Veröffentlichung von Transparenzbericht über Pflegedienste im Internet unzulässig

12. Juli 2010
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Eigener Leitsatz:

Weist ein Transparenzbericht über die Qualität von Pflegediensten Fehler im Rahmen der Bewertung auf, so dürfen Krankenkassen diesen Transparenzberichte bis zu einer Entscheidung in Wege einer Hauptsacheklage im Internet nicht veröffentlichen.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Beschluss vom 29.03.2010

Az.: L 27 P 14/10 B ER

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 23. Februar 2010 geändert und den Antragsgegnern untersagt, den Text des Transparenzberichtes zur Einrichtung der Antragstellerin in der am 17. November 2009 übermittelten Fassung bis zum Ablauf des 30. September 2010, längstens bis zur Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache oder bis zu einem anderen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu veröffentlichen.

Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Kosten des gesamten Rechtsstreites zu tragen.

Der Streitwert wird jeweils für das Verfahren vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Abs 1a SGB XI.

Die Antragstellerin betreibt einen Pflegedienst und erbrachte im Oktober 2009 ambulante Pflegeleistungen für 109 Personen. Der MDK führte bei der Antragstellerin am 22. Oktober 2009 eine Qualitätsprüfung durch. Es wurden dabei die Leistungen für 5 Pflegekunden überprüft. Am 17. November 2009 wurde der Antragstellerin auf elektronischem Wege im Auftrag der Antragsgegner der auf Grundlage der MDK-Prüfung erstellte Transparenzbericht im Entwurf übermittelt.

Dabei erhielt die Antragstellerin folgende Bewertungen.

 1.) Qualitätsbereich 1 pflegerische Leistungen                  Note 5,0 mangelhaft
 2.) Qualitätsbereich 2 ärztlich verordnete Leistungen       Note 2,3 gut
 3.) Qualitätsbereich 3 Dienstleistung und Organisation    Note 1,0 sehr gut
 4.) Gesamtergebnis                                                           Note 3,2 befriedigend
 5.) Befragung der Bewohner                                             Note 1,0 sehr gut.

Der Antragstellerin wurde weiter mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Transparenzbericht spätestens 28 Tage nach dem ersten Entwurf zu veröffentlichen. Ihr wurde eingeräumt, dass sie einen Kommentar mit maximal 3000 Zeichen (incl. Leerzeichen) abgeben könne.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung des Transparenzberichtes in der vorliegenden Form. Insbesondere die Bewertungen für die Qualitätsbereich 1 und 2, aber auch die Gesamtnote seien unzutreffend. Dies liege einerseits an der objektiven Falschbeantwortung von Einzelfragen und andererseits an der Fehlinterpretation der Ausfüllanleitung durch die Prüfer. Durch die Veröffentlichung des fehlerhaften Transparenzberichts sei zumindest eine erhebliche Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes der Antragstellerin zu befürchten und würde in die Berufsausübungsfreiheit unzulässig eingegriffen.

Das Sozialgericht Potsdam hat durch Beschluss vom 23. Februar 2010 den Antragsgegnern untersagt, den Text des Transparenzberichtes bis zum Ablauf des 31. März 2010 zu veröffentlichen, und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Bis Ende März 2010 könne die Antragsstellerin mit den Antragsgegnern ein Klärung herbeizuführen und habe die Möglichkeit eine Wiederholungsprüfung nach § 114 Abs 5 SGB XI zu beantragen und durchführen zu lassen. Im Übrigen müsse sich aber die Antragstellerin eine Kritik an ihren Leistungen in der Öffentlichkeit gefallen lassen. Sinn und Zweck des Verfahrens zur Veröffentlichung der Transparenzberichte sei die Information der Verbraucher. Nur dann, wenn die Veröffentlichung des Transparenzberichtes unter Verstoß gegen das in § 115 Abs 1a SGB XI i V m der Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA) geregelte Verfahren erfolgen würde, läge eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit vor. Die Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden Verstoßes, wie offensichtliche oder bewusste Verzerrungen, die Behauptung unwahrer Tatsachen oder willkürliches Vorgehen, sei vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Die Bewertung überschreite die Grenzen der Beurteilungsfreiheit nicht. Die Antragstellerin habe auch hinreichend Gelegenheit, sich im Verfahren rechtliches Gehör zu verschaffen und entsprechende Gegendarstellungen abzugeben.

