„Kundenanwalt“ irreführend, wenn tatsächlich kein Rechtsanwalt

13. Januar 2015
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Jurist in schwarzer Robe, der einen aufgeschalgenen Schönfelder in seinen Händen hält. Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.10.2014, Az.: I-20 U 168/13

Wirbt ein Verischerungskonzern mit einem „Kundenanwalt“, so handelt es sich hierbei um eine Irreführung, wenn der beworbene „Kundenanwalt“ lediglich ein erfahrender Mitarbeiter und gerade kein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist. Ein erheblicher Teil der Verbraucher verstehe den Begriff dahingehend, dass es sich um einen Rechtsanwalt handelt, der rechtsberatend tätig wird und ihre individuellen Kundeninteressen wahrnimmt, was jedoch tatsächlich nicht der Fall ist. Eine irrtumsausschließende Aufklärung im Fließtext ist nur ausreichend, wenn diese durch einen unmissverständlich am Blickfang teilhabenden Hinweis erfolgt.

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 28.10.2014

Az.: I-20 U 168/13

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 125.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin ist die Selbstverwaltungsorganisation der in Z. zugelassenen Rechtsanwälte. Die Beklagte ist die Holdinggesellschaft eines international tätigen Versicherungskonzerns. Sie unterhält unter „www.X.de“ einen Internetauftritt. Im Menüpunkt „Über X“ findet sich die Rubrik „Versichern heißt verstehen“, die sich wiederum in mehrere Unterseiten unterteilt, von denen eine mit „X Kundenanwalt“ bezeichnet ist. Dort wird unter der Überschrift „Der X Kundenanwalt“ ausgeführt:

“ Unser Ziel: Gerechtigkeit

(…) Sie fühlen sich durch eine Entscheidung oder Leistung ungerecht behandelt? Sie konnten mit einer Beschwerde kein für Sie nachvollziehbares Ergebnis erzielen? Der X Kundenanwalt ist die Stimme der Kunden im Unternehmen. Er und sein Team kümmern sich innerhalb X um Ihr Anliegen und setzen sich für Klärung und Schlichtung ein.“

Auf der Seite befindet sich eine mit „Arbeitsweise des X Kundenanwalts“ beschriftete Schaltfläche. Über diese gelangt der Kunde zu einer weiteren Seite, die mit „Arbeitsweise des X Kundenanwalts“ überschrieben ist und auf der einleitend ausgeführt wird:

“ Der X Kundenanwalt möchte Kunden in Konfliktfällen helfen. Daher sieht die X Versicherungsgruppe für die Schlichtungsfunktion ihres Kundenanwalts einige Regeln vor.“

Es folgt ein längerer, zweispaltiger Fließtext in dessen Ziffer 3. unter „Arbeit des X Kundenanwalts“ die nachfolgend wiedergegebene Erläuterung erfolgt:

“ Der X Kundenanwalt ist kein Rechtsanwalt und wird auch nicht rechtsberatend tätig. Er ist ein erfahrener Mitarbeiter der X Versicherungsgruppe AG.“

