Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

26. September 2007
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Leitsatz:

Arglistige Täuschung (§ 123 BGB) im Zusammenhang mit einem Eintragungsangebot für das Deutsche Gewerberegister. In Fällen, in denen der Verfasser einer Offerte mittels Aufmachung und Formulierung seines Vertragsangebotes gezielt eine Art der Gestaltung wählt, die objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, den Adressaten über die Folgekosten der offerierten Leistung zu täuschen, steht dem Getäuschten selbst dann ein Anfechtungsrecht gemäß § 123 BGB zu, wenn der Adresssat des Schreibens bei sorgfältigem Lesen des Angebots die auf ihn zukommenden Kosten hätte erkennen können.

Landgericht Köln

Urteil vom 26.09.2007

Az.: 9 S 139/07

TENOR:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.04.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach – 61 C 234/06 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a

Abs.1 Satz 1 ZPO abgesehen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Berufung hat Erfolg. Die Klägerin kann von den Beklagten die Begleichung der Rechnung vom 2.5.2005 über 932,64 € unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist aufgrund einer wirksamen Anfechtung vom 3.6.2005 ein vertraglicher Vergütungsanspruch nicht entstanden, §§ 123 Abs.1, 142 BGB (unten I.). Hätten die Beklagten den Vertrag nicht angefochten, so stünde der Klägerin ebenfalls kein Vergütungsanspruch zu, da sie ihre Verpflichtung aus dem Vertrag ohnehin nicht ordnungsgemäß erfüllt hat (unten II.).

I.
a) Durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 3.6.2005 wurde die Annahmeerklärung zum Vertrag vom 18.4.2005 wirksam angefochten. Die Beklagten können sich darauf berufen, seitens der Klägerin bei Vertragsschluss arglistig getäuscht worden zu sein. Das Anfechtungsrecht gemäß § 123 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Anfechtende sich bei Abgabe seiner Willenserklärung aufgrund einer der Gegenseite zurechenbaren Täuschungshandlung über einen vertragswesentlichen Umstand geirrt hat, und der Irrtum seine Entschließung – hier zum Vertragsschluss – zumindest beeinflusst hat (so zum Beispiel BGH NJW 1982, 2861, 2863). Die Beklagten machen – von der Klägerin explizit nicht bestritten – geltend, bei Unterschrift unter das „Eintragungsangebot“ sei nicht erkannt worden, dass sich aus der Offerte eine Zahlungsverpflichtung (von immerhin über 1.850,- Euro bezogen auf eine zweijährige Vertragslaufzeit) ergibt. Die Klägerin habe vielmehr den Adressaten der Offerte über den zu zahlenden Gesamtpreis bewusst getäuscht.

b) Zunächst ist der Klägerin zwar darin zuzustimmen, dass sie im streitgegenständlichen Vertragsformular die einzelnen Faktoren, aus denen sich der Jahresbeitrag des Angebots ergibt, durchaus konkret benennt. So heißt es im Angebotstext ausdrücklich: „Marketingbeitrag mtl. zzgl. MwST: EUR 67,-„. Multipliziert man diesen Betrag mit 12 Monaten und setzt die Umsatzsteuer hinzu, so ergibt sich der von der Klägerin eingeforderte Jahresbetrag (932,64 €). Allein wegen der Art der Preisangabe „mtl. zzgl. MwST: EUR 67,-«  ist danach kein Fall einer Täuschung begründbar, da der Jahresbeitrag zwar in seiner Gesamtsumme nicht ausdrücklich aufgeführt, er für einen durchschnittlichen Kunden allerdings unschwer zu berechnen ist (vgl. in diesem Zusammenhang BGH NJW 1993, 2052, 2054).

