Tatsachenbehauptungen würden zwar zum Teil nur verdeckt behauptet. Aus dem Gesamtzusammenhang des Artikels könne der Leser jedoch nur den einzigen Schluss ziehen, dass der Kläger pädophil veranlagt sei, eine sexuelle Beziehung zu einer 14-Jährigen gehabt habe und die Beklagte zu 3) als seine Sekretärin entlassen habe, nachdem sie von diesem Vorfällen Kenntnis erlangt habe. Auch die Schlussfolgerung, der Kläger sei faul, korrupt und in die sächsische Korruptionsaffäre verstrickt und habe die Beklagte zu 3) bedroht, werde dem Leser dort ebenfalls als unabweislich aufgedrängt. Dass sich der Bericht wesentlich auf Äußerungen der Beklagten zu 3) stütze, stehe einer Zurechnung auf die Beklagten zu 1) und 2) nicht entgegen, weil diese sich in dem Artikel von diesen Formulierungen nicht hinreichend distanziert hätten. Es handele sich hierbei um eine unzulässige Verdachtsberichterstattung, schon weil der Beklagte zu 1) einen Mindestbestand an Beweistatsachen nicht hinreichend sorgfältig recherchiert habe. Dafür, dass der Kläger ein sexuelles Verhältnis zu einem 14-jährigen Mädchen gehabt oder die Beklagte zu 3) bedroht und eingeschüchtert habe, gebe es neben den Behauptungen der Beklagten zu 3) keine hinreichenden Anhaltspunkte; der Beklagte zu 1) hätte jedoch berücksichtigen müssen, dass sich die Beklagte zu 3) in einer psychischen Ausnahmesituation und in psychologischer Behandlung befunden habe und erstmals zu einem Zeitpunkt von dem Mädchen „Lissy “ erzählt habe, als die „Sächsische Korruptionsaffäre“ bereits in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt war. Es fehle auch ein Mindestbestand an Beweistatsachen für die Behauptung, der Kläger sei korrupt gewesen und habe „die Hand aufgehalten“. Hierfür reiche das anonyme Schreiben Anlage B 12, das möglicherweise aus der Feder der Beklagten zu 3) stamme, ebenso wenig aus wie die als Anlage B 6 vorgelegte Auswertung des LKA Sachsen vom 29.2.2000. Ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht liege auch in der bewusst einseitigen, den Kläger belastenden Darstellung, die entlastende Argumente zu Lasten einer präjudizierenden Darstellung ausblende und dem Kläger keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Dass der Beklagte zu 1) mehrfach versucht habe, mit dem Kläger ein persönliches Gespräch anzuknüpfen, reiche nicht aus; es wäre ihm vielmehr ohne Weiteres zumutbar gewesen, dem Kläger einen schriftlichen Fragenkatalog zuzuleiten. Die Berichterstattung sei aber auch unzulässig, weil sie in die Intimsphäre des Klägers eingreife, indem eine von ihm erstellte Vergleichsliste zwischen seiner Geliebten und seiner Ehefrau ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werde.
Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts könne nur durch eine Geldentschädigung nachhaltig ausgeglichen werden. Die vom Kläger im einstweiligen Verfügungsverfahren erwirkten Unterlassungstitel reichten nicht aus, weil diese sich – einmal im Internet veröffentlicht – dort nicht mehr entfernen ließen. Dass Dritte die Äußerungen aus dem streitgegenständlichen Webauftritt kopiert hätten, müssten sich die Beklagten zu 1) und 2) zurechnen lassen. Durch eine Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 75.000,00 EUR sei dieser Beeinträchtigung Rechnung zu tragen. Die Geldentschädigung müsse zum einen fühlbar sein, zu Gunsten des Klägers sei auch zu berücksichtigen, dass er namentlich erwähnt und damit besonders schwer verletzt werde und dass die hiervon ausgehende Prangerwirkung eine Potenzierung der Eingriffsfolgen nach sich ziehe. Die von der Kammer angehörten Zeugen Dr. M. und S. K. hätten zudem glaubhaft bekundet, dass die streitgegenständliche Berichterstattung die Gesundheit des Klägers erheblich und nachhaltig beeinträchtigt hätte. Demgegenüber sprenge die vom Kläger geforderte Entschädigung von 150.000,00 EUR den Rahmen des Angemessenen. Auch ein Anspruch auf Freistellung von Ansprüchen der Rechtsanwälte H. & M. sowie Dr. H. & M. stehe dem Kläger nicht zu.
Demgegenüber habe er gegen die Beklagten zu 1) und 2) Anspruch auf die begehrte Feststellung. Es sei wahrscheinlich, dass potentielle künftige Arbeitgeber über den Kläger im Internet recherchieren, dort auf die streitgegenständliche Behauptungen stoßen und hiervon abgeschreckt würden. Da sich eine endgültige Aussage, ob bei dem Kläger aufgrund dessen noch immaterielle Spätfolgen eintreten können oder solche jedenfalls objektiv vorhersehbar sind, nicht treffen lasse, komme es auch nicht darauf an, ob für den Feststellungsantrag eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu fordern sei.
Die Beklagte zu 3) schulde dem Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 25.000,00 EUR. Die Berichterstattung der Beklagten zu 2) sei ihr zurechenbar, da sie als Informantin gewusst habe, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1) aus ihren Informationen ziehen werde. Dass sie ein Verhältnis des Klägers zu der 14-jährigen „Lissy“ nicht ausdrücklich behauptet habe, ändere hieran nichts. Auf § 193 StGB und auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung könne sie sich nicht berufen. Die von der Kammer durchgeführte Beweisaufnahme habe die Wahrheit ihrer Behauptungen nicht ergeben. Keiner der Zeugen habe bestätigt, den Kläger als jemanden, der „die Hand aufhält“ oder als „Drückeberger“ und „faulen Chef“ bezeichnet zu haben. Niemand habe auch bestätigt, dass der Kläger die Mitarbeiterin A. der XY als „diese alte Fotze“ beschimpft oder gegenüber der Beklagten zu 3) „Anzüglichkeiten“ geäußert habe. Für ihre Behauptung, sie habe in der Nacht vor dem geplanten Vernehmungstermin ihre Katze stranguliert vorgefunden und sei von Motorradfahrern, zu denen der Kläger Verbindung habe, brutal abgedrängt worden, habe sie keinen Beweis angeboten. Die Behauptung, ein Mädchen namens Lissy habe den Kläger in dessen Büro aufgesucht, sei auch nach der Anhörung der Beklagten zu 3) nicht bewiesen, weil starke Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit bestünden. Die Unterstellung, der Kläger habe zu „Lissy“ ein sexuelles Verhältnis unterhalten, sei unabhängig hiervon nicht gerechtfertigt. Da die Beklagte zu 3) mit der Veröffentlichung ihrer Angaben habe rechnen müssen und bewusst eine schwerwiegende Verletzung des klägerischen Persönlichkeitsrechts in Kauf genommen habe, sei eine empfindliche Geldentschädigung auch angemessen. Es wird im Übrigen auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung vertreten die Beklagten zu 1) und 2) die