Die Antragstellerin begründet ihre Beschwerde vom 11. März 2010 damit, dass eine substantiierte Auseinandersetzung mit den belegten und glaubhaft gemachten Einwendungen durch die Antragsgegner nicht erfolgt und nicht beabsichtigt sei. Insoweit sei das Recht auf rechtsfehlerfreie Bewertung und das Gebot inhaltlicher Richtigkeit bei wettbewerbserheblichen Informationen verletzt. Zudem seien die Einzelbewertungen teilweise auf zu geringer Datenbasis (nur ein Patient) erfolgt, so dass kein objektives Bild im Sinne einer Regelhaftigkeit der bewerteten Umstände wiedergegeben werde. Schließlich sei überhaupt fraglich, ob im Hinblick auf den Zweck der Transparenzberichte, Bewertungen der Ergebnis- und Lebensqualität zu veröffentlichen, die erfolgten Prüfungen verwertbar seien. Entsprechende Bewertungskriterien würden nicht vorliegen und bei der erfolgten Bewertung auch nicht berücksichtigt. Die kritisierten Dokumentationsmängel rechtfertigten entgegen der tatsächlich erfolgten Leistungserbringung keine schlechte Bewertungen und deren Veröffentlichung.

Die Antragstellerin beantragt

den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 23. Februar 2010 aufzuheben und den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, den Transparenzbericht vom 17. November 2009 im Internet oder auf anderem Wege zu veröffentlichen.

Die Antragsgegner haben sich nicht geäußert.

II

Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft gemäß § 172 SGG. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die vom Sozialgericht gesetzte Frist zur Unterlassung einer Veröffentlichung des Transparenzberichtes war wesentlich zu kurz.

Unzutreffend ist das Sozialgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, die Antragstellerin habe ihr einstweiliges Rechtsschutzbegehren auf eine unbefristete, von einem Hauptsacheverfahren losgelöste Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Dies lässt sich bei sachgerechter Auslegung dem Rechtsschutzbegehren nicht entnehmen und wurde inzwischen von der Antragstellerin auch in ihrem Antrag klargestellt.

Im Hinblick auf den konkret gestellten Antrag hatte der Senat nur über die Unterlassung der Veröffentlichung des auf die Antragstellerin bezogenen Transparenzberichtes zu entscheiden. Inwieweit die Veröffentlichung für andere Pflegedienste günstiger Transparenzberichte von der Antragstellerin bei einem Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus Gründen der wettbewerblichen Fairness zu unterbleiben hatte, ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht Streitgegenstand.

Rechtsgrundlage für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist § 86b Abs 2 Satz 1 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Voraussetzungen für die begehrte Anordnung liegen vor. Sie sind – bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – im Rahmen einer Gefahrenbeurteilung und Interessenabwägung zu ermitteln. Nach zutreffender ständiger Rechtsprechung erscheint die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verwirklichung eines Rechts des Betroffenen nötig, wenn die Rechtsverfolgung in der Sache erhebliche Erfolgsaussicht hat (Anordnungsanspruch) und bei Abwägung der Interessen der Beteiligten die Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Regelung diejenigen der anderen Beteiligten überwiegen und für ihre Realisierung ohne die Regelung erhebliche Gefahren, wesentliche Nachteile für die Ausübung/Realisierung/ Bewahrung von Rechten, drohen (Anordnungsgrund). Dabei sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund umso höher, je geringer die Erfolgsaussicht ist; sie sind umso niedriger, je größer die Erfolgsaussichten sind. Ist unklar, ob ein Anordnungsanspruch besteht, hat eine Folgenabwägung zu erfolgen. Eine solche verlangt, die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte. Dabei sind insbesondere die möglichen Folgen für die Grundrechte des jeweiligen Antragstellers zu bedenken. Dies ist auch im vorliegenden Fall zu beachten, weil die Antragstellerin sich hier gegen einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) wendet, der durch eine unzutreffende öffentliche Bewertung von Marktangeboten der Antragstellerin durch Hoheitsträger und entsprechende staatliche Marktsteuerung bewirkt werden kann.

Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus dem Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegner, die Veröffentlichung des auf ihren Betrieb bezogenen Transparenzberichtes zu unterlassen, weil die vorgenommenen Bewertungen fehlerhaft erscheinen und verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sind. Entgegen der Auffassung der Antragsgegner und des Sozialgerichts sind angesichts der Grundrechtsbetroffenheit bei marktsteuernden Veröffentlichungen und auch angesichts der dabei bestehenden öffentlichen Interessen keine großzügigen Maßstäbe bei der Forderung auf Richtigkeit der veröffentlichten Daten und Bewertungen anzulegen. Es ist für die Zulässigkeit öffentlicher Bewertungen nicht ausreichend, dass keine groben Fehler oder Bewertungsmängel bzw keine schwerwiegenden Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben vorliegen (aA LSG Sachsen Beschluss vom 24.02.2010, L 1 P 1/10 B ER JURIS-RdNr 54). Zum einen hat die Öffentlichkeit grundsätzlich Anspruch auf zutreffende Information. Dies gilt auch wegen des öffentlichen Interesses an einer fairen Marktsituation. Zum anderen verlangt der Schutz des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit, dass die veröffentlichten Daten und Bewertungen in einem dem Grundrecht angemessenen Verfahren und auf zutreffender Tatsachengrundlage zustande kommen. Die Bewertungen selbst müssen aus den zugrunde liegenden Daten richtig abgeleitet werden. Dabei sind die gesetzgeberischen Zwecke und Aspekte der Gleichbehandlung zwingend zu berücksichtigen. § 115 Abs 1a Satz 1 SGB XI sieht die Veröffentlichung der von den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität vor, sog Transparenzberichte. Ziel ist daher, die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen insbesondere über das tatsächlich realisierte Leistungsangebot und dessen Qualität hinsichtlich der Pflegeergebnisse und der Lebensqualität zu informieren.

Fraglich ist, inwieweit die PTVA diesen Vorgaben gerecht wird. Eine Bindung auch der einzelnen Pflegeeinrichtung an diese Vereinbarung kann nur eintreten, soweit die Vereinbarung der gesetzlichen Ermächtigung und Zweckbestimmung entspricht. Zweifel erheben sich insbesondere deswegen, weil die PTVA selbst einräumt, dass derzeit keine pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität vorliegen, und weil die unterschiedslose äquivalente Gewichtung der verschiedenen Bewertungskriterien massive Verzerrungen der Bewertungsergebnisse insbesondere im Hinblick auf die Ergebnisqualität erlaubt. Gerade im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz der Transparenzberichte nach § 115 Abs 1a Satz 1 SGB XI müssen bis zur Anerkennung entsprechender Indikatoren strenge Maßstäbe an das Bewertungsverfahren gestellt werden. Der Senat lässt offen, inwieweit die PTVA eine geeignete Handlungsgrundlage für die Antragsgegner ist, weil schon wesentliche Vorgaben der PTVA verletzt wurden. Der Umfang der Gültigkeit der PTVA muss in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit den Antragsgegnern bzw dem MDK im Rahmen der Nach § 115 Abs 1a SGB XI vorzunehmenden Bewertungen Beurteilungsspielräume eröffnet sind.