Als mögliche Täuschungshandlung im Rahmen des § 123 BGB kommt indes nicht nur das Vorspiegeln falscher oder das Entstellen oder Verschweigen bestehender Tatsachen trotz Aufklärungspflicht in Betracht (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, 66. Aufl. § 123 Rn. 3 ff.). Als Handlungsvariante der arglistigen Täuschung kommt darüber hinaus auch jedes andere Verhalten in Betracht, sofern es geeignet ist, beim Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung zu beeinflussen. So reicht es aus, wenn der Handelnde sich darüber bewusst ist, dass sein Verhalten jedenfalls in der Gesamtschau aller Einzelakte geeignet ist, den anderen in die Irre zu führen. Er muss insoweit zumindest mit der Möglichkeit rechnen, der Gegner würde bei Kenntnis aller Umstände die begehrte Willenserklärung nicht oder nicht mit dem erhofften Inhalt abgeben (vgl. BGH VersR 1985, 156; BGH NJW 1982, 2861, 2863 m.w.N.), wobei ein bedingter Vorsatz beim Täuschungswillen für die Annahme eines „arglistigen“ Verhaltens im Sinne des § 123 BGB ausreicht (vgl. BGH NJW-RR 1998, 904). Es ist – entgegen den Ausführungen im angegriffenen Urteil – für die Berechtigung zur Anfechtung nicht entscheidend, ob die Beklagten ihrerseits die im geschäftlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet oder hinsichtlich des „Überlesens“ gewisser Vertragsinformationen selbst fahrlässig gehandelt haben (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGHZ 33, 302, 310; BGH NJW 1971, 1795, 1798 m.w.N.; BGH NJW 1989, 287, 288). Die Bestimmung des § 123 BGB verfolgt ersichtlich das Ziel, ein auf Arglist und Täuschung beruhendes Geschäftsgebaren in aller Regel die Rechtswirkung zu nehmen. Es muss mithin auch derjenige anfechten können, der dem Täuschenden die Irreführung leicht gemacht hat (BGH NJW-RR 2005, 1082, 1083). Mit anderen Worten: soweit der Irrtum beim Kunden durch ein rechtserhebliches Täuschungsverhalten der Klägerin ausgelöst worden ist, so scheitert die Möglichkeit zur Vertragsanfechtung nicht daran, dass der Irrtum der Beklagten auch auf eigene Fahrlässigkeit im Umgang mit Werbepost beruht. Andererseits kann ein besonders hohes Maß an Unaufmerksamkeit auf der einen Seite im Rahmen der Gesamtabwägung dazu führen, dass der anderen Seite ein arglistiges Täuschungsverhalten nicht mehr nachgewiesen werden kann. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage sind die Umstände des Einzelfalles, eine rein schematische Bewertung verbietet sich. Insbesondere in Fällen, in denen der Verfasser eines Vertragsangebotes mittels Aufmachung und Formulierung eine Art der Gestaltung wählt, die objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine fehlerhafte Vorstellung über die tatsächlichen Angebotsparameter hervorzurufen, kann eine Täuschung selbst dann angenommen werden, wenn der wahre Charakter des Schreibens bei sorgfältigem Lesen hätte erkannt werden können (vgl. BGH NJW 2001, 2187, 2189). Die jeweilige Täuschung muss mithin planmäßig eingesetzt worden und nicht bloß Folge, sondern Zweck des Handelns sein (BGH a.a.O.) Der Bundesgerichtshof hat dies an genannter Stelle für das Strafrecht ausdrücklich festgestellt. Die Grundsätze gelten indes gleichermaßen für das Zivilrecht (vgl. nur BGH NJW-RR 2005, 1082, 1084): so kommt es nach der Rechtsprechung des BGH bei einer lediglich irreführenden Darstellung im Angebotsschreiben vor allem darauf an, wie stark maßgebliche Vertragsparameter verzerrt oder entstellt aufbereitet worden sind.

c) Vorliegend führt die Gesamtschau der Umstände nicht nur zur Annahme einer von der Klägerin in Kauf genommenen, sondern zu einer klägerseits sogar beabsichtigten Täuschung der von ihr angeschriebenen Unternehmen. Bereits der Text, der Aufbau und die konkrete Gestaltung des „Eintragungsangebots“ legen diesen Schluss nahe. Eine endgültige Gewissheit hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der arglistigen Täuschung – auch in Bezug auf den erforderlichen Täuschungswillen der Klägerin – ergibt sich zudem aus der Strafverurteilung des Geschäftsführers der Klägerin wegen ähnlicher Geschäfte im sog. „Adressbuchbereich“ durch das Landgericht Frankfurt am Main im Jahre 2004 (Urteil vom 1.12.2004 – 5/12 KLs 92 Js 20791/99 -). Auf die einschlägigen Internethinweise zum Geschäftsgebaren der Klägerin sowie auf den Rat der Industrie und Handelskammer (IHK) W., die Rechnungen der Klägerin nicht zu bezahlen (vgl. Bl. 31 d.A.), weisen die Beklagten zutreffend hin.

