Unberechtigte Nutzung einer Open Source Software kann Schadensersatzanspruch begründen

15. Juni 2016
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Schriftzug "Open Source" ist auf ein Straßenschild gedruckt Urteil des LG Bochum vom 03.03.2016, Az.: I-8 O 294/15

Ermöglicht ein Softwareentwickler die kostenlose Verwendung einer von ihm programmierten Open Source Software nur unter der Bedingung, dass bei Verwendung des Programms bestimmte Lizenzbestimmungen eingehalten werden, so liegt eine unberechtigte Nutzung der Software und damit eine Urheberrechtsverletzung vor, wenn diese Pflichten nicht erfüllt werden. Damit steht dem Programmierer ein Schadensersatzanspruch selbst dann zu, wenn die erlaubte Nutzung grundsätzlich kostenfrei ist.

Landgericht Bochum

Urteil vom 03.03.2016

Az.: I-8 O 294/15

Tenor

1.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über

den Zeitraum, in dem die Software „T“ über die Website der Beklagten zum Download angeboten wurde, sowie

die Studierendzahlen für jedes Semester, in dem die Software „T“ über die Website der Beklagten zum Download angeboten wurde.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 2.126,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.06.2015 zu zahlen.

3.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Schadensersatz in der nach Auskunftserteilung gemäß Ziffer 1 noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2015 zu zahlen.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Ausspruchs zu Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 Euro und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen urheberrechtlichen Auskunfts- und Aufwendungsersatzanspruch sowie einen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach aufgrund einer Urheberrechtsverletzung geltend.

Die Klägerin entwickelt Softwarelösungen, die sicheren Zugang zu drahtlosen Netzwerken ermöglichen. So hat sie auch die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Programm „T“ inne. Mit diesem Programm war es Instituten aller Art möglich, eigenen Mitarbeitern bzw. externen Dritten die Verwendung eigener Endgeräte im institutions-eigenen WLAN zu gestatten.

Eine Lizenzierung des hier streitgegenständlichen Programms „T“ lief unter den Bedingungen der H. Dadurch gestattete die Klägerin jedermann die Vervielfältigung, Verbreitung und Veränderung der freien Software unter der Bedingung, dass bei der Weitergabe die Lizenzpflichten der H erfüllt, insbesondere auf die H hingewiesen, der Lizenztext der H beigefügt und der Quellcode zugänglich gemacht wurde.

Seit der Version 2.0.x wird der „T von der Klägerin ausschließlich proprietär, d.h. insbesondere gegen Zahlung eines Entgelts, lizenziert. Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der Größe der Einrichtung, die das Recht zur Nutzung des Programms erwirbt.

Die Beklagte ist eine Hochschule mit Standorten in E und F und betreibt ein eigenes WLAN-Netz, womit die Studierenden und Beschäftigten Zugang zum Internet und Intranet erhalten. Gästen anderer Hochschulen wird ebenfalls der Zugang zum Internet gewährt, diese benötigen aber eine Software um das WLAN der Beklagten nutzen zu können. Hierfür hat die Beklagte in der Vergangenheit auf ihrer Internetseite die Open Source Software der Klägerin „SecureW2 EAP Suite 113“ zum Download angeboten, jedoch dabei keinen Lizenztext der H oder Quellcode zur Verfügung gestellt.

Auf die Abmahnung der Klägerin vom 22.05.2015 gab die Beklagte am 27.05.2015 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, lehnte jedoch mit Schreiben vom 19.06.2015 eine Auskunftserteilung, die Erstattung von Aufwendungen oder die Zahlung von Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe ab.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagt habe ihr Urheberrecht verletzt, indem sie die Software ohne Lizenztext der H und ohne Quellcode öffentlich zugänglich gemacht habe.

Die Klägerin behauptet, sie habe das streitgegenständliche Programm „T“ zugleich mit dem Binärcode zum Download angeboten. Mit dem Binär- und Quellcode sei auch der Lizenztext der H mitgeliefert worden. Zusätzlich sei der Lizenztext auch mittels eines Links auf derselben Website zum Download angeboten worden.

Weiter behauptet die Klägerin, sie habe bis zum 05.05.2015 keine Kenntnis davon gehabt, dass die Beklagte die Software ohne Lizenztext und Quellcode zum Download angeboten habe. Erst im April 2015 sei ein Mitarbeiter damit beauftragt worden, auf den Websites deutscher Bildungseinrichtungen zu recherchieren, ob die lizenzrechtlichen Bedingungen erfüllt worden seien.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über

den Zeitraum, in dem die Software „T“ über die Website der Beklagten zum Download angeboten wurde, sowie

die Studierendzahlen für jedes Semester, in dem die Software „T“ über die Website der Beklagten zum Download angeboten wurde;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihr die erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 2.126,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.06.2015 zu ersetzen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie Schadensersatz in der nach Auskunftserteilung gemäß Ziffer 1 noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Zudem bestreitet die Beklagte, dass die Klägerin die streitgegenständliche Version mit Quellcode und Lizenztext der H in den Verkehr gebracht habe. Sie selbst habe – was zwischen den Parteien unstreitig ist − die Software von der Website des C heruntergeladen. Dieses Archiv habe weder den Lizenztext der H noch den Quellcode für das streitgegenständliche Programm enthalten, was für ihren Mitarbeiter nicht erkennbar gewesen sei. Sie ist der Ansicht, es fehle daher an einem Verschulden ihrerseits.

