Werbeaussagen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen

24. März 2009
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Eigener Leitsatz:

Werbeaussagen, die als gesicherte Erkenntnis erscheinen tatsächlich aber nicht wissenschaftlich belegt sind, gelten als wettbewerbswidrig. Ein Verstoß ist nicht schon deshalb zu verneinen, wenn ein von der Werbedarstellung völlig isolierter Hinweis vorhanden ist, man müsse aus Rechtsgründen auf die fehlende wissenschaftliche Bestätigung hinweisen.

Oberlandesgericht Hamm

Beschluss vom 30.10.2008

Az.: 4 W 117/08

Beschluss

Tenor:  

wird auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 15.09.2008 unter Abänderung des Beschlusses der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 25.08.2008 gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,- € verhängt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt nach einem Streitwert von 5.000,- € die Schuldnerin.

Gründe
 
I.

Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11.11.2005 wurde die Schuldnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel rechtskräftig verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für sogenannte "N"-Produkte zu werben:

5.

"Die sanfte Naturkraft gegen Schmerzen"

8.

"Die N Magnetfeldtherapie dringt perkutan (durch die Haut) ein, sie benötigt keinen Strom zur Entfaltung ihrer Wirkung. Die besondere Art der Magnetisierung, wechselpolar, hat eine Eindringungstiefe von mehreren Zentimetern und gewährleistet somit, dass tief im Gewebe die gewünschte Wirkung erzielt werden kann.

Die gewünschte Wirkung besteht darin, dass in den magnetfeldkontaktierten Zellen eine höhere Sauerstoffsättigung erreicht werden soll. Jede Zelle lebt vom Sauerstoff und kann ohne ihn nicht die notwendige Energie erzeugen, um voll funktionstüchtig zu sein. Ein Mehr an Sauerstoff bewirkt also eine bessere Energieversorgung der Zelle und eine stärkere Durchblutung des Gewebes. Zusätzlich entsteht Wärme."

9.

"Auf diesen Effekten beruht die Wirkungsweise der N Magnetfeldtherapie, alle weiteren Wirkungen, wie Aktivierung des Stoffwechsels, Anregung der Durchblutung und Sauerstoffversorgung von Zellen und Geweben zur beschleunigten Regeneration, Förderung der körpereigenen Abwehr und Selbstheilungsregulationen, Linderung schmerzhafter Verkrampfungen, beschleunigter Abbau krankhafter Flüssigkeitsansammlungen und Schwellungen, schnellere Regenerationen der Haut und Harmonisierung des Nervensystems und der Psyche sind eine Folge des Sauerstoffeffektes und der lokalen Temperaturerhöhung. Da der Körper nur die Energie des Magnetfeldes aufnimmt, die er für die Wiederherstellung seines natürlichen Gleichgewichtes braucht, kann jeder — ohne Angst vor Nebenwirkungen – sich selbst behandeln."

10.

mit den Abbildungen und dem dazugehörigen Text:

11.

"Anwendungsdauer

Da der menschliche Körper nur die magnetische Energie aufnimmt, die er zur Wiederherstellung der körpereigenen Energiebilanz benötigt, kann die N Magnetfeldtherapie unbedenklich angewendet werden. Jeder Anwender kann für sich entscheiden, wie lange er die Therapie anwendet, bzw. darauf anspricht. Auch nach dem Abklingen von Beschwerden sollte die N-Magnetfeldtherapie weiter angewendet werden, um den Körper im energetischen Gleichgewicht zu halten."

12.

"Kontraindikationen

Es gibt kaum Befindlichkeitsstörungen bei der die Magnetfeldtherapie nicht als Grund- oder Ergänzungsbehandlung angewendet werden könnte."

"wie geschehen…in dem Ausdruck aus dem Internet am 15.03.2004 unter *internetadresse*

Die hiergegen von der Schuldnerin eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Senats vom 15.02.2007 zurückgewiesen. Entscheidend für die Begründetheit des Verbots war dabei, dass die Schuldnerin die beanstandeten Werbeaussagen als gesicherte Erkenntnis erscheinen ließ, obwohl solche gesicherten Erkenntnisse nicht vorlagen.