Auffassung, das Landgericht habe verkannt, dass der Artikel der Beklagten zu 2) unter dem Privileg der Verdachtsberichterstattung gestanden habe, weil die Vorgänge in Leipzig und der sog. Sachsensumpf die Öffentlichkeit in besonderem Maße bewegt hätten, es immer wieder Hinweise auf sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch den Kläger gegeben habe und zum Zeitpunkt der Berichterstattung das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Fehlerhaft sei das Landgericht auch davon ausgegangen, dass sich die Beklagten zu 1) und 2) die Aussagen der Beklagten zu 3) zu eigen gemacht hätten, obwohl schon durch die Beifügung von Anführungszeichen deutlich zum Ausdruck gebracht worden sei, dass lediglich deren Aussage referiert werden sollte. Die Überlegungen des Landgerichts zum Umfang einer möglichen Kontaktaufnahme seien lebensfremd, weil es zu den Üblichkeiten im Mediengeschäft gehöre, dass relevante Fragen erst in einem persönlichen Gespräch gestellt würden. Von einer weiteren Kontaktaufnahme hätte auch deswegen abgesehen werden können, weil der Kläger deutlich gemacht habe, dass er sich nicht äußern werde. Auch die Höhe des Geldentschädigungsanspruches sei vom Landgericht fehlerhaft ermittelt worden. Es fehle bereits an einer hinreichend schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung, weil die Darstellung des Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem Mädchen Lissy neutral sei und keine Interpretation in dem vom Landgericht angenommenen Sinne zulasse. Bei den weiteren in dem Artikel zitierten Äußerungen habe es sich entweder um den Kläger schützende Darstellungen oder um nicht weitere konkretisierte, belanglose oder wahre Behauptungen gehandelt. Sie ließen auch nicht den Schluss zu, dass es sich bei dem Kläger nach Auffassung der Beklagten um einen Faulpelz handele, die entgegenstehende Annahme des Landgerichts sei ebenso fehlerhaft wie die Auffassung, eine Verwicklung des Klägers in den Sachsensumpf könne aus den in dem Artikel mitgeteilten Kontakten zu Angehörigen der Leipziger Justiz geschlossen werden. Auch in diesem Zusammenhang müsse vielmehr berücksichtigt werden, dass die mitgeteilten Zusammenhänge zur „Sächsischen Korruptionsaffäre“ zutreffend aus den vorgelegten Unterlagen abgeleitet worden seien. Gegen eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung spreche auch, dass die Veröffentlichung ausschließlich im Internet erfolgt sei, Rechtsverletzungen im Internet aber üblicherweise mit geringeren Streitwerten versehen würden. Auch die Beeinträchtigung durch eine solche Berichterstattung sei geringer. Die ständige Aktualisierung im Internet führe nämlich dazu, dass jeder Artikel in kürzester Zeit seine Aktualität verliere. Veröffentlichungen und Verlinkungen des Artikels durch Dritte könnten den Beklagten ohnehin nicht zugerechnet werden, unabhängig davon, dass die im Urteil des Landgerichts aufgeführten Links heute „tot“ seien. Aus diesem Grund komme auch ein Feststellungsausspruch nicht in Betracht, da keine zurechenbaren Zukunftsschäden bestünden. Der Kläger hätte überdies einen Widerruf durchsetzen müssen, anstatt den nur subsidiären Geldentschädigungsanspruch geltend zu machen. Der Verwertung der Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeuginnen sei zu widersprechen, unabhängig davon, dass sie zum Beweisthema ohnehin nichts hätten beitragen können.
Die Beklagte zu 3) ist der Meinung, ihre Verurteilung zu einem Betrag von 25.000,00 EUR sei unangemessen hoch, weil sich das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem Bestrafungseffekt habe leiten lassen. Dass die Beklagte für ihre Behauptungen beweisfällig geblieben sei, betreffe den Grund des Anspruchs und könne anspruchserhöhend nicht berücksichtigt werden. Anders als das Landgericht annehme, beträfen die streitgegenständlichen Äußerungen nur die Privat- nicht aber die Intimsphäre des Klägers, weil keine Details zu seiner außerehelichen Beziehung mitgeteilt würden. Eine verdeckte Äußerung, der Kläger unterhalte sexuelle Beziehungen zu einer Minderjährigen, sei der Berichterstattung bereits nicht zu entnehmen. Nur infolge fehlerhafter Beweiswürdigung sei das Landgericht im Übrigen zu der Schlussfolgerung gelangt, infolge der Berichterstattung sei bei dem Kläger eine schwerwiegende Depression ausgebrochen. Die Zeugin M. habe jedoch erhebliche Kenntnislücken in ihrem Fachgebiet erkennen lassen, die Zweifel an der von ihr gestellten Diagnose begründeten. Die Zeugin K. habe zu einer psychischen Erkrankung nichts ausgesagt und habe überdies ein erhebliches Interesse am Ausgang des Verfahrens.
Die Beklagten beantragen,
Das Urteil des Landgerichts aufzuheben soweit es zu ihrem Nachteil ergangen ist und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung das angefochtene Urteil abzuändern und
die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, zum Ausgleich des entstandenen immateriellen Schadens durch die streitgegenständliche Berichterstattung über die ausgeurteilte Summe hinaus einen Betrag zu zahlen, der in das Ermessen des Gerichts gestellt wird (Vorstellung insgesamt 150.000,00 EUR),
die Beklagte zu 3) zu verurteilen, im Wege der Freistellung des Klägers an die Rechtsanwälte Hoffmann und Meier, Rossmarkt 5, 01662 Meißen, Kosten in Höhe von 4.908,85 EUR zu zahlen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es die Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung ausspricht behauptet ferner, infolge der streitgegenständlichen Berichterstattung nach wie vor schwer erkrankt zu sein und vertritt die Auffassung, die Beklagten könnten die Privilegierung der Verdachtsberichterstattung nicht für sich in Anspruch nehmen, weil im Zeitpunkt der Berichterstattung ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger noch nicht einmal begonnen habe und es keinen über Spekulationen hinausgehenden Anfangsverdacht gegeben habe. Die Aussage der Beklagten zu 3) sei für eine solch tiefgreifende Berichterstattung nicht ausreichend gewesen, weitere Recherchen habe der Beklagte zu 1) rechtswidrig unterlassen und auch nicht um eine Stellungnahme des Klägers zu dem konkret benannten Vorwurf nachgesucht. Vor diesem Hintergrund sei es in besonderer Weise persönlichkeitsrechtsverletzend, dass die Beklagte zu 2) in dem streitgegenständlichen Artikel zahlreiche unbewiesene Gerüchte verbreitet habe. Dabei entlaste es sie auch nicht, dass sie diese mit einschränkenden Zusätzen versehen oder Negativbehauptungen als bloße Verdächtigungen gekennzeichnet habe.