Zunächst fällt auf, dass die Klägerin ihre Offerte im Briefkopf mittels Großlettern überschreibt mit:

DEUTSCHES GEWERBEVERZEICHNIS

FÜR INDUSTRIE, HANDEL UND GEWERBE.

Das Anschreiben erweckt so durch Wortwahl und äußere Gestaltung einen offiziellen und beinahe amtlichen Eindruck. Auch ein in geschäftlichen Angelegenheiten erfahrener Betrachter kann beim Lesen des Angebots zu der Auffassung gelangen, Absender des Schreibens sei das „Deutsche Gewerbeverzeichnis“ und die Y-Presse- und Medienverlag GmbH – soweit man diesen Namen im Schreiben überhaupt wahrnimmt – führe für das „Deutsche Gewerbeverzeichnis“ lediglich die Bewerbung durch. Dieser Eindruck verfestigt sich beim Leser durch die weitere Abfassung. So heißt es in der Betreffzeile der Offerte:

Deutsches Gewerbeverzeichnis

Hier: Eintragungsangebot zur Empfehlung Ihres Hauses

Auch diese Formulierung suggeriert, man habe es offiziell mit der Einrichtung des „Deutschen Gewerbeverzeichnisses“ zu tun, wobei sich erneut das „Deutsche Gewerbeverzeichnis“ als Vertragspartner aufdrängt (und nicht etwa die Firma der Klägerin). Diese Fehlvorstellung wird beim Leser auch im weiteren Text des Anschreibens,

„Sehr geehrte Damen und Herren,

die Bereitstellung Ihrer vollständigen und korrekten Daten durch das Deutsche Gewerbeverzeichnis ermöglicht die Empfehlung Ihres Hauses an Gewerbetreibende und Endkunden aus Ihrer Region, sowie dem gesamten Bundesgebiet. Zur Vermittlung und Darstellung Ihres Angebots prüfen Sie bitte nach Annahme untenstehende Basisauskunft und senden diese bis (…) zur Bearbeitung an uns zurück. Vielen Dank!“

genährt. Folgerichtig endet die persönliche Anrede des Schreibens mit den Worten:

„Mit freundlichen Grüßen

Ihr Deutsches Gewerbeverzeichnis“.

Der Verdacht, dass die Klägerin mit der Gestaltung der Offerte bewusst die Person des Absenders und des potentiellen Vertragspartners zu verschleiern sucht wird dadurch bestärkt, dass die Klägerin ansonsten in Angelegenheiten des „Deutschen Gewerbeverzeichnisses“ durchaus ihre offizielle Firmenbezeichnung (eben: Y-Presse- und Medienverlag GmbH) im Briefkopf verwendet (vgl. nur den Briefkopf der zur Akte gereichten Rechnung der Klägerin vom 2.5.2005, Bl. 5 d.A.).