In ihrem aktuellen Internetauftritt wirbt die Schuldnerin unter der domain *internetadresse* wortgleich mit den verbotenen Angaben weiter. Im Anschluss an die aufgeführten Kontraindikationen und den Hinweis auf einen Link "Anwendungstabelle: PDF (92 KB)" fügt sie dann (ohne weitere Überschrift wie in den vorherigen Bereichen, aber in gleicher Schriftgröße wie bei den vorangegangenen Textteilen) das Folgende an:

"Aus Rechtsgründen müssen wir darauf hinweisen, dass es für die auf dieser Homepage dargestellten Wirkungen der Magnetfeldtherapie und unserer Produkte keine gesicherte wissenschaftliche Bestätigung gibt".

Auf das Anlagenkonvolut OA 1 von Bl. 459 bis Bl. 476 wird insoweit im Gesamtzusammenhang Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines angemessen Ordnungsmittels zurückgewiesen, und zwar mit der Begründung, dass ein Verstoß gegen den Unterlassungstitel nicht vorliege. Kern des Titels sei es hier gewesen, der Schuldnerin zu untersagen, in unzulässiger Weise den Eindruck zu verschaffen, ihre Werbeangaben seien wissenschaftlich hinreichend bestätigt. Da die Schuldnerin den ausdrücklichen Hinweis angefügt habe, dass eine hinreichende wissenschaftliche Bestätigung ihrer Angaben nicht existiere, werbe sie nicht mehr "wie geschehen … in dem Ausdruck aus dem Internet am 15.03.2004 unter *internetadresse*". Es liege ein neuer Sachverhalt vor, der lediglich in einem neuen Erkenntnisverfahren überprüft werden, nicht jedoch Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens sein könnte.

Der Gläubiger verfolgt seinen Ordnungsmittelantrag mit der von ihm eingelegten sofortigen Beschwerde weiter. Die Schuldnerin hält die Zurückweisung für richtig. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 793, 567 I Nr. 2, 890 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers ist begründet und führt zur Verhängung des titulierten Ordnungsgeldes. Dieses ist gerechtfertigt aus § 890 I ZPO.

Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, insbesondere ist das Urteil der Schuldnerin am 27.12.2005 zugestellt worden.

Eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen das streitgegenständliche Unterlassungsgebot ist, anders als das Landgericht es gemeint hat, zu bejahen, da die Schuldnerin mit ihrer erneuten Internetwerbung – Ausdruck vom 18.04.2008 – wortgleich mit den ihr zu Ziffern 5, 8, 9, 10, 11, 12 und 13 des Hauptsachetenors verbotenen Werbeaussagen geworben hat. Alle diese Werbebehauptungen, die sich über viele Seiten erstrecken, lassen nicht im Geringsten erkennen, dass es sich um Wirkungen der Magnetfeldtherapie handelt, die nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Insbesondere auch unter "Wirkweise" werden die verbotenen Wirkungsbehauptungen wortgleich und identisch wiederum als wissenschaftlich belegt erscheinend, in wissenschaftlich gehaltener Sprache und mit entsprechenden Grafiken unterlegt nach außen gegenüber dem Verbraucher publik gemacht.