Mit der Anschlussberufung begehrt er darüber hinaus die Verdoppelung des vom Landgericht zugesprochenen Betrages sowie die Verurteilung der Beklagten zu 3) zur Freistellung von vorprozessualen Anwaltskosten. Er vertritt die Auffassung, einige der vom Landgericht zur Reduzierung des zugesprochenen Betrages herangezogenen Gesichtspunkte seien aus Rechtsgründen nicht zu berücksichtigen. So sei es nicht relevant, dass mehrere Artikel zur Sachsen-Korruptionsaffäre im Umfeld des hier streitgegenständlichen Berichts erschienen seien, weil keine Identität zwischen den dortigen Vorwürfen und dem Inhalt des Berichts bestehe und auch die namensidentifizierende Berichterstattung Dritter über den Kläger rechtswidrig und als Verdachtsberichterstattung nicht zulässig gewesen sei. Eine Reduzierung des Entschädigungsbeitrages aufgrund eines öffentlichen Interesses komme ohnehin nicht in Betracht. Umgekehrt hätte aber Berücksichtigung finden müssen, dass die Beklagten zu 1) und 2) aus rücksichtslosem Gewinnstreben gehandelt hätten. Auch habe das Landgericht nicht berücksichtigen dürfen, dass der Kläger keine Gegendarstellung erwirkt habe, weil diese nicht geeignet sei, die Folgen der Verleumdung und üblen Nachrede aus der Welt zu schaffen. Entschädigungserhöhend sei demgegenüber zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 3) durch ihre Unterstellungen ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger veranlasst und ihn dort eindeutig der Pädophilie bezichtigt habe. Erst aufgrund ihrer Behauptungen und des daraufhin erschienenen Artikels habe die StA Dresden das Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aus diesem Grund hafte die Beklagte zu 3) auch für die notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung in diesem Verfahren.
Die Beklagten beantragen,
die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil, soweit es zu ihren Gunsten ergangen ist. Die Beklagte zu 3) vertritt darüber hinaus die Auffassung, durch ihre Behauptungen nicht gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verstoßen zu haben. Der Anspruch auf Freistellung von den Verteidigerkosten des Ermittlungsverfahrens sei auch der Höhe nach nicht nachvollziehbar. Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die selbständigen Berufungen der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig, insbesondere entsprechen sie §§ 517, 519, 520, 524 ZPO. Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) sowie die auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren gerichtete Anschlussberufung des Klägers haben teilweise Erfolg, die Berufung der Beklagten zu 3) sowie die auf Erhöhung der zugesprochenen Entschädigung gerichtete Anschlussberufung des Klägers sind hingegen unbegründet. Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und auf Feststellung der Einstandspflicht gegenüber allen Beklagten zusteht.
A. Berufung der Beklagten zu 1) und 2):
Nach der ständigen Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof begründet die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dieser Anspruch gründet auf dem Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und wird demgemäß aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und Art. 2 GG hergeleitet (vgl. BGH NJW 2006, 605; VersR 1996, 339; vgl. BVerfGE 34, 269 – Soraya; BVerfG VersR 2000, 897). Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab; es kommt nicht allein auf die Schwere des Eingriffs an (st. Rspr. vgl. nur BGH VersR 2010, 266; VersR 1996, 341; BGHZ 128, 1, 12; 132, 13; 160, 298; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 591). Dies kann nur aufgrund einer Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Vorliegend sind diese Voraussetzungen gegeben.
1. Dass der Kläger durch den streitgegenständlichen Artikel „Ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf“, der am 22.6.2007 auf der Internetplattform der Beklagten eingestellt wurde und dort zumindest bis zum 5.7.2007 verblieben ist, eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung erlitten hat, hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen festgestellt. Insbesondere hat es im Rahmen der gebotenen Abwägung zutreffend darauf abgehoben, dass der Artikel die in dem Feststellungsantrag im Einzelnen aufgeführten Tatsachenbehauptungen teils offen und teils verdeckt enthält und dem Leser insoweit die in dem Artikel aufgeführten Schlussfolgerungen als unabweislich aufdrängt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insofern auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Die Berufung der Beklagten stellt dem lediglich eine abweichende Beweiswürdigung entgegen, die jedoch nicht überzeugt. Die Wiedergabe von angeblichen Kollegenäußerungen, wonach der Kläger als „pädophiler Arsch“ bezeichnet worden sei, lässt in Verbindung mit seiner Benennung als „Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution“ und dem Bericht der Beklagten zu 3) über den Besuch des Mädchens Lissy für den verständigen Durchschnittsleser nur die Schlussfolgerung zu, der Kläger habe auch zu diesem eine pädophile Beziehung unterhalten. Dass die Beklagte zu 3) sich in diesem Sinne geäußert hat, verdeutlicht neben den vom Landgericht (S. 20) genannten Textpassagen auch der drittletzte Absatz des Artikels, in dem es zusammenfassend heißt „Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden… Denn wer denkt denn an so was“. Die nach der Beweisaufnahme unwahren Äußerungen über das Verhalten des Klägers zu Kollegen und seine Einstellung zur Arbeitszeit beeinträchtigen ebenfalls das Persönlichkeitsrecht des Klägers, weil sie zwar lediglich seine Sozialsphäre betreffen, ihn jedoch in der Gesamtschau der Behauptungen als jemanden porträtieren, der seine Arbeit vorwiegend durch die Beklagte zu 3) erledigen ließ.
2. Die beanstandeten Äußerungen haben die Beklagten zu 1) und 2) auch nicht lediglich von der Beklagten zu 3) übernommen und verbreitet, sondern sich diese selbst zu eigen gemacht. Ein solches Zu-Eigen-Machen liegt nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig dann vor, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint (BGH AfP 2010, 72; WRP 2009, 1262). Auch undistanziert wiedergegebene Äußerungen Dritter können dem Verbreiter zugerechnet werden (BGH AfP 2010, 72; BGHZ 132, 13ff.). Um die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungs- und Pressefreiheit nicht über Gebühr zu beeinträchtigen, ist bei der Annahme einer solchen Zueignung jedoch Zurückhaltung geboten. Abzulehnen ist sie etwa beim Abdruck einer Presseschau (vgl. BVerfG WM 2009, 1706) oder bei der Veröffentlichung eines klassisch in Frage und Antwort gegliederten Interviews (vgl. BGHZ 132, 13ff; LG Düsseldorf, AfP 1999, 518). Allerdings macht sich ein Presseorgan die ehrenrührige Äußerung eines Dritten in einem Interview auch nicht schon mit deren Verbreitung dadurch zu eigen, dass es sich nicht ausdrücklich davon distanziert (BVerfG, WM 2009, 1706; BGH AfP 2010, 72 unter Hinweis auf EGMR, Urteile vom 29. März 2001, Beschwerde Nr. 38432/97, Thoma/Luxemburg, Rn. 64; vom 30. März 2004, Beschwerde Nr. 53984/00, Radio France u.a./Frankreich, Rn. 37 ff.; vom 14. Dezember 2006, Beschwerde Nr. 76918/01, Verlagsgruppe News GmbH/Österreich, Rn. 33 sowie die entgegenstehende Rechtsprechung des OLG München, ZUM 1985, 632 und des OLG Hamburg ZUM-RD 2007, 476; vgl. im Übrigen Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Aufl., Kap. 39 Rn. 15). Vorliegend haben sich die Beklagten zu 1) und 2) die beanstandeten Äußerungen aber durch die nahtlose Einbindung in den Text und die nahezu bruchlose Verschmelzung von Interviewabschnitten mit Passagen in indirekter Rede sowie die von dem Beklagen zu 1) hergestellte Verbindung zur sog. Sächsischen Korruptionsaffäre bereits im Einleitungstext in hinreichender Weise zu eigen gemacht, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat. Dass die entsprechenden Zitate der Beklagten zu 3) lediglich in Anführungsstriche gesetzt sind, steht dem nicht entgegen, weil der gesamte Artikel aus derartigen Zitaten besteht, die mit zustimmenden und bewertenden Kommentierungen der Beklagten zu 1) und 2) miteinander verbunden sind. Der die Abbildung der Beklagten zu 3) begleitende Text „K. C. wurde ihre eigene Diskretion zum Verhängnis“ macht ebenso wie die Bewertung des klägerischen Verhaltens als „Mobbing“ und der Kündigung der Beklagten zu 3) als „abgekartet“ deutlich, dass auch der Beklagte zu 1) als Verfasser des Artikels die Auffassung der Beklagten zu 3) teilt.