Wegen des Aufbaus der Seiten und der weiteren Einzelheiten wird auf die im Tenor der landgerichtlichen Entscheidung wiedergegebenen Ausdrucke Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung „Kundenanwalt“ in der Werbung wie auf den wiedergegebenen Seiten geschehen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Werbung sei irreführend; der Verkehr nehme an, der „Kundenanwalt“ sei ein Rechtsanwalt. In dieser Erwartung werde er noch durch Begriffe wie „Gerechtigkeit“, „Klärung“ und „Schlichtung“ bestärkt. Der Hinweis im Fließtext sei zur Vermeidung einer Irreführung nicht ausreichend.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie trägt vor, die landgerichtliche Auffassung zum Verkehrsverständnis von „Kundenanwalt“ sei rechtsfehlerhaft. Es handele sich um einen Phantasiebegriff, ein „Kundenrecht“, auf das sich Rechtsanwälte spezialisieren könnten, bestehe es nicht; ein allgemeines Verkehrsverständnis, wonach „Anwalt“ mit „Rechtsanwalt“ gleichgesetzt werde, gebe es nicht. Es komme nicht auf das Verständnis einer juristisch geschulten Minderheit an, sondern auf das der überwiegenden Anzahl der Durchschnittsverbraucher, denen Rechtsbegriffe nicht geläufig seien. Hierzu habe sie erstinstanzlich die Einholung eines Verkehrsgutachtens angeboten. Der Durchschnittsverbraucher sei inzwischen daran gewöhnt, dass ihm ein „Anwalt“ auch im Zusammenhang mit einer internen Service- und Beschwerdeeinrichtung begegne. So werbe auch die Y-Bank mit einem „Kundenanwalt“ und der WDR mit einer „Zuschaueranwältin“; der Vorsitzende des Bundes der Versicherten werde als „Verbraucheranwalt“ bezeichnet. Dass es sich bei dem X Kundenanwalt nicht um einen Rechtsanwalt handele, stelle sie zudem in einem Hinweis klar. Der Verbraucher nehme die Darstellung in ihrer Gesamtheit wahr, eine Überschrift sei keine Blickfangwerbung. Zudem verdeutlichten bereits die einleitenden Formulierungen „im Unternehmen“ und „innerhalb X“, dass es sich beim X Kundenanwalt nicht um ein unabhängiges Organ der Rechtspflege handeln könne.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 2013, Az. 34 O 8/13, die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zu Recht habe das Landgericht angenommen, der Begriff „Kundenanwalt“ erwecke den Eindruck, es handele sich um einen unabhängigen Rechtsanwalt, der den Kunden gegenüber Dritten oder gegenüber der Beklagten selbst vertrete. „Kundenanwalt“ sei auch kein Phantasiebegriff, sondern werde als Rechtsanwalt, der ausschließlich Kunden vertritt, verstanden. So werde von entsprechend positionierten Rechtsanwälten die eigene Tätigkeit mit Begriffen wie „Opferanwalt“, „Verbraucheranwalt“ oder „Schuldneranwalt“ beworben. Hier reihe sich der „Kundenanwalt“ nahtlos ein. Mit Aussagen wie „Anwältin der Armen“ in Presseberichterstattungen könne die Werbeaussage der Beklagten nicht verglichen werden. Gerade die einleitende Formulierung „der X Kundenanwalt ist die Stimme des Kunden im Unternehmen“ verstärke den Eindruck, dass es sich um einen ausschließlichen Interessenvertreter des Kunden handele.

Der Senat hat die Parteien im Rahmen der Erörterung darüber in Kenntnis gesetzt, dass er die Auffassung des Landgerichts teile. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden „Anwalt“ im Sinne von „Rechtsanwalt“. Dies spiegele sich auch im Begriff Anwaltschaft wieder, der auf die Gruppe der Rechtsanwälte bezogen sei. Soweit der Begriff hiervon losgelöst verwendet werde, handele es sich in der Regel um öffentliche Belange. So nähmen die „Zuschaueranwältin“ des WDR und der Vorsitzende des Bundes der Versicherten als „Verbraucheranwalt“ keine individuellen Rechte, sondern die Interessen großer gesellschaftlicher Gruppen wahr. Der Tätigkeit des „X-Kundenanwalt“ sei hingegen eine typisch anwaltlicher, dieser solle sich um konkrete Anliegen einzelner Versicherter kümmern. Die Anbindung des „Kundenanwalts“ an das Unternehmen der Beklagten stehe dem Verständnis, es handele sich um einen Rechtsanwalt, nicht entgegen. Der Verkehr nehme an, die Beklagte habe extra einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung der Interessen ihrer unzufriedenen Kunden beauftragt, weil dieser aufgrund seines Berufsethos ein höheres Maß an innerer Unabhängigkeit aufweise als ein mit Beschwerden befasster Angestellter, um zu demonstrieren, dass es ihr mit ihrer breit beworbenen Imagekampagne „Versichern heißt Verstehen“ ernst sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 52 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Unterlassungstenor ist hinreichend bestimmt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und es in der Zwangsvollstreckung, wenn dem im Erkenntnisverfahren gestellten Antrag Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Vorliegend ist der Tenor schon deshalb hinreichend bestimmt, weil er auf die konkrete Verletzungsform und auf diese allein Bezug nimmt (vgl. BGH, GRUR 2012, 945 Rn. 16 – Tribenuronmethyl)

Die Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktiv legitimiert. Die Klägerin ist als berufsständische Vertretung befugt, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen, die von ihren Kammerangehörigen oder deren Wettbewerbern begangen werden (BGH, GRUR 2006, 598 Rn. 12 – Zahnarztbriefbogen). Im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes sind an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen. Da es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, dass die Parteien durch eine Handlung miteinander in Wettbewerb getreten sind, auch wenn ihre Unternehmen im Übrigen unterschiedlichen Branchen angehören (BGH, GRUR 2004, 877, 878 – Werbeblocker). Das ist hier der Fall. Die Klägerin beanstandet die Verwendung des Begriffs „Kundenanwalt“ durch die Beklagte, weil hierdurch der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei diesem um einen Rechtsanwalt. Ob dieser Eindruck tatsächlich erweckt wird, ist keine Frage der Aktivlegitimation, sondern der Begründetheit. Das Angebot einer Interessenwahrnehmung durch einen so verstandenen Kundenanwalt ist geeignet, Versicherte von der Beauftragung eines kammerangehörigen Rechtsanwalts abzuhalten.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Bewerbung ihrer Leistungen unter Verwendung des Begriffs „Kundenanwalt“ wie geschehen aus § 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit §§ 3, 5 Nr. 3 UWG.

