Auslegung gleich lautender Begriffe in einem Patentanspruch

13. Februar 2017
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Patenturkunde Urteil des BGH vom 05.10.2016, Az.: X ZR 21/15

Gleiche Begriffe haben im Zusammenhang eines Patentanspruchs im Zweifel auch gleiche Bedeutung. Ein unterschiedliches Verständnis eines Begriffs im Oberbegriff und im Kennzeichen eines Patentanspruchs oder sonst in unterschiedlichen Zusammenhängen kommt nur dann in Betracht, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen ein solches Verständnis ergibt.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 05.10.2016

Az.: X ZR 21/15

 

Tenor

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter (…), die Richter (…), (…), (…) und (…) für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2015 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4c-Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 30. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel trägt die Beklagte.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin des deutschen Patents 101 24 624, das unter Inanspruchnahme der Priorität einer inländischen Erstanmeldung vom 17. März 2001 am 21. Mai 2001 angemeldet wurde (nachfolgend: Klagepatent). Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Zungenvorrichtung für eine Weiche, insbesondere für Straßenbahngleise, aus einem aus einem Vollblock hergestellten, im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett, dadurch gekennzeichnet, dass der obere Teil (1) der Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett (4) aus einem Stahl hochfester Güte und der untere Teil (2) der Zungenvorrichtung aus Baustahl besteht, wobei der obere Teil und der untere Teil miteinander verbunden sind.“

Patentanspruch 2 stellt ein Herzstück für eine Weiche unter Schutz. Die Patentansprüche 3 bis 5 sind unmittelbar oder mittelbar auf die Patentansprüche 1 oder 2 rückbezogen. Eine u. a. von der Beklagten erhobene Klage auf Nichtigerklärung des Klagepatents ist hinsichtlich der Patentansprüche 1 bis 4 in beiden Instanzen erfolglos geblieben (BPatG, Urteil vom 5. Mai 2014 – 7 Ni 4/14, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2016 – X ZR 47/14, juris).

Die Beklagte stellt her und vertreibt Weichenanlagen, in denen von der Beklagten auch als „Monoblockzungenvorrichtung“ bezeichnete Zungenvorrichtungen eingesetzt werden (angegriffene Ausführungsform). Bei einer solchen „Monoblockzungenvorrichtung“, die in der nachfolgenden Zeichnung schematisch dargestellt ist, ist der obere Teil aus einem Vollblock aus Stahl hochfester Güte hergestellt, während der untere Teil aus einfachem Baustahl besteht und sich aus drei miteinander verschweißten Einzelteilen zusammensetzt. Der obere und der untere Teil sind ebenfalls durch Schweißen zusammengefügt.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung und die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat zur Abweisung der Klage geführt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Der Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Das Streitpatent betrifft eine Zungenvorrichtung sowie ein Herzstück für eine Weiche, insbesondere für Straßenbahngleise. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass Zungenvorrichtungen mit einem Zungenbett, auf dem die Weichenzunge hin und her gleiten könne, vorzugsweise zusammengeschweißt oder, wie in der deutschen Offenlegungsschrift 40 11 523 offenbart, aus einem Vollblock herausgefräst würden (Abs. 2).

Bei der Zungenvorrichtung müssten anschließend die Verschleißflächen im Kontaktbereich zwischen Rad und Schiene und der Gleitbereich der Zunge im Zungenbett gehärtet werden. Das Härten sei jedoch sehr aufwändig und kostspielig. Zudem entstünden durch die Wärmebehandlung Spannungen und Verzug. Die Teile der Zungenvorrichtung müssten entsprechend aufwändig manuell gerichtet werden (Abs. 3).

Es sei auch bekannt, eine Zungenvorrichtung oder ein Herzstück für eine Weiche aus einem Vollblock aus einem Stahl hochfester Güte herzustellen. Bei diesem Verfahren sei ein nachträgliches Härten nicht erforderlich. Nachteilig sei jedoch, dass der hochfeste Stahl sehr teuer sei. Hinzu komme, dass die Vollblöcke in der benötigten Güte und Stärke auf dem Markt nur mit Mühe beschafft werden könnten (Abs. 4).