Zudem ist sie der Ansicht, da es sich um eine freie Open Source und nicht um eine kommerzielle Software handele, sei der Klägerin kein Schaden entstanden. Lizenzgebühren hätte die Klägerin, selbst wenn die Software mit Lizenztext der H und Quellcode zum Download angeboten worden wäre, nicht verlangt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 242 BGB, 97 UrhG einen Anspruch auf Auskunft darüber, in welchem Zeitraum seitens der Beklagten die Software „T“ zum Download angeboten wurde und wie hoch die Studierendenzahl der Beklagten in diesem Zeitraum war.

Nach § 242 BGB besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.

Zwischen den Parteien besteht aufgrund eines Schadensersatzanspruchs wegen Urheberrechtsverletzung die erforderliche Sonderverbindung (OLG München, NJW-RR 1992, 749).

Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG.

Eine Verletzung des Urheberrechts der Klägerin ist allein darin zu sehen, dass die Beklagte die streitgegenständliche Software ohne Lizenztext und Quellcode i.S.v. § 69 c Nr. 4 UrhG öffentlich zugänglich gemacht hat. Bei dieser Software handelt es sich um eine sog. Open-Source-Software, deren Nutzung gemäß der H kostenlos und deren Weiterentwicklung gestattet ist. Die Nutzungsberechtigung setzt jedoch die Wahrung der H voraus. Erforderlich ist danach insbesondere, dass auf die H hingewiesen, der Lizenztext der H beigefügt und der Quellcode zugänglich gemacht wird (Ziffern 1 und 3 der H). Die Beklagte hat unstreitig diese Bedingungen der H nicht eingehalten. Ziffer 4 der H bestimmt, dass ein Lizenzverstoß automatisch zu einem Erlöschen der Lizenzrechte führt, so dass eine unberechtigte Nutzung durch die Beklagte vorliegt.

Die Beklagte hat die Urheberrechtsverletzung auch zu vertreten, denn sie hat zumindest fahrlässig gehandelt. Die Klägerin hat die Software nur unter den Bedingungen der H veröffentlicht und hierzu ausweislich der als Anlagen K 10 eingereichten Screenshots den erforderlichen Quellcode und die Lizenzbedingungen neben dem Download des Programms auf ihrer Internetseite zur Verfügung gestellt. Die Beklagte kann diese Angaben mit ihrem substanzlosen Vorbringen dahingehend, die Klägerin selbst habe die Software ohne Quellcode und Lizenzbedingungen auf den Markt gebracht habe, nicht widerlegen.

Da die Klägerin die kostenfreie Nutzung ihrer Software nur bei Einhaltung der Bestimmungen der H erlaubt hat, steht ihr bei Nichteinhaltung dieses Regelwerks ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu, mag auch die berechtigte Nutzung kostenfrei sein. Wollte man der Rechtsauffassung der Beklagten folgten, wären die Urheber von unter den Bedingungen der H veröffentlichter Software praktisch rechtslos gestellt. Warum die Möglichkeit eines Unterlassungsanspruchs seitens der Klägerin ihren Anspruch auf Schadensersatz ausschließen soll – wie von der Beklagten vorgebracht −, erschließt sich der Kammer nicht.

2.

Auch hat die Klägerin einen Anspruch auf Abmahnkosten gemäß § 97 a UrhG in Höhe von 2.126,94 Euro. Unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin erscheint die Annahme eines Gegenstandswertes von 100.000,00 Euro angemessen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

3.

Überdies war festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der sich nach erteilter Auskunft ergeben wird. Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch erst nach erteilter Auskunft über die Nutzungsdauer und Anzahl der Nutzer beziffern, so dass das erforderliche Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO besteht.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet, da die Beklagte – wie dargelegt – gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG verpflichtet ist, den aus der Urheberrechtsverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

4.

Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt. Dabei kann dahinstehen, ob die Ansprüche gemäß § 102 S. 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB nach 10 Jahren oder gemäß §§ 195, 199 BGB nach 3 Jahren verjähren. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass sie bis zum 05.05.2015 keine Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung durch die Beklagte erlangt hatte, so dass die Klage rechtzeitig erhoben wurde.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.

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