Gemäß § 5 handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Irreführend ist eine geschäftliche Handlung, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält. Ob eine Werbeaussage unwahre Angaben enthält, richtet sich nach dem Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers (BGH, GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft). Dessen Erwartungen kann der Senat vorliegend selbst beurteilen, da sich die Aussage an Allgemeinheit richtet. Zur Feststellung der Verkehrsauffassung ist der Tatrichter als Teil dieser Allgemeinheit regelmäßig ohne weiteres in der Lage (BGH, GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe). Der Einholung eines auf eine Verkehrsbefragung gestützten Sachverständigengutachtens, um das Verständnis des Verkehrs zu ermitteln, bedarf es nicht (BGH, GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft).

Es ist nicht erforderlich, dass alle Angehörigen oder auch nur der überwiegende Teil der angesprochen Verkehrskreise irregeführt werden; es genügt die Irreführung eines erheblichen Teils. Bei der Beurteilung, ob eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG vorliegt, ist zwar auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die genannte Vorschrift nur dann eingreift, wenn die Angabe geeignet ist, jeden durchschnittlich informierten und verständigen Werbeadressat irrezuführen. Denn auch durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher können eine Werbeangabe unterschiedlich auffassen (BGH, GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung).

Ein zumindest erheblicher Teil der Verbraucher versteht den Begriff „Kundenanwalt“ dahingehend, dass es sich um einen Rechtsanwalt handelt, der ihre individuellen Kundeninteressen gegenüber der Beklagten wahrnimmt.

Anwalt ist nach der Verkehrsanschauung der Rechtsanwalt (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5 Rn. 5.149). Nicht umsonst nennt der Duden als Bedeutung von „Anwalt“ an erster Stelle den „Rechtsanwalt“ und erst danach die allgemeinere „Verfechter einer Sache; Fürsprecher“ (Duden online). Dieses Verständnis liegt auch gebräuchlichen Begriffen wie „Anwaltschaft“ zugrunde, zu denen niemand nicht zur Rechtsanwaltschaft gehörende „Fürsprecher“ zählen würde, sieht man von der Gruppe der Patentanwälte ab, wobei auch deren abweichende Qualifikation wohl nur einer Minderheit bekannt sein dürfte. Wer einen Rechtsanwalt sucht, bedient sich eines „Anwaltsverzeichnisses“ wie „anwalt.de“.

Soweit der Begriff „Anwalt“ in einem nicht auf Rechtsanwälte bezogenen Sinne Verwendung findet, steht die Wahrnehmung öffentlicher Belange oder die Vertretung der Interessen gesellschaftlich relevanter Gruppen in Rede. Der Vorsitzende des Bundes der Versicherten als „Verbraucheranwalt“ und der frühere Umweltminister T. als „Umweltanwalt“ wirken auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit und auf den Gesetzgeber ein. Die „Zuschaueranwältin“ des WDR soll Sprachrohr der großen und heterogenen Gruppe der Zuschauer sein. Hier geht es nicht um die Vertretung individueller Rechte, sondern um gesellschaftliche Aufgaben. Gleiches gilt für Bezeichnung einer für ihr karitatives Engagement bekannten Person wie Mutter Teresa als „Anwältin der Armen“.

Diese Verwendungen sind daher nicht geeignet, ein auf den Rechtsanwalt bezogenes Verständniss des Begriffs „Anwalt“ in den Fällen in Frage zu stellen, in denen es um die Wahrnehmung individueller Rechte geht. Soweit die Beklagte auf den „Kundenanwalt“ der Y-Bank verweist, ist schon nicht festzustellen, dass diese Verwendung großen Teilen des Verkehrs bekannt ist, geschweige denn, dass der Verkehr um ein Fehlen seiner rechtsanwaltlichen Qualifikation weiß. Gleiches gilt für Bezeichnung des Verfahrensbeistands nach § 158 FamFG als „Kinderanwalt“ in einem Wikipedia-Artikel zu diesem Thema. Die Verwendung eines Begriffs in einem Lexikon ist nicht geeignet, eine allgemeine Bekanntheit des Bedeutungsgehalts einer Begrifflichkeit zu belegen. Den Mitgliedern des erkennenden Senats ist der Begriff jedenfalls erst im Zuge eines Parrallelverfahrens bekanntgeworden, in der es um die Frage einer Irreführung durch die Verwendung des Begriffs „Kinderanwältin“ durch eine Nicht-Rechtsanwältin ging.