3. Nach der auch im Zivilrecht anwendbaren Beweisregel des § 186 StGB wirkt es sich zum Nachteil desjenigen aus, der in Bezug auf einen anderen Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, diesen verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wenn sich seine Vorwürfe nicht erweisen lassen (Meyer in: Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 2. Aufl., Kap. 42 Rn. 30). Diesen Beweis haben die Beklagten nicht erbracht. Im Anschluss an die Beweiserhebung des Landgerichts, deren Wiederholung nicht geboten erscheint (§ 5290 ZPO), steht auch zur Überzeugung des Senats gem. § 286 ZPO fest, dass sämtliche der von der Beklagten zu 3) übernommenen Äußerungen nicht gefallen sind und es auch das Mädchen „Lissy“, mit dem der Kläger eine Beziehung gehabt haben soll, nicht gibt. Die gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger geführten Ermittlungsverfahren 900 Js 33979/07 und 900 Js 25679/07 sind überdies mit Verfügungen der StA Dresden vom 7.4. und 28.4.2008 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, ein im Jahre 2000 gegen den Kläger geführtes Vorermittlungsverfahren wurde nicht in ein Ermittlungsverfahren überführt. Dass die – verdeckte – Behauptung, der Kläger habe ein intimes Verhältnis mit einer 14-jährigen unterhalten, auch in einem Interview der Beklagten zu 3) mit dem MDR-Magazin Fakt enthalten ist und auch von der BILD-Zeitung und anderen Medien verbreitet wurde, entlastet die Beklagten nicht. Denn wer ein ehrverletzendes Gerücht verbreitet, erbringt den Wahrheitsbeweis nicht dadurch, dass er dartut, auch andere hätten das Gerücht verbreitet, vielmehr ist der Wahrheitsbeweis nur geführt, wenn gerade die ehrenrührige Tatsachenbehauptung selbst als wahr festgestellt wird (vgl. BGH VersR 1969, 62; KG ZUM-RD 2004, 234).
4. Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, die zitierten Behauptungen seien als Äußerung eines Verdachts im Zeitpunkt der Berichterstattung zulässig gewesen.
a) Voraussetzung einer jeden Verdachtsberichterstattung – sei es, dass über laufende polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, sei es, dass über selbst recherchierte Missstände berichtet wird – ist nach einhelliger Auffassung ein Mindestbestand an Beweistatsachen, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit überhaupt erst „Öffentlichkeitswert“ verleiht. Dabei sind die Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Sie darf keine Vorverurteilung enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei bereits überführt. Unzulässig ist eine auf Sensationen abzielende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung. Auch die zur Verteidigung des Betroffenen vorgetragenen Tatsachen und Argumente müssen berücksichtigt werden, was regelmäßig die Einholung einer Stellungnahme des Verdächtigen erforderlich macht. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Allerdings dürfen die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt und die Wahrheitspflicht nicht überspannt und insbesondere nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet. Dürfte die Presse, falls der Ruf einer Person gefährdet ist, nur solche Informationen verbreiten, deren Wahrheit im Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits mit Sicherheit feststeht, so könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgaben bei der öffentlichen Meinungsbildung nicht durchweg erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass ihre ohnehin begrenzten Mittel zur Ermittlung der Wahrheit durch den Zwang zur aktuellen Berichterstattung verkürzt sind. Deshalb verdienen im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit regelmäßig die aktuelle Berichterstattung und mithin das Informationsinteresse jedenfalls dann den Vorrang, wenn die oben dargestellten Sorgfaltsanforderungen eingehalten sind. Stellt sich in einem solchen Fall später die Unwahrheit der Äußerung heraus, so ist diese als im Äußerungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen, so dass Widerruf und Schadensersatz nicht in Betracht kommen. Hiernach kann auch die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 MRK – soweit sie überhaupt für die Presse gelten kann – die Freiheit der Berichterstattung zumindest dann nicht einschränken, wenn die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung eingehalten werden (so ausdrücklich BGH NJW 2000, 1036; Senat NJW 2004, 1181).
b) Vorliegend sind die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung indes schon deswegen überschritten, weil die übernommenen Behauptungen sich an keiner Stelle auf die bloße Äußerung eines Verdachts gegenüber dem Kläger beschränken und auch keine ihn entlastenden Umstände wiedergeben. Vielmehr werden die Behauptungen der Beklagten zu 3), auch soweit sie – wie die angebliche Vorsprache des Mädchens Lissy im Dezember 2004 – den unausgesprochenen Vorwurf enthalten, der Kläger habe sich in strafbarer Weise sexuell mit Minderjährigen eingelassen, als unumstößliche Tatsachen dargestellt, die aufgrund der Aussage der Beklagten zu 3) für den Leser gleichsam sicher feststehen. Darüber, dass es sich um einen bloßen Verdacht handelt, müssen die Mitteilungsempfänger in- des ausreichend unterrichtet werden. Insbesondere kann der Behauptende sich auch nicht auf den Standpunkt zurückziehen, insofern lediglich Wahres zitiert zu haben, als die Quelle für sich betrachtet zutreffend zitiert habe (BGH NJW 1977, 1288; Wenzel-Burkhardt, aaO. Kap. 10 Rn 161).
Für einen solchen Verdacht bestand überdies kein hinreichender Bestand an Mindesttatsachen. Die Aussage der Beklagten zu 3) bot hierfür aus den Gründen der Einstellungsmitteilung im Ermittlungsverfahren 900 Js 33979/07 der StA Dresden keinen hinreichenden Anhalt und hätte daher ohne weitere Recherche nicht übernommen werden dürfen (s.u.). Darüber ergab sich zwar aus den Unterlagen des Verfassungsschutzes, über die auch der Beklagte zu 1) bei seiner Recherche verfügte, dass sich der Kläger „bis zum heutigen Tag“ mit „Kindern vergnügt“. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um einen für die Öffentlichkeit bestimmten Verfassungsschutzbericht, in den nach § 2 Abs. 1 S. 2 SächsVSG nur konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Verdachtsmomente aufgenommen werden dürfen, deren Verbreitung durch die Presse regelmäßig zulässig ist, solange an dem Gegenstand der Veröffentlichung ein schützenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht (OLG Köln AfP 1976, 185; a.A. allerdings Wenzel-Burkhardt aaO. Kap 10 Rn 209). Zur pressemäßigen Sorgfalt hätte es daher gehört im Vorfeld einer Veröffentlichung zu prüfen, ob auch der als geheim eingestufte Vermerk des LfV Sachsen als Erkenntnisquelle hinreichend zuverlässig war (vgl. hierzu BGH MDR 1969, 651; OLG Düsseldorf aaO). Eine solche Zuverlässigkeit ergab sich nicht schon daraus, dass die Erkenntnisse des LfV Sachsen im Zusammenhang mit der parlamentarischen Erörterung des sog. Sachsensumpfes umfangreich Gegenstand der Beratungen im Sächsischen Landtag waren. Auch die Beklagte trägt nicht vor, aufgrund welcher Umstände sie hätte annehmen dürfen, der sächsische Landtag habe in Bezug auf die Glaubhaftigkeit der in dem Bericht enthaltenen Vorwürfe über überlegene Erkenntnismöglichkeiten verfügt. Unabhängig hiervon waren auch die Vorwürfe gegen den Kläger zu keinem Zeitpunkt Gegenstand dieser parlamentarischen Erörterungen. Bei dieser Sachlage war die Beklagte vielmehr gehalten, die ihr vorliegenden Unterlagen weiter abzuklären. Ist eine solche Überprüfung nicht möglich hat die Presse auf die Veröffentlichung im Zweifel zu verzichten (Wenzel-Burkhardt, aaO. Kap. 10 Rn 156).