Der Verstoß ist nicht deshalb zu verneinen, weil weit am Ende der Werbedarstellung nunmehr völlig isoliert sich der Satz befindet, dass man "aus Rechtsgründen" darauf hinweisen "müsse", dass es für die auf dieser Homepage dargestellten Wirkungen der Magnetfeldtherapie und der beworbenen Produkte keine gesicherte wissenschaftliche Bestätigung gebe. Zum einen werden die tatsächlichen Werbeaussagen zu den Wirkweisen hierdurch gerade nicht in relevanter Weise in Frage gestellt, weil dieser Hinweis erkennbar nur Folge einer Rechtspflicht darstellen soll. Der Hinweis liest sich als ein der Sache nach nicht maßgeblicher Formhinweis. Hierin bereits liegt inhaltlich eine erkennbare Distanzierung zu den mangelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen, die man, da die Wirkungsaussagen betont über eine Vielzahl von Seiten aufrecht erhalten werden, dann doch nicht teilt. Vor allem auch die versteckte Platzierung dieses Hinweises, wie sie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, kann nicht als ausreichend angesehen werden, um dem Verkehr mitzuteilen, dass entsprechende wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse tatsächlich nicht vorliegen. Der Text ist zwar in der gleichen Schriftgröße gehalten wie der vorherige Fließtext unter den Überschriften Wirkungsweise, "Nebenwirkungen … keine", Anwendungsdauer, Kontraindikationen. Indes verschwindet der hier in Rede stehende Auflösungshinweis nach der Überschrift und dem Link "Anwendungstabelle" (in Fettdruck) am "letzten" Ende des Textes, wo dieser im Zusammenhang mit Anwendungsfragen auch nicht mehr erwartet wird, so dass ein Leser diesen häufig überhaupt nicht mehr wahrnimmt oder jedenfalls nicht mehr in einer Weise in Bezug nimmt zu den auch räumlichgestalterisch hervorgehobenen Wirkungsweisen. Die Darstellung wird so letztlich in der ursprünglichen Form aufrechterhalten.

Dabei kann auch nicht darauf abgestellt werden, dass dem Verbot angefügt war "wie geschehen … in dem Ausdruck aus dem Internet am 15.03.2004 unter *internetadresse*". Denn eine identische Darstellung ist für die Annahme einer Zuwiderhandlung nicht erforderlich. Ebenso wenig ist aufgrund dessen ein anderer Lebenssachverhalt nicht begründet. Eine Zuwiderhandlung gegen einen Unterlassungstitel liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Schuldner zwar keine identische Handlung, wohl aber eine solche vorgenommen hat, die von dem wettbewerbswidrigen Kern, dem "Charakteristischen" der Handlung, die die Grundlage für die Unterlassungsverurteilung gebildet hatte, nur geringfügig abweicht, ihr aber praktisch gleichwertig ist (st.Rspr., sog. Kerntheorie; vgl. Ahrens-Spätgens, 5. Aufl. 2005, Kap. 64 Rn. 57; Kap. 65 Rn. 9 m.w.N.). Hier aber erweist sich die neue Handlung als im Kernbereich mit den verbotenen Aussagen jedenfalls gleichwertig. Denn es verhält sich immer noch so, dass die Schuldnerin die beanstandeten Werbeaussagen als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis erscheinen lässt. Der nur versteckte Hinweis, der nunmehr ergänzend angefügt ist und der in sich, wie ausgeführt, auch schon wieder eine Distanzierung beinhaltet, reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, um die zunächst einmal eingetretene Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise im Nachhinein wieder zu beseitigen. Der Gläubiger braucht sich insoweit nicht auf die Einleitung eines neuen Erkenntnisverfahrens verweisen zu lassen.

Die Schuldnerin hat auch schuldhaft, zumindest in relevanter Weise fahrlässig gehandelt.

III.

Der Höhe nach ist in diesem Fall die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 5.000, € gerechtfertigt. Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Zu berücksichtigen sind deshalb bei ihrer Festsetzung insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten. Eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen (BGH GRUR 1994, 146, 147 – Vertragsstrafebemessung; 2004, 506 Rn. 52 – Euro-Einführungsrabatt; Ahrens, 5. Aufl. 2005, Kap. 68 Rn. 6 f. m.w.N.). Auf dieser Grundlage ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass ein gewisser Relativierungsversuch stattgefunden hat und dass es sich um das erste Ordnungsmittelverfahren handelt. Indes sind der Verschuldensgrad insofern recht hoch und der Umfang des Verstoßes groß, als eine ansonsten im Kern identische Werbung wortgleich in der verbotenen Weise über eine lange Dauer fortgeschrieben worden ist. Unter Berücksichtigung auch der weiteren Gesamtumstände des Streitfalls ist zur Ahndung dessen die Verhängung eines Ordnungsgelds von 5.000,- € erforderlich, aber auch ausreichend.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

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