Abstrakte Schadensberechnung bei Kfz-Reparatur

07. August 2009
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Amtlicher Leitsatz:

Die objektiv erforderlichen Kosten für die Reparatur eines beschädigten Kraftfahrzeugs bestimmen sich auch bei fiktiver Schadenberechnung nach den Sätzen für die Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt.

Landgericht Heidelberg

Urteil vom 30.07.2009

Az.: 2 S 11/09

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 10.02.2009 – 4 C 35/08 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
     
I.
    
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
    
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
    
Der Kläger verlangt restlichen Schadensersatz aufgrund des Unfalls vom 02.10.2007 auf der A 5 Karlsruhe-Frankfurt im Bereich der Gemarkung 69207 Sandhausen ersetzt. Zwischen den Parteien ist die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig.
    
Das Amtsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 10.02.2009 verurteilt, an den Kläger 957,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.10.2007 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 Euro zu zahlen.
    
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, der Kläger müsse sich auch bei fiktiver Abrechnung seines Schadens nicht auf allgemeine Vertragswerkstätten verweisen lassen. Er könne grundsätzlich die Sätze von Fachwerkstätten verlangen.
    
Gegen das ihr am 27.02.2009 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 20.03.2009 eingegangenen Berufung.
    
Sie trägt vor:
    
Unter einer Reparaturmöglichkeit, die den gleichen Wert habe wie die Reparatur des klägerischen Fahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt könne auch eine markenfreie Fachwerkstatt verstanden werden, sofern sie eine Reparaturmöglichkeit anbiete, die in qualitativer, wirtschaftlicher, fachlicher und technischer Hinsicht der Reparatur des klägerischen Fahrzeuges in einer markengebundenen Fachwerkstatt gleichwertig sei. Die Situation der markengebundenen und der markenfreien Fachwerkstätten habe sich in der Realität seit dem Erlass des Porsche-Urteils erheblich geändert. Auch markengebundene Vertragswerkstätten würden je nach Auslastung nicht nur Lackier- sondern auch Karosseriearbeiten an markenfreie Fachwerkstätten fremd vergeben. Im Jahre 2003, als das Porsche-Urteil ergangen sei, seien die markengebundenen Vertragswerkstätten vom Wettbewerb abgeschottet gewesen. Seit dem 20.06.2007 seien alle Fahrzeughersteller verpflichtet, freien Werkstätten standardmäßigen Zugang zu allen technischen Reparaturinformationen und Schulungsunterlagen zu gewähren. Dies zeige, dass markenfreie Fachwerkstätten in gleicher Weise wie markengebundene Vertragswerkstätten darauf spezialisiert seien, Fahrzeuge der einzelnen Marken zu reparieren und instand zu setzen, so dass bei der Reparatur in einer markenfreien Fachwerkstatt weder ein qualitativer noch ein wirtschaftlicher Unterschied verbleibe.
    
Die Beklagte beantragt,
    
das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 10.02.2009 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
    
Der Kläger beantragt,
    
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 10.02.2009 zurückzuweisen.
    
Er bezieht sich auf das Urteil des Kammergerichts vom 30.06.2008 (22 U 13/08) und führt aus, dass der Markt es honoriere, dass Wartungs- und/oder Reparaturarbeiten an einem Fahrzeug gerade von einer markengebundenen Vertragswerkstatt und nicht von einer freien Fremdwerkstatt durchgeführt würden. Dem Arbeitsergebnis einer Markenwerkstatt komme neben dem technischen Aspekt noch ein weiterer wertbildender Faktor zu.
    
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst aller Anlagen Bezug genommen.

II.
    
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
    
Das Amtsgericht hat zutreffend einen Schadensersatzanspruch des Klägers bejaht. Dieser hat einen Anspruch auf Ersatz der objektiv erforderlichen Reparaturkosten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, auch wenn er das Fahrzeug nicht reparieren lässt (vgl. BGHZ 155, 1 ff.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Geschädigter auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten, unabhängig davon, ob er den Wagen reparieren lässt oder nicht (vgl. BGHZ 155, 1 ff.).
    
Um in Fällen wie der vorliegenden Art überhaupt eine Begrenzung der Schadenshöhe in Betracht zu ziehen, müssen besondere konkrete tatsächliche Umstände vorliegen, die dem Geschädigten Veranlassung geben, eine ihm „mühelos ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit“ wahrzunehmen (BGH, Urteil vom 29. April 2003, VI ZR 398/02, sog. Porsche-Urteil, BGHZ 155, 1 ff.).

Auch dann, wenn nicht nur abstrakt, sondern konkret durch die genannte Referenzwerkstatt der Beklagten ein technisch ordnungsgemäßes Reparaturergebnis abgeliefert werden kann, handelt der Kläger nicht wirtschaftlich unvernünftig, wenn er eine Reparatur in dieser Werkstatt ablehnt. Vielmehr hält er sich mit seiner Entscheidung in dem vom Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gesetzten Rahmen, weil jedenfalls eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeiten im schadensrechtlichen Sinn nicht vorliegt (so KG NJW 2008, 2656 ff.). Dies gilt im vorliegenden Fall besonders deshalb, weil der Opel des Klägers zum Unfallzeitpunkt erst elf Monate alt war und über eine Garantie der Adam Opel GmbH für neue Opelfahrzeuge bis zum 25. 10. 2008 verfügte (Bestätigung der Sch. + U. Automobile vom 25.02.2008, AS. 133 der Akten erster Instanz).

Die Kammer hält die Argumentation des Kammergerichts für überzeugend. Danach honoriert es der Markt auch bei gleicher Qualität der technischen Ausführung, dass Wartungs- und/oder Reparaturarbeiten an einem Fahrzeug gerade von einer markengebundenen Vertragswerkstatt und nicht von einer freien Fremdwerkstatt durchgeführt werden. Der Kunde verbindet mit dem Besuch von Markenvertragswerkstätten eine über den technischen Zustand hinausgehende besondere Werthaltigkeit. Deshalb setzen sich die Markenwerkstätten trotz der im Allgemeinen höheren Reparaturpreise nicht nur als bloße Ausnahmeerscheinung auf dem freien Markt durch. Markenqualität ist mehr als nur die Einhaltung technischer Standards. Sie bedeutet im Allgemeinen nicht nur technische Qualität, sondern auch Vertrauen und Seriosität. Dies hat unmittelbar Einfluss auf die Preisbildung. So wird für ein scheckheftgepflegtes Fahrzeug ein höherer Verkaufserlös erzielt als für ein nicht scheckheftgepflegtes. Dies gilt auch für Reparaturen, die von Vertragswerkstätten ausgeführt werden. Diese am Markt spürbaren wertbildenden Faktoren beruhen auf der Nähe der Vertragswerkstätten zum Hersteller und der Spezialisierung auf nur eine bestimmte Fahrzeugmarke (so KG NJW 2008, 2656 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Mit der Bewertung des vorliegenden Rechtsstreits setzt sich die Kammer nicht in Widerspruch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem zitierten Porsche-Urteil. Denn auch der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, der Schadensberechnung grundsätzlich die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf. Da hier das Fahrzeug des Klägers erst elf Monate alt war und über eine Garantie für neue Fahrzeuge bis zum 25.10.2008 verfügte, ist hier der Verweis auf eine freie Fachwerkstatt für den Geschädigten nicht zumutbar, da es – zumindest in diesem Fall – aus den oben genannten Gründen an der Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit fehlt.

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