c) Dass aufgrund der von der Beklagten zu 3) erhobenen Vorwürfe gegen den Kläger unter dem Az 900 Js 33979/07 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, berechtigte die Beklagten gleichfalls nicht, durch verdeckte Behauptungen den Kläger des sexuellen Missbrauch von Minderjährigen zu verdächtigen. Grundsätzlich darf zwar über den Stand eines Ermittlungsverfahrens berichtet werden. Allerdings ist zu beachten, in welchem Stadium sich das Ermittlungsverfahren befindet. Da jedermann Strafanzeige erstatten kann, sie also für sich betrachtet nicht viel besagt, gehen hier die Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen vor, solange nicht ein besonderes Informationsinteresse besteht. Für die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens gilt Ähnliches, auch wenn hier die Staatsanwaltschaft den erforderlichen Anfangsverdacht bejaht hat. Je weiter das Ermittlungsverfahren seinen Fortgang nimmt, desto eher geht das Informationsinteresse dem Geheimhaltungsinteresse vor. In allen Fällen aber ist zu beachten, dass Berichte über polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen für den Beschuldigten die Gefahr einer Prangerwirkung und sonstiger u.U. schwerer Nachteile mit sich bringen. Keinesfalls darf daher das Maß der Verdächtigung über das Ermittlungsergebnis hinausgehen, sofern keine verlässlichen Zusatzinformationen vorliegen (Burkhardt aaO. Kap. 10 Rdn. 166, 167, 170; Senat, NJW 2004, 1181). Vorliegend bestanden indes, wie sich aus der als Anlage K 28 vorgelegten Einstellungsmitteilung der StA Dresden vom 7.4.2008 ergibt, von Anfang an Zweifel am Bestehen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts, die sich auch im Folgen durch die Vernehmung der Beklagten zu 3) nicht verdichteten. Ob gleichwohl eine Berichterstattung über die Aufnahme dieses Ermittlungsverfahrens zulässig gewesen wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden, da der streitgegenständliche Artikel einen Hinweis auf diese Ermittlungsverfahren nicht enthält. Der Verlauf des Ermittlungsverfahrens und die dort gewonnene Erkenntnisse rechtfertigten eine namentliche Erwähnung des Klägers im Zusammenhang mit der verdeckten Behauptung des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger jedenfalls nicht.
d) Die übrigen Behauptungen der Beklagten, die Gegenstand des Artikels sind, sind nicht von derart gravierendem Gewicht, dass die Allgemeinheit an ihrer Mitteilung ein besonderes Informationsinteresse hätte. Die Affäre um den sog. Sachsensumpf, die insbesondere im Jahre 2007 die Öffentlichkeit in Sachsen erheblich beschäftigte, wird zwar im Einleitungstext des Artikels genannt, ist jedoch weder Anlass noch Gegenstand der Berichterstattung, sondern dient nur als Aufhänger, um die Vorwürfe der Beklagten zu 3) auszubreiten. Deren Behauptungen bewegen sich aber überwiegend auf der Ebene des bösartigen Büroklatsches, ohne auch nur für sich in Anspruch zu nehmen, die Rolle des Klägers in der sächsischen Korruptionsaffäre zu beleuchten. An der Wiedergabe von Kollegenäußerungen, ausweislich deren der Kläger als „Faulpelz“ und „pädophiler Arsch“ bezeichnet wird, von angeblichen Anzüglichkeiten gegenüber der Beklagten zu 3) und der vom Kläger erstellten Vergleichsliste zwischen seiner Ehefrau und seiner Geliebten ist aber kein Interesse der Öffentlichkeit ersichtlich. Auch die Vorwürfe des Mobbings und der anzüglichen Ausdrucksweise gegenüber dem Kläger rechtfertigen eine Verdachtsberichterstattung bereits im Ausgangspunkt nicht.
e) Die Beklagten zu 1) und 2) hätten überdies dem Kläger angesichts der Tragweite des gegen ihn geäußerten Pädophilieverdachts und des darin liegenden Eingriffs in seine Intimsphäre und der Auswirkungen, die hieraus für seinen Ruf und sein Ansehen sowie seine berufliche und soziale Stellung erwachsen konnten, vor der Veröffentlichung ausreichend und in weitergehendem Umfang Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, um auch seinen Standpunkt zu erfahren und gegebenenfalls zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, NJW 1996, 1131; NJW 1997, 1148; NJW 2000, 1036). Diese Sorgfalt hat der Beklagte zu 1) missachtet. Anders als die Beklagten annehmen, reicht zur Erfüllung dieser presserechtlichen Obliegenheit, die Voraussetzung für ein überwiegendes Informationsinteresse der Presse gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffen ist, die bloße Kontaktaufnahme per E-Mail ohne eine konkrete Darlegung des Gegenstandes, zu dem eine Stellungnahme erbeten wird, nicht aus; auch ist dem Betroffenen eine ausreichende Stellungnahmefrist einzuräumen (vgl. etwa KG ZUM-RD 211, 468). Dem Landgericht ist auch insofern darin beizupflichten, dass die aus den Anlagen B 13 bis B 16 (Anlagenband B 2) zum Ausdruck kommenden Versuche, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen und ihn zu einer Stellungnahme zu bewegen, diesen Anforderungen nicht genügten, schon weil die Vorwürfe nicht in Form konkreter Fragen gefasst waren, sondern bei dem Kläger den Eindruck erwecken sollten, er solle allgemein zu seiner Rolle im „Sachsensumpf“, beginnend mit dem Attentat auf ihn im Jahre 1994 Stellung nehmen. Der E-Mail vom 10.6.2007 (Anlage B 14) an die Prozessbevollmächtigte des Klägers ist nur zu entnehmen, dass es um „Herkunft und Hintergrund möglicher Verleumdungen geht“, die „teilweise unappetitliche Dinge“ beträfen. Auch die E-Mail vom 11.6.2007 nimmt nur Bezug auf „Vorwürfe ihrer ehemaligen Sekretärin, die nicht nur arbeitsrechtlicher Natur“ seien. Die an den Zeugen H. von der XY gerichtete Mail vom 13.6.2007 legte überdies nahe, dass es um unberechtigte Provisionen für die Vermittlung einer XY-Tochterfirma in den Jahren 1999/2000 gehen sollte, die in dem streitgegenständlichen Artikel aber allenfalls am Rande auftauchen. Dass der Kläger in den vorgelegten E-Mails eine Stellungnahme pauschal ablehnte, ist bei dieser Sachlage unerheblich. Denn ein Verzicht auf die gebotene Möglichkeit Stellung zu nehmen kann erst dann angenommen werden, wenn der Betroffene weiß, wozu er Stellung nehmen soll. Eine pauschale Anfrage, die ihm diese Kenntnis nicht vermittelt, kann hingegen nicht Grundlage für einen solchen Verzicht sein. Der Verweis der Beklagten auf die presserechtliche Üblichkeit, einen Verdächtigen erst in einem persönlichen Gespräch mit den konkret gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu konfrontieren, mag die Praxis zutreffend beschreiben; an den im Rahmen der Verdachtsberichterstattung zu stellenden Anforderungen ändert dies nichts. Ein überwiegendes Informationsinteresse und eine Berechtigung der Beklagten, die Behauptungen der Beklagten zu 3) aufzugreifen, hat das Landgericht bei dieser Sachlage zu Recht verneint.