Im vorliegenden Fall sind schon die Vorgaben der PTVA bei der Notenbildung missachtet worden. Die Notenbildung hinsichtlich der Einzel- als auch hinsichtlich der Gesamtbewertung soll nach Ziff 2.2 Anl 2 PTVA durch Errechnung des jeweiligen arithmetischen Mittels der Bewertungen der einzelnen Kriterien erfolgen. Eine Notenbildung aufgrund von vorherigen Punkt-/Skalenbewertungen erfolgt nach den Vorgaben der Anlage 2 PTVA ausschließlich im Rahmen der Bewertung der Einzelkriterien und nicht erneut auf Ebene der Qualitätsbereiche oder Gesamtbewertung. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil mit der von der Anlage 2 PTVA vorgesehenen Notenbildung aufgrund vorheriger Punkt-/Skalenbewertungen eine von der Bildung des arithmetischen Mittels der Einzelnoten deutliche Abweichung der Gewichtung erfolgt. Mangels anderer Bestimmungen in der PTVA muss deshalb die Notenbildung für die Qualitätsbereiche und der Gesamtnote durch Errechnung des Notendurchschnitts erfolgen. Im Falle der Antragstellerin ist die Notenbildung für den Qualitätsbereich 1 – pflegerische Leistungen rechnerisch falsch. Von zwölf Einzelkriterien wurden neun mit der Einzelnote 5 und drei mit der Einzelnote 1 bewertet. Das arithmetische Mittel beträgt dann 4,0 und nicht 5,0. Allein, dass hier in diesem besonders wichtigen Bereich die schlechteste Note veröffentlicht werden soll, die sich selbst nach der Bewertungslage der Antragsgegner so nicht errechnen lässt, bedeutet einen schweren Fehler, der schon für sich dazu führen muss, den Transparenzbericht nicht zu veröffentlichen. Insofern ist unbeachtlich, dass auch die Einzelnoten veröffentlicht werden, weil vom Adressaten der Informationen erwartet wird, dass die Notenbildung rechnerisch korrekt ist und nicht individuell nachvollzogen werden muss. Der kleingedruckte Hinweis, dass sich die Note aus „aus den Mittelwerten der Punktebewertung der Einzelkriterien“ ergibt, macht die Notenbildung gerade wieder intransparent und hat in der PTVA keine Grundlage. Ähnlich falsch ist die Bewertung für den Qualitätsbereich 2 – Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen: aus dreimal Note 1 und einmal Note 5 errechnet sich die Note 2,0 und nicht 2,3. Entsprechend falsch ist die Gesamtnote, richtig wäre 2,5 bei den von den Antragsgegnern vorgenommenen Einzelbewertungen.

Für den Qualitätsbereich 1 kommt hinzu, dass mit der Note 1 jeweils die Kriterien der Durchführung der Leistung zur Unterstützung bei Ausscheidungen/Inkontinenzversorgung, der gewebeschonenden Lagerung zur Vermeidung von Druckgeschwüren und der Leistungen zur Mobilität und deren Entwicklung bewertet sind, also unmittelbar pflegerische Aktivitäten, während die anderen Kriterien im Hinblick auf deren fehlende oder unzureichende Dokumentation jeweils mit 5 benotet wurden. Insofern hat die Antragstellerin durch die eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht, dass die jeweiligen Leistungen (Berücksichtigung der Wünsche zur Körperpflege, Wünsche zum Essen und Trinken, Leistung Essen und Trinken) tatsächlich jeweils erbracht worden waren. Gleiches gilt für die Versorgung nach ärztlicher Verordnung im Qualitätsbereich 2. Im Hinblick auf das ausdrücklich erklärte gesetzgeberische Ziel der Mitteilung der tatsächlichen Leistungserbringung und deren Ergebnisqualität, die Grundrechtsrelevanz und die kritische pflegewissenschaftliche Situation erscheint es bedenklich, eine derart massive Schlechtbenotung vorrangig auf fehlende oder unzureichende Dokumentation zu stützen. Hier haben die Antragsgegner im Rahmen der ihnen obliegenden Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt entsprechend aufzuklären. Erfolgt die entsprechende Aufklärung nicht, kann die Bewertung nicht als verfahrensgerecht und inhaltlich hinreichend gesichert bewertet werden. Im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruch ist daher von unzutreffenden Grundlagen der entsprechenden Bewertungen auszugehen und damit deren Fehlerhaftigkeit anzunehmen. Inwieweit Dokumentationsmängel als solche trotz der gesetzgeberischen Zweckbestimmung in die Bewertung inhaltlich (etwa durch Abwertung) oder separat einfließen können, kann für die vorliegende Entscheidung offen und muss ggf einer Hauptsacheentscheidung vorbehalten bleiben. Ebenfalls ungeklärt kann hier bleiben, inwieweit bei der Bewertung die eigentlichen pflegerischen Aktivitäten stärker als Versäumnisse bei Beratungs- und Kontrollaufgaben zu gewichten sind. Auch dies müsste im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens bei der Prüfung der Wirksamkeit der Bewertungsvorgaben der PTVA geklärt werden.