Nach den Angaben der Klagepatentschrift liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, die Materialkosten für eine Zungenvorrichtung oder ein Herzstück für eine Weiche, hergestellt aus einem Vollblock, zu reduzieren.

Das soll nach Patentanspruch 1 durch eine Zungenvorrichtung mit folgenden Merkmalen erreicht werden:

1. a) Zungenvorrichtung für eine Weiche,

1. b) aus einem aus einem Vollblock hergestellten, im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett;

1. c) der obere Teil (1) der Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett (4) besteht aus einem Stahl hochfester Güte;

1. d) der untere Teil (2) der Zungenvorrichtung besteht aus Baustahl;

1. e) der obere Teil und der untere Teil sind miteinander verbunden.

Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung (Figur 1) stammt aus der Klagepatentschrift und zeigt beispielhaft ein erfindungsgemäßes Zungenbett: […]

II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Klagepatents nicht, weil bei ihr der untere Teil der Zungenvorrichtung nicht – wie patentgemäß gefordert – aus einem Vollblock gewonnen werde, sondern durch Zusammenschweißen einzelner Profilteile hergestellt sei. Der vom Patentgericht im Nichtigkeitsverfahren vertretenen Ansicht, dass sich das Teilmerkmal „aus einem Vollblock hergestellt“ allein auf den oberen mit dem Zungenbett ausgestatteten Teil der Zungenvorrichtung, nicht aber auf den unteren Teil aus Baustahl beziehe, sei zu widersprechen. Lasse man die lediglich den Verwendungszweck erläuternden und deshalb für die Schutzbereichsbestimmung unerheblichen Anspruchsteile weg, beanspruche das Klagepatent Schutz für eine „Zungenvorrichtung aus einem im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett“. Für den Fachmann sei diese Formulierung trotz ihrer grammatikalischen Unzulänglichkeit nicht unverständlich. Sie sei dahin zu verstehen, dass die patentgemäße Zungenvorrichtung durch das (im Wesentlichen trogförmige) Zungenbett gebildet werde, womit beide Formulierungen des Oberbegriffs – „Zungenvorrichtung“ und „Zungenbett“ – synonym seien. Dem stehe nicht entgegen, dass das Wort „Zungenbett“ im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 abermals erscheine, indem vorgesehen sei, dass „der obere Teil der Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett“ aus hochfestem Stahl bestehe. Zwar werde das „Zungenbett“ dort als bloßer Bestandteil der patentgemäßen Zungenvorrichtung ausgewiesen, während das „Zungenbett“ im Rahmen des Oberbegriffs synonym mit der Gesamtvorrichtung sei. Es gebe aber keinen Auslegungsgrundsatz, wonach gleiche Begriffe eines Patentanspruchs stets in demselben Sinne zu interpretieren seien. Daher stehe der Überlegung nichts entgegen, dass der Begriff „Zungenbett“ im Rahmen des Oberbegriffs die Gesamtvorrichtung umschreibe und im Kennzeichen – konkreter – die Auflagefläche umschreibe, auf der die Weichenzunge verschoben werde und die Fahrzeugräder abrollten. Mithin müsse die zweiteilige Zungenvorrichtung der Vorgabe genügen, aus einem Vollblock hergestellt zu sein.