Auch ist das vorliegende Eintragungsangebot von der Klägerin so abgefasst, dass bei einem potentiellen Kunden leicht der Eindruck entstehen kann, lediglich eine kostenlose Leistung in Anspruch zu nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in dem von ihr gerichtsbekannt (vgl. nur die Verfahren 9 S 88/07 sowie 9 S 44/07 vor der erkennenden Kammer, denen gleichgelagerte Sachverhalte zugrunde liegen) vielfach versandten Formular ausdrücklich einen monatlichen Vergütungsbeitrag von 67,- Euro zzgl. MwSt. benennt. Der Markt für Internet-Firmenverzeichnisse ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass zahlreiche Anbieter den Verbänden und Gewerbetreibenden den Grundeintrag kostenlos andienen (vgl. hierzu u.a. BGH NJW 2005, 67, 68). Die Klägerin konnte ohne weiteres davon ausgehen, dass diese Praxis einem Großteil der von ihr angeschriebenen Firmen bekannt ist. Bei dieser Ausgangslage konnte sie damit rechnen, dass eine gewisse – und sei es auch eher geringe – Anzahl der angeschriebenen Firmen beim Lesen des Eintragungsangebots davon ausgehen wird, letztlich nur eine sogenannte Korrekturfahne erhalten zu haben, welche zum Ziel hat, die Richtigkeit der zu veröffentlichenden Adressdaten im Internet sicherzustellen. Folgerichtig bittet die Klägerin in ihrem Serienbrief den Adressaten auch nachdrücklich darum, die klägerseits bereits vorausgefüllten Datenfelder des Formulars zu „prüfen“ und zu korrigieren bzw. zu „ergänzen“. Durch den bereits voreingetragenen Betriebsnamen (nebst Adresse, Telefonnummer und Branchenart) wird beim Adressaten zudem der Anschein eines bereits bestehenden Registereintrags und einer bereits laufenden Geschäftsbeziehung hervorgerufen. Gerade wegen der unverbindlich klingenden Bitte um Überprüfung und Korrektur allgemein bekannter Daten sowie aufgrund des Umstandes, dass keiner der Adressaten mit Gesamtkosten von über 1.850,- Euro für eine einfache Onlineeintragung rechnen musste, konnte die Klägerin darauf bauen, dass dieser – überhöhte – Preis zumindest von einigen Kunden schlicht übersehen wird. Dass die klägerseits vorgegebene Höhe der Jahresvergütung von insgesamt 932,64 € nicht mit dem tatsächlichen Aufwand korrespondiert, der für die Erstellung und Pflege einer einfach gestalteten Web-Seite anfällt, ergibt sich nicht zuletzt aus der Preisentwicklung des „Deutschen Gewerbeverzeichnisses“ selbst. Es ist gerichtsbekannt (vgl. nur das Angebot der Klägerin vom 9.11.2004, allgemein im Internet zugänglich unter http://www.gegenjustizunrecht.ru/6-Online/6-a-Hintergundmaterial/Mehr-info/100-200-HS-Firmen-Info/108-Taeubert.htm, Trick und Methode, Das Trickformular = Formularmuster Februar 2005 zu DPM), dass die Klägerin die streitgegenständliche Offerte zur Eintragung in das „Deutsche Gewerbeverzeichnis“ im November 2004 – also 5 Monate vor dem Vertragsschluss mit den hier Beklagten – noch für monatlich 27,- Euro netto auf dem Markt angeboten hat. Eine derartige „Preisdynamik“ legt nahe, dass die Höhe der Vergütung ohne jeden Sachbezug zu den wirklichen Kosten festgelegt wird, zumal viele Anbieter einen vergleichbaren Eintrag kostenlos durchführen.

Im Übrigen wird seitens der Klägerin die Rechtsverbindlichkeit, die mit der Rücksendung des ausgefüllten Formulars für den Kunden einhergeht, bewusst verschleiert: so heißt es – worauf die Beklagten zu Recht hinweisen – unter „Löschung/Betriebsaufgabe“ völlig überraschend:

„Das Deutsche Gewerbeverzeichnis behält sich vor, Eintragungsanträge, welche nicht zum Gesamtangebot des Dienstes passen, abzulehnen. Mit Rücksendung dieses unterzeichneten Angebotes gilt die Basisauskunft als verbindlich bestellt. Es gelten die umseitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen“.