Als weiterer erheblicher Verfahrensfehler erweist sich, dass die Datengrundlage für die Bewertungen unzureichend erhoben wurde. Nach § 2 PTVA werden 10 Prozent, jedoch mindestens 5, höchstens 15 pflegebedürftige Menschen in die Prüfung einbezogen. Dabei ist die Vorgabe von 10 Prozent einzuhalten, wenn nicht aufgrund der Größe des Betriebes die Grenzwerte beachtlich werden. Danach hätte im Falle der Antragstellerin mit 109 versorgten Personen die Prüfung bei elf Personen erfolgen müssen. Ein Grund, warum nur fünf Personen in die Prüfung einbezogen wurden, ist nicht erkennbar. Die Einhaltung der quantitativen Vorgabe des § 2 PTVA ist besonders auch deshalb wichtig, weil die Bewertungen der Einzelkriterien über die Punkteskala eine besondere Bewertungswirksamkeit von Pflegefehlern begründet und bei willkürlicher Festlegung der Prüfpersonenzahl die vom Gesetz geforderte Vergleichbarkeit und Verfahrensfairness nicht mehr gewahrt würde. Insofern steht den Antragsgegnern bzw dem MDK ein Spielraum nicht zu.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund. Dabei berücksichtigt der Senat insbesondere die schwer zu korrigierenden Folgen einer Veröffentlichung der fehlerhaften Bewertungen für die Berufsausübung der Antragstellerin im Rahmen des Wettbewerbs der Pflegeeinrichtungen. Wesentliche Nachteile würden auch dann drohen, wenn eigene Kommentare der Antragstellerin zur Bewertung durch die Antragsgegner in die Veröffentlichung aufgenommen würden, weil solche gegen die hoheitliche Bewertung nur begrenzt Marktwirksamkeit erlangen können. Dass korrekte Veröffentlichungen auch im öffentlichen Interesse liegen, wurde bereits bemerkt. Auch das Informationsinteresse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ist hier nicht von Gewicht, weil im Falle der Antragstellerin offensichtlich keine relevanten Gefahren für die Rechtsgüter der Pflegekunden, insbesondere deren Gesundheit, bestehen. Insofern käme auch eine Folgenabwägung zur hier vorzunehmenden Anordnung.

Bei der für die Anordnung der Unterlassung der Veröffentlichung festzusetzenden Frist geht der Senat davon aus, dass die Hauptsache von der Antragstellerin oder auch von den Antragsgegnern zügig anhängig gemacht wird, sofern zeitnah keine unstreitige Klärung erfolgen sollte. Eine Verpflichtung der Antragstellerin zur Klageerhebung nach §§ 86 Abs 2 Satz 4 SGG, 926 ZPO konnte nicht ausgesprochen werden, weil die Antragsgegner keinen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Im Übrigen sind die Antragsgegner nicht gehindert, die Hauptsache selbst anhängig zu machen. Schließlich war bei der Fristsetzung zu berücksichtigen, dass auch ein Hauptsacheverfahren besonders zügig zu entscheiden ist und auch entschieden werden kann. Sollte das Verfahren in der Hauptsache bis zu dem hier gesetzten Termin noch nicht abgeschlossen sein, wäre ggf auf entsprechenden Antrag durch das dann zuständige Gericht der Hauptsache über die weitere Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §§ 197a SGG, 154 Abs 1 VwGO. Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsverfolgung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 197a SGG, 63, 53 Abs 3 Nr 4, 52 Abs 2 GKG. Sie berücksichtigt den ausdrücklichen Verweis des § 53 Abs 3 Nr 4 GKG für das sozialgerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf § 52 Abs 2 GKG, weshalb eine Reduzierung des Auffangstreitwertes für derartige Verfahren ausgeschlossen erscheint.

Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).

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