Dies finde der Fachmann in der Aufgabenformulierung der Klagepatentschrift und in den Vorteilsangaben zur patentgemäßen Lösung bestätigt, wenn darin auf die Kostenreduzierung für eine Zungenvorrichtung abgestellt werde, die aus einem Vollblock hergestellt sei. Mit der Forderung nach einer aus einem Vollblock gewonnenen Zungenvorrichtung grenze sich das Klagepatent von Lösungen ab, bei denen die Backenschiene aus einzelnen Teilen zusammengebaut, vorzugsweise geschweißt worden sei. Das gehe aus dem einleitenden Beschreibungstext hervor, wo darauf hingewiesen werde, dass Zungenvorrichtungen aus einzelnen Teilen zusammengebaut oder aus einem Vollblock herausgefräst würden. Indem sich Patentanspruch 1 auf eine Zungenvorrichtung beziehe, die „aus einem Vollblock hergestellt“ sei, werde klargestellt, dass das Klagepatent die andere Lösung nicht in Betracht ziehe. Entsprechend werde in der Beschreibung von dem aus der deutschen Patentschrift 40 11 523 bekannten Lösungskonzept einer Monoblock-Weise und nicht von dem Ansatz eines aus verschiedenen Komponenten zusammengebauten Profilkörpers ausgegangen.

III. Diese Auslegung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des Patentanspruchs 1 zunächst nur die Merkmale des Oberbegriffs in den Blick genommen und ist aufgrund einer vor allem an sprachlichen Kriterien – wie dem herkömmlichen Verständnis des Begriffs eines „Trogs“ – ausgerichteten Analyse zu dem „Zwischenergebnis“ gekommen, dass die Formulierungen „Zungenvorrichtung“ und „Zungenbett“ nach dem Verständnis des Klagepatents synonym seien. Zwar ist das Berufungsgericht danach auch auf den kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs eingegangen, wonach das Zungenbett als bloßer Bestandteil des oberen Teils der Zungenvorrichtung ausgewiesen wird. Es hat sich insoweit aber mit der Feststellung begnügt, dass gleiche Begriffe eines Patentanspruchs nicht stets in demselben Sinne zu interpretieren seien und deshalb der Überlegung nichts entgegenstehe, den Begriff des Zungenbetts im Rahmen des Oberbegriffs, der die Gesamtvorrichtung beschreibe, anders auszulegen als im Kennzeichen, das die Auflagefläche umschreibe.

Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass gleichen Begriffen im Rahmen der Auslegung eines Patentanspruchs in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutungen zukommen können. Das ist aber nur dann anzunehmen, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung auch der Beschreibung und der Kennzeichnungen ein solches Verständnis ergibt. Dabei ist es für die Auslegung ohne Bedeutung, ob die gleichen Begriffe im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs verwendet werden, da der äußere Aufbau des Patentanspruchs als solcher für die Ermittlung des Gegenstands des Patents außer Betracht zu bleiben hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1994 – X ZR 102/91, 1994, GRUR 1994, 357, 358 – Muffelofen; Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl. (2015), § 14 PatG Rn. 13). Entscheidend sind vielmehr der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern (BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 27 – Polymerschaum), wobei im Zweifel gleichen Begriffen im Rahmen eines Patentanspruchs auch die gleiche Bedeutung zuzumessen ist.

2. Im vorliegenden Fall sieht Patentanspruch 1 vor, dass sich die Zungenvorrichtung aus einem oberen und einem unteren Teil zusammensetzt, wobei der obere Teil das Zungenbett aufweist und aus einem Stahl hochfester Güte besteht, während der untere Teil aus Baustahl besteht, und die Teile miteinander verbunden sind. Aus der weiteren Angabe, dass die Zungenvorrichtung „aus“ einem aus einem Vollblock hergestellten, im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett bestehen soll, ergibt sich zwar für den oberen, das Zungenbett aufweisenden und aus einem Stahl hochwertiger Güte bestehenden Teil der Zungenvorrichtung die Notwendigkeit, aus einem Vollblock gebildet zu sein, nicht aber für dessen unteren Teil, der aus Baustahl bestehen soll, aber offensichtlich kein Zungenbett umfasst. Demnach kommt, wie bereits das Patentgericht in seinem Urteil im Nichtigkeitsverfahren (aaO, juris Rn. 63 ff.) zutreffend angenommen hat, dem sowohl in Merkmal 1b als auch in Merkmal 1c verwendeten erfindungsgemäßen Begriff der Zungenvorrichtung dieselbe technische Bedeutung zu.