Eine Vertragsgestaltung mit derart versteckten Hinweisen auf Allgemeine Geschäftsbedingungen und Verbindlichkeitsklauseln, in deren Rahmen zudem seitens der Klägerin die Bestellalternative „Basisauskunft“ für 67,- Euro mtl. bereits vormarkiert (!) ist – und zwar mittels eines nicht besonders auffälligen Punktes im Wahlfeld –, mithin vom Kunden für einen Vertragsschluss gar nicht mehr bewusst ausgewählt werden muss (vgl. Bl. 3 d.A.), ist jedenfalls nicht ausreichend transparent. Auch die von der Klägerin gewählte Formulierung zur Vergütung („Marketingbeitrag mtl. zzgl. MwST: EUR 67,-„) ist geeignet, von einem unaufmerksamen Kunden nicht richtig verstanden zu werden. So ist schon der Begriff „Marketingbeitrag“ im Lichte der konkreten Offerte unklar. Auch hat die Klägerin die Tatsache des „monatlichen“ Beitrags geschickt mit „mtl.“ im Rahmen mehrerer Abkürzungen eher unauffällig platziert. Die gewählte Abkürzung „mtl.“ ist schon deshalb besonders geeignet, den Vertragspartner von einer monatlich wiederkehrenden Zahlpflicht abzulenken, weil die Klägerin unmittelbar hinter die Preisangabe den Zusatz „Datensätze gelten für ein Jahr“ gestellt hat. Bei dieser Anzahl objektiver Täuschungsmerkmale sei nur am Rande darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Gesamtbewertung des streitgegenständlichen Angebots ebenfalls irreführend erscheint, auf der Vorderseite des Formulars ausdrücklich auf eine Laufzeit der „Datensätze“ von einem Jahr hinzuweisen, derweil auf der Rückseite des Serienbriefs unter den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin die Mindestvertragslaufzeit für den vergütungspflichtigen Registereintrag mit immerhin zwei Jahren festgelegt wird.

d) Die Klägerin kann angesichts des dargestellten Befundes nicht mit Erfolg einwenden, in Bezug auf die Offerte ohne Täuschungswillen gehandelt zu haben. So lassen vorliegend die objektiv festgestellten Tatsachen (vgl. insoweit BGH WM 1985, 673) nur die Annahme eines von Täuschungswillen getragenen Verhaltens der Klägerin zu. Die Täuschungsabsicht der Klägerin steht vorliegend auch deshalb zweifelsfrei fest, weil der Geschäftsführer der Klägerin – gerichtsbekannt (vgl. nur die Urteile der Kammer in den Verfahren 9 S 44/07 und 9 S 88/07 vom 04.07.2007) – wegen vergleichbarer Geschäftsgebaren bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten und vom Landgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 1.12.2004 wegen abertausender von Betrugsstraftaten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden ist. Der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/Main (Urteil vom 1.12.2004 – 5/12 KLs 92 Js 20791/99 -) lagen u.a. folgende Feststellungen tatsächlicher Art zugrunde (zitiert nach juris; gemäß den Angaben in juris veröffentlicht auch in WRP 2005, 642 ff.):

„Zwischenzeitlich (…) ging der Angeklagte darüber hinaus im Zusammenhang mit der Verwendung von 0190-Service-Telefonnummern einer weiteren, allerdings betrügerischen Geschäftstätigkeit nach, indem er in Zeitungsannoncen den Eindruck erweckte, Stellenangebote vermitteln zu können, und die Anrufer von seinen Mitarbeitern in lange kostenpflichtige Telefonate verwickeln ließ. Wegen dieser Tätigkeit befand sich der Angeklagte von Ende November 1996 bis Anfang Februar 1997 in Untersuchungshaft und wurde am 18.02.2000 vom Landgericht … wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, wobei die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und die Strafe zwischenzeitlich erlassen wurde. (…)