Der „X-Kundenanwalt“ soll gerade nicht die kollektiven Interessen der Gesamtheit der Versicherten vertreten, sondern sich um konkrete Anliegen einzelner Versicherter kümmern. Die Vertretung bei der Wahrnehmung individueller vertraglicher Ansprüche ist eine typische anwaltliche Tätigkeit. Insoweit folgt die Begriffsbildung „Kundenanwalt“ hier dem im Bereich der rechtsanwaltlichen Werbung etablierten Trend, die Spezialisierung auf die Vertretung vermeintlich oder tatsächlich benachteiligter Gruppen in der Selbstbezeichnung zum Ausdruck bringen. Die von der Klägerin genannten Beispiele „Opferanwalt“, „Verbraucheranwalt“ oder „Schuldneranwalt“ lassen sich noch – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – um den „Mieteranwalt“ und den „Patientenanwalt“ ergänzen. In diese Reihe fügt sich der „Kundenanwalt“, der die Kunden der Versicherung vertritt, nahtlos ein.

Daran ändert auch der Zusatz „X“ nichts. Der „X Kundenanwalt“ vertritt speziell die Kunden der X Versicherung. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Verkehr einen „X Kundenanwalt“, der auf der Internetseite der X Versicherungsgruppe vorgestellt und als „Stimme der Kunden im Unternehmen“ bezeichnet wird, nicht für völlig unabhängig halten wird. So geht der Verkehr selbstverständlich davon aus, dass der „X Kundenanwalt“ sein Geld von der Beklagten erhält und zwar auch dann, wenn er den Kunden dieser gegenüber vertritt. Dies steht dem Verständnis, es handele sich um einen Rechtsanwalt aber nicht entgegen.

Der „X-Kundenanwalt“ ist in die in der Kopfzeile der Seite angezeigte Rubrik „Versichern heißt Verstehen“ eingebettet, ein Slogan, auf dem die breit beworbene Imagekampagne der Beklagten aufbaut. Von daher wird der Verkehr annehmen, dass die Beklagte extra einen Rechtsanwalt angestellt hat, der aufgrund seines Berufsethos als Organ der Rechtspflege – auch wenn er vorliegend nicht als solches tätig werden könnte – ein höheres Maß an Gewähr für eine engagierte Vertretung der berechtigten Interessen der Kunden bietet, als es ein in der Hierarchie der Versicherung großgewordener Angestellten der Beschwerdestelle könnte. So wäre der „X Kundenanwalt“ Ausdruck eines ernstgenommenen „Versichern heißt Verstehen“. In diesem Verständnis wird der Verkehr noch durch die hochtrabende Aussage „Unser Ziel: Gerechtigkeit“ bestärkt, die den Eindruck erweckt, die Beklagte habe nun wirklich alles getan, um die Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Vertretung der Interessen der Kunden ihr gegenüber zu gewährleisten.

Für die Unterseite „Arbeitsweise des X Kundenanwalts“ gilt nichts anderes. Auch hier wird durch den Neutralität suggerierenden Begriff „Schlichtungsfunktion“ der Eindruck verstärkt, es handele sich um einen Rechtsanwalt, der aufgrund von Qualifikation und beruflicher Herkunft die Gewähr für eine maximale innere Unabhängigkeit von der Beklagten biete.

Die Klarstellung in Ziffer 3. des Fließtextes ist nicht geeignet, die Gefahr einer Irreführung zu beseitigen, da sie nicht am Blickfang teilnimmt. Die Grundsätze der Blickfangwerbung sind vorliegend anwendbar, da zu den Besuchern der Internetseite der Beklagten nicht nur Bestandskunden gehören, die sich aufgrund aktueller Probleme bei der Regulierung eines Schadens für die „Arbeitsweise des X Kundenanwalts“ interessieren, sondern auch potentielle Neukunden, die sich einen Eindruck von der „geläuterten“ Beklagten verschaffen wollen und sich mit Schlagworten zufrieden geben. Von daher hätte es zumindest eines Sternchenhinweises oder anderen geeigneten Warnsignals bedurft, das dem Interessenten zeigt, dass der Begriff „Kundenanwalt“ der Erläuterung bedarf (vgl. Köhler/ Bornkamm, UWG, 32. Aufl. § 5 Rn. 2.98). Eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe darf für sich genommen nicht unrichtig oder auch nur für den Verkehr missverständlich sein; eine irrtumsausschließende Aufklärung kann in solchen Fällen nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen kann, wenn dieser am Blickfang teilhat und dadurch eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibt (BGH, GRUR 2007, 802 Rn. 19 – Testfotos III).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Die Anwendung dieser Grundsätze obliegt dem Tatrichter. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Festsetzung auf 250.000,00 Euro festgesetzt.

 

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