Dem steht auch nicht entgegen, dass, nimmt man den Patentanspruch beim Wort, die Zungenvorrichtung nach Merkmal 1b „aus“ einem – aus einem Vollblock hergestellten – Zungenbett (bestehen oder hergestellt) sein soll, was bei rein philologischer Betrachtung eher auf eine aus einem Vollblock geschaffene Gesamtvorrichtung hindeuten könnte. Die Formulierung, die auch das Berufungsgericht als „grammatikalisch unzulänglich“ bezeichnet hat, ist erkennbar missglückt. Zum einen ist die Zungenvorrichtung nach den Merkmalen 1c und 1d zweiteilig und weist – naturgemäß – nur der obere Teil ein Zungenbett auf.

Zum anderen ist auch der obere Teil nicht „aus“ einem Zungenbett gearbeitet, sondern vielmehr das Zungenbett „aus“ dem oberen Teil. Schließlich ergibt sich aus der Zweiteiligkeit, dass nicht die gesamte Zungenvorrichtung aus einem Vollblock herausgearbeitet sein kann, sondern allenfalls ihr oberer und ihr unterer Teil jeweils aus einem Vollblock bestehen können. Hiernach bietet die Formulierung des Patentanspruchs in Merkmal 1b – deren sprachliche Unzulänglichkeit sich zwanglos beseitigen lässt, indem die Präposition „aus“ bei ihrem ersten Auftreten als „mit“ gelesen wird – keine zureichende Grundlage für die sachlich ohnehin fernliegende Annahme des Berufungsgerichts, im Oberbegriff werde die Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett gleichgesetzt. Entscheidend ist vielmehr der technische Sinngehalt des Patentanspruchs, zu dessen Verständnis insbesondere auch die Beschreibung mit heranzuziehen ist.

Danach ist es das Ziel der Erfindung, die Materialkosten für eine Zungenvorrichtung, hergestellt aus einem Vollblock, zu reduzieren (Abs. 5). Diese Zielsetzung beruht auf der Erkenntnis, dass aus einem Monoblock hochwertigen Stahls hergestellte Zungenvorrichtungen gegenüber Zungenvorrichtungen, die aus einzelnen Teilen zusammengebaut werden, neben qualitativen Vorzügen (Vermeidung von Spannungen und Verzug beim Härten) den Zeit- und Kostenvorteil haben, dass das Zungenbett nicht mehr aufwändig gehärtet werden muss (Abs. 3 f.). Unter Beibehaltung dieser Vorteile werden die Kosten weiter gesenkt, wenn – wie in Patentanspruch 1 vorgesehen – nicht mehr die gesamte Zungenvorrichtung aus einem Vollblock hochwertigen Stahls gebildet wird, sondern sich die Zungenvorrichtung stattdessen aus einem oberen und einem unteren Teil zusammensetzt, wobei nur noch der obere Teil mit dem Zungenbett aus einem Vollblock aus hochwertigem Stahl besteht (Merkmal 1b und 1c), während der untere Teil aus Baustahl bestehen kann (Merkmal 1d) und beide Teile miteinander verbunden sind (Merkmal 1e). Hinsichtlich des unteren Teils ist es insoweit unerheblich, ob dieser gleichfalls aus einem Vollblock aus Baustahl gebildet wird oder sich aus einzelnen Teilen dieses Materials zusammensetzt. In der Beschreibung wird die Vorteilhaftigkeit einer aus einem Vollblock bestehenden gegenüber einer aus einzelnen Teilen gebildeten Zungenvorrichtung ausschließlich in Zusammenhang mit der Herstellung des im Gebrauch besonders belasteten Zungenbetts erörtert, das, wenn der Vollblock aus hochwertigem Stahl besteht, nicht mehr gehärtet werden muss, sondern aus diesem passgenau herausgefräst werden kann (Abs. 2 ff.; vgl. auch die als Stand der Technik in der Beschreibung des Klagepatents in Bezug genommene vorveröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 40 11 523 [K3]). Hingegen findet sich in der Beschreibung kein Anhalt dafür, dass auch mit der Bildung des unteren Teils der Zungenvorrichtung aus einem Vollblock aus Baustahl ein Kostenvorteil oder sonstiger erfindungsgemäß angestrebter Vorteil gegenüber einem sich aus mehreren einzelnen Teilen zusammensetzenden unteren Teil der Zungenvorrichtung erreicht werden soll. Das stützt die Annahme, dass sich Merkmal 1b allein auf den oberen Teil der Zungenvorrichtung nach Merkmal 1c mit dem Zungenbett bezieht.

Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass bei dem in den Figuren 1 und 2 gezeigten erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel der untere Teil der Zungenvorrichtung aus einem Vollblock aus Baustahl gebildet ist, da ein Ausführungsbeispiel regelmäßig keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs erlaubt (BGH, Urteil vom 7. September 2004 – X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 210 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung).

Gleiches gilt im Hinblick auf Patentanspruch 2, der ein Herzstück unter Schutz stellt und ausdrücklich für den Gesamtgegenstand vorsieht, dass dieser aus einem Vollblock hergestellt sein soll, während sich Patentanspruch 1 insoweit lediglich auf das den oberen Teil der Zungenvorrichtung bildende Zungenbett bezieht. Insofern mag es auch sein, dass, wie die Beklagte in der Verhandlung vorgetragen hat, sich der Anmelder des Klagepatents keine Rechenschaft darüber abgelegt hat, welche Schlussfolgerungen sich aus der erfindungsgemäßen Lehre für die Ausgestaltung des – aus einem anderen Material als der obere Teil herzustellenden – unteren Teils der Zungenvorrichtung ergeben, und insofern subjektiv der – auch aus dem Ausführungsbeispiel ersichtlichen – Vorstellung von einem (zweiten) Vollblock verhaftet gewesen sein mag, wie auch die Anforderung, aus einem Vollblock hergestellt zu sein, in Patentanspruch 2 das Herzstück und damit die Gesamtvorrichtung betrifft. Auch die Formulierung der Aufgabe mag hierfür sprechen. Für die Auslegung eines Patents entscheidend ist jedoch nicht die subjektive Vorstellung des Anmelders, sondern die objektivierte Sicht des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt, die nach den obigen Ausführungen zu dem genannten Ergebnis führt (ständige Rechtsprechung, etwa: BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 – X ZR 74/05, BGHZ 184, 49 Rn. 18 – Kettenradanordnung II).

IV. Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Der Senat kann die Sache selbst entscheiden, weil zusätzliche Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind und die Sache daher entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts und des Landgerichts setzt sich die als patentverletzend angegriffene Zungenvorrichtung für eine Weiche aus einem oberen Teil und einem unteren Teil zusammen. Der obere Teil ist aus einem Vollblock eines Stahls hochfester Güte hergestellt, während der untere Teil aus Baustahl besteht. Dass dieser sich aus drei miteinander verschweißten Einzelteilen zusammensetzt und damit nicht aus einem Vollblock besteht, steht nach der obigen Auslegung des Patentanspruchs 1 einer Verwirklichung des Merkmals 1b nicht entgegen. Schließlich sind auch der obere und der untere Teil der Zungenvorrichtung durch Schweißen zusammengefügt. Die als patentverletzend beanstandete Zungenvorrichtung der Beklagten verwirklicht damit die Lehre aus Patentanspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß.

2. Aus den weiteren rechtsfehlerfreien Ausführungen des Landgerichts ergibt sich zudem die Begründetheit der Klageansprüche im erstinstanzlich zuerkannten Umfang, so dass auf die Revision das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen ist.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 29. Januar 2015 – I-2 U 28/13 –
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 30. April 2013 – 4c O 6/13 –

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