Im Mai 1998 begann der Angeklagte, unter dem Namen verschiedener Firmen rechnungsähnlich aufgemachte Angebotsschreiben an Firmen zu versenden, die kurz zuvor eine Eintragung im Handelsregister angemeldet hatten, die im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden war (…) Durch die drucktechnische Gestaltung und die Wortwahl wollte der Angeklagte den Angebotscharakter des Schreibens, der bei sorgfältiger Durchsicht erkennbar war, bewusst verschleiern. (…) Er ging davon aus und genau darauf kam es ihm an, dass zumindest ein Teil der angeschriebenen Firmen, die aufgrund der vorangegangenen Handelsregistereintragung auf eine Rechnung warteten, aufgrund einer nur oberflächlichen Prüfung den Angebotscharakter seines Schreibens übersehen und aufgrund einer irrtümlich angenommenen Zahlungspflicht Zahlung leisten würden. Ferner war ihm bewusst, dass jedenfalls ein Großteil der zahlenden Firmen an den angebotenen Leistungen kein Interesse haben und zudem gar nicht erkennen würden, dass ihnen im Hinblick auf die mit der Zahlung erfolgte Angebotsannahme Gegenansprüche zustehen. Mit diesem Vorgehen verfolgte der Angeklagte das Ziel, sich selbst auf Kosten der getäuschten Firmen zu bereichern und sich eine fortdauernde Einnahmequelle zu verschaffen. (…) Von den angeschriebenen Firmen zahlten mindestens 5.000 den im Angebotsschreiben ausgewiesenen Betrag in Höhe von DM 1.235,40 bzw. ab Januar 2002 in Höhe von Euro 1.235,40. Ein Teil dieser Firmen zahlte den Betrag sogar mehrfach. Eine Abfrage der laut den versandten Schreiben angebotenen Leistungen durch diese Firmen erfolgte in der Regel nicht. (…) Der Angeklagte erzielte aus der geschilderten Geschäftstätigkeit einen Umsatz in Höhe von mindestens Euro 4,4 Mio. Dieser Betrag verteilt sich folgendermaßen auf die verschiedenen Tatzeiträume: In der Zeit zwischen Mai 1998 bis zum Beginn seiner Untersuchungshaft erzielte der Angeklagte bei Versendung von mindestens 30.016 Schreiben einen Umsatz in Höhe von mindestens Euro 998.000,–, im Zeitraum nach seiner Untersuchungshaft bis April 2001 erzielte er bei Versendung von mindestens 20.000 Schreiben einen Umsatz von mindestens Euro 640.000,– und im Zeitraum danach erzielte er bei Versendung von mindestens 14.000 Schreiben einen Umsatz von mindestens Euro 2,78 Mio.“

Aufgrund der strafrechtlich einschlägigen Erfahrungen ihres Geschäftsführers mag die Klägerin im Rahmen der Organisation der (neuen) Variante eines (Online-)Ver-zeichnisses durchaus versucht haben, sich mittels einer ausgefeilteren Verschleierungsmethode „besser“ gegen den Vorwurf strafbaren oder sittenwidrigen Handelns abzusichern. Dies ändert allerdings nichts daran, dass in Anbetracht der dargestellten Gesamtgestaltung des streitgegenständlichen Serienbriefes sowie aufgrund der skizzierten Vorstrafen des Geschäftsführers hier zweifelsfrei von einer bewussten Irreführung auszugehen ist, und die Täuschung der Kunden klägerseits von Anfang an intendiert war: die Klägerin und ihr Geschäftsführer haben (erneut) in zivilrechtlich unzulässiger Weise darauf gesetzt, dass im Rahmen der vielfach versandten Offerten eine gewisse Anzahl an Kunden der „Bauernfängerei“ (so die Wortwahl des OLG Düsseldorf in einem vergleichbaren Sachverhalt, Urteil vom 25.4.2002 – 2 U 137/01) verfängt und sie – die Klägerin – am Ende einen stattlichen Gewinn einfährt (zur einschlägigen Geschäftsmethode vgl. auch: Kötter/Zirkel, Eintragungsverträge – Abwehrmöglichkeiten gegen unberechtigte Honorarforderungen von Adressbuchverlagen, MDR 2005, 185, 186 m.w.N.). Insbesondere scheitert die Annahme einer Täuschungsabsicht nicht daran, dass von den zahlreich angeschriebenen Firmen vergleichsweise wenige das Formular unterschrieben an den Absender zurücksenden. Der Bundesgerichtshof hat bereits im „Henghuber-Fall“ (NJW 2005, 67, 68) ausgeführt:

(…) „Entgegen der Ansicht der Revision spricht auch die von der Bekl. behauptete geringe Rücksendequote von 0,41% nicht gegen die tatrichterlich festgestellte Gefahr einer Irreführung. Denn diese Quote bezieht sich auf sämtliche Empfänger des an über drei Millionen Personen verschickten Schreibens, wohingegen nicht bekannt ist, wieviele Empfänger das Werbeschreiben überhaupt zur Kenntnis genommen haben. Über das Ausmaß der Irreführungsgefahr besagt die behauptete Rücksendequote daher nichts.“