5. Der Anspruch auf eine Geldentschädigung ist auch nicht subsidiär zu den von dem Kläger erwirkten Unterlassungsverfügungen des Landgerichts Hamburg vom 4.9.2007 (Anlage 2 und 3), die die Beklagte zu 2) als endgültig rechtsverbindlich anerkannt hat, oder der Möglichkeit, einen Widerruf oder eine Gegendarstellung abdrucken zu lassen. Nach allgemeiner Auffassung hat allerdings der Anspruch auf eine Geldentschädigung zurückzutreten, wenn die Verletzung auf andere Weise hinreichend ausgeglichen werden kann. Auch ein zuvor erwirkter Unterlassungstitel und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen können grundsätzlich nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und ihn im Zweifel sogar ausschließen (BGH VersR 2010, 266; Beschluss vom 30. Juni 2009 – VI ZR 340/08 – juris). Durch die Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 15.3.1970 (NJW 1970, 1077) hat der BGH jedoch zum Ausdruck gebracht, dass hierfür neben einem Unterlassungstitel in der Regel ein Widerruf des Verletzers vorliegen muss. Einen Widerruf der ihn beeinträchtigenden Behauptungen hat der Kläger indes weder geltend gemacht noch kann er mit Blick auf die ihn insoweit treffende Beweislast hierauf verwiesen werden. Dem Senat ist aus zahlreichen Verfahren bekannt, dass die Durchsetzung eines Unterlassungs- oder Widerrufsanspruches gegenüber Veröffentlichungen im Internet weitgehend erfolglos ist, soweit nicht lediglich die Primärmitteilung beseitigt, sondern auch die weitere Verbreitung durch Blogs, Verlinkungen etc. unterbunden werden soll. Hierauf weist auch das Landgericht völlig zu Recht hin. Die presserechtliche Inanspruchnahme eines Internetportals hat aber darüber hinaus vielfach sogar einen gegenläufigen Effekt: Anstatt dass die Information unterdrückt wird, breitet sie sich nämlich durch „Spiegelungen“ im Internet oder Verbreitung in Filesharing-Netzen aus. Zahlreiche Nutzer im Internet interpretieren nämlich die Unterdrückung von Inhalten als Störung oder Zensur und finden für die Verbreitung eine „Ausweich-Route“. Auch wenn ein solches Verhalten Dritter der Beklagten zu 2) schon mit Blick auf ihre in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft bekundeten Bemühungen, gegen in der Weiterverbreitung ihrer Artikel liegende Urheberrechtsverletzungen vorzugehen, nicht zugerechnet werden kann, kann aber andererseits auch der Verletzte bei einer schweren und nachhaltigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts, wie sie hier gegeben ist, nicht auf einen faktisch wirkungslosen Unterlassungsanspruch verwiesen werden. Eine Obliegenheit, zur Abwehr immaterieller Einbußen einen Gegendarstellungsanspruch durchzusetzen, besteht ebenfalls nicht, schon weil die Gegendarstellung keine presserechtliche Sanktion ist und keine Genugtuung bewirkt (OLG Köln NJW-RR 2000, 470; OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 479; Wenzel-Burkhardt, aaO. 14 Rn 123).
6. Zutreffend hat das Landgericht auch darauf abgestellt, dass die kritiklose Übernahme der erheblich persönlichkeitsrechtsverletzenden Behauptungen der Beklagten zu 3), in der ein Bild des Klägers als eines gewissen- und skrupellosen pädophilen Täters gezeichnet wird, der weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung schwerer Straftaten zurückschreckt, geeignet war, den Kläger gesellschaftlich zu vernichten und auch vor dem Hintergrund der erhitzten öffentlichen Meinung nach den ersten Berichten zum sog. Sachsensumpf zumindest auch dem Ziel diente, durch eine reißerische Berichterstattung die Wahrnehmung des Portals zu erhöhen und dass hierin eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers zu sehen ist. Demgegenüber kommt es für die Schwere der Beeinträchtigung als anspruchsbegründendes Merkmal des Geldentschädigungsanspruches nicht darauf an, ob der Kläger durch die Vernehmung der Zeuginnen Dr. M. und K. mit einer für das Beweismaß des § 286 ZPO zu fordernden Gewissheit bewiesen hat, dass er gerade durch den streitgegenständlichen Artikel depressiv geworden ist. Es genügt vielmehr, dass der Artikel grundsätzlich geeignet ist, solche Wirkungen hervorzurufen. Dies ist hier der Fall.
7. Bei der Bemessung der Höhe des Geldentschädigungsanspruches war allerdings über die vom Landgericht genannten Gesichtspunkte hinaus zu berücksichtigen, dass die – verdeckte – Behauptung, der Kläger habe eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen unterhalten und sei pädophil veranlagt, nicht allein in dem streitgegenständlichen Artikel enthalten ist, sondern bereits am 13.6.2007 in der BILD-Zeitung veröffentlicht worden war. In gleicher Weise hatte sich die Beklagte zu 3) zuvor im MDR-Magazin Fakt vom 11.6.2007 geäußert.