Die Klägerin weiß, dass – ausgehend von den im Urteil des Bundesgerichtshofs genannten Daten – bei drei Millionen versandten Offerten selbst bei einer Rücksendequote von 0,41 % (dies entspricht 12.300 Rückläufern) und einem Vergütungsanspruch von 1.864,- Euro für zwei Jahre (diesen behauptet die Klägerin vorliegend gegenüber dem beklagten Verband) ein Gesamthonoraranspruch von knapp 23.000.000,– Euro ausreichend lukrativ wäre.

II.
Ungeachtet der rechtswirksamen Anfechtung des Vertrages scheitert nach Ansicht der Kammer ein Vergütungsanspruch gemäß § 631 Abs.1 BGB auch daran, dass die Klägerin die von ihr versprochene Leistung bislang überhaupt nicht erbracht hat. Die Klägerin hat den Beklagten eine Eintragung in „das Deutsche Gewerbeverzeichnis“ zugesagt; die Eintragung zur Firmenauskunft der Beklagten ist stattdessen unter der von der Klägerin eingerichteten Web-Adresse www…..de erfolgt. Titel des Verzeichnisses ist somit die – im Geschäftsverkehr und unter Suchgesichtspunkten eher schwerfällige und wenig einprägsame Bezeichnung „Gewerbeerfassung“. Wird diese Seite aufgerufen, so erscheint auch kein als „Deutsches Gewerbeverzeichnis“ erkennbares Register oder Sachverzeichnis, sondern eine mit „Gewerbeerfassung.de“ überschriebene und mit einer Suchfunktion versehene Internetseite. Auf dieser ist u.a. zu lesen:

„Das Deutsche Gewerbeverzeichnis bildet ein unabhängiges Servicenetz und Informationsportal für ein umfangreiches Gewerbeverzeichnis in Deutschland. Das Deutsche Gewerbeverzeichnis dient als eine überregionale Gewerbeauskunft.

Das Deutsche Gewerbeverzeichnis bietet die Möglichkeit mit anderen Unternehmen rasch in Verbindung zu treten, dies auf der Grundlage ständig aktualisierter Datenbestände. Das Deutsche Gewerbeverzeichnis soll ferner dem Informationssuchenden die Möglichkeit geben, sich rasch erforderliche Kenntnisse und eventuell Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen Die hierdurch entstehende Informations- und Kommunikationsverbesserung ist entscheidend um als deutsches Unternehmen national, wie auch international, konkurrenzfähig zu sein und sich auch konkurrenzfähig, durch die Präsentation im Deutschen Gewerbeverzeichnis, darzustellen. Um diese Aufgabe zu erfüllen und zu erleichtern, steht unsere Datenbank mit Geschäftsadressen bzw. Gewerbeadressen sortiert nach, unter anderem, Branchen und Tätigkeitsschwerpunkten dem Geschäftskunden wie auch dem Privatkunden zur Verfügung. Die Datenbank des Deutschen Gewerbeverzeichnis wird konstant modifiziert, erweitert und auch aktualisiert, um die aktuellsten Gewerbeinformationen bereitszustellen.

Das Informationsportal der Deutschen Gewerbeverzeichnis stellt für den Informationssuchenden die Möglichkeit da, Kontakte zu Endkunden, Geschäftskunden Anleger und/oder zukünftige Geschäftspartner aufzubauen.

Desweiteren stehen dem Informationssuchenden auf dem Informationsportal des Deutschen Gewerbeverzeichnis diverse aktuelle und interessante Serviceangbote zur Verfügung, die kostenlos angeboten werden.“

Die Beklagten mussten sich aufgrund der Offerte der Klägerin keinesfalls mit einer Eintragung ihrer Adressdaten auf einer unter mehrfacher Missachtung von Grammatik- und Rechtschreiberegeln wenig professionell erstellten Webseite mit dem Namen „Gewerbeerfassung.de“ zufrieden geben. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, dass das beklagte Versicherungsbüro sich auch nicht damit begnügen muss, seine Daten auf einer Internetseite zu hinterlegen, welche die Anzahl ihrer Besucher offenkundig nicht ordnungsgemäß zählt. So wird ein Aufruf der Seite auch im Rahmen einer browsergesteuerten Seitenaktualisierung sogleich als neuer Besuch gezählt. Der in diesem Zusammenhang gerichtsbekannten Möglichkeit zur Manipulation der (dokumentierten) Gesamtanzahl der Seitenbesucher hat die Klägerin für ihren Webauftritt nichts entgegengesetzt. Sie erweckt für Besucher der Seite mithin nicht den Anschein von Seriosität. Selbst für eine Großstadt wie Köln weist das von der Klägerin erstellte Gewerberegister gerade mal 22 Einträge auf (Stichtag: 09.07.2007). Es ist schlichtweg unmöglich, dass die Seite der Klägerin bei derart wenigen Firmeneinträgen bereits 760.930 Besucher zum genannten Stichtag hatte.

III.
Abschließend sei angemerkt, dass der streitgegenständliche Vertrag vom 18.4.2005 – ohne dies in der vorliegenden Fallkonstellation abschließend entscheiden zu müssen – auch sittenwidrig und damit nichtig sein dürfte, § 138 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin im konkreten Fall eine mögliche Unerfahrenheit der Beklagten bei Vertragsschluss ausgenutzt hat (vgl. § 138 Abs. 2 BGB) oder im Rahmen des „Marketinggeschäfts“ die Zahlung einer wucherähnlichen Vergütung durchsetzen wollte (vgl. § 138 Abs. 1 BGB). Der Vertragsschluss auf Eintragung der Gewerbedaten der Beklagten in das „Deutsche Gewerbeverzeichnis“ ist nämlich seitens der Klägerin in der erkennbaren und ausschließlichen Absicht initiiert worden, den Vertragspartner zu schädigen und sich dabei ohne nennenswerte Gegenleistung auf Kosten des Gegenübers zu bereichern (siehe oben unter I.). Ein derartiges Geschäftsgebaren ist nach Beweggrund und Zweck mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren (BGHZ 146, 298, 301; 107, 92, 97; 86, 82, 88) und verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (vgl. nur BGH NJW 2005, 2991, 2992). Dabei ist im Rahmen der anstehenden rechtlichen Überprüfung nicht nur der objektive Gehalt des betroffenen Rechtsgeschäfts zu würdigen, sondern es sind auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, sowie die Absicht und die hinter dem Rechtsgeschäft stehenden Motive in die Gesamtschau einzubeziehen (vgl. BGH NJW-RR 1998, 590, 592). Liegt dem Vertragsschluss eine Täuschung im Sinne von § 123 BGB zugrunde, müssen zwar besondere Umstände hinzukommen, damit das Rechtsgeschäft nach seinem Gesamtcharakter (sogar) als sittenwidrig und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB als nichtig eingestuft werden kann (für den vergleichbaren Fall einer widerrechtlichen Drohung vgl. BGH NJW 1988, 2599, 2601 m.w.N.). Soweit allerdings über die Täuschungshandlung im Sinne von § 123 BGB hinaus auch die für eine Straftat gemäß § 263 Abs. 1 StGB erforderliche Bereicherungsabsicht sowie die bewusste Schädigung des Vermögens des Vertragspartners hinzukommen (vgl. hierzu Palandt, BGB-Kommentar, 66. Aufl. § 123 Rn. 2), so ist grundsätzlich von einem insgesamt sittenwidrigen Vorgehen der einen Seite auszugehen. Dies gilt erst recht für Fallkonstellationen in denen der Vertragspartner – wie hier – Opfer einer strafrechtlich relevanten Betrügerei geworden ist: keinesfalls stellt sich die Rechtsordnung schützend vor Verträge oder Forderungen, die durch ein einseitig strafrechtlich relevantes Verhalten erlangt worden sind, § 138 Abs. 1 BGB (vgl. nur Schack/Westermann, BGB, 6. Aufl., Rn. 262).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Sachverhalt gibt keine Veranlassung, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 932,64 €

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