a) Die im MDR-Magazin Fakt vom 11.6.2007 und in der Bild-Zeitung vom 13.6.2007 erhobenen Behauptungen bezüglich der sexuellen Orientierung des Klägers stellten zwar, auch wenn sie sämtlich innerhalb einer kurzen Zeitspanne erfolgten, selbständige punktuelle Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, die dessen Selbstbestimmungsrecht stets neu verletzten und deshalb jeweils für sich zu beurteilen sind (vgl. BGH NJW 1985, 1617; a.A. OLG Hamburg GRUR-RR 1994, 80). Nach der Rechtsprechung des BVerfG (NJW-RR 2010, 1195) kann aber nicht außer Betracht bleiben, wenn eine Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt ist und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitprägt. Ein solcher Umstand ist regelmäßig geeignet, das Gewicht der Weiterverbreitung dieser Behauptungen gegenüber dem Ersteingriff erheblich zu mindern (BVerfG aaO. unter Hinweis auf BGH, NJW 1999, 2893 sowie EGMR, NJW 1999, S. 1315; Wenzel-Burkhardt aaO. Kap. 14 Rn 141). Demgegenüber steht die erhebliche Rufschädigung, die der Vorwurf der Pädophilie regelmäßig nach sich zieht. Diese ist regelmäßig lang anhaltend und führt vielfach zu einer gesellschaftlichen Isolierung des Betroffenen. Anschaulich wird diese Rufschädigung durch den bei den Verfahrensakten befindlichen Ausdruck des streitgegenständlichen Beitrages belegt, in dem der Kläger von unbekannten Kommentatoren mit dem belgischen Kindsmörder Dutroux verglichen wird. Im Rahmen des auch für die Höhe des Geldentschädigungsanspruches maßgeblichen Beweismaßes des § 287 ZPO geht der Senat hier davon aus, dass die vom Kläger durch Vorlage diverser Befundberichte belegte depressive Störung, die bis zum heutigen Tage anhält, zumindest mitursächlich durch die streitgegenständliche Berichterstattung verursacht wurde. Einer Beweisaufnahme zu der Behauptung der Beklagten, dieses Krankheitsbild sei nicht durch ihre Berichterstattung, sondern bereits durch die vorausgegangene Berichterstattung namentlich der BILD-Zeitung und im MDR-Magazin „Fakt“ entstanden, bedurfte es nicht. Sowohl der streitgegenständliche Bericht als auch die parallel erfolgten Pädophilievorwürfe in anderen Medien sind für sich genommen geeignet, schwerwiegende psychische Folgeschäden, zumindest aber eine längerfristige depressive Verstimmung hervorzurufen. Es liegt damit eine Doppelkausalität vor, die für eine Haftungsbegründung ausreicht (vgl. hierzu BGH NJW 2004, 2528; Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl. vor § 249 Rn 34).
b) Anders als die Beklagten meinen, ist vorliegend der Entschädigungsanspruch auch nicht im Hinblick auf sämtliche, im Zeitraum ab Mai 2007 erschienenen Veröffentlichungen, die sich mit dem Kläger befassen, zu mindern. Denn nur die Veröffentlichungen im MDR-Magazin Fakt und in der Bild-Zeitung vom 13.6.2007 sowie in der Online-Ausgabe der LVZ befassten sich mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen. Die in den Anlagen B 20 bis B 52 vorgelegten Veröffentlichungen namentlich im Spiegel, in der Süddeutschen Zeitung und der FAZ beschäftigen sich demgegenüber mit dem Attentat auf den Kläger im Jahre 1994, seiner möglichen Verbindungen zu dem „Kinderbordell“ Jasmin, seiner Verwicklung in den „Sachsensumpf“, der Aubis-Affäre und mit dem Vorwurf der Urkundenfälschung im Zusammenhang mit Verkehrsordnungswidrigkeiten. Die weiteren von der Beklagten zu 3) erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit der Arbeitseinstellung des Klägers, seines Verhaltens am Arbeitsplatz, den Umständen ihrer Kündigung und der angeblichen anonymen Bedrohung sind in keinem der im zeitlichen Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Berichterstattung erschienen Artikel aufgeführt.
c) Die Auffassung des Klägers, die Geldentschädigung sei bei einer Internetveröffentlichung stets höher anzusetzen als bei einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Veröffentlichung in einer gedruckten Tageszeitung, weil durch die Einstellung auf einem Internetportal die Gefahr einer uferlosen Verbreitung begründet wird und das Internet „nichts vergisst“, teilt der Senat nicht. Eine solche Betrachtung lässt außer Acht, dass die Verlinkung auf diesen Beitrag und die sonstige Weiterverbreitung in anderen Portalen nicht vom Willen des Verletzers abhängig ist und diesem damit nicht zugerechnet werden kann. Unter dem Gesichtspunkt der Prävention, der maßgeblich die Höhe der zuzubilligenden Entschädigung prägt (BGH NJW 2000, 2187; NJW 1996, 984), ist hiernach eine Erhöhung des zuzusprechenden Betrages nicht gerechtfertigt. Eine Orientierung der Entschädigungshöhe an der potentiellen oder tatsächlichen Weiterverbreitung im Internet durch Dritte kommt auch deswegen nicht in Betracht, weil u.U. schon eine einzelne Spiegelung auf einem für Unterlassungsansprüche nicht zugänglichen Server einer unbestimmten Anzahl von Nutzern auf praktisch unbegrenzte Zeit den Zugriff ermöglicht. Oftmals führen erst die Verbreitung der Information durch die sog. Blogosphäre, Verlinkungen auf die Meldung aus anderen, lokalen Portalen und Medienwebsites oder das Posten von News in sozialen Netzwerken, auf Twitter und in Foren zu einer gewissen Reichweite und Breitenwirkung der Erstveröffentlichung. Die Anzahl tatsächlicher Verlinkungen zu einem die Persönlichkeitsrechte verletzenden Beitrag oder dessen sonstige Weiterverbreitung ist aber kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Höhe der Geldentschädigung. Sie hätte zudem wegen der dann regelmäßig deutlich höher anzusetzenden Entschädigungsbeträge einen die Äußerungsfreiheit hemmenden Effekt und würde die Verbreitung von Inhalten im Internet ebenso wie die Online-Archivierung von Altartikeln massiv beeinträchtigen. Auch lässt der Umstand, dass ein auf einer Internetseite eingestellter Artikel grundsätzlich weltweit verfügbar ist, keinen Rückschluss auf die tatsächlichen Auswirkungen einer belastenden Berichterstattung zu. Diese sind vielmehr regelmäßig im Wohnumfeld des Verletzten am stärksten und nehmen je nach dessen Bekanntheitsgrad mit zunehmender räumlicher Entfernung ab. Die Verletzungsintensität kann daher zumindest bei einem nur regional bekannten Verletzten wie dem Kläger bei einer auflagenstarken Lokalzeitung höher sein als bei einer primär über Internet verbreiteten Nachricht auf einem bundesweiten Internetportal. Auch bei einer gedruckten Zeitung ist für die Höhe der Geldentschädigung im Übrigen nicht maßgeblich, ob die belastende Darstellung von anderen Zeitungen, etwa im Rahmen eines Pressespiegels übernommen wird. Es steht nicht im Belieben des Verletzten, von einer Inanspruchnahme der Verbreiter abzusehen und stattdessen deren Tun dem Verfasser des Ursprungsartikels anzulasten. Er ist vielmehr gehalten, seine Ansprüche gegen diejenigen durchzusetzen, die – etwa durch Setzen eines Links, durch ein Tweet oder durch Spiegelung des Beitrags – einen Artikel im Internet weiterverbreitet.
d) Andererseits teilt der Senat aber auch die Auffassung der Beklagten nicht, bei einer ausschließlich auf einer Internetseite veröffentlichten Berichterstattung sei die Beeinträchtigung stets mit einem geringeren Grad zu bemessen als bei einer Print-Berichterstattung. Die Auffassung des Kammergerichts in den von den Beklagten zitierten Entscheidungen, bei denen es zudem nur um eine Streitwertfestsetzung ging (BeckRS 2011, 11000 und BeckRS 2011, 11004; a.A. allerdings OLG Köln, Urteil vom 14.2.2012 – 15 U 125/11 – juris), die Beeinträchtigung durch eine Internetveröffentlichung sei im Hinblick auf die auf dem Portal vorgenommenen Aktualisierungen generell niedriger anzusetzen, überzeugt schon wegen der im Gegenzug erheblich leichteren Zugriffs- und Recherchemöglichkeiten auf einen im Internet abrufbaren Artikel nicht. Auch die Anzahl der Seitenaufrufe des Portals oder die Platzierung eines Artikels im Rahmen eines Internetauftritts hat für die Höhe eines Geldentschädigungsanspruches keine Bedeutung. In Fällen, in denen der Schädiger – wie hier – die Verletzung des Persönlichkeitsrechts seines Opfers als Mittel zur Reichweitensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat, ist vielmehr die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung miteinzubeziehen; in solchen Fällen muss von der Höhe der Geldenschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen (BGH VersR 2005, 125). Entscheidend ist in mithin, welche Verbreitung das streitgegenständliche Portal in der Online-Medienlandschaft insgesamt hatte. Nur hierdurch wird sichergestellt, dass die Geldentschädigung sich an der Wirtschaftskraft des Portals orientiert und dadurch eine echte Hemmungswirkung hat. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten zu 2) aus dem streitgegenständlichen Zeitraum (http://www.stern.de/presse/stern-de/02082007-sternde-erreicht-mit-258-mio-nutzern-pro-monat-eine-reichweitensteigerung-von-162-prozenz-594353.html) hatte stern.de im August 2007 durchschnittlich 2,58 Mio Nutzer. Mag auch die Anzahl der Nutzer nicht mit der Auflage einer gedruckten Zeitung vergleichbar sein, so lässt sie doch Rückschlüsse auf Bedeutung und Marktmacht der Beklagten im Markt der Internetnachrichtenportale zu, was in der Gesamtabwägung und unter Berücksichtigung der Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung auf der einen und dem Erfordernis, die Pressefreiheit gerade im verlustträchtigen Bereich des Online-Journalismus nicht über Gebühr einzuschränken, auf der anderen Seite, die Verurteilung der Beklagten zu 1) und 2) in Höhe von 50.000,00 EUR rechtfertigt.
7. Entgegen der Auffassung der Berufung ist auch der vom Landgericht zuerkannte Feststellungsantrag zulässig und begründet. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Dieses ergibt sich daraus, dass die Beklagten zu 1) und 2) ihre Schadensersatzpflicht in Abrede stellen, die Höhe des Schadens derzeit noch nicht feststeht und die Verjährung des Anspruchs droht (vgl. OLG Karlsruhe AfP 2010, 591). Dass hierbei etwaige Verletzungen durch Dritte nicht mit zu berücksichtigen sind, lässt dieses Feststellungsinteresse unberührt.
B. Berufung der Beklagten zu 3)
Die Berufung der Beklagten zu 3) bleibt ohne Erfolg. Aus den in dem angefochtenen Urteil und im Prozesskostenhilfebeschluss des Senats vom 5.4.2012 genannten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, muss sie sich die streitgegenständliche Veröffentlichung zurechnen lassen. Angesichts der an die Aussage der Beklagten zu 3) anknüpfenden, erheblich persönlichkeitsrechtsverletzenden Berichterstattung ist eine Verurteilung der Beklagten zu 3) auch in Höhe von 25.000,00 EUR angemessen. Auch insoweit wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 5.4.2012 verwiesen.
C. Anschlussberufung des Klägers:
1. Aus den vorstehend genannten Gründen bleibt auch die Anschlussberufung des Klägers ohne Erfolg, soweit er damit eine Verurteilung der Beklagten zu 1) und 2) zu einer höheren Geldentschädigung begehrt.
2. Nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186, 187 StGB war indes die Beklagte zu 3) zur Freistellung des Klägers von den Kosten der Verteidigung im auf ihre Initiative eingeleiteten Ermittlungsverfahren zu verurteilen, nachdem sich dort herausgestellt hat, dass es eine sexuelle Beziehung des Klägers zu einer 14-Jährigen nicht gegeben hat und das aufgrund ihrer Behauptungen eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2006, 1458) umfasst der aus einer Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB resultierende materiellrechtliche Erstattungsanspruch auch die Anwaltskosten für die außergerichtliche Abwehr von Ansprüchen.
Dies beinhaltet nach Auffassung des Senats auch die Kosten des Rechtsanwalts, der in einem Ermittlungsverfahren für einen Betroffenen tätig wird, wenn sich später die Wahrheit der vom Verletzer erhobenen Behauptungen nicht erweisen lässt. Weder § 467 noch § 467a StPO bieten nämlich in einem solchen Fall dem Beschuldigten, gegenüber dem das Ermittlungsverfahren mangels Tatnachweises gem. § 170 Abs 2 StPO eingestellt worden ist, einen Auslagenerstattungsanspruch, weil diese Vorschriften voraussetzen, dass es zur Erhebung der öffentlichen Klage gekommen ist.
Die Voraussetzungen für einen solchen Schadenersatzanspruch sind hier gegeben. Entgegen der zuletzt mit Schriftsatz vom 20.4.2012 vertretenen Auffassung der Beklagten zu 3) hat diese mit der behaupteten intimen Beziehung des Klägers zu dem 14-jährigen Mädchen Lissy eine zumindest nicht erweislich wahre Tatsache behauptet, die geeignet war, den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (s.o.). Dies steht im Anschluss an die erstinstanzliche Beweisaufnahme und die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft Dresden in den gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren mit der für § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit auch für den Senat fest. Ohne Belang ist insofern, dass die Äußerungen der Beklagten zu 3) als Zeugin im Verlauf dieses Ermittlungsverfahrens privilegiert sind und nicht mit Unterlassungs- oder Geldentschädigungsansprüchen hätten angegriffen werden können. Die Privilegierung gilt nämlich nur für Äußerungen im Ermittlungsverfahren selbst (vgl. OLG München, Urt. v. 2.8.2002, NJW-RR 2002, 1473 m. w. Nachw.). Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen kann sich die Beklagte zu 3) insofern nicht berufen. Dass es eine Beauftragung der Rechtsanwälte H. und M. gegeben hat und dass diese in dem ausgewiesenen Umfang für den Kläger tätig geworden sind, hat die Beklagte zu 3) nicht bestritten. Eine Freistellung kommt allerdings nur in Höhe von 1195,95 EUR in Betracht. Unabhängig von der Frage, ob es eine Kostenvereinbarung zwischen dem Kläger und RA Dr. M. im Sinne des § 3a RVG gegeben hat, in der ein Stundensatz von 250,00 EUR vereinbart wurde, muss die Beklagte diese Kosten nicht erstatten. Die Höhe der Kostenfreistellung, die ein Verletzer dem Geschädigten als Schadensersatz schuldet, ist nach § 3a Abs. 1 S. 3 RVG auf die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts beschränkt. Vorliegend sind damit im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO jeweils eine Gebühr nach Ziff. 4100, 4102 und 4104 mit jeweils 300,00 EUR sowie die Gebühren nach Ziff. 7002, 7003 und 7055 VV RVG jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer erstattungsfähig.
III.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 92, 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Wegen der bislang soweit ersichtlich nicht entschiedenen Frage, ob und ggf. wie sich eine ausschließlich auf einer Internetseite erfolgte Veröffentlichung auf Grund und Höhe eines Geldenschädigungsanspruches auswirkt, war die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.